Descartes und Glaube

closs
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#31 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 14:41

Pluto hat geschrieben:Oder kannst du zeigen, wo dies aus Descartes Schriften hervorgeht?
Das ist eine logische Folge aus seinen Schriften - genau wie bei Augustinus. - Hier bei Descartes:

„Nun, wenn er <Gott> mich auch täuscht, so ist es also unzweifelhaft, daß ich bin. Er täusche mich, so viel er kann, niemals wird er jedoch fertigbringen, daß ich nichts bin, so lange ich denke, daß ich etwas sei. Und so komme ich, nachdem ich nun alles mehr als genug hin und her erwogen habe, schließlich zu der Feststellung, daß dieser Satz: „Ich bin, ich existiere“ (lat. ego sum, ego existo), so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist.“ (aus Wik)

Und sonst eben NICHTS notwendig wahr - es sei denn, man setzt. - Das "Cogito" hat überhaupt nichts mit christlich oder sonstwas zu tun - erst die Setzung daraus ist christlich.

Pluto hat geschrieben:Es ist eine wahrlich seltsame Logik. die einerseits an der Natur zweifelt
Aufgrund seiner Setzung zweifelt Descartes doch ga nicht an der Natur.

Pluto hat geschrieben:Ich verstehe echt nicht wo du da eine Setzung zu erkennen meinst.
Die Setzung lautet: "Wir untersuchen Descartes aus UNSERE Setzung, dass die Natur nicht anzweifelbar ist, weil wir fundamental materialistisch denken". - Das ist heute die Regel.

Pluto hat geschrieben:Es gibt einen gewaltigen Unterschied in der Methodik.
Natürlich. - Es ist doch ein Unterschied, ob Du auf derselben Ebene mit dem Objekt untersuchst oder nicht.

SilverBullet
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#32 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von SilverBullet » Sa 23. Apr 2016, 17:11

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es genügt die Feststellung, dass die Welt existiert.
Aber das ist doch eine Wahrnehmungs-Größe - und es ist doch gerade die Wahrnehmung, die bis auf das "Cogito" anzweifelbar ist.
Bestimmt meinst du mit „Cogito“, dass man nur feststellen kann, dass eine Art „Ablauf/Vorgang“ stattfinden muss, aber nicht, dass aus der Wahrnehmung heraus festgestellt werden kann, was die Wahrnehmung selbst „ist“.
Im Sinne von „wahrnehmungsunabhängiger Existenz“ kann also keine Aussage über „das Mentale“ gemacht werden.

closs hat geschrieben:Es gibt nur eine (sehr gut begründbare) Setzung: Materie ist Folge/Erscheinungsform des Geistes. - Die heutige, gegenüberliegende Setzung ist: Geist ist Folge/Erscheinungsform der Materie.
Weder das eine, noch das andere ist korrekt.

„Geist“ ist ein inhaltsleerer Begriff.

Aus der Wahrnehmung heraus kann das maximal mögliche Wissen abgeleitet werden, dass eine Art „Ablauf/Vorgang“ stattfindet.

Die Einführung der Wörter „Substanz/ Folge/Erscheinungsform“ in Bezug auf „Geist“, ist lediglich auf jugendlichen Leichtsinn (umgangssprachlich: „Philosophie“) zurückzuführen.

Die Überlegung, welche „Substanz-Form“ dominiert bzw. zuerst da war, ist nichts weiter als ein dummer Folgefehler, des obigen Leichtsinns.

„Geist“ (egal was man darunter versteht) ist nicht etwas, das man in neben Materie legen und vergleichen kann – wer dies dennoch suggeriert, führt lediglich ein So-Tun-Als-Ob-Theater auf.

closs
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#33 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 20:32

SilverBullet hat geschrieben:Bestimmt meinst du mit „Cogito“, dass man nur feststellen kann, dass eine Art „Ablauf/Vorgang“ stattfinden muss, aber nicht, dass aus der Wahrnehmung heraus festgestellt werden kann, was die Wahrnehmung selbst „ist“.
Das könnte man vorläufig durchgehen lassen.

SilverBullet hat geschrieben:Im Sinne von „wahrnehmungsunabhängiger Existenz“ kann also keine Aussage über „das Mentale“ gemacht werden.
Es kann aber die Aussage gemacht werden, dass "das Ich" "ist", egal was ist.

SilverBullet hat geschrieben:„Geist“ ist ein inhaltsleerer Begriff.
Gut :oops: - dann geht's natürlich nicht. :lol:

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Münek
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#34 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Münek » Sa 23. Apr 2016, 20:38

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Mein Hauptkritik ist: Ohne "tonnenweise" Setzungen bricht das Glaubenskonstrukt der Spiritualität in sich zusammen.
Auch hier: Es gibt nur eine (sehr gut begründbare) Setzung: Materie ist Folge/Erscheinungsform des Geistes.
Von einer SEHR GUT BEGRÜNDETEN Setzung kann keine Rede sein.

Möglicherweise hat Deine Glaubensauffassung ihren (unbewussten) Ursprung in der allseits bekannten Aussage im Schöpfungsmythos der Genesis: "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.", wobei es alles andere als sicher ist, dass der Genesisautor von einer "creatio ex nihilo" (Schöpfung aus dem Nichts oder Schöpfung aus nichts) ausging.

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Thaddäus
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#35 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Thaddäus » Sa 23. Apr 2016, 21:19

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Descartes methodischer Zweifel (im Sinne eines bloßen Gedankenexperimentes) zweifelt aber nicht an der dinglichen Welt, sondern an unserem WISSEN über die dingliche (und geistige) Welt.
Moment - das macht doch keinen Sinn.

Wenn Wahrnehmung so unsicher ist (und was wäre "Wissen" anderes als ein Teil der Wahrnehmung?), dass sie an allem zweifeln muss (bis aufs "Cogito"): Wie könnten dann die Res extensa ausgeschlossen sein? - Der Zweifel am Wissen über die Res extensa kann doch nicht den Zweifel an der Frage, ob Res extensa Vorstellung oder "Realität" sind, auslassen?
Wie die empirische Welt beschaffen ist, und was wir von der empirischen Welt wahrnehmen, erkennen und wissen können, sind zwei ganz unterschiedliche Aspekte. So können wir den Mikro-Bereich des Subatomaren mit unseren natürlichen Sinnesorganen nicht wahrnehmen, sondern wir benötigen dazu technische Hilfsmittel. (So ist die verbreitete Vorstellung des Bohrschen Atommodells als eines Kerns aus aneinanderklebenden Kügelchen mit um diesen Kern in Bahnen kreisenden Elektronen völlig falsch. Wenn man sich ein Atom überhaupt vorstellen kann, dann müsste man es sich vorstellen als einen diffus erscheinenden Kern, um den in einem ziemlich großen Abstand zufällig mal hier, mal da, "Elektronenwölkchen" oder "Nebel" erscheinen, um diesen winzigen Kern herum.)
Wir hören keinen Ultraschall, wie Fledermäuse und sehen kein Infrarot-Licht oder Röntgenstrahlung. Dennoch gehört dies alles zur Natur, zur materiellen Welt, obwohl wir hierüber über unsere unmittelbare Wahrnehmung gar nichts wissen können (und lange Zeit auch tatsächlich nichts von diesen Dingen wussten).

Descartes interessiert nicht die Frage, ob die Natur/materielle Welt/res extensa nur ein Traum ist oder nur eine Vorstellung. Ihn interessiert stattdessen die Frage, inwiefern wir sicher sein können, dass unser Wissen über die materielle Welt und distinkte geistige Wahrheiten korrekt ist. Um das zu testen benutzt er seinen methodischen Zweifel und zweifelt nacheinander erst unsere sinnliche Wahrnehmung an (Sinnestäuschungen), dann unsere Überzeugung, dass die körperlichen Dinge real sind (Traumargument) und zum Schluss auch noch das, was uns am aller gewissesten erscheint, nämlich z.B. mathematische und logische Wahrheiten (Täuschergott). So gelangt er zum Cogito als feste Basis. Descartes benutzt den methodischen Zweifel in seinen Meditationes auch dazu, Gott als vollkommenes Wesen zu beweisen. Er setzt ihn nicht einfach!
Nachdem er den vollkommenen Gott bewiesen hat, beweist er weiter, dass wir uns auf unsere Sinneswahrnehmungen grundsätzlich verlassen können, also zu sicherem Wissen über die Welt gelangen können.

Da die Welt der körperlichen Dinge nur über unsere Sinne erfahrbar ist, die Sinne aber bereits eine Art Filter bedeuten, können wir grundsätzlich nicht mit absoluter Sicherheit und Gewissheit wissen, wie die Welt genau beschaffen ist. Kant wird diese erkenntnistheortische Tatsache in seinen Kritiken später bis in seine tiefsten Tiefen durchdenken. Soweit ist Descartes aber noch nicht. Er zweifelt nicht ernsthaft daran, dass die Welt jenseits unserer Sinneswahrnehmung und ganz unabhängig von dieser Wahrnehmung nicht existieren könnte. Sein methodischer Zweifel soll letztlich unser Wissen über die Welt absichern, nicht aber die Existenz der körperlichen Dinge beweisen (weil das für ihn gar nicht nötig ist).
Descartes zieht auch nicht ernsthaft die Existenz Gottes in Zweifel. Die rationalistischen (Gottes-) Beweise sind zu seiner Zeit viel zu überzeugend. Kant hatte die Vernunft selbst noch keiner radikalen Kritik unterzogen, Darwin war noch nicht geboren und die Existenz der Welt mit all ihren wunderbaren Geschöpfen darin, schien allein schon Gott hinreichend zu beweisen. Eine Relativitätstheorie lag jenseits des Vorstellbaren, ebenso wie eine Quantenphysik. Die Wissenschaften begannen gerade erst ihren erstaunlichen Siegeszug und Psychologie und Soziologie waren noch nicht erfunden. Descartes lebte noch in einer Welt, die von den wundersamsten Dingen nur so strotzte. So gesehen stellt Descartes methodischer Zweifel und seine Argumentationsführung eine ganz erstaunliche philosophische und intellektuelle Leistung dar.

closs hat geschrieben: Dann wäre das Cogito als einziges "fundamentum inconcussum" doch ausgehebelt. - Das macht keinen Sinn und ist wirklich unlogisch.
Wieso wird sein durch methodischen Zweifel gefundenes Cogito, ergo sum als sichere Basis ausgeheblt, wenn er nicht ontologisch die Existenz der körperlichen Welt leugnet, sondern er nur die epistemsiche Frage nach der Sicherheit unseres Wissens über die Welt stellt?

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Der Beweis dafür, dass Descartes nicht das Seiende, sondern unser Wissen über das Seiende methodisch anzweifelt besteht - wie schon geschrieben - darin, dass seine ontologische Unterscheidung in res cogitans und res extensa keinen Sinn ergibt, wenn er die dingliche Welt der res extensa für bloße Vostellung oder Träumerei hielte.
Aber das ist doch erst DANACH - NACHDEM er den "wohlwollenden Gott" bereits in Petto hat:
Der als vollkommenes Wesen gedachte Gott garantiert gleichzeitig die grundsätzliche Korrektheit unseres Wissens über die körperliche Welt (mit der Ausnahme von möglichen Sinnestäuschungen). Grundsätzlich täuscht uns dieser vollkommene Gott aber nicht über das, was ist und was wir erkennen können. Selbstverständlich hat für Descartes dieser Gott auch die körperliche Welt erschaffen, die wir wahrnehmen, und zwar grundsätzlich korrekt wahrnehmen. "Danach" und "Nachdem" spielen hier keine Rolle. Eine Rolle spielt für Descartes einzig und allein seine Argumentation, die für ihn logisch stringend ist. Heute sehen wir seine Argumentation natürlich nicht mehr als so selbstverständlich an. Aber das kann man Descartes nicht zum Vorwurf machen.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 23. Apr 2016, 21:38, insgesamt 6-mal geändert.

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#36 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 21:21

Münek hat geschrieben:, wobei es alles andere als sicher ist, dass der Genesisautor von einer "creatio ex nihilo" (Schöpfung aus dem Nichts oder Schöpfung aus nichts) ausging.
Meines Erachtens wäre "creatio de Deo" eh die richtige Version.

Münek hat geschrieben:Möglicherweise hat Deine Glaubensauffassung ihren (unbewussten) Ursprung in der allseits bekannten Aussage im Schöpfungsmythos der Genesis
Nein - es sind allgemeine ontologische Erwägungen, auf die man auch ohne Bibel kommen kann.

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#37 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von SilverBullet » Sa 23. Apr 2016, 21:34

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Im Sinne von „wahrnehmungsunabhängiger Existenz“ kann also keine Aussage über „das Mentale“ gemacht werden.
Es kann aber die Aussage gemacht werden, dass "das Ich" "ist", egal was ist.
Das ist ein vorschnelles Urteil.

Offensichtlich gehst du nicht von einem Ablauf/Verlauf aus, sondern von einem „wahrnehmungsunabhängig existierenden Ich, das zudem, nicht der aktive Körper sein soll“.

Dieser Schritt geht zu weit, weil es hierfür keinen Hinweis gibt.
(der aktive Körper, der „für wirklich“ gehalten wird, wäre ein Hinweis, aber es handelt sich nicht um ein unzweifelhaftes Wissen)

Wenn „man weiss“, dass ein Ablauf/Verlauf stattfindet, dann kann man darauf schliessen, dass es „etwas“ geben muss, das dies durchführt.
Aber was dieses „Etwas“ ist und welche „Erkennkorrektheit“ innerhalb der Wahrnehmung erreicht wird, kann nicht aus der Wahrnehmung heraus analysiert werden, denn ansonsten könnte sie ja auch Wirklichkeit unzweifelhaft analysieren.

Darüber hinaus gilt:
Beim „Ich“ handelt es sich um einen Bedeutungszusammenhang, den jeder (gesunde) Mensch ständig für die Stellung des aktiven Körpers verwendet („Ich mache…“, „Ich trage…“, „Ich sehe so und so aus…“, „Ich bin gross/klein“ usw.).
Ein philosophisches Umdeuten à la „unsichtbarer Kern“ („Geist“(?)) ist nicht angebracht. Warum machst du es?

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#38 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 21:47

Thaddäus hat geschrieben:So können wir den Mikro-Bereich des Subatomaren mit unseren natürlichen Sinnesorganen nicht wahrnehmen, sondern wir benötigen dazu technische Hilfsmittel.
Auch das ist Wahrnehmung.

Thaddäus hat geschrieben:Descartes interessiert nicht die Frage, ob die Natur/materielle Welt/res extensa nur ein Traum ist oder nur eine Vorstellung.
Diese Formulierung ist deshalb missverständlich, weil dann die Natur/materielle Welt/res extensa ebenfalls ein "fundamentum inconcussum" wäre, was sie aber gerade NICHT ist. - Dass es nicht im Interesse Descartes' lag, die Natur/materielle Welt/res extensa in Frage zu stellen, ist richtig. - Aber er erklärt, warum.

Die weitere Gefahr: Descartes könnte missverstanden werden als Vorläufer des Materialismus. - Dabei hat D. nie daran gezweifelt, dass die Res extensa (wie die Res cogitans auch) aus Gott kommen.

Thaddäus hat geschrieben:Descartes benutzt den methodischen Zweifel in seinen Meditationes auch dazu, Gott als vollkommenes Wesen zu beweisen. Er setzt ihn nicht einfach!
Moment: D. setzt Gott. - Dass Gott ein vollkommenes Wesen sei, sieht er als Folge SEINES Verständnis von Gott. - Somit ist der "wohlwollende Gott" eine Schlussfolgerung aus der Setzung "Gott".

Wenn Du das meinst, passt das auch in mein Verständnis - wichtig ist die Setzung "Gott" und die Schlussfolgerung "weil Gott, deshalb Res extensa 'echt'". - Aber das ist nach wie vor der zweite Schrittung (sozusagen "die Rettung" aus einem Disaster, das darin besteht, dass die "Res extensa" aus der menschlichen Wahrnehmung (incl. Hilfsmittel) nicht als "echt" bewiesen werden können - prinzipiell nicht.

Thaddäus hat geschrieben:Da die Welt der körperlichen Dinge nur über unsere Sinne erfahrbar ist, die Sinne aber bereits eine Art Filter bedeuten, können wir grundsätzlich nicht mit absoluter Sicherheit und Gewissheit wissen, wie die Welt genau beschaffen ist.
Dieses "Wie" ist eh klar - es geht nach meiner festen Überzeugung bei Descartes um das "Dass". - Denn sonst wäre sein gesamtes Denk-Gebäude blödsinnig.

Denn man kann nicht einerseits das "Cogito" als einziges "fundamentum inconcussum" nachweisen (UNABHÄNGIG von der Setzung "Gott") und dann im nächsten Schritt sagen: "War nicht so gemeint".

Wenn Deine Version, es gehe nur um die Wahrnehmungs-Qualität und nicht um ein prinzipielles Problem, heute gängig ist, habe ich den Verdacht, dass dies deshalb so ist, um Descartes in eine Reihe mit der eigenen (gewähnten) Setzungslosigkeit des Materialismus zu stellen - im Sinne von:
"Wir Materialisten wissen <irrigerweise>, dass wir keine Setzung für unsere Weltanschauung benötigen - also interpretieren wir auch Descartes so. - Denn wenn wir Descartes NICHT so interpretieren, könnte das auf uns zurückschlagen". - Was ja exakt der Fall wäre.

Thaddäus hat geschrieben:So gesehen stellt Descartes methodischer Zweifel und seine Argumentationsführung eine ganz erstaunliche philosophische und intellektuelle Leistung dar.
So gesehen gewiss - aber Du merkst es sicherlich selbst: Du tummelst Dich auf der methodischen und nicht auf der prinzipiellen Ebene. - Meines Erachtens ein Spiegelgefecht.

Thaddäus hat geschrieben:Wieso wird sein durch methodischen Zweifel gefundenes Cogito, ergo sum als sichere Basis ausgeheblt?
Weil der Begriff "fundamentum inconcussum" prinzipiell/ontologisch und nicht epistemologisch zu verstehen ist.

Thaddäus hat geschrieben:wenn er nicht ontologisch die Existenz der körperlichen Welt leugnet
Er leugnet sie doch nicht - er stellt klar, WARUM er sie nicht leugnet: Wegen seiner Setzung "Gott" (die für ihn in seiner Zeit eh selbstverständlich war - aber er analysiert dies).

Thaddäus hat geschrieben:sondern er nur die epistemsiche Frage nach der Sicherheit unseres Wissens über die Welt stellt?
Das kommt irgendwann nachrangig auch unter der Rubrik: Was folgen wir pragmatisch aus prinzipiellen Erkenntnissen.

Thaddäus hat geschrieben:Der als vollkommenes Wesen gedachte Gott garantiert gleichzeitig die grundsätzliche Korrektheit unseres Wissens über die körperliche Welt (mit der Ausnahme von möglichen Sinnestäuschungen).
Ja - einverstanden. - Deshalb kann sich ja D. an seine eigenen naturwissenschaftlichen Arbeiten machen - mit eher bescheidenem Erfolg, aber das spielt hier keine Rolle.

Thaddäus hat geschrieben: "Danach" und "Nachdem" spielen hier keine Rolle.
Philosophisch schon, naturwissenschaftlich nicht.

Und schon habe ich wieder viel gelernt - hier:
Man versucht in der heutigen Interpretation, Descartes seine ontologisch scharfen Zähne zu ziehen. - Was übrig bleiben soll, ist ein zahnloser Kiefer, der gerade noch epistemologische Nahrung verarbeiten kann.

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#39 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Sa 23. Apr 2016, 21:49

SilverBullet hat geschrieben:Das ist ein vorschnelles Urteil.
Ich finde dazu Descartes' folgend Aussagen (aus wik) nach wie vor schlüssig:

„Nun, wenn er mich auch täuscht, so ist es also unzweifelhaft, daß ich bin. Er täusche mich, so viel er kann, niemals wird er jedoch fertigbringen, daß ich nichts bin, so lange ich denke, daß ich etwas sei. Und so komme ich, nachdem ich nun alles mehr als genug hin und her erwogen habe, schließlich zu der Feststellung, daß dieser Satz: „Ich bin, ich existiere“ (lat. ego sum, ego existo), so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist.“
„Indem wir so alles nur irgend Zweifelhafte zurückweisen und für falsch gelten lassen, können wir leicht annehmen, dass es keinen Gott, keinen Himmel, keinen Körper gibt; dass wir selbst weder Hände noch Füße, überhaupt keinen Körper haben; aber wir können nicht annehmen, dass wir, die wir solches denken, nichts sind; denn es ist ein Widerspruch, dass das, was denkt, in dem Zeitpunkt, wo es denkt, nicht bestehe. Deshalb ist die Erkenntnis: »Ich denke, also bin ich,« (lat.: ego cogito, ergo sum) von allen die erste und gewisseste, welche bei einem ordnungsmäßigen Philosophieren hervortritt.“

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#40 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Thaddäus » Sa 23. Apr 2016, 22:19

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:So können wir den Mikro-Bereich des Subatomaren mit unseren natürlichen Sinnesorganen nicht wahrnehmen, sondern wir benötigen dazu technische Hilfsmittel.
Auch das ist Wahrnehmung.
Keine unmittelbare, sondern mit dazwischen geschalteten Instrumenten, die wiederum filtern, weil sie so konstruiert sind, wie sie konstruiert sind.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Descartes interessiert nicht die Frage, ob die Natur/materielle Welt/res extensa nur ein Traum ist oder nur eine Vorstellung.
Diese Formulierung ist deshalb missverständlich, weil dann die Natur/materielle Welt/res extensa ebenfalls ein "fundamentum inconcussum" wäre,
Unsinn.
Die Welt, wie sie ist, ist das Eine. Und was wir über die Welt wissen können, ist etwas Anderes. Dadurch, dass Descartes die Welt nicht ontologisch infrage stellt, sondern per methodischen Zweifel unser Wissen über die Welt, wird die Welt nicht zum fundamentum inconcussum. Wieso sollte sie ...

closs hat geschrieben: Die weitere Gefahr: Descartes könnte missverstanden werden als Vorläufer des Materialismus. - Dabei hat D. nie daran gezweifelt, dass die Res extensa (wie die Res cogitans auch) aus Gott kommen.
Quatsch. Descartes ist Rationalist, der davon überzeugt ist, dass man allein durch Nachdenken sehr viel über die natürliche Welt herausfinden kann, ganz unabhänging von allen sinnlichen Erfahrungen. Die gegenposition ist der Empirismus John Lockes und David Humes.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Descartes benutzt den methodischen Zweifel in seinen Meditationes auch dazu, Gott als vollkommenes Wesen zu beweisen. Er setzt ihn nicht einfach!
Moment: D. setzt Gott. - Dass Gott ein vollkommenes Wesen sei, sieht er als Folge SEINES Verständnis von Gott. - Somit ist der "wohlwollende Gott" eine Schlussfolgerung aus der Setzung "Gott".
Offenbar ist dir der Unterschied zwischen "etwas durch Argumente beweisen" und "etwas begründungslos setzen" nicht geläufig. DU setzt, Descartes setzt gar nichts, sondern er versucht zumindest zu begründen, warum etwas IST, wovon er annimmt, dass es ist.

closs hat geschrieben: Wenn Du das meinst, passt das auch in mein Verständnis - wichtig ist die Setzung "Gott"
Descartes setzt keinen Gott, sondern er versucht ihn zu beweisen mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, nämlich einer möglichst überzeugenden Argumentation. Deshalb ist Descartes Philosoph, du aber nicht.

closs hat geschrieben: Wenn Deine Version, es gehe nur um die Wahrnehmungs-Qualität und nicht um ein prinzipielles Problem, heute gängig ist, habe ich den Verdacht, dass dies deshalb so ist, um Descartes in eine Reihe mit der eigenen (gewähnten) Setzungslosigkeit des Materialismus zu stellen - im Sinne von:
"Wir Materialisten wissen <irrigerweise>, dass wir keine Setzung für unsere Weltanschauung benötigen - also interpretieren wir auch Descartes so. - Denn wenn wir Descartes NICHT so interpretieren, könnte das auf uns zurückschlagen". - Was ja exakt der Fall wäre.
Nein, Descartes ist Philosoph, deswegen setzt er nichts, obwohl er natürlich der intuitiven Überzeugung ist, dass es einen Gott geben muss. Als Philosoph versucht er diese subjektive Überzeugung aber auch objektiv durch Argumente zu belegen. Das scheint dich zu verwirren ...

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:So gesehen stellt Descartes methodischer Zweifel und seine Argumentationsführung eine ganz erstaunliche philosophische und intellektuelle Leistung dar.
So gesehen gewiss - aber Du merkst es sicherlich selbst: Du tummelst Dich auf der methodischen und nicht auf der prinzipiellen Ebene. - Meines Erachtens ein Spiegelgefecht.
Und meines Erachtens weißt du nicht, was du hier schreibst. ;)

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wieso wird sein durch methodischen Zweifel gefundenes Cogito, ergo sum als sichere Basis ausgeheblt?
Weil der Begriff "fundamentum inconcussum" prinzipiell/ontologisch und nicht epistemologisch zu verstehen ist.
Nein, es ist überhaupt nur epistemologisch zu verstehen, denn einzusehen, dass ich nicht daran zweifeln kann, dass es einen Zweifelnden geben muss, wenn ich zweifle ist ein WISSEN. Etwas anderes kann es gar nicht sein.

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