Andy hat geschrieben:Pluto hat geschrieben:Kennst du Prophetien, de bereits eingetreten sein könnten, die man nicht auch besser anders deuten kann?
Was hälst Du beispielsweise von
Jesaja 53?
Den Abschnitt bin ich vor Jahren schon einmal durchgegangen. Wie folgt:
Eine Prophezeiung muss hinreichend genau und widerspruchsfrei sein:
Die Aussage: Morgen regnets oder auch nicht wäre z.B. keine Prophezeiung, da zu ungenau.
Die Aussage: Morgen regnets an dem Punkt wo ich hier stehe. Und morgen stelle ich fest, es ist kein Tropfen Wasser vom Himmel gefallen. Dann fehlt die Widerspruchsfreiheit.
Dies wende ich jetzt auf Jesaja 53 an (Versangaben als Bezug zu Beginn)
4 Krankheit und Schmerzen treffen eine ungeheuere Vielzahl von Menschen, von Adam bis heute. Nach damaligen Denken wurde der Umstand, dass jemand krank ist, für eine Strafe Gottes für falsches Verhalten gehalten.
Schmerzen für jemand anderes auf sich zu nehmen ist ein Akt der Liebe, der dem Menschen nicht fremd ist und in Kreisen von Gläubigen eine sehr bekannte Übung sein müsste – zu allen Zeiten
5 Der Umstand durchbohrt zu sein, trifft nicht nur auf das Nageln bei der Kreuzigung zu. Zu der Zeit als der Autor die Zeilen schrieb, war das Durchbohren von einem Schwert der erfahrbare Hintergrund. Wenn Israel für sein Fehlverhalten von Gott mit Krieg gestraft wurde, so wurden die Soldaten durchbohrt für die Missetat des Volkes. Die Beschreibung ist also wieder ungenau (läßt sich nicht auf einen kleineren Personenkreis einschränken).
Abgesehen davon, dass das Wort, das da im Hebräischen steht, gar nicht durchbohrt heißt (aber neben 6,7 anderen Bedeutungen so heißen kann).
Ein Widerspruch taucht auf durch den Umstand „zerschlagen“. Jesus war durchbohrt, aber nicht zerschlagen, nicht einmal seine Beine wurden mit ein Schlag zerschlagen.
Der Umstand Wunden sind geheilt durch das Übernehmen einer Strafe ist kein physikalisch beobachtbarer Vorgang sondern impliziert das Herstellen eines Zusammenhangs im Rahmen einer Interpretation: z.B. der Soldat wird verwundet, er hat die Strafe des Volkes auf sich genommen. Auch hier ist es schwer, eine auch nur hinreichende Genauigkeit herzustellen.
6 nicht beobachtbarer Sachverhalt, sondern Schlussfolgerung in Bezug auf 5
7 Die Anzahl der Mißhandelten in der Welt ist bedauerlicherweise unbegrenzt. Auch in Einbeziehung der zusätzlichen Konditionen aus dem bisher Erörterten ergibt sich keine ausreichende Genauigkeit.
Widersprüchlich ist die Aussage, dass er bei der Strafe seinen Mund nicht auftat. Das geht noch bei Markus auf, nicht aber bei den anderen Evangelisten.
Schwer einzuordnen ist der Sachverhalt „sich beugen“ wenn jemand an ein Kreuz genagelt ist. Wenn man die physikalisch noch möglichen Bewegunsabläufe als „sich beugen“ verstehen, ist das „sich beugen“ noch unkonkreter als im ursprünglichen Wortsinn.
8 Übertretungen des Volkes bestätigen die alternativen Möglichkeiten, die ich bei 5 bereits dargelegt hatte und die in die Ungenauigkeit der Prophezeiung führen. Drangsal, Gericht und Geschlagenwerden sind zu unkonkret (auch in der Verbindung mit den anderen unkonkreten Tatbeständen). Was umfasst das „Volk“? Jesus ist für alle gestorben, oder nur für sein Volk Israel?
9 In sich widersprüchlich. Grab bei Gottlosen und Gruft bei Reichem. Auch eine Gruft ist ein Grab. Eine Lösungsmöglichkeit für die Widersprüchlichkeit wäre es, dass das Grab von einem gottlosen Reichen ist. Wer war das dann bei Jesus? Wird er so bezeichnet im NT?
Der Umstand „kein Unrecht getan“ und „kein Betrug in seinem Mund“ kann sich grundsätzlich von der Aussage her auf zwei verschiedene Umstände beziehen: derjenige, der gemeint ist, hat NIE eins von beiden getan, oder er hat es zumindest im Zusammenhang mit seinem Gericht (und Drangsal) nicht selbst getan. Es müsste dastehen (für Jesus) er hat nie unrecht getan und nie Falsches geredet.
10 Es fehlt, warum es dem Herrn gefiel. Der konkrete Zweck der „Zerschlagung“. In Bezug auf die Konditionen vorher die einzubeziehen sind: Es fehlt der Kern der Aussage: dass für ALLE unsere Sünden der Tod dieses Menschen erforderlich wurde. Deswegen kann es sich immer um eine Strafe Gottes auf Einzelvergehen von Personen oder Personengruppen (Volk Israel) handeln.
In diesem Vers gibt es bei der Übersetzung sogar verschiedene legitime Möglichkeiten. Luther z.B. übersetzt mit „so wollte ihn der Herr zerschlagen mit KRANKHEIT“. Das entsprechende hebräische Wort gibt dies her. Also zumindest noch unkonkreter, wenn auch kein direkter Widerspruch hierdurch!
In Summe: bislang zu unkonkret, es könne auf eine nicht näher bestimmte Vielzahl von Personen zutreffen. In Teilen widersprüchlich „zerschlagen“ trifft auf Jesus nicht zu, das Grab ist im NT nicht verifiziert: war der Eigentümer des Grabes ein gottloser Reicher? Der Reiche war zumindest ein Fan von Jesus. Jesus war am Kreuz auch nicht wortlos, wie gefordert.
Vers 3: Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit (hier taucht das Wort Krankheit im Hebräischen eindeutig auf). Er war so verachtet, dass man das Gesicht vor ihm verbarg. - Das trifft bei Jesus schlicht nicht zu. Zu überlegen wäre theoretisch, ob die „Krankheit“ bei Jesus Kreuzigung vorlag, auch der Umstand, dass man sein Gesicht vor ihm verbarg. Selbst wenn dies nun zuträfe, den Satz 3 muss man im Kontext von Satz 2 verstehen und da spricht die Plausibilität gegen diese Deutung (der Bezug auf das Ende des Lebens dieses Mannes).