Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Rund um Bibel und Glaube
Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#1 Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Beitrag von Halman » Mo 1. Aug 2016, 21:19

Den Titel habe ich einem Artikel von Detlef Löhde entnommen. Darin wird u.a. behauptet:
einzuräumen, dass die historisch-kritische Bibelforschung überwiegend mit einem rationalistisch-kritischen Vorverständnis die biblischen Texte untersucht (Gotteserscheinungen und Offenbarungen sowie Prophetie und Wunder werden generell rationalistisch in Frage gestellt);
Offengestanden sehe ich seine Ausführungen kritisch, z.B. folgende:
Das heißt dann auch, dass ein aus diesen Texten vorgenommene mehr oder weniger spekulative Rekonstruktion eines angeblich vorhergehenden Textes mit differierender Aussage nicht mehr die Autorität als Wort Gottes in Anspruch nehmen kann. Ein rekonstruierter vermuteter „Ursprungstext“ mit verändertem Sinn ist eben gerade nicht mehr Gottes Wort an uns.
Sofern die Rekonstruktion spekulativen Charakter hat, stimme ich dem Autoren zu. Doch wenn die Rekonstruktion auf solidem Grund steht, sehe ich dies anders. Ich glaube jedenfalls nicht, dass Jesus eine uralte Buchrolle mit einer anderen Lesart verworfen hätte, weil sie zu alt sei.

Aber abgesehen von der durchaus kritisch hinterfragbaren Argumentation Löhdes geht es mir hier mir um den Kerngedanken, die HKM nicht dogmatisch als unkritisierbar zu zementieren, sondern sie selbst einer kritischen Betrachtung zu würdigen - ich ja, ich sage ausdrücklich würdigen. Denn Kritik entspricht dem Geist der historisch-kritischen Methode.
Dagegen wird sicher eingewandt, dass es uns Laien nicht zusteht, hier kritisch zu hinterfragen. Dieser Einwand hat durchaus seine Berechtigung, aber ich denke, wir sollten uns nicht einschüchtern lassen. Wenn wir mit Augenmaß, Respekt und Recherche an die Sache herangehen, glaube ich, dass wir uns dies "anmaßen" dürfen, da es um UNSERE Weltanschauung geht und UNS etwas angeht - und darüberhinaus sind wir hier doch interessierte und relativ gut versierte Laien. Daher meine ich, sollten wir unser Licht nicht unter dem Scheffel stellen, sondern es mit aller Demut leuchten lassen.

Rann an die HKM-Buletten. :) Besonders die Bultman-Buletten sollten schmackhaft sein. :lol:
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

michaelit
Beiträge: 873
Registriert: Sa 1. Feb 2014, 17:22

#2 Re: Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Beitrag von michaelit » Mi 10. Aug 2016, 07:15

Was will die HKM machen wenn man, um Gott zu erkennen, ihn erst einmal setzen muß? Man bewegt sich ja in den Glauben hinein, zumindest mir fiel er ja nicht gleich in den Schoß. Ich betrachte Glauben als den Prozeß einer Schenkung von Gewißheit. Manche glauben schnell, andere langsam. Ich glaube manchmal tüchtig langsam, sammle durch konstruktiven Zweifel aber auch viele Erkenntnisse.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#3 Re: Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Beitrag von Münek » Mi 17. Aug 2016, 00:57

Halman hat geschrieben:Aber abgesehen von der durchaus kritisch hinterfragbaren Argumentation Löhdes geht es mir hier mir um den Kerngedanken, die HKM nicht dogmatisch als unkritisierbar zu zementieren, sondern sie selbst einer kritischen Betrachtung zu würdigen - ich ja, ich sage ausdrücklich würdigen. Denn Kritik entspricht dem Geist der historisch-kritischen Methode.
Die historisch-kritische Auslegungsmethode als Standard-Exegese an den theologischen Fakultäten ist in ihren Ergebnissen immer kritisier- und korrigierbar. Sie kritisiert und korrigiert sich selbst. Diese Ergebnisoffenheit - da nicht kirchlich-dogmatisch gefesselt - zeichnet sie als Wissenschaft geradezu aus.

Den Vertretern der HKM die Ergebnisoffenheit ihrer Forschungen abzusprechen, weil sie bei ihrer Tätigkeit die wissenschaftlich nicht greif-
bare Existenz Gottes und eines universalen Heilsplanes schlicht außen vor lassen, dieser Vorwurf ist mehr als absurd. Man kann sowas wirk-
lich nicht ernst nehmen.


Wenn eine uralte, ehemals sehr mächtige Glaubens-Institution wie die RKK in einem Anfall von ideologischer Anmaßung im 21. Jahrhundert immer noch meint, im Besitz ewig-gültiger, absoluter, nicht hinterfragbarer Wahrheiten zu sein (kirchliche Dogmen), dann sollte sie sich nicht wundern, dass sie mittlerweile im aufgeklärten Europa - außer von einer Minderheit - nicht mehr für voll genommen und ignoriert wird.

Das hat sie sich wegen ihrer selbst gewählten Exklusivität, Erstarrtheit und Borniertheit selbst zuzuschreiben. So schafft sie sich allmäh-
lich irgendwann in sehr ferner Zukunft einmal selber ab.

Benutzeravatar
ProfDrVonUndZu
Beiträge: 832
Registriert: Do 11. Aug 2016, 08:16

#4 Re: Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Beitrag von ProfDrVonUndZu » Mi 17. Aug 2016, 12:29

Was hat das denn mit Ergebnisoffenheit zu tun, wenn der Offenbarungscharakter völlig ausgeklammert wird ?
"Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand." - Gandalf in J.R.R Tolkien - Herr der Ringe, Band 1

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#5 Re: Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Beitrag von Pluto » Mi 17. Aug 2016, 13:54

ProfDrVonUndZu hat geschrieben:Was hat das denn mit Ergebnisoffenheit zu tun, wenn der Offenbarungscharakter völlig ausgeklammert wird ?
Wie kommst du darauf?
Offenbarungen werden nicht ausgeklammert, sondern hinterfragt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Benutzeravatar
ProfDrVonUndZu
Beiträge: 832
Registriert: Do 11. Aug 2016, 08:16

#6 Re: Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Beitrag von ProfDrVonUndZu » Mi 17. Aug 2016, 16:59

Da irrst du dich. Die wissenschaftlichen Methoden hinterfragen nicht die Offenbarung (Gottes), sondern sieht in den Texten höchstens als Offenbarung bezeichnete Werke deren Erforschung einen gewissen philosophischen Erkenntnisgewinn zur Folge hat.
"Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand." - Gandalf in J.R.R Tolkien - Herr der Ringe, Band 1

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#7 Re: Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Beitrag von Pluto » Mi 17. Aug 2016, 18:33

ProfDrVonUndZu hat geschrieben:Da irrst du dich. Die wissenschaftlichen Methoden hinterfragen nicht die Offenbarung (Gottes), sondern sieht in den Texten höchstens als Offenbarung bezeichnete Werke deren Erforschung einen gewissen philosophischen Erkenntnisgewinn zur Folge hat.
Ja. Das ist tatsächlich die Schlussfolgerung aus der Untersuchung.
Jedenfalls haben "ge-offenbarte" Fakten keinen Wahrheitsgehalt, sondern sind bloße Meinungen der alten Schreiber.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#8 Re: Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Beitrag von Münek » Mi 17. Aug 2016, 22:31

ProfDrVonUndZu hat geschrieben:Was hat das denn mit Ergebnisoffenheit zu tun, wenn der Offenbarungscharakter völlig ausgeklammert wird ?
Du meinst "göttliche Offenbarungen"? Solange "Gott" als geglaubte transzendente personale Wesenheit nicht erfassbar und begreifbar ist, kann eine solche "Vorstellung" nicht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sein. Wie sollte das denn vonstatten gehen?

Man kann der Wissenschaft nicht mangelnde Ergebnisoffenheit vorwerfen, nur weil sie bei ihrer Forschungstätigkeit die lediglich aus Glaubensgründen behauptete, unbewiesene Existenz von Teufeln, Göttern, Engeln, Dämonen, Kobolden, Gespenstern, Elfen, Toten-
geistern, Trolle, Pumuckls, unsichtbare rosarote Einhörner etc. außen vor lässt.

Glauben und behaupten kann man alles... Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt... :thumbup:

Benutzeravatar
ProfDrVonUndZu
Beiträge: 832
Registriert: Do 11. Aug 2016, 08:16

#9 Re: Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Beitrag von ProfDrVonUndZu » Do 18. Aug 2016, 09:52

Münek hat geschrieben: Du meinst "göttliche Offenbarungen"? Solange "Gott" als geglaubte transzendente personale Wesenheit nicht erfassbar und begreifbar ist, kann eine solche "Vorstellung" nicht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sein. Wie sollte das denn vonstatten gehen?
Gar nicht ? Man sollte die Rolle der Wissenschaft in der Theologie halt einfach nicht überschätzen oder ihr gar eine Monopolstellung geben.

Man kann der Wissenschaft nicht mangelnde Ergebnisoffenheit vorwerfen, nur weil sie bei ihrer Forschungstätigkeit die lediglich aus Glaubensgründen behauptete, unbewiesene Existenz von Teufeln, Göttern, Engeln, Dämonen, Kobolden, Gespenstern, Elfen, Toten-
geistern, Trolle, Pumuckls, unsichtbare rosarote Einhörner etc. außen vor lässt.
Ok, es ist etwas schwierig hier zwischen Vorwurf und Feststellung zu unterscheiden. Mal ein Beispiel :

Die Mathematik kann fest stellen, dass 1+1 = 2 ist
Das ist für die Realität aber erst mal ziemlich belanglos. Realität wäre 1 realer Apfel + 1 realer Apfel = 2 reale Äpfel.
Wenn du 0 Äpfel hast, nützt dir die unumstößliche Richtigkeit der Formel überhaupt nichts.
Daneben führt diese Formel auch niemals zu der Erkenntnis, dass man aus nur einem Apfel unzählige weitere machen kann, indem man aus einem Apfelkern einen Baum pflanzt, auf dem wiederum Äpfel wachsen.

Wenn, wie du sagst, Gott nicht erfassbar und begreifbar sei, wie weit muss dies für die Psyche antiker Autoren gelten ?
"Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand." - Gandalf in J.R.R Tolkien - Herr der Ringe, Band 1

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#10 Re: Wie zuverlässig ist die Bibel? Was ist zur historisch-kritischen Forschung zu sagen?

Beitrag von Pluto » Do 18. Aug 2016, 10:12

ProfDrVonUndZu hat geschrieben:Daneben führt diese Formel auch niemals zu der Erkenntnis, dass man aus nur einem Apfel unzählige weitere machen kann, indem man aus einem Apfelkern einen Baum pflanzt, auf dem wiederum Äpfel wachsen.
Damit verlässt du aber die Mathematik und begibst dich in die Biologie.

ProfDrVonUndZu hat geschrieben:Wenn, wie du sagst, Gott nicht erfassbar und begreifbar sei, wie weit muss dies für die Psyche antiker Autoren gelten ?
Ich behaupte mal, es muss genauso gelten denn der Mensch ist um ein Vielfaches älter als die Bibel.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Antworten