Thaddäus hat geschrieben:So können wir den Mikro-Bereich des Subatomaren mit unseren natürlichen Sinnesorganen nicht wahrnehmen, sondern wir benötigen dazu technische Hilfsmittel.
Auch das ist Wahrnehmung.
Thaddäus hat geschrieben:Descartes interessiert nicht die Frage, ob die Natur/materielle Welt/res extensa nur ein Traum ist oder nur eine Vorstellung.
Diese Formulierung ist deshalb missverständlich, weil dann die Natur/materielle Welt/res extensa ebenfalls ein "fundamentum inconcussum" wäre, was sie aber gerade NICHT ist. - Dass es nicht im Interesse Descartes' lag, die Natur/materielle Welt/res extensa in Frage zu stellen, ist richtig. - Aber er erklärt, warum.
Die weitere Gefahr: Descartes könnte missverstanden werden als Vorläufer des Materialismus. - Dabei hat D. nie daran gezweifelt, dass die Res extensa (wie die Res cogitans auch) aus Gott kommen.
Thaddäus hat geschrieben:Descartes benutzt den methodischen Zweifel in seinen Meditationes auch dazu, Gott als vollkommenes Wesen zu beweisen. Er setzt ihn nicht einfach!
Moment: D. setzt Gott. - Dass Gott ein vollkommenes Wesen sei, sieht er als Folge SEINES Verständnis von Gott. - Somit ist der "wohlwollende Gott" eine Schlussfolgerung aus der Setzung "Gott".
Wenn Du das meinst, passt das auch in mein Verständnis - wichtig ist die Setzung "Gott" und die Schlussfolgerung "weil Gott, deshalb Res extensa 'echt'". - Aber das ist nach wie vor der zweite Schrittung (sozusagen "die Rettung" aus einem Disaster, das darin besteht, dass die "Res extensa" aus der menschlichen Wahrnehmung (incl. Hilfsmittel) nicht als "echt" bewiesen werden können - prinzipiell nicht.
Thaddäus hat geschrieben:Da die Welt der körperlichen Dinge nur über unsere Sinne erfahrbar ist, die Sinne aber bereits eine Art Filter bedeuten, können wir grundsätzlich nicht mit absoluter Sicherheit und Gewissheit wissen, wie die Welt genau beschaffen ist.
Dieses "Wie" ist eh klar - es geht nach meiner festen Überzeugung bei Descartes um das "Dass". - Denn sonst wäre sein gesamtes Denk-Gebäude blödsinnig.
Denn man kann nicht einerseits das "Cogito" als einziges "fundamentum inconcussum" nachweisen (UNABHÄNGIG von der Setzung "Gott") und dann im nächsten Schritt sagen: "War nicht so gemeint".
Wenn Deine Version, es gehe nur um die Wahrnehmungs-Qualität und nicht um ein prinzipielles Problem, heute gängig ist, habe ich den Verdacht, dass dies deshalb so ist, um Descartes in eine Reihe mit der eigenen (gewähnten) Setzungslosigkeit des Materialismus zu stellen - im Sinne von:
"Wir Materialisten wissen <irrigerweise>, dass wir keine Setzung für unsere Weltanschauung benötigen - also interpretieren wir auch Descartes so. - Denn wenn wir Descartes NICHT so interpretieren, könnte das auf uns zurückschlagen". - Was ja exakt der Fall wäre.
Thaddäus hat geschrieben:So gesehen stellt Descartes methodischer Zweifel und seine Argumentationsführung eine ganz erstaunliche philosophische und intellektuelle Leistung dar.
So gesehen gewiss - aber Du merkst es sicherlich selbst: Du tummelst Dich auf der methodischen und nicht auf der prinzipiellen Ebene. - Meines Erachtens ein Spiegelgefecht.
Thaddäus hat geschrieben:Wieso wird sein durch methodischen Zweifel gefundenes Cogito, ergo sum als sichere Basis ausgeheblt?
Weil der Begriff "fundamentum inconcussum" prinzipiell/ontologisch und nicht epistemologisch zu verstehen ist.
Thaddäus hat geschrieben:wenn er nicht ontologisch die Existenz der körperlichen Welt leugnet
Er leugnet sie doch nicht - er stellt klar, WARUM er sie nicht leugnet: Wegen seiner Setzung "Gott" (die für ihn in seiner Zeit eh selbstverständlich war - aber er analysiert dies).
Thaddäus hat geschrieben:sondern er nur die epistemsiche Frage nach der Sicherheit unseres Wissens über die Welt stellt?
Das kommt irgendwann nachrangig auch unter der Rubrik: Was folgen wir pragmatisch aus prinzipiellen Erkenntnissen.
Thaddäus hat geschrieben:Der als vollkommenes Wesen gedachte Gott garantiert gleichzeitig die grundsätzliche Korrektheit unseres Wissens über die körperliche Welt (mit der Ausnahme von möglichen Sinnestäuschungen).
Ja - einverstanden. - Deshalb kann sich ja D. an seine eigenen naturwissenschaftlichen Arbeiten machen - mit eher bescheidenem Erfolg, aber das spielt hier keine Rolle.
Thaddäus hat geschrieben: "Danach" und "Nachdem" spielen hier keine Rolle.
Philosophisch schon, naturwissenschaftlich nicht.
Und schon habe ich wieder viel gelernt - hier:
Man versucht in der heutigen Interpretation, Descartes seine ontologisch scharfen Zähne zu ziehen. - Was übrig bleiben soll, ist ein zahnloser Kiefer, der gerade noch epistemologische Nahrung verarbeiten kann.