Münek hat geschrieben:Information zur Tendenz? Was für eine Tendenz? Ich erkenne keine Tendenz? Wie kommst Du darauf? Kannst Du das belegen?
Du machst grad so, als seist Du im Tal der Ahnungslosen. - Schau Dir mal folgenden Artikel an (den Halman hier übrigens schon eingestellt hat):
Enttäuschung über die historisch-kritische Exegese
Es ist im Rückblick offenkundig: Als Folge des Zweiten Vatikanums brach damals in vielen Regionen der katholischen Kirche ein "Bibelfrühling" aus, sowohl im Leben der Gemeinden als auch in der theologischen Wissenschaft. Über diesen frühnachkonziliaren Bibelfrühling hat sich längst ein frostiger, winterlicher Reif der Enttäuschung gelegt. Mehr und mehr wurde und wird die moderne Bibelwissenschaft nicht mehr als Inspiratorin, sondern als Zerstörerin des Glaubens gesehen und erlebt. Der nicht ganz unberechtigte Hauptvorwurf lautet: Sie analysiert und interpretiert mit faszinierender und selbstfaszinierter Gelehrtheit die biblischen Texte als historische Dokumente, aber sie hat vergessen, dass die Bibel ein Buch des Glaubens und der Kirche ist. Oder, um es noch klarer zu sagen: Viele Bibelwissenschaftler präsentieren die Bibel nur als Dokumente der altorientalischen und der hellenistisch-römischen Religions- und Sozialgeschichte, aber nicht auch als formatives und normatives Lebensbuch des heutigen Christentums. Diese Relevanz der Bibel überlassen viele Exegeten der Dogmatik oder der Praktischen Theologie.
Ist es verwunderlich, dass die Bibelwissenschaft in Theologie und Kirche mehr und mehr an Einfluss verliert? Ist es verwunderlich, dass es neuerdings wieder katholische Dogmatiker gibt, die stolz darauf sind, bei ihren Entwürfen ohne die Bibel auszukommen? Ist es verwunderlich, dass Menschen, die mit der Bibel leben wollen, neue Wege und Methoden suchen und praktizieren, denen bei aller Unterschiedlichkeit der Verzicht auf die moderne Exegese gemeinsam ist.
Ich habe den Eindruck: Das Jesus-Buch von Benedikt XVI. ist von dieser Ambivalenz der Rolle der Bibel in der wissenschaftlichen Theologie und im Leben der Kirche sehr wesentlich beeinflusst. Diese Zweifel an der theologischen Leistungsfähigkeit der modernen Bibelwissenschaft beunruhigen den Papst unübersehbar. Ich will dies mit zwei Hinweisen verdeutlichen:
(1) Im Vorwort beschreibt er die von mir eben skizzierte Situation folgendermaßen: "Die Fortschritte der historisch-kritischen Forschung führten zu immer weiter verfeinerten Unterscheidungen zwischen Traditionsschichten, hinter denen die Gestalt Jesu, auf den sich doch der Glaube bezieht, immer undeutlicher wurde, immer mehr an Kontur verlor. Zugleich freilich wurden die Rekonstruktionen dieses Jesus ... immer gegensätzlicher: vom antirömischen Revolutionär, der auf den Umsturz der bestehenden Mächte hinarbeitet und freilich scheitert, bis zum sanften Moralisten, der alles billigt und dabei unbegreiflicherweise selber unter die Räder kommt. Wer mehrere dieser Rekonstruktionen nebeneinander liest, kann alsbald feststellen, dass sie weit mehr Fotografien der Autoren und ihrer Ideale sind als die Freilegung einer undeutlich gewordenen Ikone. Insofern ist inzwischen zwar Misstrauen gegenüber diesen Jesus-Bildern gewachsen, aber die Figur Jesu selbst hat sich nur umso weiter von uns entfernt" (10f).
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(2) Die Enttäuschung über die moderne Exegese, ja sogar ein tief sitzendes Misstrauen ihr gegenüber zeigt sich in einer Passage des Buchs, die eigentlich seinem sonstigen Niveau nicht würdig ist. Es ist jene Passage, in der der Papst auf die 1899/1900 erschienene "Kurze Erzählung vom Antichrist" des russischen Philosophen und Dichters Wladimir Solowjew anspielt, in der dieser erzählt, der Antichrist habe als großer Bibelgelehrter von der Universität Tübingen den Ehrendoktor der Theologie erhalten. Ob der Papst zu dieser Assoziation Erinnerungen an selbst erlebte Tübinger Zeiten angeregt haben, weiß ich nicht. Im Jesus-Buch kommentiert er den Hinweis folgendermaßen: "Solowjew hat mit dieser Darstellung seine Skepsis gegenüber einem gewissen Typ exegetischer Gelehrsamkeit seiner Zeit drastisch ausgedrückt. Das ist kein Nein zur wissenschaftlichen Bibelauslegung als solcher, aber eine höchst heilsame und notwendige Warnung vor ihren möglichen Irrwegen. Bibelauslegung kann in der Tat zum Instrument des Antichrist werden" (64).
Trotz der Enttäuschung über moderne Exegese hält der Papst sie weiterhin für unverzichtbar, erklärt ausdrücklich, dass er selbst ihr viele Einsichten verdanke, und legt eben nun sein Buch vor, das zeigen will, dass und wie die Bibel und ein wissenschaftlich reflektierter Umgang mit ihr die "Seele" der Theologie sein können. (E.Zenger In: Zur Debatte. 2007)
Im Sinne dieses Artikels hat Ratzinger entweder bereits als Glaubenspräfekt oder später als Papst die Lehrpläne an katholischen Universitäten neu gestaltet. - In diesem Artikel (nein, ich kann die Quelle nicht finden) wurde auch geschrieben, dass damit auch der Kanon an prüfungs-relevanten Schriften geändert worden sei - Theißen/Merz wurden dabei auch genannt. - Nein, nicht auf den Index gesetzt, sondern im Rahmen einer grundlegenden Gewichtungs-Veränderung als nicht-obligatorisch eingestuft - das war der Inhalt des Artikels, von dem ich spreche.
Nachdem mir nicht mehr die Quelle einfällt, kannst Du diese Aussage meinetwegen streichen. - Aber worum geht es Dir: Um zitier-technische Korrektheit oder Information?
Münek hat geschrieben:"Nicht-prüfungsrelevant", mein lieber Kurt, kann ein bestimmtes Themengebiet, aber doch nicht ein "Buch" sein. Wo denkst Du hin?
Es ist üblich, zu prüfungs-relevanten Themengebieten Literatur zu nennen, an denen sich der Prüfling orientieren soll. Dies ist als Hilfestellung für Studenten gemeint.
Münek hat geschrieben:Die "historisch-kritische Exegese" ist doch nicht von Ratzinger außer Kraft gesetzt worden?!
Nein - er will sie ja selber haben. - Es geht um die Ausuferung des Stellenwertes, der auch hier im Forum deutlich wurde - als sei die historisch-kritische Exegese die primäre Exegese. - Ratzinger (ich auch) versteht die HKM als Basis-Auslegung in Bezug auf Quellen, Rezeption, Zeitgeschehen, Verfasser, Verfasser-Absicht, etc. - also VOR-Arbeit, auf deren Basis man inhaltlich auslegt. - Nochmals ein Dir bekanntes Zitat:
(Jens Schröter, Jesus von Nazaret, S. 18f):
"Zwischen den Resultaten historischer Forschung und Glaubensüberzeugungen ist zu unterscheiden. Historische Forschung kann anhand der überlieferten Zeugnisse ein Bild von der Wirksamkeit Jesu entwerfen und nach den Ursachen für seine Hinrichtung fragen. Ob er in göttlicher Auto- rität wirkte, ob Gott ihn vom Tod auferweckte und ob er zum endzeitlichen Gericht wiederkehren wird, kann dagegen nicht mit den Mitteln historischer Kritik entschieden werden <auch nicht, ob er eine Naherwartung hatte, füge ich hinzu>. Historische Jesusforschung urteilt deshalb auch nicht über die Wahrheit des christlichen Glaubens. Sie stellt vielmehr die Grundlage dafür bereit, seine Entstehung nachzuvollziehen".
Münek hat geschrieben:Dogmatiker referieren darüber, wie sich Dogmen geschichtlich entwickelt haben, d.h. wie sie entstanden sind.
Das ist ein Teil der Dogmatik. - Übergeordnet ist
"Dogmatik ... ein eigenständiges Lehrfach an katholischen und evangelischen theologischen Fakultäten über die dogmatische Auslegung des Inhalts der christlichen Glaubenslehre" (wik). Wik führt fort:
"Ähnlich kann der Begriff <Dogmatik> auch in Bezug auf andere Wissenschaften verwendet werden. So ist die Rechtsdogmatik etwa der Versuch einer systematischen Entwicklung und Darstellung des geltenden Rechts".
Ich kann es nicht ändern. - Warum rennst Du dagegen an?