Theologensprech

Rund um Bibel und Glaube
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sven23
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#1 Theologensprech

Beitrag von sven23 » Sa 10. Okt 2015, 12:54

Theologen haben das Problem, daß der Gegenstand ihrer "Forschung" sich jeglicher Untersuchungsmöglichkeit entzieht.
Oft hat man den Eindruck, daß sie das mit einer verschwurbelten Sprache zu kaschieren versuchen.

Der Theologe Eilert Herms ist ein Meister darin:

„Als Offenbarung bezeichnen wir umgangssprachlich … das Zustandekommen des Wirklichkeitsbezuges von welthaftem Personsein, wie es sich in all denjenigen Erschließungsvorgängen vollzieht, in die sich Personen schlechthin einbezogen erleben. Als religiöse Offenbarungen bezeichnen wir diejenigen – ebenfalls rein passiv erlebten – Erschließungsvorgänge, in denen eben der Sachverhalt dieses schlechthin passiven Zustandekommens des Spielraums menschlicher Handlungsmöglichkeiten … selbst erschlossen wird und in denen somit der spezifische Sach- und Wirklichkeitsbezug einer
religiösen Gestalt menschlichen Lebens zustande kommt. Als religiöse Offenbarung bezeichnen wir also eine Klasse von Erschließungsvorgängen, die … durch einen ganz spezifischen Inhalt ausgezeichnet sind (nämlich: die passive Teilhabe menschlicher Macht an der überlegenen Ursprungsmacht)."


Man kann hier mit Fug und Recht von sprachlichen Vernebelungskerzen sprechen. Aber beileibe kein Einzelfall. Ich erinnere nur an den "Verheißungsüberschuss" des Kardinal Kaspar in Bezug auf die irrtümliche Naherwartung Jesu.

Kubitza hat in seinem Buch "Dogmenwahn" einen passenden Vergleich:
"Ein Politiker wird von einem anderen Politiker gefragt, was er denn in seiner letzten Rede gesagt habe. „Ach, eigentlich nichts Besonderes“, entgegnet dieser. „Das weiß ich doch“, meint der erste, „aber wie haben Sie es formuliert?“
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SilverBullet
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#2 Re: Theologensprech

Beitrag von SilverBullet » Sa 10. Okt 2015, 13:16

sven23 hat geschrieben:Theologen haben das Problem, daß der Gegenstand ihrer "Forschung" sich jeglicher Untersuchungsmöglichkeit entzieht
Ich sehe es eher so:
Theologen haben das Problem, dass sie nicht sagen können, was der Gegenstand ihrer "Forschung" sein soll.

Aus dem Text von „Theologe Eilert Herms“:
„Als religiöse Offenbarungen bezeichnen wir diejenigen … in denen … der Sachverhalt … selbst erschlossen wird“

Das ist eine relativ deutliche Aussage, die der Theologe bei Verwendung einer klaren Ausdrucksweise aber vermutlich nicht akzeptieren würde.

Auf mich wirkt es wie: „religiöse Zusammenhänge sind eigene Erfindungen“

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sven23
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#3 Re: Theologensprech

Beitrag von sven23 » Sa 10. Okt 2015, 13:31

SilverBullet hat geschrieben: Auf mich wirkt es wie: „religiöse Zusammenhänge sind eigene Erfindungen“
Imo sind "Offenbarungen" nichts anderes als persönliche Erfindungen.
Closs würde jetzt wieder auf seine "Findungen" verweisen. ;)
Aber das sind nur semantische Spielereien und Nebelkerzen.
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Queequeg
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#4 Re: Theologensprech

Beitrag von Queequeg » Sa 10. Okt 2015, 14:02

sven23 hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Auf mich wirkt es wie: „religiöse Zusammenhänge sind eigene Erfindungen“
Imo sind "Offenbarungen" nichts anderes als persönliche Erfindungen.
Closs würde jetzt wieder auf seine "Findungen" verweisen. ;)
Aber das sind nur semantische Spielereien und Nebelkerzen.

Was ist Theologie eigentlich, wenn diese in die Bereiche verquasten Schwulstes und nebulöser Beliebigkeit ausweichen muss?

Interessant dazu - Heinz-Werner Kubitza, Der Dogmenwahn. Scheinprobleme der Theologie. Holzwege einer angemaßten Wissenschaft, Marburg 2015:

"Sie ist es deshalb nicht, weil es ihr nicht gelingt und auch nach eigenem Anspruch nicht gelingen kann, ihren Gegenstand 'Gott' überhaupt nachzuweisen. Sie ist es deshalb nicht, weil die Kirchen wissenschaftsfremde Einflüsse auf die Besetzung von Professuren nehmen und ein der Kirche genehmes, opportunistisches Verhalten eines Bewerbers vor der Berufung provozieren. Sie kann auch deshalb nicht wissenschaftlich sein, weil sie konfessionell ist, und es keine evangelische oder katholische Wissenschaft geben kann. Die ist es deshalb nicht, weil in den Dogmatikern der Theologen selbst freimütig eingeräumt wird, dass wissenschaftsfremde Bedingungen (eigene Gläubigkeit, Bibel, Bekenntnisse) die Grundlagen bestimmen, und dass man ohne diese nicht Theologie treiben kann. Sie will nach eigenen Aussagen keine neutrale und unvoreingenommene Wissenschaft, sondern eben 'betendes Denken' sein"

denn:

"Die Theologie ist eigentlich ein Kuriosum an modernen Universitäten. Während andere Fachbereiche einen klar abgegrenzten Forschungs- und Lehrbereich haben, ist bei den Theologen nicht einmal klar, ob es den zentralen Gegenstand der ihrer Wissenschaft Theologie den Namen leiht, ob es diesen Theos überhaupt gibt"

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Savonlinna
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#5 Re: Theologensprech

Beitrag von Savonlinna » Sa 10. Okt 2015, 14:29

sven23 hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Auf mich wirkt es wie: „religiöse Zusammenhänge sind eigene Erfindungen“
Imo sind "Offenbarungen" nichts anderes als persönliche Erfindungen.
Na ja, niveauloses Dahergerede kommt der Sache auch nicht näher.
Man muss als Atheist doch nicht automatisch dümmlich argumentieren.
Sonst denkt man am Ende noch, die sind nur Atheisten geworden, weil sie nicht richtig argumentieren können.

Wenn sich jemand als "Spion" offenbart, dann heißt das sowas wie Outen.
Als Bildsprache bedeutet "Gott offenbart sich" zum Beispiel:
"Im Menschen ist auch Göttliches vorhanden, achtet bitte darauf!"

sven23 hat geschrieben:Closs würde jetzt wieder auf seine "Findungen" verweisen. ;)
Man muss das ja im Menschen auch auffinden.
Der Mensch muss auch seine Humanität auffinden - das war ein langer Prozess, und in alten Zeiten wurde so formuliert: "Gott offenbart sich den Menschen als Liebe".

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sven23
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#6 Re: Theologensprech

Beitrag von sven23 » Sa 10. Okt 2015, 14:44

Savonlinna hat geschrieben: Wenn sich jemand als "Spion" offenbart, dann heißt das sowas wie Outen.
Als Spion kann man sich nur "outen", wenn man auch vorher einer war, andernfalls man ein Lügner oder Hochstapler wäre.

Savonlinna hat geschrieben: - das war ein langer Prozess, und in alten Zeiten wurde so formuliert: "Gott offenbart sich den Menschen als Liebe".
Diese Liebe ist in jedem Krieg aufs neue förmlich zu greifen.
Der Gott der Bibel spart nicht mit Aufrufen zu solchen.

"Schon der Anfang der Vernunft selbst ist in der Bibel ein Verbrechen. Im übrigen geht es dort zu wie im wirklichen Leben: Mord, Plünderung, Vergewaltigung, Genozid. An 100 Bibelstellen wird ausdrücklich im Namen Gottes getötet, an 1000 Stellen tötet dieser Gott selbst. Sein Sohn droht schließlich mit nie endenden Folterqualen über den Tod hinaus denjenigen, die ihn nicht lieben. Den Liebenden bringt er den eucharistischen Kannibalismus zur Seelenstärkung.
Was ist es für eine moralische Vernunft, die hier ihren Anfang und ihre Prinzipien erkennt und anerkennt"?

(Günther Schulte Professor für Philosophie an der Universität zu Köln)

Thomas von Aquin meinte, für die einfachen Leute reiche die Offenbarung aus.

"Die Beweisführung (für religiöse Wahrheiten) ist schwierig und kann nur von Gelehrten verstanden werden; der Glaube aber ist nötig für die Ungebildeten, für die jungen Menschen und all diejenigen, denen es an Muße fehlt, sich mit Philosophie zu beschäftigen... Für sie reicht die Offenbarung."
(Thomas von Aquin in: "Summa contra Gentiles" (entstanden ca. 1259-64)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Savonlinna
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#7 Re: Theologensprech

Beitrag von Savonlinna » Sa 10. Okt 2015, 14:59

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Wenn sich jemand als "Spion" offenbart, dann heißt das sowas wie Outen.
Als Spion kann man sich nur "outen", wenn man auch vorher einer war, andernfalls man ein Lügner oder Hochstapler wäre.
Genau.
Menschen entwickeln sich in ihrem Menschenbild.
Vielleicht entwickeln sich auch die Menschen selber.

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: - das war ein langer Prozess, und in alten Zeiten wurde so formuliert: "Gott offenbart sich den Menschen als Liebe".
Diese Liebe ist in jedem Krieg aufs neue förmlich zu greifen.
Darum definieren sich heutige Christen ja auch über die Liebe.
Es gibt im Menschen die Liebesfähigkeit.
Willst Du das abstreiten?
Und bist Du der grundätzliche Pessimist, der sagt, dass die neu aufflammenden Kriege in unserer Zeit endgültig aufgeiwiesen haben, dass der Mensch nur zu Hass fähig ist?

sven23 hat geschrieben:Der Gott der Bibel spart nicht mit Aufrufen zu solchen.
Wer leugnet das denn?

SilverBullet
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#8 Re: Theologensprech

Beitrag von SilverBullet » Sa 10. Okt 2015, 15:25

Savonlinna hat geschrieben:Na ja, niveauloses Dahergerede kommt der Sache auch nicht näher.
Ich kann deine Aussage nicht nachvollziehen.

Wenn ich mir ansehe, auf was der Theologe abzielt, dann ist es das „Erkennen des passiven Erlebens“ innerhalb einer Art „Wahrnehmungsvorgang“, der sich rein im Mentalen abspielt.
Es ist dem Theologen wichtig, darauf hinzuweisen, dass exakt der Status des „passiven Erlebens“ selbst erschlossen wird.

Das ist nichts weiter als die Aussage, dass sich ein Wahrnehmungssystem selbst, aus den Inhalten heraus, analysieren möchte.

Genau das ist aber gar nicht möglich.
Beispiel: Man kann sich nicht Farben ansehen und im „Vorgang des Ansehens“ erkennen, dass Farben gar nicht existieren. Erst durch Physik-Experimente kann man darauf schliessen, dass Farben ein reiner Wahrnehmungsentwurf sind.

Vor diesem Hintergrund legt der Theologe aus meiner Sicht also fest, dass die Deutung eines inneren Wahrnehmungsvorganges als „Offenbarung“, eine reine neigungs-/wunschgesteuerte Festlegung ist. Es ist ja ansonsten gar nicht möglich.

Warum sollte dieses „Festlegen der Zusammenhänge“ auf mich nicht wie „Erfindung“ wirken?

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Savonlinna
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#9 Re: Theologensprech

Beitrag von Savonlinna » Sa 10. Okt 2015, 15:52

SilverBullet hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Na ja, niveauloses Dahergerede kommt der Sache auch nicht näher.
Ich kann deine Aussage nicht nachvollziehen.
Ich habe sie auf svens Aussage bezogen, die sich nicht mehr auf diesen Theologen bezog.

SilverBullet hat geschrieben:Wenn ich mir ansehe, auf was der Theologe abzielt, dann ist es das „Erkennen des passiven Erlebens“ innerhalb einer Art „Wahrnehmungsvorgang“, der sich rein im Mentalen abspielt.
Es ist dem Theologen wichtig, darauf hinzuweisen, dass exakt der Status des „passiven Erlebens“ selbst erschlossen wird.
Das ist mir aber verständlich. Es gibt passives Wissen - ich habe damit oft bei anderen zu tun -, dass ich erschließen muss, indem ich bewusst mache, dass es vorhanden ist.
Wenn "sich Gott offenbart" - so wie es in der Bibel steht -, dann sind es immer andere Personen, die das vermitteln.
In meiner Übersetzung: es wird bewusst gemacht, was latent in einem als Wisen vorhanden ist.

Was aber nicht heißt, dass ich mit diesem Theologen einverstanden bin in seiner Rede von "Ursprungsmacht". Nur ist seine Aussage für mich verständlich.

SilverBullet hat geschrieben:Das ist nichts weiter als die Aussage, dass sich ein Wahrnehmungssystem selbst, aus den Inhalten heraus, analysieren möchte.
Vielleicht ist es so ähnlich, ja.

SilverBullet hat geschrieben:Genau das ist aber gar nicht möglich.
Aber sicher ist das möglich. Es ist alltägliche Berufserfahrung, wie oben schon gezeigt.
Auch bei mir selber war jede Menge ins Passive abgesunkene Wissen, das ich wieder aktivieren konnte.
Und man kann bei anderen ein Selbstvertrauen aktivieren, von dem er nie wusste, dass er das hatte.

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sven23
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#10 Re: Theologensprech

Beitrag von sven23 » Sa 10. Okt 2015, 16:10

Savonlinna hat geschrieben: Es gibt im Menschen die Liebesfähigkeit.
Willst Du das abstreiten?

Wie käme ich dazu?
Liebe und Haß sind mächtige Gefühle, die die Menschen schon immer beschäftigt haben. Beides gehört zur menschlichen Natur, beides wurde auch immer wieder literarisch verarbeitet.

Savonlinna hat geschrieben: Und bist Du der grundätzliche Pessimist, der sagt, dass die neu aufflammenden Kriege in unserer Zeit endgültig aufgeiwiesen haben, dass der Mensch nur zu Hass fähig ist?

Nein, nicht nur zu Haß. Ich verweise immer wieder auf die Ambivalenz der menschlichen Natur.
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