Glauben oder Handeln?

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sven23
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#1 Glauben oder Handeln?

Beitrag von sven23 » So 9. Aug 2015, 10:36

Wie so oft in der Bibel gibt es auch in der Frage, was wichtiger ist, Glauben oder Handeln, eine große Diskrepanz.

So steht im Jakobusbrief:
"Was hilft's, liebe Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen? Wenn ein Bruder oder eine Schwester Mangel hätte an Kleidung und an der täglichen Nahrung und jemand unter euch spräche zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gäbet ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat - was könnte ihnen das helfen?
So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber."
Jakobus 2,14-17

Paulus dagegen meint, der Glaube allein reiche aus.
"......Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben."
Römer 3,27-28

Es ist nicht verwunderlich, daß Paulus den Glauben höher einschätzt als Werke. Schließlich ist er es vor allem, der den Wanderprediger Jesus zum Gottessohn machen will. Dafür benötigt er den Glauben. Glauben, glauben und nochmal glauben, es ist die Klammer, die alles zusammenhalten soll, was Paulus sich ausdenkt.
Dabei schreckt er auch vor Lügen nicht zurück, wie er selbst unumwunden zugibt.

"Wenn aber die Wahrheit Gottes durch meine Lüge herrlicher wird zu seiner Ehre, warum sollte ich dann noch als ein Sünder gerichtet werden?"
Römer 3,7

Im Grunde sagt Paulus: der Zweck heiligt die Mittel.
Wie vertrauns- oder glaubwürdig ist aber Jemand, der die Lüge als legitimes Mittel zum Zweck propagiert?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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barbara
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#2 Re: Glauben oder Handeln?

Beitrag von barbara » So 9. Aug 2015, 12:18

Jesus argumentierte, dass all die jüdischen hohen Geistlichen, die zwar das Gesetz buchstabengetreu erfüllen, aber es nur tun, weil es das Gesetz ist, und nicht weil es aus ihrem Herzen kommt, es genauso gut bleiben lassen könnten. Recht hat er!

Aus der korrekten Einstellung fliessen von selbst die entsprechenden Handlungen, ohne Zwang.

Zu dem Zitat von Römer 3.7 hast du dir bequemerweise erlaubt, den Kontext wegzulassen:

Röm 3.1 Was ist nun der Vorzug der Juden, der Nutzen der Beschneidung?
Röm 3,2 Er ist groß in jeder Hinsicht. Vor allem: Ihnen sind die Worte Gottes anvertraut.
Röm 3,3 Wenn jedoch einige Gott die Treue gebrochen haben, wird dann etwa ihre Untreue die Treue Gottes aufheben?
Röm 3,4 Keineswegs! Gott soll sich als der Wahrhaftige erweisen, jeder Mensch aber als Lügner, wie es in der Schrift heißt: So behältst du Recht mit deinen Worten und trägst den Sieg davon, wenn man mit dir rechtet.
Röm 3,5 Wenn aber unsere Ungerechtigkeit die Gerechtigkeit Gottes bestätigt, was sagen wir dann? Ist Gott - ich frage sehr menschlich - nicht ungerecht, wenn er seinen Zorn walten lässt?
Röm 3,6 Keineswegs! Denn wie könnte Gott die Welt sonst richten?
Röm 3,7 Wenn aber die Wahrheit Gottes sich durch meine Unwahrheit als noch größer erweist und so Gott verherrlicht wird, warum werde ich dann als Sünder gerichtet?
Röm 3,8 Gilt am Ende das, womit man uns verleumdet und was einige uns in den Mund legen: Lasst uns Böses tun, damit Gutes entsteht? Diese Leute werden mit Recht verurteilt.
Röm 3,9 Was heißt das nun? Sind wir als Juden im Vorteil? Ganz und gar nicht. Denn wir haben vorher die Anklage erhoben, dass alle, Juden wie Griechen, unter der Herrschaft der Sünde stehen,
Röm 3,10 wie es in der Schrift heißt: Es gibt keinen, der gerecht ist, / auch nicht einen;


Du verleumdest ihn also auf genau die Weise, wie er selbst schon schrieb, dass er verleumdet wurde, da es nicht darum geht, ob ein Mensch bewusst die Unwahrheit sagt, sondern darum, dass kein Mensch Zugang zur reinen absoluten Wahrheit hat, und somit schon qua Menschlichkeit ein "Lügner" ist.

Dass du so tendenziöse Diskussionsstrategien nötig hast... :?

gruss, barbara

2Lena
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#3 Re: Glauben oder Handeln?

Beitrag von 2Lena » So 9. Aug 2015, 12:46

Es gibt mehr Arten von "Glauben".
Einer, emuna, heißt eigentlich ausbilden (aman), einweihen (amen). Man sagt "Amen" in der Kirche. Amin ist zuverlässig, vertrauenswürdig. Es liegt eine etwas andere Wortkonstruktion vor.

Eine Ausbildung bekommt jemand durch Erfahrung, durch Gemeinschaften. Sie bringt ihm Sicherheit, ein System von Bräuchen und notwendigen Handlungen.

Unsere Vorstellung von "Glaube" hat mehr mit "für-wahr-halten" zu tun. Wer diesen "ersten" Schritt tut in ein neues Gebiet, hat schon was getan mit dem Öffnen von Möglichkeiten. Ihm folgen durch den geöffneten Wunsch automatisch die Taten.

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sven23
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#4 Re: Glauben oder Handeln?

Beitrag von sven23 » So 9. Aug 2015, 13:04

barbara hat geschrieben: Du verleumdest ihn also auf genau die Weise, wie er selbst schon schrieb, dass er verleumdet wurde, da es nicht darum geht, ob ein Mensch bewusst die Unwahrheit sagt, sondern darum, dass kein Mensch Zugang zur reinen absoluten Wahrheit hat, und somit schon qua Menschlichkeit ein "Lügner" ist.
Moment, vielleicht hast du da was mißverstanden. Es ist nicht Jesus, der sagt, daß die Lüge als Mittel zum Zweck dient, sondern Paulus.
Daß Paulus ein zweifelhafter Charakter war, wurde schon öfter angesprochen. Er wäre einen eigenen Thread wert. Schließlich gehen 1/3 des NT auf ihn, der Jesus nie getroffen hat. 7 der 14 Paulusbriefe haben andere Autoren als den oder die Schreiber der anderen 7.

Was sagt Nietzsche über Paulus?
"Der "frohen Botschaft" folgt auf dem Fuß die allerschlimmste: die des Paulus. In Paulus verkörpert sich der Gegensatz-Typus zum "frohen Botschafter", das Genie im Hass, in der Vision des Hasses, in der unerbittlichen Logik des Hasses. Was hat dieser Dysangelist alles dem Hasse zum Opfer gebracht! Vor allem den Erlöser: er schlug ihn an sein Kreuz. Das Leben, das Beispiel, die Lehre, der Tod, der Sinn und das Recht des ganzen Evangeliums - nichts war mehr vorhanden, als dieser Falschmünzer aus Hass begriff, was allein er brauchen konnte. Nicht die Realität, nicht die historische Wahrheit! ... er strich das Gestern, das Vorgestern des Christentums einfach durch, er erfand sich eine Geschichte des ersten Christentums. Mehr noch: er fälschte die Geschichte Israels nochmals um, um als Vorgeschichte für seine Tat zu erscheinen: alle Propheten haben von seinem "Erlöser" geredet ... Die Kirche fälschte später sogar die Geschichte der Menschheit zur Vorgeschichte des Christentums ..."
(Nietzsche, dt. Philosoph, 1844-1900)
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barbara
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#5 Re: Glauben oder Handeln?

Beitrag von barbara » So 9. Aug 2015, 13:24

sven23 hat geschrieben: Moment, vielleicht hast du da was mißverstanden. Es ist nicht Jesus, der sagt, daß die Lüge als Mittel zum Zweck dient, sondern Paulus.

und genau eben dieser Paulus erklärt im Kontext deines aus dem Kontext gerissenen Zitats, was er meint. Eben genau NICHT dass der Zweck das Mittel heiligt. Was jeder leicht herausfinden könnte, der sich die Mühe machte, ein paar Zeilen vorher und nachher in diesem Brief zu lesen, und nicht diesen einen Satz rauszunehmen und dann so zu deuten, wie es grad in den eigenen Kram passt.

Und du musst noch nicht mal google bemühen, hättest einfach meinen Beitrag lesen können.

gruss, barbara

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sven23
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#6 Re: Glauben oder Handeln?

Beitrag von sven23 » So 9. Aug 2015, 14:11

barbara hat geschrieben: und genau eben dieser Paulus erklärt im Kontext deines aus dem Kontext gerissenen Zitats, was er meint. Eben genau NICHT dass der Zweck das Mittel heiligt. Was jeder leicht herausfinden könnte, der sich die Mühe machte, ein paar Zeilen vorher und nachher in diesem Brief zu lesen, und nicht diesen einen Satz rauszunehmen und dann so zu deuten, wie es grad in den eigenen Kram passt.
Man muß das Paulus-Zitat auch im Zusammenhang mit der Situation in den frühchristlichen Gemeinden sehen.

"Die Evangelien waren in den ersten hundert Jahren unserer Zeitrechnung alles andere als heilig. Sie waren Schriften wie viel andere auch und es bestand gar kein Anlass, nicht zu korrigieren, nichts hinzuzufügen, nichts zu ergänzen oder zu kürzen. Wer überhaupt Abschriften besaß, benutzte sie in erster Linie, um Ungläubige zu überzeugen. Was lag also näher, als sie dem eigenen missionarischen Anliegen anzupassen und sie entsprechend auszuschmücken?

Es bestand zudem eine permanente Nachfrage nach Schriften, die in den neu gegründeten Christengemeinden vorgelesen werden konnten. Das ermunterte leider auch zu Fälschung und Verdrehung, wodurch die alten Texte ein zusätzliches Glaubwürdigkeitsproblem erhielten.

Die Annahme, die Bibelmacher hätten eine tiefe Erfurcht gegenüber den frühchristlichen Texten empfunden und sie nur wortgetreu übertragen, ist falsch. Das Gegenteil war der Fall! Die ersten Schriften der Christen waren keine religiösen Texte wie die des Alten Testaments, sondern theologische Werbebotschaften."

Quelle

Vor diesem Hintergrund muß das Zitat von Paulus gesehen werden.
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barbara
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#7 Re: Glauben oder Handeln?

Beitrag von barbara » So 9. Aug 2015, 14:28

was immer noch nichts ändert, dass du den unmittelbaren Kontext in diesem Brief nicht beachtest und es, wenn du nur ein paar Zeilen vorher und nachher auch lesen würdest, merken müsstest, dass deine Interpretation im Sinne von "der Zweck heiligt die Mittel" völlig falsch ist.

Unabhängig davon, ob dem Text eine Heiligkeit oder wörtliche Inspiration zugeschrieben werden soll oder nicht, das ist wieder eine ganz andere Baustelle. Lenk doch nicht immer ab!

gruss, barbara

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sven23
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#8 Re: Glauben oder Handeln?

Beitrag von sven23 » So 9. Aug 2015, 14:59

barbara hat geschrieben:was immer noch nichts ändert, dass du den unmittelbaren Kontext in diesem Brief nicht beachtest und es, wenn du nur ein paar Zeilen vorher und nachher auch lesen würdest, merken müsstest, dass deine Interpretation im Sinne von "der Zweck heiligt die Mittel" völlig falsch ist.

Unabhängig davon, ob dem Text eine Heiligkeit oder wörtliche Inspiration zugeschrieben werden soll oder nicht, das ist wieder eine ganz andere Baustelle. Lenk doch nicht immer ab!

gruss, barbara

Es ist ja nicht so, daß ich mir das aus den Fingern saugen würde. Man muß das Paulus-Zitat auch im Zusammenhang mit der MIssionierung sehen.
Lies dazu mal "Die Erfinder des Christentums: Eine Ermittlung" von Hans-Georg Weiske.
Leseprobe
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#9 Re: Glauben oder Handeln?

Beitrag von barbara » So 9. Aug 2015, 15:05

Les ich jetzt nicht - aber wenn es Christen geben sollte, die nicht sinnerfassend lesen und ihren Verstand gebrauchen können, sollte das nicht dich daran hindern, sinnerfassend zu lesen und deinen Verstand zu gebrauchen.

Es gibt nicht den geringsten Grund dazu, das tiefste verfügbare Niveau als Standard für Diskussionen zu definieren.

gruss, barbara

Catholic
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#10 Re: Glauben oder Handeln?

Beitrag von Catholic » So 9. Aug 2015, 15:07

sven23 hat geschrieben: Man muß das Paulus-Zitat auch im Zusammenhang mit der Situation in den frühchristlichen Gemeinden sehen.

"Die Evangelien waren in den ersten hundert Jahren unserer Zeitrechnung ...Schriften wie viel andere auch...Wer überhaupt Abschriften besaß, benutzte sie in erster Linie, um Ungläubige zu überzeugen....
...Die ersten Schriften der Christen waren keine religiösen Texte ..."

Quelle

Vor diesem Hintergrund muß das Zitat von Paulus gesehen werden.

Kurzfassung:
Es konnte sein,dass die christliche Gemeinde z.B. in Korinth die Briefe des Paulus in ihrem Sinne veränderte um so die heidnische Bevölkerung Korinths vom christlichen Glauben zu überzeugen!

Meinst Du das?

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