Neuzeitliche Exegese der Bibel

Rund um Bibel und Glaube
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sven23
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#1 Neuzeitliche Exegese der Bibel

Beitrag von sven23 » Sa 27. Dez 2014, 16:44

Thema abgetrennt aus: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem



Die Auferstehung ist der zentrale Mythos des Christentums.

Dr. Kubitza schreibt dazu:

"Schon im Neuen Testament spiegelt sich der Vorwurf wider, die Jünger hätten Jesu Leichnam gestohlen (Mt 28,11–15). Offenbar sind die ersten Christen bei ihrer Auferstehungspredigt damit immer wieder konfrontiert worden. Reimarus hat die Leichenraubthese, in der jüdischen Literatur weit verbreitet, als Erster im christlichen Kulturkreis (noch anonym) vertreten. Indem die Jünger Jesu
Leichnam stahlen, wollten sie sich Vorteile verschaffen, denn nun erschienen auch sie nicht mehr als Nachfolger eines Verlierers, sondern konnten im Lichte der Auferstehung selbst wieder Kontur und Autorität gewinnen. Sie waren nun nicht mehr nur Verführte, sondern bestätigten so vor der Welt die Richtigkeit ihres Weges.
Die Jünger hätten, so Reimarus, sich aber nur schlecht darauf einigen können, welche Geschichte sie erzählen wollten, weshalb es zu den vielen unterschiedlichen Geschichten in den Evangelien gekommen sei. Das Christentum würde, träfe diese These zu, auf einem Betrug beruhen, oder etwas freundlicher formuliert auf einem Schelmenstück, wie Goethe es in einem venetianischen Epigramm
formuliert hat:

„Offen steht das Grab! Welch herrlich Wunder! Der Herr ist
auferstanden!“ – Wer’s glaubt! Schelmen, ihr trugt ihn ja weg.
""


Ja, auch dem guten alten Goethe kam die Sache irgendwie spanisch vor.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#2 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von closs » Sa 27. Dez 2014, 17:08

sven23 hat geschrieben:Ja, auch dem guten alten Goethe kam die Sache irgendwie spanisch vor.
Das darf er ja auch - aber Dein Zitat von Kubitza ist ja eigentlich ebenfalls ein Märchen - er spekuliert, warum es Sinn gemacht hätte, den Leichnam zu klauen. -Auch DAS darf man - aber eben nur privat und nicht wissenschaftlich.

sven23 hat geschrieben:Die Auferstehung ist der zentrale Mythos des Christentums.
Stimmt - hätte diese nicht stattgefunden, hätten die Juden recht, die noch auf den Messias warten. - Dann wäre halt das, was Christen die Wieder-Kunft Jesu nennen die Erst-Erscheinung. - Selbst das hieße nicht mehr, als dass das NT verschoben wäre.

Die grundlegenden geistigen Koordinaten ändern sich dadurch nicht.

Pluto
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#3 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von Pluto » Sa 27. Dez 2014, 17:16

closs hat geschrieben:Das darf er ja auch - aber Dein Zitat von Kubitza ist ja eigentlich ebenfalls ein Märchen...
ebenfalls ein Märchen... — das finde ja schon mal gut. ;)

closs hat geschrieben:- er spekuliert, warum es Sinn gemacht hätte, den Leichnam zu klauen. -Auch DAS darf man - aber eben nur privat und nicht wissenschaftlich.
Komisch...
Ein Goethe DARF das, aber ein Kubitza (Historiker und Wissenschaftler) DARF das nicht? Warum immer diese willkürlich erscheinenden Ge- und Verbote?

closs hat geschrieben:hätte diese nicht stattgefunden, hätten die Juden recht, die noch auf den Messias warten.
Damit bestätigst du Kubitzas (und Goethes) ärgste Befürchtungen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#4 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von sven23 » Sa 27. Dez 2014, 17:45

closs hat geschrieben:Das darf er ja auch - aber Dein Zitat von Kubitza ist ja eigentlich ebenfalls ein Märchen - er spekuliert, warum es Sinn gemacht hätte, den Leichnam zu klauen. -Auch DAS darf man - aber eben nur privat und nicht wissenschaftlich.

Das stimmt, es ist Spekulation, aber das sagt Kubitza ja auch selber. In diesem Punkt ist die Quellenlage einfach zu dünn.

Aber verlaß dich in diesem Punkt doch einfach mal auf Goethes Gefühl. Wenn ihr's nicht fühlt ihr werdet's nicht erjagen. ;)

"Du hältst das Evangelium, wie es steht, für die göttliche Wahrheit. Mich würde eine vernehmliche Stimme vom Himmel nicht überzeugen, dass das Wasser brennt und dass das Feuer löscht, dass ein Weib ohne Mann gebiert und dass ein Toter aufersteht. Vielmehr halte ich dieses für Lästerungen gegen den großen Gott und seine Offenbarung in der Natur".
(Goethe, an Lavater, 9.8.1782)

Goethe glaubte offenbar ein einen anderen Gott, als den der Bibel.

"Die Geschichte des guten Jesus hab ich nun so satt, dass ich sie von keinem, außer von ihm selbst, hören möchte".
(Johann Wolfgang von Goethe, dt. Dichter, 1749-1832)

So ein hochgeistiger Mann wie Goethe hatte sicher gute Gründe, warum er der biblischen Jesusfigur mißtraute.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#5 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von closs » Sa 27. Dez 2014, 17:58

sven23 hat geschrieben:So ein hochgeistiger Mann wie Goethe hatte sicher gute Gründe, warum er der biblischen Jesusfigur mißtraute.
Ja - hat er auch. - Große Geister chiffrieren ganz einfach anders. - Dann darfst Du auch nicht vergessen, dass Goethe sich hier nicht aufs Normative, sondern aufs Deskriptive bezieht - mit anderen Worten: Ihn hat wahrscheinlich die christliche Praxis seiner Zeit angekotzt.

Pluto hat geschrieben:Ein Goethe DARF das, aber ein Kubitza (Historiker und Wissenschaftler) DARF das nicht?
Privat darf man alles. - Aber in einer Funktion als Wissenschaftler darf man nicht einfach rumspinnen.

Pluto hat geschrieben:Damit bestätigst du Kubitzas (und Goethes) ärgste Befürchtungen.
Natürlich muss man auch den Worst Case verarbeiten. - Das Wichtige dabei ist: Es würde sich zwar etwas in der Zeit, aber nicht in der Substanz ändern. - Was kommen muss, kommt.

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sven23
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#6 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von sven23 » Sa 27. Dez 2014, 18:21

closs hat geschrieben: mit anderen Worten: Ihn hat wahrscheinlich die christliche Praxis seiner Zeit angekotzt.

Das sicher auch, aber er bezieht sich ja ausdrücklich auf die Evangelien und dem darin vermittelten Jesusbild. Da kamen ihm wohl Zweifel an der Authentizität. Wer wollte es ihm verdenken?

Denn schon mit der Geburt Jesu fängt die Schwindelei an.
Es ist höchst wahrscheinlich, daß der aus Nazareth stammende Jesus auch dort geboren wurde. Einer alten Prophezeiung zufolge soll der Messias aber aus Bethlehem kommen. Nun aber hatten die Bibelschreiber ein Problem. Kurzerhand verlegten sie die Handlung an einen anderen Ort mit der Begründung einer Steuerschätzung, die historisch gar nicht bestätigt werden kann für diesen Zeitraum.

"Die Geschichte hat nur zwei Haken: Erstens zog bei solchen Schätzungen, die es im Römischen Reich öfter gab, nicht jeder in seine Heimatstadt. Das wäre ein logistischer Albtraum gewesen. Und zweitens fällt die Steuerschätzung des Quirinius in das Jahr 6/7 unserer Zeitrechnung, elf bis zwölf Jahre nach der tatsächlichen Geburt Christi zur Zeit des Königs Herodes."
Quelle: die Welt

http://www.welt.de/kultur/article554785 ... boren.html

Um solche "kreativen" Geschichten, man könnte auch sagen Schwindeleien, zu entlarven ist es nützlich, den historischen Kontext zu untersuchen.
Der Schwindel diente einzig und allein dem Zweck, Jesus als den Heilsbringer aufzubauen, der in alten Prophezeiungen angekündigt war.
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#7 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von Pluto » Sa 27. Dez 2014, 18:54

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ein Goethe DARF das, aber ein Kubitza (Historiker und Wissenschaftler) DARF das nicht?
Privat darf man alles. - Aber in einer Funktion als Wissenschaftler darf man nicht einfach rumspinnen.
Was bitte, war an Goethes Veröffentlichung privater als an Kubitzas?

Ich wehre mich dagegen, manchen Leuten wegen ihrer Stellung, nur aus ideologischen Gründen willkürliche Redeverbote aufzuerlegen. Das ist in meiner bescheidenen Meinung nicht angebracht. Für meinen Teil bin ich jedenfalls heilfroh, dass wir nicht in einer orwellianischen Diktatur leben, wo dem Einzelnen verboten wird zu sagen was er denkt, nur weil es manchen Leuten nicht ins Konzept passt.
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#8 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von Münek » Sa 27. Dez 2014, 19:13

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Warum tun sie das, wenn doch die "geistige Substanz" von historischen Forschungsergebnissen nicht berührt wird?
Weil die historisch-kritische Forschung so vermittelt wird, als würde sie eben das tun wollen.

Ein Vermittlungsproblem? :o

Hier liegt wohl eher ein Verständnisproblem bei betroffenen Gläubigen vor.
Wahrheiten können schmerzhaft sein; man will mit ihnen nichts zu tun haben.
Das gilt generell.

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#9 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von Münek » Sa 27. Dez 2014, 19:28

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Auferstehung ist der zentrale Mythos des Christentums.
Stimmt - hätte diese nicht stattgefunden, hätten die Juden recht, die noch auf den Messias warten. - Dann wäre halt das, was Christen die Wieder-Kunft Jesu nennen die Erst-Erscheinung. - Selbst das hieße nicht mehr, als dass das NT verschoben wäre.

Die grundlegenden geistigen Koordinaten ändern sich dadurch nicht.

Du schließt aus, dass sich die Juden ebenfalls irren könnten?
Was macht Dich so sicher?

Im jüdischen Glauben hat übrigens der "Messias" eine völlig andere Funktion
als im christlichen. Vor allem ist er KEIN himmlisches Wesen. :thumbup:

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Flavius
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#10 Re: Gott ist die Ursache und der Beweger von allem.

Beitrag von Flavius » Sa 27. Dez 2014, 19:48

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: mit anderen Worten: Ihn hat wahrscheinlich die christliche Praxis seiner Zeit angekotzt.
- Das sicher auch, aber er bezieht sich ja ausdrücklich auf die Evangelien und dem darin vermittelten Jesusbild. Da kamen ihm wohl Zweifel an der Authentizität. Wer wollte es ihm verdenken?

Denn schon mit der Geburt Jesu fängt die Schwindelei an.
Es ist höchst wahrscheinlich, daß der aus Nazareth stammende Jesus auch dort geboren wurde. Einer alten Prophezeiung zufolge soll der Messias aber aus Bethlehem kommen. Nun aber hatten die Bibelschreiber ein Problem. Kurzerhand verlegten sie die Handlung an einen anderen Ort mit der Begründung einer Steuerschätzung, die historisch gar nicht bestätigt werden kann für diesen Zeitraum. -
"Die Geschichte hat nur zwei Haken: Erstens zog bei solchen Schätzungen, die es im Römischen Reich öfter gab, nicht jeder in seine Heimatstadt. Das wäre ein logistischer Albtraum gewesen. Zweitens fällt die Steuerschätzung des Quirinius in das Jahr 6/7 unserer Zeitrechnung, elf bis zwölf Jahre nach der tatsächlichen Geburt Christi zur Zeit des Königs Herodes."
Quelle: die Welt

http://www.welt.de/kultur/article554785 ... boren.html
==> Das genaue Geburtsjahr von Jesus ist umstritten (Richtig ist, dass es nicht das Jahr 0 war.)

== > Sven: Ich denke, dass Du eben gerne etwas Negatives über's Christentum suchst und dann gezielt raus-pickst.Mmit deisem Vorgehen kommt man dann immer zu einem verzerrtem Bild der Dinge (egel welchen).

Das Christentum hat (auch) viel Gutes in die Welt gebracht (da könnte ich Dir einiges auflisten). -- nebst Entgleisungen, einigen Kriegen und Machtgier bei manchen der herrschenden Päpste im Mittelalter (Einschränkung: nicht bei allen). Die Lehre Jesus wurde im Laufe der Jahrhundert immer und immer wieder verdreht oder z.B. für Machtansprüche missbraucht. (Sobald eben Macht im Spiel ist, wird's gefährlich- egel für welche Lehre oder Ismus ) )
ALLE Menschen sind nicht fehlerfrei und bleiben für Fehlern nicht bewahrt. (auch wenn sie bemühen ") Sie sind oder werden nicht automatisch gleich Super-Menschen, sobald sie zum "Glauben" übertreten. Bei vielen "Gläubigen" ist aber etwas spürbar, das durchaus positiv ist , sie leben mnachmal/ oftmals doch etwas "weniger materialistisch oder egoistisch - scheinen manchmal sogar etwas glücklicher oder erfüllter zu sein).

Untern Strich ist die Bilanz des Christentums (Bitte beachte: nicht unbedingt der Kirche !!) doch POSITIV! - (Die Welt wäre heute in einem anderem Zustand- will sagen eher Schlimmerem).

Albert Schweitzer, Kolping, nimm die Väter der sozialen Absicherung u. Rechte der Arbeiter im 18 Jahrhundert, dann Henri Dunat u. VIELE !
! Andere haben Großes geleistet! (Natürlich haben auch Humanisten, Aufklärer, Menschenrechtskämpfer aus allen Lagern u. Hintergrund .. Großes geleistet).

Frage: Wer regt sich eigentlich darüber auf, dass der Kommunismus im 20. Jahrhundert 125 Millionen Menschenleben forderte... über den erlangten (doch eher wohl bescheidenen) Erfolg dieses immensen (meist unfreiwilligen !!) Blutzolls für eine "Idee" oder Lehre kann man sich gerne auch mal unterhalten.

W.B. Flvs.

Was bietest Du, siehst DU als lebenswerte Alternative ? - - Interessiert mich ehrlich.
Dogmen - aller couleur- sind oft sehr hinderlich. (nach Feuerbach).

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