Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Rund um Bibel und Glaube
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Halman
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#51 Re: Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Beitrag von Halman » Di 5. Mai 2015, 16:04

:wave: @jk80
Vielen Dank für Deine gut fundierten Beiträge. Johannes 1:1 ist ein sehr tiefgründiger Vers, der aus theologischen Gründen gut für eine Kontroverse geeignet ist.
In diesem Beitrag erklärt Scrypt0n recht einleuchtend, warum es sich bei "theos" am Ende des Verses um ein Prädikatsnomen handeln muss (s. der unterstrichende Versteil in Folgender Zitat-Gegenüberstellung (griechisch, Transkription und deutsch).

Im griechischen Grundtext von Joh 1:1 steht:
"Εν ἀρχή ἦν ὁ Λόγος καί ὁ Λόγος ἦν πρός τόν Θεόν καί Θεός ἦν ὁ Λόγος"
„En archÄ“ Ä“n ho Lógos, kai ho Lógos Ä“n pros ton Theón, kai Theós Ä“n ho Lógos.
„Am Anfang war der Logos und der Logos war bei dem Gott und Gott war der Logos.“

Alles, was blau markiert ist, bezieht sich auf den Logos, alles was rot markiert ist, auf den allmächtigen GOTT.
In Joh 1:1 bezieht sich das Wort Θεός (theós = Gott) auf den Lógos. Die Wendung πρός τόν Θεόν (pros ton theón = bei dem Gott)² bezieht sich hingegen auf den himmlischen Vater, dem allmächtigen Gott. Einmal bezieht sich das Wort Gott (... theón) also auf den Vater und am Ende des Verses bezieht es sich theós auf den Logos.

²Die Wendung „pros ton theón“ bedeutet wtl. „war auf den Gott zu“ bzw. „gen dem Gott“.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

jk80
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#52 Re: Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Beitrag von jk80 » Do 4. Jun 2015, 20:13

Hallo Halman,

danke für die übersichtliche Darstellung des griechischen Textes von Johannes 1:1. Hab heute noch etwas interessantes dazu gelesen:
Eine direkte Verbindung mit Gott findet statt, wie sie schon 1,1c zum Ausdruck kam: "...und (ein) Gott war der Logos". Die Spitzenaussage in Joh 1,1c beschreibt das in 1,1b ausgesagte Verhältnis von Logos und Gott näher, das als solches zwei unterscheidbare Gestalten voraussetzt. Das artikellose Substantiv θεὸς in V. 1c fungiert grammatisch als Prädikat, so daß die Unterscheidbarkeit von Gott und Logos gegeben bleibt und keine Ineinssetzung des Logos mit ὁ θεός (VV. 1b.2) stattfindet.

Quelle: Stefan Schreiber, "Gesalbter und König" (2000), Seite 453
Stefan Schreiber ist Hochschullehrer für Katholische Theologie. Trotzdem übersetzt und erklärt er den Vers genauso wie die Zeugen Jehovas...

Gruß, jk80

Munro
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#53 Re: Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Beitrag von Munro » Di 3. Apr 2018, 21:12

Hab erst mal nachgelesen, was NWÜ bedeutet:

Die Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift (Abkürzung NWÜ; englisch: NWT New World Translation of the Holy Scriptures) ist eine von der Wachtturm-Gesellschaft, der gemeinnützigen Verlagsunternehmung der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, herausgegebene Bibelübersetzung.

Die erste Ausgabe in englischer Sprache (Neues Testament) wurde 1950 veröffentlicht. Bis heute ist sie aus dem Englischen – nach Angaben der Herausgeber unter getreuer Berücksichtigung der Ursprachen – in 157 Sprachen weiterübersetzt worden, darunter auch ins Deutsche.

Die verschiedensprachigen Derivate der „Neue-Welt-Übersetzung“ werden von den Zeugen Jehovas für die liturgischen und katechetischen Zwecke des Gottesdienstes und für ihr Missionswerk verwendet.

Die Bibelübersetzung ist nicht im regulären Buchhandel erhältlich, sondern wird von ihnen in der Öffentlichkeit kostenfrei verbreitet.


Mehr dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Neue-Welt ... en_Schrift
Jean Paul Getty:
Die Sanftmütigen werden die Erde besitzen, aber nicht die Schürfrechte.

Malva
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#54 Re: Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Beitrag von Malva » Do 5. Apr 2018, 11:25

Hemul hat geschrieben:Wer den heiligen Namen Gottes aus der Bibel entfernt und ihn dort stattdessen mit "HERR" , oder wer weiß was wiedergibt, verfälscht vorsätzlich die Bibel. :thumbdown:
Wer jedoch den heiligen Namen des Vaters mit dem Salzstreuer über jedes "Herr" im Neuen Testament streut und darüber hinaus den Namen Jehova auch an Stellen einsetzt, an denen eindeutig der Sohn, Jesus Christus, gemeint ist, geht über die Bibel hinaus um ideologische Thesen zu stützen. Das ist ganz gewiss eine Verfälschung.

Auch wenn die WTG gerne das Gegenteil behauptet, es gibt keine Quelle des Neuen Testaments in dem der Name Jehova oder das Tetragrammaton so benutzt wird, wie es das Übersetzungskomitee der WTG getan hat. In meinen Augen haben sie die Bibel verfälscht.

Was man auch bedenken darf, die deutsche NWÜ ist lediglich die Übersetzung der englischen NWÜ, sie basiert nicht auf vorhandenen Texten in den Ursprachen. Das ist handwerklich/ sprachlich mehr als unsauber.
Glückselig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen, und wenn sie euch ausschließen und schmähen und euren Namen als einen lasterhaften verwerfen um des Menschensohnes willen.
Luk 6:22

Verlorener_Sohn
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#55 Re: Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Beitrag von Verlorener_Sohn » Do 5. Apr 2018, 23:55

Die NWÜ liest sich gut und flüssig.
Sie wurde aber tendenziell an Speziallehren der ZJ angepasst.
Dies macht aber auch eine Lutherbibel oder eine Elberfelder.
Eine Übersetzung ist eben nur eine Übersetzung und vom Übersetzer beeinflusst.

Wo die NWÜ das ansonsten mit Jehova übersetzte "Kyrios" nicht übersetzten:
Phil 2, 11
und jede Zunge offen anerkenne,*+ daß Jesus Christus Herr+ ist zur Verherrlichung Gottes, des Vaters
2. Kor 4, 5
Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus als Herrn+ und uns selbst als eure Sklaven+ um Jesu willen
1. Kor 11, 20
Wenn ihr also an e i n e m Ort zusammenkommt, ist es nicht möglich,* das Abendmahl des Herrn* zu essen.+

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Travis
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#56 Re: Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Beitrag von Travis » Fr 6. Apr 2018, 07:10

Verlorener_Sohn hat geschrieben:Sie wurde aber tendenziell an Speziallehren der ZJ angepasst. Dies macht aber auch eine Lutherbibel oder eine Elberfelder.
Das kann man schlecht vergleichen. Die Lutherbibeln sind in den wissenschaftlichen Ausgaben transparent mit den Stellen, in denen Luther die möglichen Lesarten eher in Richtung seiner Vorlieben übersetzte oder wo ihm keine guten Quellen vorlagen. Die NWÜ beschränkt sich nicht auf die weitgehend legitime Anwendung von möglichen Lesarten. Die NWÜ übersetzt falsch wo sie aufgrund der WTG Theologie falsch übersetzen muss.
Ich weiß, dass ich nicht einmal weiß das ich nichts weiß.

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1Johannes4
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#57 Re: Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Beitrag von 1Johannes4 » Fr 6. Apr 2018, 13:41

Hallo Travis,

Travis hat geschrieben:
Verlorener_Sohn hat geschrieben:Sie wurde aber tendenziell an Speziallehren der ZJ angepasst. Dies macht aber auch eine Lutherbibel oder eine Elberfelder.
Das kann man schlecht vergleichen. Die Lutherbibeln sind in den wissenschaftlichen Ausgaben transparent mit den Stellen, in denen Luther die möglichen Lesarten eher in Richtung seiner Vorlieben übersetzte oder wo ihm keine guten Quellen vorlagen. Die NWÜ beschränkt sich nicht auf die weitgehend legitime Anwendung von möglichen Lesarten. Die NWÜ übersetzt falsch wo sie aufgrund der WTG Theologie falsch übersetzen muss.

da stimme ich @Verlorener_Sohn zu. Es geht nicht nur um mögliche Lesarten, sondern ein wirkliches Anpassen der Übersetzung an die eigenen Vorstellungen.

Im Rahmen meiner Auseinandersetzung mit der Dreieinigkeitslehre habe ich mir z.B. mal die Stellen in der Elberfelder Bibel angesehen, wo angeblich vom Glauben an Jesus die Rede ist.
„Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesum Christum gegen alle und auf alle, die da glauben. Denn es ist kein Unterschied,“
Römer‬ ‭3:22‬ ‭ELB71‬‬

„zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, daß er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesum ist.“
Römer‬ ‭3:26‬ ‭ELB71‬‬

„Wir, von Natur Juden und nicht Sünder aus den Nationen, aber wissend, daß der Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben an Jesum Christum, auch wir haben an Christum Jesum geglaubt, auf daß wir aus Glauben an Christum gerechtfertigt würden, und nicht aus Gesetzeswerken, weil aus Gesetzeswerken kein Fleisch gerechtfertigt werden wird.“
‭‭Galater‬ ‭2:15-16‬ ‭ELB71‬‬


An diesen vier kursiv markierten Stellen („Glauben an Jesus“) steht aber Jesus im griechischen Text im Genitiv, weswegen eigentlich an diesen vier Stellen vom „Glauben des Jesus“ die Rede sein müsste. Natürlich macht für einen Anhänger der Dreieinigkeit eine solche Formulierung eher weniger Sinn, weswegen dann offensichtlich so übersetzt wurde, dass es zur Lehre passend ist.
Falls jemand selber nachsehen möchte, wie die griechischen Texte lauten samt Beschreibung der Wortart, Zeitform und Fälle:
http://www.scripture4all.org/OnlineInte ... _Index.htm.

In manchen, vor allem gedruckten, Elberfelder Bibeln findet man an diesen Stellen eine entsprechende Bemerkung in den Fußnoten - was auch deutlich macht, dass sich die Übersetzer durchaus der Problematik bewusst waren. Beeindruckend ist aber auch wie groß die Wirkung auf die Rechtfertigungslehre ist obwohl es ja „nur“ um den Fall eines Wortes geht.

In der NWÜ ist übrigens bei diesen Stellen auch vom Glauben an Jesus die Rede. Zum Vergleich mal die King James Version, einer im englischen Sprachraum bekannten Bibelübersetzung:
„We who are Jews by nature, and not sinners of the Gentiles, Knowing that a man is not justified by the works of the law, but by the faith of Jesus Christ, even we have believed in Jesus Christ, that we might be justified by the faith of Christ, and not by the works of the law: for by the works of the law shall no flesh be justified.“
‭‭Galatians‬ ‭2:15-16‬ ‭KJV‬‬

Grüße,
Daniel.
Da der hiesige Admin willkürlich meine Beiträge löscht, lohnt es sich nicht hier noch mitzulesen bzw. sich mit Kommentaren einzubringen. Wünsche Euch alles Gute.

JackSparrow
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#58 Re: Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Beitrag von JackSparrow » Fr 6. Apr 2018, 14:23

1Johannes4 hat geschrieben:An diesen vier kursiv markierten Stellen („Glauben an Jesus“) steht aber Jesus im griechischen Text im Genitiv, weswegen eigentlich an diesen vier Stellen vom „Glauben des Jesus“ die Rede sein müsste.
Woher weißt du, dass hier ein Genitivus subiectivus und nicht ein Genitivus obiectivus vorliegt?

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Travis
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#59 Re: Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Beitrag von Travis » Fr 6. Apr 2018, 14:24

Hallo Daniel, sprachlich sind beide Übersetzungen in Römer 3,22+26 möglich, weshalb wir uns in dem Rahmen befinden, den ich weiter oben angesprochen hatte. Welche Übersetzung theologisch sinnvoller ist, könnte man besprechen.
JackSparrow hat geschrieben:Woher weißt du, dass hier ein Genitivus subiectivus und nicht ein Genitivus obiectivus vorliegt?
Eben.
Ich weiß, dass ich nicht einmal weiß das ich nichts weiß.

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#60 Re: Ist die NWÜ korrekt übersetzt?

Beitrag von 1Johannes4 » Fr 6. Apr 2018, 14:26

Hallo zusammen,

neulich habe ich mir eine Stelle im Römerbrief genauer angesehen und weil ich mit einem Zeugen Jehovas diskutierte, sah ich mir auch mal die NWÜ an. Dabei fiel mir folgendes auf:
18 Wie es also durch e i n e Verfehlung zur Verurteilung für Menschen von allen Arten kam, so kommt es auch durch e i n e n Akt der Rechtfertigung für Menschen von allen Arten zu deren Gerechtsprechung zum Leben.
Römer 5, 18 NWÜ

Mit dem Ausdruck „Menschen von allen Arten“ kann ich jetzt reichlich wenig anfangen, vor allem angesichts dessen, dass gerade mal sechs Verse vorher der gleiche griechische Wortlaut etwas anders übersetzt wurde:
12 Darum, so wie durch e i n e n Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod und sich so der Tod zu allen Menschen verbreitet hat, weil sie alle gesündigt hatten
Römer 5, 12 NWÜ

Zur Verdeutlichung der nicht vorhandenen Unterschied im Griechischen:
Vers 12: εἰς πάντας ἀνθρώπους
Vers 18: εἰς πάντας ἀνθρώπους
https://www.bibelwissenschaft.de/online ... 3ae63bcec/

Vielleicht kann ja einer der hiesigen Zeugen Jehovas mal erklären, warum der gleiche Ausdruck so unterschiedlich übersetzt gehört?

Grüße,
Daniel.
Da der hiesige Admin willkürlich meine Beiträge löscht, lohnt es sich nicht hier noch mitzulesen bzw. sich mit Kommentaren einzubringen. Wünsche Euch alles Gute.

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