Aggressive Missionierung

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Demian
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#11 Re: Aggressive Missionierung

Beitrag von Demian » Do 24. Okt 2013, 10:29

GanzBaff hat geschrieben: Du hältst die Verkündigung des Evangeliums für eine Pflicht, Muslime halten die Verkündigung des Koran für ihre Pflicht. Wer von beiden hat denn nun Recht?

Die Multiversen der Liebe - im Geist der Liebe ist jeder im Recht. Denn sie ist der mystische "Zusammenfall der Gegensätze". Je mehr man in diese Erfahrung kommt, desto unnötiger werden die Grenzziehungen.

piscator
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#12 Re: Aggressive Missionierung

Beitrag von piscator » Do 24. Okt 2013, 10:32

Magdalena61 hat geschrieben:Aber nein, die Verkündigung des Evangeliums ist Pflicht, aber von "aggressiv" habe ich doch nichts gesagt... Kommen wir zur Sache: Was verstehst du eigentlich unter "aggressiver Missionierung"?

Die Frage ist, wie der Missionierte die Missionierung empfindet.

Ich habe vor einiger Zeit ein Buch eines jungen Marokkaners gelesen, der geschildert hat, wie junge Evangelikale in seinem Land missioniert haben. Die Angesprochenen empfanden dies als extrem aggressiv, da die Missionare den Islam grundsätzlich als schlecht und somit die daran glaubenden Muslime als schlechte Menschen hingestellt haben.

Meine persönlichen Erfahrungen in diesen Ländern zeigen, dass diese Menschen sich freuen, wenn man sich für ihre Religion interessiert, wobei ich meistens vermeide, mich sofort als Atheisten zu erkennen gebe und das auch nur aus dem Grund, weil sich viele Muslime nicht vorstellen können, dass jemand an keinen persönlichen Gott glaubt.
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GanzBaff
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#13 Re: Aggressive Missionierung

Beitrag von GanzBaff » Do 24. Okt 2013, 10:38

Demian hat geschrieben:Je mehr man in diese Erfahrung kommt, desto unnötiger werden die Grenzziehungen.
... und desto unnötiger sind Religionen und Götter.

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Demian
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#14 Re: Aggressive Missionierung

Beitrag von Demian » Do 24. Okt 2013, 10:45

piscator hat geschrieben: Die Frage ist, wie der Missionierte die Missionierung empfindet.

Die Globalisierung wird die Menschen zu einer umfassenden inhaltlichen Auseinanderzung nötigen, da die üblichen begrifflich-ideologischen Grenzziehungen nicht mehr haltbar sind. Ich denke, die heutige religiöse Gewalt markiert im Grunde eine generelle Krise des heutigen Bewusstseinsstandes - ich denke Karl Rahner behält Recht:"der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein - oder er wird nicht sein." Das gilt allerdings für jede Religion.

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#15 Re: Aggressive Missionierung

Beitrag von piscator » Do 24. Okt 2013, 11:07

Demian hat geschrieben:
piscator hat geschrieben: Die Frage ist, wie der Missionierte die Missionierung empfindet.

Die Globalisierung wird die Menschen zu einer umfassenden inhaltlichen Auseinanderzung nötigen, da die üblichen begrifflich-ideologischen Grenzziehungen nicht mehr haltbar sind. Ich denke, die heutige religiöse Gewalt markiert im Grunde eine generelle Krise des heutigen Bewusstseinsstandes - ich denke Karl Rahner behält Recht:"der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein - oder er wird nicht sein." Das gilt allerdings für jede Religion.

Religiöse Gewalt ist in meinen Augen nicht nur das Töten oder Verletzen andere Menschen. Religiöse Gewalt fängt schon damit an, dass man enge Verhaltensregel vorgibt und zusätzlich Drohszenarien aufbaut, die dazu dienen, die Gläubigen bei der Stange zu halten und eine Abgrenzung gegenüber Anders- oder Nichtgläubigen aufzubauen.

Wenn bestimmte Religionsgemeinschaften schon innerhalb der eigenen Gruppe kein ungezwungenes Miteinander möglich machen, braucht man über Mission nach außen und deren negativen Erscheinungsformen schon gar nicht mehr zu diskutieren.
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#16 Re: Aggressive Missionierung

Beitrag von Demian » Do 24. Okt 2013, 11:08

GanzBaff hat geschrieben:
Demian hat geschrieben:Je mehr man in diese Erfahrung kommt, desto unnötiger werden die Grenzziehungen.
... und desto unnötiger sind Religionen und Götter.

Die Religion liefert in der Essenz eine initiatorische Praxis der Innen- und Tiefenerfahrung, um in die "Geistliebe" eines transpersonalen Bewusstseins zu führen. Dazu gibt es in allen Weisheitslehren entsprechende Ideen-Samen, die wohl verstärkt in den Vordergrund treten werden. Ich denke, die heutige institutionalisierte Religion wird einer mystischen "Erfahrungsreligion" weichen, die mehr einem künstlerischen Gestalten, als einer theologischen Lehre gleichen wird.

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#17 Re: Aggressive Missionierung

Beitrag von Demian » Do 24. Okt 2013, 11:16

piscator hat geschrieben:Religiöse Gewalt fängt schon damit an, dass man enge Verhaltensregel vorgibt und zusätzlich Drohszenarien aufbaut, die dazu dienen, die Gläubigen bei der Stange zu halten und eine Abgrenzung gegenüber Anders- oder Nichtgläubigen aufzubauen.

Das trifft vorallem auf die heutige Religion zu, mit dem heutigen Bewusstseinsstand und den heutigen Weltbildern, die immer mehr ineinander übergehen, interagieren und Vernetzungen bilden werden. Das ist jedenfalls mein "Prinzip Hoffnung".

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#18 Re: Aggressive Missionierung

Beitrag von GanzBaff » Do 24. Okt 2013, 11:23

Demian hat geschrieben:Das trifft vorallem auf die heutige Religion zu, mit dem heutigen Bewusstseinsstand und den heutigen Weltbildern
Was sind denn frühere Religionen, frühere Bewusstseinsstandards und frühere Weltbilder? Die Religionen haben sich im Kern nicht viel verändert, wir nehmen es in Europa nur so wahr, weil sich das Christentum hier an der Aufklärung und am Humanismus rundschleifen lassen musste. Dass dieser Umstand zB. dem Islam fehlt, sieht man ja an den Diskussionen darüber.

Nein, die Religion ist die Gleiche wie früher, hier muss sie nur starke Kompromisse eingehen, während sie früher selbstverständlich Ketzer auf den Scheiterhaufen beförderte darf sie heute lediglich ihren Unmut über schwule Ehen äußern. Dennoch mischt sie nach wie vor mehr in der Gesellschaft mit als den meisten lieb oder bewusst ist. Nicht zuletzt ist es nach wie vor ein finanzielles Problem: Mit welcher Berechtigung pustet ein offiziell säkularer Staat Milliarden an Steuergeldern in die Kirchen?

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#19 Re: Aggressive Missionierung

Beitrag von Demian » Do 24. Okt 2013, 11:42

GanzBaff hat geschrieben: Was sind denn frühere Religionen, frühere Bewusstseinsstandards und frühere Weltbilder? Die Religionen haben sich im Kern nicht viel verändert

Jean Gebser hat ein Strukturmodell der Bewusstseinsgeschichte des Menschen entwickelt. Der heutige europäische Mensch hat bisher vier Bewusstsseinsstrukturen durchlaufen: die archaische, magische, mythische und mentale. Wie Gebser vertrete ich die Auffassung, dass das mentale Zeitalter nicht der Endpunkt der menschlichen Bewusstseinsgeschichte ist, sondern nur der Anfang von etwas Neuem. Er nannte das kommende Bewusstsein integrales, aperspektivisches oder mystisches Bewusstsein, in welcher Spiritualität und Wissenschaft einander nicht mehr gegenüberstehen, sondern einander geistig integrieren. Trennende und grenzenziehende Religion und trennende und grenzenziehende Ablehnung von Religion gehören beide noch ins "mentale" Zeitalter.
Für das perspektivische Bewusstsein wird die Welt zum Gegenüber eines Ichs, das sich bewusst von seiner Umgebung abgrenzt und so den Raum verfügbar und manipulierbar macht. Besonders gut kann man diesen Bewusstseinswandel in der Malerei nachvollziehen: Die alten Malereien des mythischen Bewusstseins kennen noch keine Perspektive. Sie betten den Menschen ein in den Goldgrund. Dies bringt zum Ausdruck, dass der Mensch noch Teil der Welt ist und nicht ihr Gegenüber. Leonardo da Vinci wandte als erster Maler die Perspektive in technischer Perfektion an und fundierte sie auch theoretisch. Der Mensch löste sich aus dem „Goldgrund“ und machte die Welt zum verfügbaren, manipulierbaren Gegenüber. Gebser würdigt dabei das mentale Bewusstsein als einen großen Gewinn, der einen gewaltigen schöpferischen Aufschwung bedeutete.

Erst in unserer Zeit ist das mentale Bewusstsein defizient geworden. Daher ist in unserer Zeit die Gewinnung der Aperspektive notwendig, die zur Überwindung des Raumes führen wird. Auch dies kann man besonders gut an den malerischen Bemühungen unserer Zeit erkennen: die Malerei nach der Jahrhundertwende versucht auf zahlreiche Arten, die Perspektive zu überwinden. Als besonders gelungene Versuche, die schon heute das neue Bewusstsein sichtbar werden lassen, werden von Gebser die Werke von Braque und Picasso bezeichnet.[13] Was sich in den Versuchen der Maler ankündigt, ist die Überwindung der gegenüber-seienden Welt des perspektivischen Zeitalters. Die aperspektivische Welt, die heute entsteht, wird eine „Welt ohne Gegenüber“ sein.[14]

Der Dualismus der Subjekt-Objekt-Spaltung, welcher der perspektivischen Welt ihr Gepräge gab, wird in der „Welt ohne Gegenüber“ überwunden durch ein neues Miteinander und durch die bewusste Teilhabe des Einzelnen am Weltganzen. Anstelle des begrenzten Weltraums der mentalen Struktur tritt die offene Welt eines endlichen, aber unbegrenzten Kosmos. Diese Welt ohne Gegenüber verwirklicht den zweiten Teil des Grundgedankens von Jean Gebser, die Überwindung des Raumes.

Quelle

Nein, die Religion ist die Gleiche wie früher

Ja und nein - sie entfaltet und entwickelt sich, wie das Bewusstsein des Menschen. Man kann zwar behaupten, dass es eine solche Entwicklungsfähigkeit des Menschen überhaupt nicht gibt, aber das ist nicht mein Menschenbild.

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GanzBaff
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#20 Re: Aggressive Missionierung

Beitrag von GanzBaff » Do 24. Okt 2013, 11:53

Mit solchen Strukturmodellen kann ich nicht sehr viel anfangen, da ich im Grunde "recht einfach ticke" und auf dem Standpunkt stehe, dass Erklärungsmodelle eher einfach sein sollten. So wie ich auf dem Standpunkt stehe dass sich "übergeordnete Weltanschauungen" auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner der jeweiligen Subweltbilder bewegen sollten. Die Gefahr bei solchen Gedankengebäuden sehe ich darin, dass man sich sehr schnell im philosophischen Klein-Klein verliert und die tatsächlichen Gegebenheiten aus den Augen verliert. In meiner Annahme bestärkt werde ich jeden Tag aufs Neue wenn "vom grünen Schreibtisch" Verordnungen hereinschneien, die in der Theorie ganz gut klingen, in der Praxis aber bereits wegen Winzigkeiten an der Umsetzung scheitern.

Allein wenn ich mir die Ausführungen zur Kunstgeschichte durchlese bin ich eher skeptisch ob die Einführung der Perspektive und sonstigen Neuerungen nicht eher der fortschreitenden Technik und dem besseren Verständnis von Natur und Umwelt geschuldet sind.

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