Magdalena61 hat geschrieben:Sola hat geschrieben:Am ehesten gibt es noch ein klares Bild, wenn man sich gegen das "Gegenteil" von Selbstverwirklichung abgrenzt. Das ist in meinen Augen "Fremdbestimmung", dh wenn man nicht das tun kann, was der eigenen Vorstellung entspricht, wenn man sich nicht damit "identifizieren" kann, sondern gegen seine Überzeugung handelt.
Sehr gut beschrieben. Selbstbestimmung kontra Fremdbestimmung, so sehe ich das auch.
Es gibt nur diese zwei Möglicheiten: Entweder lebe ich
meiner Überzeugung gemäß oder ich verausgabe meine Kraft im Bemühen, den Forderungen, die von außen an mich herangetragen werden, zu genügen.
Um eine Überzeugung
leben (verwirklichen) zu können, muß man aber erst einmal eine
haben. Es macht viel Mühe, sich zu informieren, nachzudenken und Ziele oder Teilziele zu formulieren, um dann im eigenen Leben Prioritäten zu setzen, so weit das überhaupt möglich ist.
Leider bedeutet "Selbstverwirklichung" für viele, die sie verteidigen, ein "Leben nach dem Lustprinzip": Zuerst komm' Ich, dann wieder Ich und dann nochmals Ich.
Sola hat geschrieben:Und schon hat man das Leben in 2 Bereiche geteilt: einen "fremdbestimmten" und einen, in dem "Selbstverwirklichung" möglich ist, man schränkt sich eine gewisse Zeit lang ein und lebt quasi "in die Spardose", damit man das "Gesparte" später ausgeben kann.
Die Kunst des Lebens besteht meiner Meinung nach darin, ein ausgewogenes Verhältnis zu finden zwischen Neigungen und Pflichten.
LG
Ich denke, dass es auch darum geht, diese Trennung überhaupt zu vermeiden.
Mir ist dieses "Spardosenleben" jedesmal besonders krass aufgefallen, wenn ich früher von meinen Indienreisen nach Deutschland zurückkam und in die abgehetzten, chronisch unzufriedenen und irgendwie leeren Gesichter meiner Landsleute blickte - ein richtiger "Kulturschock".
Dagegen hat mich der Anblick der Putzfrau meines indischen Lehrers immer fasziniert: sie war eine total arme Frau ohne die geringste "Lebensperspektive", trotzdem sah sie nicht unzufrieden oder unglücklich aus, wenn sie mit ihrem Lappen auf den Knien den Boden wischte und sich hinterher in eine Ecke setzte und wartete, bis alles wieder trocken war.
Und das, obwohl sie sich garantiert eine schönere Beschäftigung hätte vorstellen können, als für ein paar Cent, die kaum für das tägliche Leben reichen, auf auf anderer Leute Fussboden herumrutschen zu müssen...
Aber das ist keine Frage nach "Arbeit" oder "Freizeit" oder wie weit man sein Leben selbst bestimmen kann und wieviele Einschränkungen man in Kauf und worauf man Rücksicht nehmen muss. Das ist eine "innere Freiheit", so wie der Aufruf Jesu in der Bergpredigt:
Mt 6,25 Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?
26 Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?
Es geht hier nicht darum, nicht mehr zu arbeiten und "Aussteiger" zu werden, sondern um das, was das Denken und Fühlen bestimmt, das, wovon wir unser Glück und unsere Zufriedenheit abhängig machen - so wie unmittelbar davor gesagt ist:
24 Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.
Der christliche Glaube kennt kein "unabhängiges", "souveränes" "Selbst", das sich "frei" und "selbstbestimmt" irgendwelche Ziele setzen und sich in ihnen verwirklichen kann. Das, woran man sein Herz hängt, dem muss man auch dienen. Und wird dabei so frei oder unfrei, wie es dieser "Herr" einem "erlaubt", überdies noch eingeschränkt durch die Umstände, die man nicht in der Hand hat und die Interessen der Mitmenschen, die nicht unbedingt mit meinen "konform" gehen bzw "vereinbar" sind. Dann muss sich halt der Stärkere gegen den Schwächeren durchsetzen und die "Selbstverwirklichung" gerät dann leicht zu einer "Radfahrübung", bei der das "Nach-oben-buckeln-müssen" durch ein "Nach-unten treten-können" ausgeglichen wird.