Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
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Ska'ara
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#1091 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Di 8. Nov 2016, 13:23

Münek hat geschrieben: Bei Theißen hört sich das ganz anders an. Zu Jesu Naherwartung schreibt er in seinem Buch "Der historische Jesus", S. 252/253:

"Hier konzentrieren wir uns auf das Problem der IRRTÜMLICHEN Naherwartung Jesu. Gleichgültig wie man die in seiner Verkündigung impliziten Terminperspektiven deutet. Es bleibt immer das Problem: Jesus verkündigte eine nahe Gottesherrschaft, es kam aber das Christentum, das sich von der "Gottesherrschaft" oft weit entfernte. Jesus hat NICHT mit dem Weiterbestehen der Welt für so lange
Zeit gerechnet.
...Die irrtümliche Naherwartung Jesu (und der ersten Christen) hat im Urchristentum keine große Krise ausgelöst.
Jedoch wurde das Problem registriert..."
Da ihr euch so gerne wiederholt und ich auch so schlau sein möchte, habe ich Fragen:
Was heißt Naherwartung?
Wurde tatsächlich eine zeitige Gottesherrschaft erwartet?
Bringt ihr diese Dinge in Zusammenhang und wenn, warum?

Jesus erschien einigen vor deren Tod ... das war's!

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Münek
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#1092 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Di 8. Nov 2016, 15:07

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Nie würde er auf den abstrusen Gedanken verfallen, seine Feststellung könne ebenso gut falsch sein.
Ich denke schon, dass er seine Aussage ernst gemeint hat und um die Relativität von Methodiken weiss. - Im Grunde müsste man ihn mal fragen, was er persönlich glaubt - entweder dasselbe oder etwas anderes - beides wäre nicht überraschend.
Seine Überzeugung, dass sich Jesus geirrt hat, hat er in seinem Buch "Der historische Jesus" klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht. Mit dieser Auffassung befindet er sich auf einer Linie mit allen anderen neutestamentlichen Exegeten - mit einer Ausnahme: Klaus Berger, der seine Professorenkollegen als Bibelfälscher verunglimpft und von diesen nicht ernstgenommen wird.

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Münek
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#1093 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Di 8. Nov 2016, 15:16

fin hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Bei Theißen hört sich das ganz anders an. Zu Jesu Naherwartung schreibt er in seinem Buch "Der historische Jesus", S. 252/253

Hallo Münek,
ich möchte dich an meine letzte Frage erinnern, da mich deine Antwort (ernsthaft) interssiert. Ich hoffe, daß du den humorvollen Ton nicht falsch aufgefasst hast. Warum bist du - als Atheist - mit der Materie so gut vertraut, was treibt dich - einen Atheisten - an/hier um?

Grüße
fin
"Interessanteres als das Entstehen der christlichen Religion lässt sich in der Geistesgeschichte schwerlich finden."

(So der erklärte Atheist, ehemaliger Herausgeber des SPIEGEL und Autor des Bestsellers "Jesus Menschensohn" Rudolf Augstein)

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#1094 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Di 8. Nov 2016, 17:16

Münek hat geschrieben:Seine Überzeugung, dass sich Jesus geirrt hat, hat er in seinem Buch "Der historische Jesus" klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht.
Seine methodische Überzeugung - ja. Mich würde interessieren, ob er das auch persönlich meint. - Du erinnerst Dich vielleicht an den anderen HKM-ler, der in einem SPIEGEL-Interview gemeint hat, dass bei ihm wissenschaftlich-methodische und persönliche Meinung NICHT übereinstimmen würden. Das könnte ja auch bei Theißen so sein.

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#1095 Re: Theodizee

Beitrag von fin » Di 8. Nov 2016, 17:29

Münek hat geschrieben: "Interessanteres als das Entstehen der christlichen Religion lässt sich in der Geistesgeschichte schwerlich finden."
(So der erklärte Atheist, ehemaliger Herausgeber des SPIEGEL und Autor des Bestsellers "Jesus Menschensohn" Rudolf Augstein)

Danke für den Hinweis. Habe mir besagtes Buch bereits vorgemerkt und werde darauf zurückkommen.

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#1096 Re: Theodizee

Beitrag von fin » Di 8. Nov 2016, 18:34

-- Grundfragen der Theodizee --

An dieser Stelle würde ich euch gerne auf meinen ersten Thread: Ausgangsfrage/n der Theodizee aufmerksam machen, welcher sich der Ausgangsfrage der Theodizee widmet. Hiesige Gesprächsfäden haben mich dazu inspiriert - Danke.

Grüße
fin

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#1097 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Di 8. Nov 2016, 18:46

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Seine Überzeugung, dass sich Jesus geirrt hat, hat er in seinem Buch "Der historische Jesus" klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht.
Seine methodische Überzeugung - ja. Mich würde interessieren, ob er das auch persönlich meint. - Du erinnerst Dich vielleicht an den anderen HKM-ler, der in einem SPIEGEL-Interview gemeint hat, dass bei ihm wissenschaftlich-methodische und persönliche Meinung NICHT übereinstimmen würden. Das könnte ja auch bei Theißen so sein.
Sollte der von Theißen konstatierte Irrtum Jesu seinem Glauben, falls er diesen hat, keinen Abbruch getan haben, so wäre das seine persönliche Sache. Rahner, Bultmann, Küng, Kasper u.a. renommierte Theologen waren/sind tiefgläubige Christen, die sich aber aus Gründen der intellektuellen Redlichkeit nicht gescheut haben, einen Irrtum Jesu einzuräumen.

Darüber solltest Du einmal ernsthaft nachdenken.

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#1098 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Di 8. Nov 2016, 22:43

Münek hat geschrieben:Sollte der von Theißen konstatierte Irrtum Jesu seinem Glauben, falls er diesen hat, keinen Abbruch getan haben, so wäre das seine persönliche Sache.
Richtig - deshalb kann man ihn ja schlecht fragen. - Korrekt ist, dass er unter den von ihm vorgetragenen Vorbehalten methodisch klar der Meinung ist, dass Jesus eine Naherwartung hatte.

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#1099 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Mi 9. Nov 2016, 05:20

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Sollte der von Theißen konstatierte Irrtum Jesu seinem Glauben, falls er diesen hat, keinen Abbruch getan haben, so wäre das seine persönliche Sache.
Richtig - deshalb kann man ihn ja schlecht fragen. - Korrekt ist, dass er unter den von ihm vorgetragenen Vorbehalten methodisch klar der Meinung ist, dass Jesus eine Naherwartung hatte...
... die sich so, wie er es sich vorstellte, nicht erfüllt hat (Karl Rahner); denn nach den neutestamentlichen Quellen hat Jesus mit dem Anbruch der Gottesherrschaft noch innerhalb seiner Generation gerechnet - und sich darin geirrt (Gerd Theißen). :thumbup:

So ist es korrekt formuliert.

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sven23
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#1100 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Mi 9. Nov 2016, 06:20

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du hoffst also immer noch, dass der wahre Jesus ein ganz anderer war, als in den ältesten Quellen beschrieben und dass die Texte, die 70 Jahre später geschrieben wurden, authentische Jesusworte übermitteln, woher auch immer?
Zwei mal ein falscher Ansatz:

1) Es geht nicht um die Un-Authentizität alter Quellen, sondern um deren Verständnis im Gesamt-Kontext..
ÄH, eigentlich geht es in der historischen Jesus-Forschung schon darum, wie glaubwürdig Quellen sind. Da scheinst du grundlegend auf dem Holzweg zu sein.

closs hat geschrieben: 2) Es geht nicht darum, ob Jesus sagte "Gott ist die Liebe" (wie es "Johannes" meint), sondern darum, ob "Johannes" damit den Kern der jesuanischen Botschaft 70 Jahre später authentischer trifft als frühere Quellen...
Die Forschung hat ja gerade die Liebe nicht als Kern der jesuanischen Botschaft herausgearbeitet. Die Akzentuierung auf das Liebesgebot ist eine spätere Zuschreibung der Evangelisten.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn du das, was wir hier schreiben, aufmerksamer lesen und verinnerlichen würdest, geht der Vorwurf an dich zurück. Wir haben Theißen u. a. oft genug im Original zitiert.
Aber offensichtlich ganz anders verstanden als ich.

Wenn ich ihn richtig verstehe, sagt er: " 'Jesus hatte eine Naherwartung' ist eine schlüssige Aussage im Rahmen der HKM. - Ob dies der damaligen Realität entspricht steht unter dem Vorbehalt, dass jegliche Methodik immer nur ein Versuch ist, dem, was der Fall war, gerecht zu werden - es kann auch genauso falsch sein". - Dies entnehme ich zu Theißens Gunsten aus dem letzten Zitat, das Du von ihm gebracht hast.
Da wird er sich aber freuen, wenn du es zu seinen Gunsten auslegst. :lol:
Es ist der derzeitige Stand der Forschung auf Basis der Quellenlage. Die Naherwartung hat sich aber seit Beginn der historisch-kritischen Forschung immer wieder bestätigt. Darin konnten auch Heerscharen von Glaubensdogmatikern und Kanonikern nichts ändern.
Zuletzt geändert von sven23 am Mi 9. Nov 2016, 06:25, insgesamt 1-mal geändert.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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