Descartes und Glaube

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#11 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 08:28

sven23 hat geschrieben:Zur leiblichen Auferstehung kann die Naturwissenschaft nichts sagen, ausser, dass so etwas noch nie beobachtet werden konnte. Das gilt übrigens für alle supranaturalen "Phänomene".
Überleg mal, was Du sagst: "Supra-naturale Phänomene wurde von der der Naturwissenschaft noch nicht untersucht". - Ja, WIE denn, wenn sie supra-natural sind? Deswegen sagt man doch "supra-natural.

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#12 Descartes

Beitrag von Thaddäus » Sa 23. Apr 2016, 08:40

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Für Descartes sind die res extensa, also die körperlichen Dinge, gegeben.
Das haben wir anders gelernt - gerade neulich habe ich einen Descartes-Vortrag in "Wissenschaft für Schlaflose" (oder so ähnlich) auf Arte (?) gesehen, in dem dies ausdrücklich nach meinem Verständnis interpretiert wurde.
Dann hast du diesen Beitrag über Descartes nicht richtig verstanden.
Du verstehst öfter historische Positionen der Philosophie nicht und vermengst sie dann auch noch mit deinen eigenen, treffsicher danebenliegenden, Begriffsdefinitionen und privaten Theorien. Dabei heraus kommen dann esoterisch-synkretistische Überzeugungen, von denen du glaubst, sie seien so vertreten worden und von denen du dich zu allem Unglück auch nicht abbringen lässt.

Also nochmal: Für Descartes existiert die Welt der körperlichen Dinge selbstverständlich. Innerhalb seines methodischen Zweifelns stellt er lediglich die skeptische Frage, woher wir WISSEN, dass wir die Welt nicht einfach z.B. erträumen und also umfassend getäuscht sind? Deshalb stellt er zunächst alles Wissen infrage und landet bei seinem berühmten "ego sum, ego existo - quamdiu cogito" ("Ich bin, ich existiere - im Vollzug des Denkens“), als dem, woran nicht gezweifelt werden kann.
Nachdem er dieses fundamentum inconcussum (= unerschütterliches Fundament) gefunden hat, macht er sich daran, zu beweisen, dass wir in unserer Erkenntnis der (körperlichen wie geistigen) Welt nicht getäuscht werden. Hierzu beweist er zunächst Gott, von dem wir eine "clare et distincte" Idee als eines in jeder Hinsicht vollkommenen Wesens in unserem Geist vorfinden. Würde dieser Gott uns in unserer Erkenntnis der Welt täuschen, so wäre er kein vollkommenes Wesen, sondern eben ein böser Gott (deus malignus), welcher nicht vollkommen ist, weil er uns hinterhältig täuscht. (Der Kreationismus glaubt an einen solchen deus malignus, wenn er behauptet, Gott hätte alle Dinosaurierüberbleibsel erst vor 7000 Jahren miterschaffen.) Der Beweis, dass ein vollkommenes Wesen existiert, beweist gleichzeitig, dass wir uns grundsätzlich auf unsere Sinne verlassen können und zu wahren Erkenntnissen über die körperliche wie geistige Welt kommen können und sie eben nicht nur träumen.

Würde Descartes tatsächlich annehmen, die Welt der körperlichen Dinge wäre lediglich eine Einbildung oder geträumte Setzung des Menschen, dann würde die substanzielle Unterscheidung in res cogitans und res extensa keinen Sinn mehr ergeben, denn die res extensa viele dann unter die res cogitans (als Vorstellung, Einbildung oder Traum) und könnte damit nicht substanziell anders sein. Sie gehörte dann substanziell zur res cogitans, also der denkenden Sache und wäre damit gerade keine substanziell eigenständige res extensa.
Deine Interpretation widerspricht also dem ontologischen Grundgedanken Descartes.

closs hat geschrieben: Nach meinem Verständnis sind die "Res extensa" deshalb "gegeben" (= Entität), weil man dies aus der Annahme des "wohlwollenden Gottes" annehmen darf - also auf Basis einer Setzung.
Die res extensa ist nicht GEGEBEN, WEIL man einen wohlwollenden Gott annehmen darf, sondern wir können die real existierende Welt der körperlichen Dinge sicher und adäquat über unsere Sinne grundsätzlich korrekt ERKENNEN, weil wir einen wohlwollenden Gott annehmen dürfen. Der wohlwollende Gott garantiert, dass wir sie nicht nur träumen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es sind keine Entitäten, sondern Substanzen, sie sind also substanziell unterschiedlich.
Dann wären BEIDE Entitäten.
Nein, es sind Substanzen und keine Entitäten.
Eine Entität bezeichnet konkrete materielle oder geistige "Gegenstände": ein vorgstellter Kreis ist eine Entität oder auch geträumte Inhalte. Aber auch ein Tisch oder ein Molekül sind Entitäten.
Substanzen sind dem übergeordnet und bezeichnen nichts Konkretes, sondern das einer Klasse von Gegenständen Gemeinsame, welches sie alle zu Elementen dieser Klasse macht. So gehören alle gedachten Dinge zur res cogitans, während alle räumlich ausgedehnten Dinge (= materielle Körper) zu den res extensae gehören.

closs hat geschrieben:Unter Entität verstehe ich "Sein", das unabhängig von Wahrnehmung "ist"
Entitäten (= Seiendes) können, müssen aber nicht unabhängig von Wahrnehmung sein.

closs hat geschrieben:es kann also Entitäten geben, von denen wir gar nichts wissen. - Seiendes im Gegensatz zum Schein.
Es kann Entitäten geben, von denen wir keine Kenntnis haben. Aber auch ein geträumter Kreis ist eine Entität. Wenn ich Nachts im Park einen Strauch für einen menschen halte, dass ist dieser Bewusstseinsinhalt eine Entität, aber der bewusstseinsinhalt bildet nicht ab, was er abzubilden scheint.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 23. Apr 2016, 09:21, insgesamt 2-mal geändert.

Benutzeravatar
NIS
Beiträge: 2677
Registriert: Sa 2. Aug 2014, 15:01
Kontaktdaten:

#13 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von NIS » Sa 23. Apr 2016, 09:07

Die Quelle ist der Geist! ;)
AMEN
Der Heilige Geist (Hauke)

WISSEN VON MACHT

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#14 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Münek » Sa 23. Apr 2016, 09:25

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zur leiblichen Auferstehung kann die Naturwissenschaft nichts sagen, ausser, dass so etwas noch nie beobachtet werden konnte. Das gilt übrigens für alle supranaturalen "Phänomene".
Überleg mal, was Du sagst: "Supra-naturale Phänomene wurde von der der Naturwissenschaft noch nicht untersucht". - Ja, WIE denn, wenn sie supra-natural sind? Deswegen sagt man doch "supra-natural.
Moment mal! Sven hat nichts von naturwissenschaftlichen Untersuchungen geschrieben, sondern lediglich darauf hingewiesen,
dass supranaturale "Phänomene", z.B die leibliche Totenauferstehung, noch nie BEOBACHTET werden konnten. Deshalb könne die Naturwissenschaft dazu nichts sagen.
Zuletzt geändert von Münek am Sa 23. Apr 2016, 09:34, insgesamt 1-mal geändert.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#15 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Pluto » Sa 23. Apr 2016, 09:33

"Supranatural" sagt man deshalb, weil sie in der natürlichen Welt nicht vorkommen und aus dem Reich der Sagen und Legenden stammen.
Jede supranaturale Erscheinung birgt eine Verletzung von Naturgesetzen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#16 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 09:37

Thaddäus hat geschrieben:Dann hast du diesen Beitrag über Descartes nicht richtig verstanden.
Das würde mich wundern - der Vortragende hat dabei extra eine längere Passage wörtlich zitiert UND betont, dass Descartes heute oft falsch interpretiert werden würde. - Ich kann nur sagen, dass in diesem Vortrag Descartes genau so rüberkam, wie ich es bereits kannte.

Thaddäus hat geschrieben:Würde Descartes tatsächlich annehmen, die Welt der körperlichen Dinge wäre lediglich eine Einbildung oder geträumte Setzung des Menschen, dann würde die substanzielle Unterscheidung in res cogitans und res extensa keinen Sinn mehr ergeben
Richtig - und Moment:
Du trittst mit Deinem Denken regelmäßig im zweiten Schritt ein - konkret:

Das "Fundamentum incossum" ist das "Cogito" - richtig. - Und weil er aufgrund seiner (sehr vernünftigen) Setzung, Gott sei wohlwollend, zum Ergebnis kommt, dass wir uns auf unsere Sinne prinzipiell verlassen können, kommt er zum Ergebnis - und jetzt sind wir bei Deiner Aussage - , dass für Descartes die Welt der natürlichen Dinge zweifelsfrei existiert.

Exakt das ist meine Aussage seit jeher: Per Setzung verstehen wir die Welt der natürlichen Dinge als existent, können also die "Traum-"Version ausschließen. - "Realitäts-"/"Wirklichkeits-"Anerkenntnis als Ergebnis eines umfassenden philosophischen Prozesses auf Basis der Setzung eines wohlwollenden Gottes.

Dass man NACH dieser philosophischen Herleitung dann in der Naturwissenschaft nicht mehr sagt "Achtung: Setzung", ist auch klar: Das ist nicht Aufgabe der Naturwissenschaft. Unterm Strich: Überprüfe, ob DU nicht Descartes falsch verstanden hast, wenn Du Voraussetzung und Ergebnis vertauschst.

Mal ganz nebenbei:
Das ist meine einzige wirkliche Kritik am Naturalismus: Er scheint nicht zu begreifen, dass er wie alles andere auch ebenfalls auf einer Setzung beruht. - Während Descartes sagt "Ich behandle auf Basis/Setzung x die Welt der körperlichen Dinge als 'echt'", hört man heute oft: "Wir? - Nee - wir haben keine Setzung". - Ein Naturwissenschaftler darf das, ein Philosoph nicht".

Thaddäus hat geschrieben:Deine Interpretation widerspricht also dem ontologischen Grundgedanken Descartes.
Du weisst jetzt inzwischen, warum Du Dich diesbezüglich täuschst. - Der ontologische Grundgedanke ist Folge einer vorausgehenden Setzung in Bezug auf die Res extensa: Er DANACH kann Descartes zwischen cogitans und extensa unterscheiden. - Aber diesem Punkt stimme ich Dir in allem zu.

Thaddäus hat geschrieben:esoterisch-synkretistische Überzeugungen
Drei Punkte dazu:
1) Aus materialistischer Sicht ist wahrscheinlich alles "esoterisch", was mit "Geist" im ontologischen Sinne zu tun hat - es sei denn, man definiert alle Begriffe so um, dass man "Geist" inner-materialistisch verwenden kann. - Das ist Ausdruck der Zeit.
2) Wir sollten unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, dass historische Beurteilung eines Philosophen und dessen Bedeutung für heute zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe sind. - Selbst wenn ein Philosoph zu seiner Zeit seine Erkenntnisse nur im Rahmen seiner Zeit verwendet hat, heisst dies nicht, dass seine Erkenntnisse in anderen Zeiten zu SChlussfolgerungen führen, die früher nicht möglich gewesen sind.
3) Du bist in Deinem epochen-begrenzten Urteil nach wie vor - nun ja - sehr selbstbewusst.

Thaddäus hat geschrieben:Die res extensa ist nicht GEGEBEN, WEIL man einen wohlwollenden Gott annehmen darf
Doch - genau das.

Thaddäus hat geschrieben:Der wohlwollende Gott garantiert, dass wir sie nicht nur träumen.
Eben - das ist doch genau das, was ich sage - und ein Widerspruch zu Deinem vorherigen Satz.

Thaddäus hat geschrieben:ein vorgstellter Kreis ist eine Entität oder auch geträumte Inhalte
Ja - aber nur deshalb, weil es den vorgestellten Kreis geben kann. - Es gibt ihn auch ohne unsere Vorstellung - im Gegensatz zum Spaghetti-Monster.

Thaddäus hat geschrieben:Entitäten (= Seiendes) können, müssen aber nicht unabhängig von Wahrnehmung sein.
"Unabhängig" heisst - ähm - genau das: Man nimmt es wahr oder nicht UND es spielt keine Rolle, ob man es wahrnimmt oder nicht.

Thaddäus hat geschrieben:Aber auch ein geträumter Kreis ist eine Entität und kein Schein.
Richtig - weil es ihn völlig unabhängig davon gibt, ob wir ihn träumen (wahrnehmen) oder sehen (wahrnehmen).

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#17 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 09:42

Münek hat geschrieben:Deshalb könne die Naturwissenschaft dazu nichts sagen.
Ja, ok - was aber nicht zur Aussage berechtigt, dass es etwas nicht geben kann, weil es nicht naturwissenschaftlich untersucht bzw. untersuchbar ist.

Ich würde schon zwischen "natural" und "supra-natural" folgendermaßen unterscheiden:
1) Dunkle Materie ist NICHT supra-natural, sondern sehr wohl natural, aber halt noch nicht beobachtet.
2) Geist ist supra-natural, weil er prinzipiell naturwissenschaftlich nicht untersuchbar ist.

Pluto hat geschrieben:"Supranatural" sagt man deshalb, weil sie in der natürlichen Welt nicht vorkommen
Eben.

Pluto hat geschrieben:und aus dem Reich der Sagen und Legenden stammen.
Rein weltanschauliche Deutung.

Pluto hat geschrieben:Jede supranaturale Erscheinung birgt eine Verletzung von Naturgesetzen.
Nicht unbedingt. - Wenn ein Phänomen aus der naturalistischen Welt herausgenommen ist, verletzt es innerhalb der naturalistischen Welt keine Naturgesetze.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#18 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » Sa 23. Apr 2016, 11:32

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zur leiblichen Auferstehung kann die Naturwissenschaft nichts sagen, ausser, dass so etwas noch nie beobachtet werden konnte. Das gilt übrigens für alle supranaturalen "Phänomene".
Überleg mal, was Du sagst: "Supra-naturale Phänomene wurde von der der Naturwissenschaft noch nicht untersucht". - Ja, WIE denn, wenn sie supra-natural sind? Deswegen sagt man doch "supra-natural.
Ja eben, und wir hatten doch schon festgestellt, dass niemand Phänomene benennen kann, die einer supranaturalen Erklärung bedürften. (außer in alten Mythen und Legenden) Das heißt, bevor man überhaupt nach supranaturalen Erklärungen für ein behauptetes Phänomen sucht, sollte es dieses Phänomen erst mal geben. Konkret: wenn Johannes Heester wieder munter über den Friedhof spazieren sollte, gäbe es einen konkreten Anlass, sich mit solch einem supranaturalen Phänomen - und das wäre es dann in der Tat - zu beschäftigen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#19 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Thaddäus » Sa 23. Apr 2016, 11:56

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Dann hast du diesen Beitrag über Descartes nicht richtig verstanden.
Das würde mich wundern - der Vortragende hat dabei extra eine längere Passage wörtlich zitiert UND betont, dass Descartes heute oft falsch interpretiert werden würde. - Ich kann nur sagen, dass in diesem Vortrag Descartes genau so rüberkam, wie ich es bereits kannte.
Falls du den Vortragenden richtig verstanden haben solltest, dann hat der Vortragende Descartes exakt falsch verstanden. Und zwar missinterpretiert er in diesem Falle den methodischen oder Cartesischen Zweifel als Zweifel an der dinglichen Welt (res extensa). Descartes methodischer Zweifel (im Sinne eines bloßen Gedankenexperimentes) zweifelt aber nicht an der dinglichen Welt, sondern an unserem WISSEN über die dingliche (und geistige) Welt. Ersteres ist ontologisch (das Seiende betreffend), das Zweite ist epistemisch (das Wissen über das Seiende betreffend). Wer das nicht klar unterscheidet, interpretiert Descartes Anliegen falsch.

Der Beweis dafür, dass Descartes nicht das Seiende, sondern unser Wissen über das Seiende methodisch anzweifelt besteht - wie schon geschrieben - darin, dass seine ontologische Unterscheidung in res cogitans und res extensa keinen Sinn ergibt, wenn er die dingliche Welt der res extensae für bloße Vostellung oder Träumerei hielte.

Wiki führt das zum Stichwort "Methodischer Zweifel" völlig korrekt aus:
Das Ziel des Projektes ist es, alles zunächst vermeintliche Wissen zu hinterfragen, um ausgehend von einem zu ermittelnden sicheren Fundament den Wissensbestand bestmöglich zu rehabilitieren. Es soll also eine Neubegründung jeder Erkenntnis erfolgen. Descartes wendet zur Suche nach diesem sicheren Fluchtpunkt den methodischen Zweifel an, welchen er als schrittweisen Prozess des Anzweifelns aller Kognitionen versteht. Descartes zweifelt wohlgemerkt lediglich methodisch, das heißt vornehmlich im Sinne eines Gedankenexperiments und weniger ein tatsächliches Infragestellen der Wirklichkeit.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Würde Descartes tatsächlich annehmen, die Welt der körperlichen Dinge wäre lediglich eine Einbildung oder geträumte Setzung des Menschen, dann würde die substanzielle Unterscheidung in res cogitans und res extensa keinen Sinn mehr ergeben
Richtig - und Moment: (...)
Und weil er aufgrund seiner (sehr vernünftigen) Setzung, Gott sei wohlwollend, zum Ergebnis kommt, dass wir uns auf unsere Sinne prinzipiell verlassen können, kommt er zum Ergebnis - und jetzt sind wir bei Deiner Aussage - , dass für Descartes die Welt der natürlichen Dinge zweifelsfrei existiert.
Descartes SETZT nicht, dass Gott wohlwollend sei, sondern dies resultiert logisch zwingend aus der nach Descartes angeborenen klaren und distinkten Idee eines vollkommenen Wesens. Ein seine Geschöpfe täuschender, also ein betrügerischer Gott, widerspricht fundamental logisch der Idee eines vollkommenen Wesens. Man mag diesen Gedankengang in seiner Schlüssigkeit anzweifeln, gleichwohl setzt Descartes nicht einfach einen wohlwollenden Gott, sondern er versucht ihn argumentativ zu begründen. Nur weil du alles Mögliche begründungslos setzt, solltest du weder Descartes, noch anderen Philosophen denselben Fehler unterstellen.

closs hat geschrieben: Exakt das ist meine Aussage seit jeher: Per Setzung verstehen wir die Welt der natürlichen Dinge als existent, können also die "Traum-"Version ausschließen. - "Realitäts-"/"Wirklichkeits-"Anerkenntnis als Ergebnis eines umfassenden philosophischen Prozesses auf Basis der Setzung eines wohlwollenden Gottes.
Nein, das ist komplett falsch.
Die körperliche Welt der res extensa existiert nicht durch die Setzung eines wohlwollenden Gottes, sondern die Idee eines vollkommenen Wesens bedeutet, dass Gott kein uns betrügender Täuschergott sein kann, - und die Korrektheit dieser Argumentation garantiert, dass wir uns auf unsere Sinne verlassen und wahre Wissen über die körperliche Welt gewinnen können. Die res extensa , also die Welt der körperlichen Dinge, existiert nicht erst WEIL ein wohwollender Gott gesetzt wird. Sondern weil Gott vollkommen ist, ist er wohlwollend und das garantiert, dass wir wahres WISSEN über die welt der körperliche Dinge gewinnen.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#20 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Münek » Sa 23. Apr 2016, 12:20

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Deshalb könne die Naturwissenschaft dazu nichts sagen.
Ja, ok - was aber nicht zur Aussage berechtigt, dass es etwas nicht geben kann, weil es nicht naturwissenschaftlich untersucht bzw. untersuchbar ist.
Also halten wir fest: Die Naturwissenschaft äußert sich nicht zu den immer wieder berichteten "supranaturalen Phänomenen" (vulgo: Wundern). Ansonsten hat natürlich jeder Mensch das Recht, die Existenz von "Phänomenen" auszuschließen, die naturwissenschaftlich nicht untersuchbar sind.

closs hat geschrieben:Ich würde schon zwischen "natural" und "supra-natural" folgendermaßen unterscheiden:
1) Dunkle Materie ist NICHT supra-natural, sondern sehr wohl natural, aber halt noch nicht beobachtet.
2) Geist ist supra-natural, weil er prinzipiell naturwissenschaftlich nicht untersuchbar ist.
Wenn Du unter "Geist" GOTT verstehst, handelt es sich bei diesem "Wesen" zunächst einmal um ein bloßes Glaubenspostulat. Wie Sven schon richtig herausstellte, konnten supranaturale Phänomene bisher nicht beobachtet werden. Natürlich kann sich jedermann Fälle der Durchbrechung der Naturgesetze gedanklich vorstellen. Das ist nichts Besonderes. In meinen Träumen beispielsweise ist es mir immer wieder mal möglich, mit einer gewissen geistig-konzentrierten Anstrengung die Schwerkraft auszuschalten und mich dann kraft meiner Gedanken in die Lüfte zu erheben - zur großen Verblüffung der anwesenden (Traum-)Zuschauer.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:und aus dem Reich der Sagen und Legenden stammen.
Rein weltanschauliche Deutung.
Nö - eher evidenzbasierte Welt- und Lebenserfahrung. Diese kann man gar nicht hoch genug einschätzen.

Antworten