Descartes und Glaube

closs
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#21 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 12:38

sven23 hat geschrieben:wenn Johannes Heester wieder munter über den Friedhof spazieren sollte, gäbe es einen konkreten Anlass, sich mit solch einem supranaturalen Phänomen ... zu beschäftigen
Oder nimm Jesus, als er nach seinem Tod den Jüngern erscheint, durch geschlossene Türen geht und trotzdem von Thomas anfassbar ist.

Da kann man sich jetzt streiten, ob man es überhaupt "supra-natural" nennen kann, wenn man es naturalistisch untersuchen kann. Weil es ja dann wieder natural wäre. - Aber vielleicht wäre es auf eine ganz andere Art natural, als es die Wissenschaft kennt - das weiss ja keiner.

Hilfreich wäre das schon - um zu zeigen, welche Grenzen unser Verständnis von Naturwissenschaft hat. - Vielleicht kommt's ja noch. - Ungeachtet dessen würde es vermutlich unterm Strich nicht weiterführend sein, weil man dann zwar einer Erweiterung des Naturbegriffs zustimmen würde, aber immer noch nicht transzendent denken würde - es wäre also immer noch pantheistisch gedacht. - Aber genau das soll es nicht sein. - Also: Was brächte es?

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NIS
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#22 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von NIS » Sa 23. Apr 2016, 12:44

Die Wissenschaft sucht nach dem Gesetz der Natur, denn es ging im Paradies verloren! ;)

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closs
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#23 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 12:52

Thaddäus hat geschrieben: Descartes methodischer Zweifel (im Sinne eines bloßen Gedankenexperimentes) zweifelt aber nicht an der dinglichen Welt, sondern an unserem WISSEN über die dingliche (und geistige) Welt.
Moment - das macht doch keinen Sinn.

Wenn Wahrnehmung so unsicher ist (und was wäre "Wissen" anderes als ein Teil der Wahrnehmung?), dass sie an allem zweifeln muss (bis aufs "Cogito"): Wie könnten dann die Res extensa ausgeschlossen sein? - Der Zweifel am Wissen über die Res extensa kann doch nicht den Zweifel an der Frage, ob Res extensa Vorstellung oder "Realität" sind, auslassen? - Dann wäre das Cogito als einziges "fundamentum inconcussum" doch ausgehebelt. - Das macht keinen Sinn und ist wirklich unlogisch.

Thaddäus hat geschrieben:Der Beweis dafür, dass Descartes nicht das Seiende, sondern unser Wissen über das Seiende methodisch anzweifelt besteht - wie schon geschrieben - darin, dass seine ontologische Unterscheidung in res cogitans und res extensa keinen Sinn ergibt, wenn er die dingliche Welt der res extensa für bloße Vostellung oder Träumerei hielte.
Aber das ist doch erst DANACH - NACHDEM er den "wohlwollenden Gott" bereits in Petto hat:

"Wir denken und wir nehmen etwas sinnlich wahr: Ist das, was wir sinnlich wahrnehmen, Vorstellung oder echt? - Es ist echt, weil ich einen wohlwollenden Gott annehme - und deshalb kann ich die Res extensa genauso als existent verstehen wie mein Cogito". - Das ist die Reihenfolge.

Du stellst es so dar, als wolle er sagen:
"Wir haben das Cogito und die Res extensa als "fundamenta inconcussa" - aber wir wissen halt nicht, was wir darüber wissen". - Das ist doch Blödsinn. - Woher will der Mensch wissen, dass die Res extensa ein "fundamentum inconcussum" sind, wenn er sonst nichts weiss?

Thaddäus hat geschrieben:Descartes zweifelt wohlgemerkt lediglich methodisch, das heißt vornehmlich im Sinne eines Gedankenexperiments und weniger ein tatsächliches Infragestellen der Wirklichkeit.
Stimmt - er hat nicht vor, die res extensa in Frage zu stellen, weiss aber ontologisch, dass er es tun müsste, glaubte er nicht an einen wohlwollenden Gott.

Thaddäus hat geschrieben:Descartes SETZT nicht, dass Gott wohlwollend sei, sondern dies resultiert logisch zwingend aus der nach Descartes angeborenen klaren und distinkten Idee eines vollkommenen Wesens.
Gut - dann ist die Setzung, dass Gott ein vollkommenes Wesen ist. - Oder er setzt ganz einfach Gott.- Das ist mir wurscht. - Wichtig ist, dass es ohne diese Setzung nicht ginge.

Das Cogito jedoch ginge auch bei einem "Deus malignus" - das ist doch der Gag.

Thaddäus hat geschrieben:Sondern weil Gott vollkommen ist, ist er wohlwollend und das garantiert, dass wir wahres WISSEN über die welt der körperliche Dinge gewinnen.
OK - einverstanden. - Man kann dies bis zurück verfolgen und dann landet man halt: Weil man Gott setzt. - In Ordnung. - Es ändert nichts an der Substanz meiner Aussage.

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#24 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 12:55

Münek hat geschrieben:Also halten wir fest: Die Naturwissenschaft äußert sich nicht zu den immer wieder berichteten "supranaturalen Phänomenen"
Gut, wenn sie es nicht tut. - Ja, einverstanden.

Münek hat geschrieben:Wie Sven schon richtig herausstellte, konnten supranaturale Phänomene bisher nicht beobachtet werden.
Wie beschrieben: Das ist eigentlich schon logisch ausgeschlossen.

Münek hat geschrieben:Nö - eher evidenzbasierte Welt- und Lebenserfahrung. Diese kann man gar nicht hoch genug einschätzen.
In der allgemeinen Lebenspraxis, ja.

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sven23
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#25 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » Sa 23. Apr 2016, 12:59

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:wenn Johannes Heester wieder munter über den Friedhof spazieren sollte, gäbe es einen konkreten Anlass, sich mit solch einem supranaturalen Phänomen ... zu beschäftigen
Oder nimm Jesus, als er nach seinem Tod den Jüngern erscheint, durch geschlossene Türen geht und trotzdem von Thomas anfassbar ist.
Deshalb sagte ich ja: ausserhalb von alten Mythen und Märchen. In literarischer Form kann man sich alles Erdenkliche vorstellen. Man bewegt sich halt im Reich der Phantasie. Es hat schon seinen Grund, warum wir heute keine supranaturalen Phänomene beobachten.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#26 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Pluto » Sa 23. Apr 2016, 13:05

closs hat geschrieben:Der Zweifel am Wissen über die Res extensa kann doch nicht den Zweifel an der Frage, ob Res extensa Vorstellung oder "Realität" sind, auslassen?
Doch.
Ich vermute diese Frage war für Descartes sinnlos.
Thaddäus hat Recht: Er hat nicht an der Realität selbst gezweifelt, sondern nur an unserer Wahrnehmung davon.

closs hat geschrieben:Dann wäre das Cogito als einziges "fundamentum inconcussum" doch ausgehebelt.
Exakt!

closs hat geschrieben:NACHDEM er den "wohlwollenden Gott" bereits in Petto hat...
Nach heutigem Wissensstand ist diese Annahme nicht notwendig. Das wusste schon Spinoza.

closs hat geschrieben:Es ist echt, weil ich einen wohlwollenden Gott annehme - und deshalb kann ich die Res extensa genauso als existent verstehen wie mein Cogito". - Das ist die Reihenfolge.
Nö. Das ist zu kurz gedacht.
Unter Res Extensa verstehe ich den Organismus, also das Lebewesen. Dazu braucht man aber keinen Gott. Es genügt die Feststellung, dass die Welt existiert.

closs hat geschrieben:Man kann dies bis zurück verfolgen und dann landet man halt: Weil man Gott setzt. - In Ordnung. - Es ändert nichts an der Substanz meiner Aussage.
Was du vergisst, ist, dass hier eine Setzung die andere "jagt".
Mein Hauptkritik ist: Ohne "tonnenweise" Setzungen bricht das Glaubenskonstrukt der Spiritualität in sich zusammen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#27 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 13:46

sven23 hat geschrieben:Deshalb sagte ich ja: ausserhalb von alten Mythen und Märchen.
Das sind doch nur Etitketten. - Wenn das, was Du "Mythos" nennst, plötzlich von Dir als Phänomen erkennbar wäre, wäre es doch nicht etwas anderes, sondern würde von Dir nur anders genannt werden.

Pluto hat geschrieben:Er hat nicht an der Realität selbst gezweifelt, sondern nur an unserer Wahrnehmung davon.
Er hat persönlich als Christ nicht an der Realität selbst gezweifelt, weil er damit die Setzung "Gott = wohlwollender Gott" verknüpft. - Aber erkenntnis-theoretisch hat er trotzdem gewusst, dass er daran zweifeln müsste, wenn er diese Setzung nicht hätte.

Überleg doch rein logisch:
Die Aussage: Naturalistische Realität ist "echt", ist doch selbst eine Wahrnehmungs-Aussage. - Man kann doch nicht sagen, ich zweifle an unserer Wahrnehmung, aber nicht an den Objekten dieser Wahrnehmung.

Pluto hat geschrieben:Exakt!
Aber genau das geht frontal gegen die cartesische Erkenntnis. - Das wäre ein Widerspruch in sich selbst.

Pluto hat geschrieben:Nach heutigem Wissensstand ist diese Annahme nicht notwendig.
Nein - nach heutigem Setzungs-Stand.

Pluto hat geschrieben:Es genügt die Feststellung, dass die Welt existiert.
Aber das ist doch eine Wahrnehmungs-Größe - und es ist doch gerade die Wahrnehmung, die bis auf das "Cogito" anzweifelbar ist.

Pluto hat geschrieben:Was du vergisst, ist, dass hier eine Setzung die andere "jagt".
Es gibt nur eine: Die Setzung Gottes (alles andere bezeichnet Thaddäus als Argumentarium - habe ich nichts dagegen).

Pluto hat geschrieben:Mein Hauptkritik ist: Ohne "tonnenweise" Setzungen bricht das Glaubenskonstrukt der Spiritualität in sich zusammen.
Auch hier: Es gibt nur eine (sehr gut begründbare) Setzung: Materie ist Folge/Erscheinungsform des Geistes. - Die heutige, gegenüberliegende Setzung ist: Geist ist Folge/Erscheinungsform der Materie. - Es läuft immer wieder auf diese Grund-Konstellation hinaus, die beidseits reine Glaubenssache ist.

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#28 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Pluto » Sa 23. Apr 2016, 13:55

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Er hat nicht an der Realität selbst gezweifelt, sondern nur an unserer Wahrnehmung davon.
Er hat persönlich als Christ nicht an der Realität selbst gezweifelt, weil er damit die Setzung "Gott = wohlwollender Gott" verknüpft. - Aber erkenntnis-theoretisch hat er trotzdem gewusst, dass er daran zweifeln müsste, wenn er diese Setzung nicht hätte.
Steht nicht hinter dieser Unterstellung deine Hoffnung, dass es so ist?
Oder kannst du zeigen, wo dies aus Descartes Schriften hervorgeht?

closs hat geschrieben:Überleg doch rein logisch:
Die Aussage: Naturalistische Realität ist "echt", ist doch selbst eine Wahrnehmungs-Aussage. - Man kann doch nicht sagen, ich zweifle an unserer Wahrnehmung, aber nicht an den Objekten dieser Wahrnehmung.
Die Logik liegt in der Alltagserfahrung und der Vernunft.
Es ist eine wahrlich seltsame Logik. die an einerseits an der Natur zweifelt, und andererseits auf die Existenz von Dingen festhält, die es sehr wahrscheinlich. nicht gibt.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Exakt!
Aber genau das geht frontal gegen die cartesische Erkenntnis. - Das wäre ein Widerspruch in sich selbst.
Was zu beweisen wäre... :P

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nach heutigem Wissensstand ist diese Annahme nicht notwendig.
Nein - nach heutigem Setzungs-Stand.
Ich verstehe echt nicht wo du da eine Setzung zu erkennen meinst.

Pluto hat geschrieben:Es genügt die Feststellung, dass die Welt existiert.
Aber das ist doch eine Wahrnehmungs-Größe - und es ist doch gerade die Wahrnehmung, die bis auf das "Cogito" anzweifelbar ist.

Pluto hat geschrieben:Was du vergisst, ist, dass hier eine Setzung die andere "jagt".
Es gibt nur eine: Die Setzung Gottes (alles andere bezeichnet Thaddäus als Argumentarium - habe ich nichts dagegen).

Pluto hat geschrieben:Mein Hauptkritik ist: Ohne "tonnenweise" Setzungen bricht das Glaubenskonstrukt der Spiritualität in sich zusammen.
Auch hier: Es gibt nur eine (sehr gut begründbare) Setzung: Materie ist Folge/Erscheinungsform des Geistes. - Die heutige, gegenüberliegende Setzung ist: Geist ist Folge/Erscheinungsform der Materie. - Es läuft immer wieder auf diese Grund-Konstellation hinaus, die beidseits reine Glaubenssache ist.[/quote]
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#29 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Pluto » Sa 23. Apr 2016, 13:57

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Er hat nicht an der Realität selbst gezweifelt, sondern nur an unserer Wahrnehmung davon.
Er hat persönlich als Christ nicht an der Realität selbst gezweifelt, weil er damit die Setzung "Gott = wohlwollender Gott" verknüpft. - Aber erkenntnis-theoretisch hat er trotzdem gewusst, dass er daran zweifeln müsste, wenn er diese Setzung nicht hätte.
Steht nicht hinter dieser Unterstellung deine Hoffnung, dass es so ist?
Oder kannst du zeigen, wo dies aus Descartes Schriften hervorgeht?

closs hat geschrieben:Überleg doch rein logisch:
Die Aussage: Naturalistische Realität ist "echt", ist doch selbst eine Wahrnehmungs-Aussage. - Man kann doch nicht sagen, ich zweifle an unserer Wahrnehmung, aber nicht an den Objekten dieser Wahrnehmung.
Die Logik liegt in der Alltagserfahrung und der Vernunft.
Es ist eine wahrlich seltsame Logik. die einerseits an der Natur zweifelt, und andererseits an der Existenz von Dingen festhält, die es sehr wahrscheinlich nicht gibt.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Exakt!
Aber genau das geht frontal gegen die cartesische Erkenntnis. - Das wäre ein Widerspruch in sich selbst.
Was zu beweisen wäre... :P

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nach heutigem Wissensstand ist diese Annahme nicht notwendig.
Nein - nach heutigem Setzungs-Stand.
Ich verstehe echt nicht wo du da eine Setzung zu erkennen meinst.

closs hat geschrieben:Es gibt nur eine (sehr gut begründbare) Setzung: Materie ist Folge/Erscheinungsform des Geistes. - Die heutige, gegenüberliegende Setzung ist: Geist ist Folge/Erscheinungsform der Materie. - Es läuft immer wieder auf diese Grund-Konstellation hinaus, die beidseits reine Glaubenssache ist.
Das halte ich für obskurantistisch.
Es gibt einen gewaltigen Unterschied in der Methodik. Warum willst du das dauernd unter den Teppich kehren.
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sven23
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#30 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » Sa 23. Apr 2016, 14:22

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb sagte ich ja: ausserhalb von alten Mythen und Märchen.
Das sind doch nur Etitketten. - Wenn das, was Du "Mythos" nennst, plötzlich von Dir als Phänomen erkennbar wäre, wäre es doch nicht etwas anderes, sondern würde von Dir nur anders genannt werden.
Nein, es ist nicht nur Etikette, sondern ein entscheidender Unterschied, ob etwas in der literarischen Phantasiewelt "stattfindet" oder im realen Leben.
Wer diesen Unterschied nicht mehr erkennt, hat ein Problem.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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