Vom Geist "in die Wüste" geführt - Aus erster Hand...

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Salome23
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#1 Vom Geist "in die Wüste" geführt - Aus erster Hand...

Beitrag von Salome23 » Sa 16. Mai 2015, 08:34

Inspiriert durch eine Aussage von closs und sven:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann wüßte man wenigstens aus erster Hand, was er gesagt, gedacht und getan hat.
Auch dann würde man von Hinz bis Kunz alles Mögliche hineindeuten. - Wenn man geistig versteht, weiss man auch so, was Jesus aus erster Hand gedacht hat.

Als ich das erste Mal diese Bibelstelle Matthäus 4,1-11 las, dachte ich mir, woher der Schreiber wusste, was sich da genau in der Wüste abgespielt hatte....
Woher hatte er diese Information?
1 Dann wurde Jesus von dem Geist in die Wüste hinaufgeführt, um von dem Teufel versucht zu werden;
2 und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn schließlich.
3 Und der Versucher trat zu ihm hin und sprach:....
Als Jesus nach der 40 tägigen Versuchung in der Wüste zurück kehrte, sagte er dann zu den Jüngern: "Ey, Kumpels, hört mal her, ich muss euch erzählen, was ich alles erlebt habe..."

Fand es genau so "real" statt, wie es geschrieben steht oder ist es nur ein Sinnbild?

closs
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#2 Re: Vom Geist "in die Wüste" geführt - Aus erster Hand...

Beitrag von closs » Sa 16. Mai 2015, 09:07

Salome23 hat geschrieben:Fand es genau so "real" statt, wie es geschrieben steht oder ist es nur ein Sinnbild?
Beides muss sich nicht widersprechen: Etwas kann gleichzeitig "real" und auch Sinnbild sein - Goethe hat sehr genau gewusst, warum er am Ende seine Lebens seinen Faust II beendet hat mit dem Satz "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis" (danach kommt nur noch das Weibliche mit seiner besonderen Bedeutung - das ist aber ein anderes Thema).

Was den/die Schreiber angeht: Da ist von "Inspirierung durch den Heiligen Geist" bis von ihm erfundene Sinnbild alles drin - wir können es nicht entscheiden - es ist reine Glaubenssache. - Die inhaltliche Bewertung ist gottseidank davon unberührt.

Salome23
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#3 Re: Vom Geist "in die Wüste" geführt - Aus erster Hand...

Beitrag von Salome23 » Sa 16. Mai 2015, 09:12

closs hat geschrieben: Da ist von "Inspirierung durch den Heiligen Geist" bis von ihm erfundene Sinnbild alles drin - wir können es nicht entscheiden ...
...es könnte aber durchaus auch erfunden worden sein ;)

Also wir können es nicht "wissen" :D

Was bedeutet es, vom Geist "in die Wüste" geführt werden?
Auf welche Art führt der Geist Christen "in die Wüste"?
Woran kann der Christ es erkennen?

2Lena
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#4 Re: Vom Geist "in die Wüste" geführt - Aus erster Hand...

Beitrag von 2Lena » Sa 16. Mai 2015, 09:42

Schon die Lutherbibel lässt deinen Satz relativieren, den du in der Meinung geschrieben hast, nun aber haben die Jünger Jesu das erfahren. In deren Ausdrucksweise kann man "deutsch" verstehen und auch noch etwas von dem Nachempfinden, was vor 500 Jahren noch manchesmal erfasst wurde:
Jesus vom Geist in die Wüste gefürht, auf dass er von dem Teufel versucht würde ...
Hätte er das nicht anderswo gekonnt?
Wozu braucht es die Verführung nach einer Anerkennung?


Berücksichtige, dass im 3. Kapitel die Verklärung Jesu statt fand. Warum ist also der sinnlose Versuch eines Satans (nehme mal an, die Reihenfolge der Erzählungen wurde mit Absicht so zusammen gestellt.) Bei Markus 1 findest du die Taufe Jesu und Versuchung in einem Kapitel.

Lange schon gingen Forschungsbemühungen um die originalen Worte Jesu herauszufinden. Ich verstand es lange nicht, weshalb im Syllabus von Papst Pius IX (1846-1878) so ein Wirbel um Bibelgesellschaften, Modernismus, Pantheismus, Naturalismus, Rationalismus machte. Spätestens, als Markus in *Auslegung vorlag, wurde mir deutlich, warum die Katholische Kirche nie mit "Sprücheklopfen" = erbauliche Bibelverse selektieren gearbeitet hatte. Das Lehrkonzept ist ein völlig anderes.

Die Erlebnisse Jesu sind wahr und sie entsprechen den Erlebnissen der Zeitzeugen. Erfahren wurden sie zudem durch "Schauungen". Wenn ihr die Texte aufschließen könntet, dann ließen sich auch zahlreiche historische Quellen zum fließen bringen. Wie jedoch die Bibelworte "wahr" werden, geschieht auf eine ganz andere Weise. Die Kirche greift auf rabbinische Lehrmethoden zurück.

Merken würdet ihr es an der "Ungenauigkeit 40 Tage und 40 Nächte gefastet". Wenn ein Dichter die Erzählung formuliert, fixiert er: Das Fasten begann abends am Aschermittwoch, in dem Jahr als ... Er hängt sozusagen die Realität in Raum und Zeit. In der rabbinischen Erzählung aber sagen 40 Tage und 40 Nächte "alles", um Jesus und seine Philosophie zu erfahren, mit einem winzigen realen Hinweis.

closs
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#5 Re: Vom Geist "in die Wüste" geführt - Aus erster Hand...

Beitrag von closs » Sa 16. Mai 2015, 09:48

Salome23 hat geschrieben:Also wir können es nicht "wissen"
Nein - wir können streng genommen nicht "wissen", ob etwas Geschriebenes "real" stattfand. - Das ist grundsätzlich so.

Wir können sehr wohl als gesichert ansehen, dass es den "Gallischen Krieg" von Julius Cäsar gab, müssen aber trotzdem kritisch mit Cäsars Schrift "De Bello Gallico" umgehen, weil sich hier Dichtung und Wahrheit mischen können - schließlich hat hier ein Betroffener geschrieben, der Eigen-Interesse hatte. - Da es zum Wüsten-Erlebnis Jesu neben der Bibel keine historisch flankierenden Erkenntnisse gibt, kann es historisch nicht als gesichert angesehen werden.

Salome23 hat geschrieben:Was bedeutet es, vom Geist "in die Wüste" geführt werden?
Das wäre jetzt eine rein geistige Diskussion, die dieselbe bleibt, ob das Wüsten-Erlebnis Sinnbild oder historische Realität ist. - Die "erste Hand" ist dabei nicht historische Erkenntnis, sondern die "con-scientia", also das geistige Bewusstsein, im Menschen, welches entweder aktiviert ist oder nicht.

Jegliche geistige Erklärung ist anfechtbar, da nicht wissenschaftlich falsifizierbar, und setzt ein Erkenntnis-Bild voraus, das mit Adam und Eva beginnt. - Fehlt dieses Erkenntnis-Bild, ist die Bedeutung dieser "Geschichte" nicht erschließbar. - Unter diesen Gesichtspunkten eine Kurz-Deutung:

Der "Sündenfall" ist gleichbedeutend mit der Trennung von Gott-Orientierung und Ich-Orientierung - der Satan ("der Trennende"/"der Hinderer des Vereintseins") steht für die Ich-Orientierung gegen Gott. - Der Gang in die Wüste beschreibt die weltlichen Versuchungen der Ich-Orientierung, denen der zwischen Gott- und Ich-Orientierung angesiedelte Mensch ausgesetzt ist ("Schlaraffenland" - "Du, Mensch, kannst alles an Macht und Lust haben und nie mehr in dieser Wüste sein, wenn Du Dein Knie vor Deinem Ego beugst").

Salome23 hat geschrieben:Auf welche Art führt der Geist Christen "in die Wüste"?
Genauso - jeden Tag. - Nur dass die Ego-Versprechungen etwas bescheidenerer Natur sind. ;)

Salome23 hat geschrieben:Woran kann der Christ es erkennen?
Manchmal ist es leicht, manchmal nur schwer zu erkennen. - Unterscheidung der Geister ist ein schwieriges Geschäft. - Auf die Dauer checkt man es schon - im Einzelfall fällt man manchmal drauf rein.

2Lena
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#6 Re: Vom Geist "in die Wüste" geführt - Aus erster Hand...

Beitrag von 2Lena » Sa 16. Mai 2015, 10:36

closs hat geschrieben:Nein - wir können streng genommen nicht "wissen", ob etwas Geschriebenes "real" stattfand.
Dein Vergleich hinkt - und er verbreitet Unsicherheit. Die Alten haben die wichtigsten Erlebnisse aufgeschrieben um davon Kunde zu geben. Das ist nicht verboten.

Selbstverständlich inspirieren die biblischen Schriften. Diese Wirkung ist beabsichtigt. Es erschließen sich auch die der Vernunft zugewandten Seiten, sobald geübt wird mit den Zahlen und den grammatischen Angaben zu "rechnen". Diese Seite wurde bisher ignoriert und das hat die ganze Predigt "verzogen".

Heraus kam dabei "leeres" Getue, wie es Mystiker vorbrachten: Sündenfall = Trennung von Gott ... unterscheidung der Geister, etc. Daraus kommen natürlich keine Bezüge mehr zum täglichen Leben. Die Abweichung ist komplett.

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Savonlinna
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#7 Re: Vom Geist "in die Wüste" geführt - Aus erster Hand...

Beitrag von Savonlinna » Sa 16. Mai 2015, 10:54

Salome23 hat geschrieben:Inspiriert durch eine Aussage von closs und sven:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann wüßte man wenigstens aus erster Hand, was er gesagt, gedacht und getan hat.
Auch dann würde man von Hinz bis Kunz alles Mögliche hineindeuten. - Wenn man geistig versteht, weiss man auch so, was Jesus aus erster Hand gedacht hat.

Als ich das erste Mal diese Bibelstelle Matthäus 4,1-11 las, dachte ich mir, woher der Schreiber wusste, was sich da genau in der Wüste abgespielt hatte....
Woher hatte er diese Information?
1 Dann wurde Jesus von dem Geist in die Wüste hinaufgeführt, um von dem Teufel versucht zu werden;
2 und als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn schließlich.
3 Und der Versucher trat zu ihm hin und sprach:....
Als Jesus nach der 40 tägigen Versuchung in der Wüste zurück kehrte, sagte er dann zu den Jüngern: "Ey, Kumpels, hört mal her, ich muss euch erzählen, was ich alles erlebt habe..."

Fand es genau so "real" statt, wie es geschrieben steht oder ist es nur ein Sinnbild?

Wenn Du die Chance hast, lies diesen Text mal in einer Interlinear-Version.
Dann sieht man deutlicher, dass hier ein innerer Vorgang von Jesu beschrieben wird. "Wüste" ist im Text keine konkrete Wüste.

Trotzdem ist natürlich noch immer zu fragen:
Woher weiß der Schreiber, welche inneren Erlebnisse Jesus hatte?
Das weiß er natürlich nicht, weil es eine Dichtung ist.

2Lena
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#8 Re: Vom Geist "in die Wüste" geführt - Aus erster Hand...

Beitrag von 2Lena » Sa 16. Mai 2015, 11:26

Savonlinna hat geschrieben:Woher weiß der Schreiber, welche inneren Erlebnisse Jesus hatte?
Das weiß er natürlich nicht, weil es eine Dichtung ist.
Super, deine Entdeckung eines "Scharniers!"

Es ist keine Dichtung, im Sinne malerischer Beschreibung allein.
Die in anderen Sprachen nicht zugängliche Hälfte = Gesetz
(Widerspruch ausschalten, Öde beenden)


Das wiederum ist erfahrbar - aus "eigener" Hand, sobald diese Seite gelöst ist.

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