piscator hat geschrieben:
Diese "Neu- oder Wiedergeburt" ist für mich auch so ein Ding, mit dem ich absolut nichts anfangen kann.
Wenn ich an Gott ohnehin glaube, wozu brauche ich das Ganze? Und wenn ich mich im Laufe meines Lebens bekehre, warum braucht es
dann überhaupt die Wiedergeburt? In das nicht eine Sache des Herzens, die nur mich und Gott etwas angeht.
Für mich bedeutet letztendlich nur eine formelle Abgrenzung von anderen Menschen bzw. Christen um zu verdeutlichen, dass ich anders bzw.
besser bin.
Das sind berechtigte Gedanken.
In der jüdischen Tradition gab/gibt es mehrere Wiedergeburten (die auch jener Nikodemus kannte). So die Beschneidung, die Bar Mitzwa, die Hochzeit, wenn man Schulleiter einer Torah-Schule wurde, wenn man König wurde oder sich zum Judentum bekehrte (Proselyt). All diese Wiedergeburten beschreiben Vorgänge innerhalb einer Religion, in der Tradition, auf den Schichten der Vorväter. Lesen wir diesen Text, den der Herr nach der Bergpredigt sagte (Mt 7,24-27;HSK):
Jeder nun, der diese meine Worte hört und sie tut, wird gleich sein einem klugen Mann, der sein Haus auf den Felsen baute. Es fiel der Platzregen, es kamen Wasserbäche, es brausten die Winde und stießen an jenes Haus, aber es fiel nicht zusammen; denn auf Felsengrund war es gebaut. Jeder, der diese meine Worte hört und sie nicht tut, der wird gleich sein einem törichten Mann, der sein Haus auf den Sand baute. Es fiel der Platzregen, es kamen die Wasserbäche, es brausten die Winde und stießen an jenes Haus, und es brach zusammen, und sein Zusammenbruch war gewaltig.«
Die Hebräer bauten damals (und heute) nicht am Strand oder auf Sand. Wenn sie neue Häuser bauten, errichteten sie diese dort, wo alte Ansiedlungen standen. So liegt beispielsweise heute die Via Dolorosa in Jerusalem auf einen 15 Meter hohen Schutthügel. Und das genau meinte der Herr mit seinem Wort "auf Sand bauen" (denn er sprach ja zu Juden und Hebräern): Baut nicht auf die (religiösen) Erdschichten, Traditionen eurer Väter, sondern baut auf Gott. Denn Gott und somit Christus Jesus wird sowohl im AT, als auch im NT als Fels bezeichnet.
Es geht hier also um eine Wiedergeburt im Geiste (Gott), nicht um die Wiedergeburten in religiösen Ritualen. Und diese Wiedergeburt kann nur zwei Auswirkungen haben: Sie treibt einen in die liebenden Arme des Herrn oder zur Weißglut.
Eine Wiedergeburt im Geiste bedeutet nämlich nicht nur ein ändern der Gedanken, sondern ein ändern des Lebens. Es geht nicht um Religion oder gute Worte, sondern um das eigene Herz. Christsein ist ein Leben mit und in Gott und nicht allein ein Gedanke über Gott.
Wenn sich ein Mensch frisch verliebt, dann ändert das nicht nur seine Gedanken, sondern auch sein Leben, sein Herz. Er denkt nicht nur an seinen geliebten Partner, er ändert auch sein Leben, trifft sich mit diesem Partner, redet mit ihm, stimmt Urlaub und Alltag mit ihm ab, wird ein anderer Mensch, in dem die Liebe eines anderen erkannt ist und wohnt.
Genau das ist ein wiedergeborener Christ: Gott lebt durch seine Liebe in ihn und verändert ihn. Wiedergeboren sein soll nicht von anderen Christen oder Menschen trennen, die es nicht sind, Wiedergeboren sein bedeutet seinen Sinn und seine Bestimmung erkannt zu haben und danach zu leben. Gerade das trennt nicht von "Nicht-Wiedergeborenen", sondern gibt die Kraft diese besonders zu lieben, weil man will, dass auch sie diese Freude der Wiedergeburt erleben, wie es der Wille des Herrn ist.
Denn als Wiedergeborener ist der geliebte und liebende Diener dort, wo der Herr ist (Joh 12,26;HSK):
Wenn einer mir dient, der folge mir, und wo ich bin, wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.
Wenn nun in der "christlichen Szene" der Begriff Wiedergeburt korrumpiert wird, ist dies bedauerlich, aber es ändert nichts an seiner urprünglichen Bedeutung. Auch ich habe Schwierigkeiten, wenn gerade Evangelikale ihre Wiedergeburt wie eine Kriegsflagge vor sich her tragen (wie das Beispiel Bush). Wiedergeboren sein bedeutet aber eben nicht zu bekriegen, zu trennen, erhöht zu sein, sondern zu lieben, zu versöhnen, sich demütig zu zeigen, wie der Herr, dem man nachfolgt.
Servus