Unser Leben -- ein Staubkorn

Pluto
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#151 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Pluto » Mi 21. Mai 2014, 19:02

Halman hat geschrieben:Die Problematik, dass verschiedene Grundsätze und/oder Gebote miteinander in Konflikt geraten, kennen wir doch nur zu gut aus unserem Rechtssystem, bspw. der Verfassung.
Eben darum muss man jeden Fall einzeln beurteilen, und nicht blind den Geboten gehorchen.

Pluto hat geschrieben:"Du sollst nicht töten (morden)" ist ein anderes Gebot.
Aber ist es Mord, wenn eine Mutter tötet um ihr Kind vor der sicheren Verschleppung in die Prostitution verteidigt?
Dann liegt kein Mord vor, sondern Nothilfe.
Und doch liegt eine Tötung vor: "Du sollst nicht töten."
Der Grund ist wichtig, und dieser fehlt komplett in der Bibel.

Damit überstrapazierst Du mMn die berger'sche Veranschaulichung. Die Tante kann nur die Steuerschuld bezahlen. Analog kann Gott alle Dinge wieder richten (Off 21:4).
Nein tut es nicht, denn ich rede von der Erinnerung. Niemand kann die Erinnerung an getanes Unrecht auslöschen, ncht eimal Gott. Ein verschuldeter Unfall mit tragischen Folgen bleibt was er ist. Nur die aktive Reue und die Suche nach Vergebung durch das Opfer kann helfen das Leid des Täters zu lindern — alles andre bleibt Augenwischerei die keinen bleibenden Trost spendet.

Die Reue und Umkehr spielt in der jesuanischen Lehre eine zentrale Rolle (ich erinnere an Geißlers auf den Grundtext basierende Erkläuterung).
Schön. :) Und was ist dann die Sühne? Nur ein anderes Wort für Reue?

Schwerwiegende Sünden zu vertuschen wäre auch zutiefst unjüdisch und unchristlich.
Eben! Doch viele sehen Sühne als zudecken, und das ist mir zu wenig.

Sollte man solch reuigen Menschen ihre Sünden ewig vorhalten?
Natürlich nicht.
Aber Niemand kann diesen Menschen die Verantwortung für begangene Taten nehmen — ich denke, nicht einmal Gott kann das.

Vergebung mag zu den schwersten Anforderungen gehören. Doch wünschen wir diese nicht alle?
Ja. Aber ist göttliche Vergebung wirklich möglich, und wäre nicht die Vergebung durch das Opfer das größere Glück?

Pluto hat geschrieben:
Sünde bedeutet, dass Ziel zu verfehlen.
Wer setzt diese Ziele fest, und sind sie in allen Lebenslagen immer gleich anzusetzen?
Es kommt, so denke ich, auf die jeweilige Situation an.
Eben. Die Begriffswelt der Sünde ist ziemlich unklar. Darum setze ich auf Verantwortung. Mein Beitrag dazu: Ich trinke nicht (mehr) wenn ich fahre.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Samantha

#152 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Samantha » Mi 21. Mai 2014, 20:00

kamille hat geschrieben:Unser Leben ist nicht nur wie ein Staubkorn, sondern auch wie ein Glühwürmchen, grad noch sichtbar glühend, schon wieder dunkel ;)
Während wir noch glühen, wird uns dies kaum bewusst. Leider nutzen wir unsere kurze Zeit nicht immer sinnvoll - im Nachhinein gesehen. Zwar können wir die Zeit nicht anhalten, aber es gibt Momente, für die sich das Leben lohnt. Es ist dann so, als würde die Zeit still stehen - dann ist egal, was danach ist.
Nur das Jetzt zählt, und doch warten wir auf das Morgen.

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#153 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von kamille » Mi 21. Mai 2014, 20:29

Samantha hat geschrieben:Nur das Jetzt zählt, und doch warten wir auf das Morgen.
Wir sind noch ganz schön dumm :(
Jesus Christus spricht:..Siehe, ich bin bei euch alle Tage.....

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#154 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Pluto » Mi 21. Mai 2014, 20:35

kamille hat geschrieben:
Samantha hat geschrieben:Nur das Jetzt zählt, und doch warten wir auf das Morgen.
Wir sind noch ganz schön dumm :(
Ich denke nicht, denn wir wissen nicht ob der Morgen kommt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#155 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von kamille » Mi 21. Mai 2014, 20:43

Pluto hat geschrieben:
kamille hat geschrieben:
Samantha hat geschrieben:Nur das Jetzt zählt, und doch warten wir auf das Morgen.
Wir sind noch ganz schön dumm :(
Ich denke nicht, denn wir wissen nicht ob der Morgen kommt.
Wenn man beständig in der Gegenwart bleiben könnte, fragt man nicht nach morgen.
Jesus Christus spricht:..Siehe, ich bin bei euch alle Tage.....

Samantha

#156 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Samantha » Mi 21. Mai 2014, 21:16

Es gibt so vieles, dass man jetzt genießen könnte, doch wir lassen uns immer wieder ablenken von scheinbar Wichtigerem. Mir passiert das leider dauernd, obwohl ich es gar nicht will. Da frage ich mich immer wieder, warum dies so ist. Manchmal ist es Angst oder Abhängigkeit. Ich fühle mich dann gefangen ...

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Halman
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#157 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Halman » Mi 21. Mai 2014, 23:40

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Die Problematik, dass verschiedene Grundsätze und/oder Gebote miteinander in Konflikt geraten, kennen wir doch nur zu gut aus unserem Rechtssystem, bspw. der Verfassung.
Eben darum muss man jeden Fall einzeln beurteilen, und nicht blind den Geboten gehorchen.
Die Bibel enthält nicht nur Gebote, sondern insbesondere im NT Grundsätze, die aufgrund ihres flexibleren Charakters zeitlos sind. Die Goldene Regel ist hierfür ein Beispiel. Ferner enthält sie viele Lieder, Prophetien, Geschichten, Metaphern und Gleichnisse. Insgesamt ist sie recht komplex.
Oberflächlich betrachtet mag sie statisch erscheinen, doch bei genauerer Betrachtung offenbart sich die Schilderung einer Entwicklung. Besser als ich es könnte, erläuterte ein "Freund" von mir (liberaler Christ) diesen Sachverhalt:
Zitat von newman:
Die biblischen Gesetze spiegeln auch keine ewig beständige Ordnung wider sondern es lässt sich eine gesellschaftliche Entwicklung feststellen. Die moralischen Standards werden Schritt für Schritt angehoben.

[...]

Jesus hat damit moralische Standards etabliert, die selbst aus heutigem Verständnis unübertroffen sind.

Das hat aber noch einen zweiten theologischen Grund. Jesus hat die Messlatte so hoch gesetzt (Böse ist nicht mehr nur Böses zu tun sondern bereits schon Böses zu denken), dass kein Mensch ohne Sündenvergebung und damit kein Mensch aus eigener Kraft, ohne die Gnade Gottes, gerettet werden kann.
Ebenfalls einen Blick wert ist sein Posting #4398.

Pluto hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:"Du sollst nicht töten (morden)" ist ein anderes Gebot.
Aber ist es Mord, wenn eine Mutter tötet um ihr Kind vor der sicheren Verschleppung in die Prostitution verteidigt?
Dann liegt kein Mord vor, sondern Nothilfe.
Und doch liegt eine Tötung vor: "Du sollst nicht töten."
Der Grund ist wichtig, und dieser fehlt komplett in der Bibel.
Die Bibel ist kein Gesetzbuch, auch wenn es u.a. Gebote enthält. Im mosaischem Gesetz wird übrigens zwischen Mord und Todschlag unterschieden.

Zitat aus δέκα λόγοι
Du sollst nicht töten.
Οὐ φονεύσεις.
Ou phoneuseis.
Dieses Gebot verbietet den Mord. Er bezieht sich nicht auf unbeabsichtigten und entschuldbaren Totschlag. Töten ist erlaubt beim Vollzug der Todesstrafe und im Krieg. Dieses Gebot war eine Lebenssicherung unter Nachbarn.
Vielleicht interessiert Dich diese Erläuterung eines orthodoxen Griechen. Das Folgeposting nimmt nach dem Mottio, "in der Kürze liegt die Würze", Bezug zu den hebräischen Begriffen.

Pluto hat geschrieben:
Damit überstrapazierst Du mMn die berger'sche Veranschaulichung. Die Tante kann nur die Steuerschuld bezahlen. Analog kann Gott alle Dinge wieder richten (Off 21:4).
Nein tut es nicht, denn ich rede von der Erinnerung. Niemand kann die Erinnerung an getanes Unrecht auslöschen, ncht eimal Gott. Ein verschuldeter Unfall mit tragischen Folgen bleibt was er ist. Nur die aktive Reue und die Suche nach Vergebung durch das Opfer kann helfen das Leid des Täters zu lindern — alles andre bleibt Augenwischerei die keinen bleibenden Trost spendet.
Paulus konnte Stephanus nicht mehr um Vergebung bitten. Ihm half nur sein Glaube an Jesus Christus.

Pluto hat geschrieben:
Die Reue und Umkehr spielt in der jesuanischen Lehre eine zentrale Rolle (ich erinnere an Geißlers auf den Grundtext basierende Erkläuterung).
Schön. :) Und was ist dann die Sühne? Nur ein anderes Wort für Reue?
Nein, Sühne soll die Waage wieder in Gleichgewicht bringen. Im Idealfall eine Wiedergutmachung. Darin steckt der Gedanke der Verantwortlichkeit. Ein Christ lebt in dem Bewusstsein, dass er sich dieser niemals entziehen kann.

Reue bedeutet, die Tat zu verwerfen und umzudenken.

Pluto hat geschrieben:
Schwerwiegende Sünden zu vertuschen wäre auch zutiefst unjüdisch und unchristlich.
Eben! Doch viele sehen Sühne als zudecken, und das ist mir zu wenig.
Laut der Bibel ist es entscheidend, ob jemand bereut und aufgrund der Reue umdenkt.

Pluto hat geschrieben:
Sollte man solch reuigen Menschen ihre Sünden ewig vorhalten?
Natürlich nicht.
Aber Niemand kann diesen Menschen die Verantwortung für begangene Taten nehmen — ich denke, nicht einmal Gott kann das.
Die Verantwortung ist höchst individuell. Auch das Opfer kann dem Täter nicht die Verantworung abnehmen, aber es kann ihm seine Tat vergeben.

Pluto hat geschrieben:
Vergebung mag zu den schwersten Anforderungen gehören. Doch wünschen wir diese nicht alle?
Ja. Aber ist göttliche Vergebung wirklich möglich, und wäre nicht die Vergebung durch das Opfer das größere Glück?
Ich glaube, dass göttliche Vergebung möglich ist. Wäre dem nicht so, dann würde der "Fluch der Sünde" uns alle verurteilen. :cry:

Pluto hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wer setzt diese Ziele fest, und sind sie in allen Lebenslagen immer gleich anzusetzen?
Es kommt, so denke ich, auf die jeweilige Situation an.
Eben. Die Begriffswelt der Sünde ist ziemlich unklar. Darum setze ich auf Verantwortung. Mein Beitrag dazu: Ich trinke nicht (mehr) wenn ich fahre.
Es dennoch zu tun, wäre Sünde, eine, für die der Fahrer verantwortlich ist. Hier sehe ich kein Entweder oder. Verantwortung und Sünde passen doch gut zusammen.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#158 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Pluto » Do 22. Mai 2014, 00:18

Halman hat geschrieben:Die Goldene Regel ist hierfür ein Beispiel.
Ja. Aber die Goldene Regel stammt aus viel früheren Zeiten als die Bibel. Sie ist fast so alt wie de Menschheit selbst.

Die moralischen Standards werden Schritt für Schritt angehoben.
Naja... aber genauso aufgeweicht. Ich denke an die Essensvorschriften.

Dieses Gebot verbietet den Mord. Er bezieht sich nicht auf unbeabsichtigten und entschuldbaren Totschlag. Töten ist erlaubt beim Vollzug der Todesstrafe und im Krieg. Dieses Gebot war eine Lebenssicherung unter Nachbarn.
Todesstrafe... Krieg...?
Also gelten diese Regeln nur für die "Nächsten", nicht aber für Feinde? Ist das nicht ein Widerspruch zu Jesus' Gebot der Feindesliebe?
Paulus konnte Stephanus nicht mehr um Vergebung bitten. Ihm half nur sein Glaube an Jesus Christus.
Ein schwacher Trost. Auch er musste mit der Verantwortung weiterleben.

Pluto hat geschrieben:
Die Reue und Umkehr spielt in der jesuanischen Lehre eine zentrale Rolle (ich erinnere an Geißlers auf den Grundtext basierende Erkläuterung).
Schön. :) Und was ist dann die Sühne? Nur ein anderes Wort für Reue?
Nein, Sühne soll die Waage wieder in Gleichgewicht bringen. Im Idealfall eine Wiedergutmachung. Darin steckt der Gedanke der Verantwortlichkeit. Ein Christ lebt in dem Bewusstsein, dass er sich dieser niemals entziehen kann.

Laut der Bibel ist es entscheidend, ob jemand bereut und aufgrund der Reue umdenkt.
Das wird aber z. Bsp. in der katholischen Kirche anders gesehen (Stichpunkt: Ablass und Absolution).

Die Verantwortung ist höchst individuell. Auch das Opfer kann dem Täter nicht die Verantworung abnehmen, aber es kann ihm seine Tat vergeben.
Vergebung durch das Opfer ist in meinen Augen das Wichtigste, denn nur so weiss der Täter, dass er seine Tat aufgearbeitet hat.

Ich glaube, dass göttliche Vergebung möglich ist. Wäre dem nicht so, dann würde der "Fluch der Sünde" uns alle verurteilen. :cry:
Dieser Fluch ist es, woran ich nicht glaube. Menschen werden nicht in Sünde geboren, und wenn, dann sind sie oft nicht schuldfähig — oder glaubst du, dass Jemand der homosexuell ist, dafür was kann?

Hier sehe ich kein Entweder oder. Verantwortung und Sünde passen doch gut zusammen.
Verantwortung muss man tragen, egal was geschieht. Nur eine Amnesie kann sie tilgen.
Sünde sieht zwar barmherziger aus, aber sie ist viel diffuser in ihrer Anwendung.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#159 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Halman » Do 22. Mai 2014, 19:26

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Die Goldene Regel ist hierfür ein Beispiel.
Ja. Aber die Goldene Regel stammt aus viel früheren Zeiten als die Bibel. Sie ist fast so alt wie de Menschheit selbst.
Die älteste Form der Goldenen Regel, die ich in Wikipedia ausfindig machen konnte, stammt aus der Altorientalischen Weisheit, eine Spruchsammlung die um 700 v. Chr. entstanden ist.
Zitat aus Altorientalische Weisheit:
„Sohn, was dir übel erscheint, tue deinem Mitmenschen nicht an.
Was immer du willst, dass dir es die Menschen tun, das tue du allen.“
Kennst Du eine ältere Quelle?

Pluto hat geschrieben:
Die moralischen Standards werden Schritt für Schritt angehoben.
Naja... aber genauso aufgeweicht. Ich denke an die Essensvorschriften.
Die Speisegebote betreffen die kultisch-rituelle Hälfe des Gesetzes. Nur diese ist durch Jesus erfüllt (so wie die Steuerschuld durch die reiche Tante). Die Liebes- und Sozialgebote, die den eigentlichen Kern des Gesetzes ausmachen, bleiben weiterhin bestehen (s. "Die Bibelfälscher", Seite 209, Klaus Berger).

Die besonderen Speisegebote sonderten die Israeliten als Heiliges Volk für JHWH (יהוה‎) von den Heiden ab. Diese Trennung wurde nach christlicher Vorstellung durch Jesus überwunden, symbolisiert dadurch, dass die Speisen der Heiden nun annehmbar waren. Eine kultische "Reinheit" (Heiligkeit) war nun nicht mehr erforderlich.

Pluto hat geschrieben:
Dieses Gebot verbietet den Mord. Er bezieht sich nicht auf unbeabsichtigten und entschuldbaren Totschlag. Töten ist erlaubt beim Vollzug der Todesstrafe und im Krieg. Dieses Gebot war eine Lebenssicherung unter Nachbarn.
Todesstrafe... Krieg...?
Also gelten diese Regeln nur für die "Nächsten", nicht aber für Feinde? Ist das nicht ein Widerspruch zu Jesus' Gebot der Feindesliebe?
Das alte Israel war ein theokratisches Königtum, mit einem Heer. Es führte Kriege und vollzog die Todesstrafe. Wenn es um die Bestrafung von Sündern ging, war das mosaische Gesetz ausgesprochen hart. Doch es enthält in Ex 23,4-5 auch ein konkretes Gebot zur Feindeshilfe.
Ferner sei noch auf die Sprüche im Tanach verwiesen (Spr 24:17 und Spr 25:21).
In einer Spätschrift des AT findet sich in Sir 28,6-7 noch ein schöner Gedanke.

Der Begriff des Nächsten wurde im alten Judentum kontrovers in der rabbinischen Exegese diskutiert.
So ist der Nächste zum einen jeder mit den Hebräern befreite und zum Bundespartner Gottes erwählte Israelit, zum anderen tendieren die auf den Nächsten bezogenen Dekaloggebote auf allgemeine Geltung im Bereich der Schöpfung.
Es gab offenbar verschiedene Jüdische Auslegungen. So ist es nicht verwunderlich, dass gem. Lk 10:29 ein jüdischer Schriftgelehrter Jesus mit dieser Frage konfrontierte. Jesus antwortete mit dem berühmten Gleichnis vom barmherzigen Samariter.

Pluto hat geschrieben:
Paulus konnte Stephanus nicht mehr um Vergebung bitten. Ihm half nur sein Glaube an Jesus Christus.
Ein schwacher Trost. Auch er musste mit der Verantwortung weiterleben.
Ja, dies brachte Paulus in seinen Briefen selbst zum Ausdruck (1.Kor 15:9 und 1.Tim 1:15). Paulus fand aber in seinem tiefen Glauben und seiner christlichen Hoffnung viel Trost (Rö 8:18, sofern ich seine Texte richtig rezipiere).

Pluto hat geschrieben:
Laut der Bibel ist es entscheidend, ob jemand bereut und aufgrund der Reue umdenkt.
Das wird aber z. Bsp. in der katholischen Kirche anders gesehen (Stichpunkt: Ablass und Absolution).
Diese kirchliche Praxis kritisierte Luther ja zu recht scharf.

Pluto hat geschrieben:
Die Verantwortung ist höchst individuell. Auch das Opfer kann dem Täter nicht die Verantworung abnehmen, aber es kann ihm seine Tat vergeben.
Vergebung durch das Opfer ist in meinen Augen das Wichtigste, denn nur so weiss der Täter, dass er seine Tat aufgearbeitet hat.
Paulus wurde dem NT zufolge insbesondere von einigen Judenchristen in Korinth kritisiert, aber im allgemeinen als Apostel respektiert. Er nannte die Brüder, die er einst verfolgt hatte und arbeitete rund dreißig Jahre mit ihnen zusammen - bis zum Märtyrertod. Ich denke, er hatte hier viel Gelegenheit bei seinen früheren Opfern Vergebung zu erlangen und seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Dennoch war sie stehts eine Last für ihn.

Pluto hat geschrieben:
Ich glaube, dass göttliche Vergebung möglich ist. Wäre dem nicht so, dann würde der "Fluch der Sünde" uns alle verurteilen. :cry:
Dieser Fluch ist es, woran ich nicht glaube. Menschen werden nicht in Sünde geboren, und wenn, dann sind sie oft nicht schuldfähig — oder glaubst du, dass Jemand der homosexuell ist, dafür was kann?
Mit dem "Fluch der Sünde" meinte ich nicht, dass wir als Schuldige geboren werden. Damit meinte ich, dass kein Mensch imstande ist, im Laufe seines vollkommen schuldlos zu bleiben (Rö 3:23).

Pluto hat geschrieben:
Hier sehe ich kein Entweder oder. Verantwortung und Sünde passen doch gut zusammen.
Verantwortung muss man tragen, egal was geschieht. Nur eine Amnesie kann sie tilgen.
Sünde sieht zwar barmherziger aus, aber sie ist viel diffuser in ihrer Anwendung.
Es kommt darauf an, wie konkret die Sünde definiert ist. Der biblische Begriff vermittelt den Gedanken, das Ziel zu verfehlen, das Rechte zu tun.
Paulus nimmt im Römerbrief auf das Gewissen Bezug. Im Korintherbrief ermahnt er die Urchristen, das Gewissen ihrer Brüder nicht durch das Essen von Fleisch, dass möglicherweise Götzen geopfert wurde, zu belasten. Paulus leitet also aus dem Gewissen Veranwortung her. Hierzu passt die Einleitung der Präambel zum GG: Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, ... Sündigen bedeutet, dass Ziel zu verfehlen, dieser Verantwortung zu entsprechen.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#160 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Pluto » Do 22. Mai 2014, 22:29

Halman hat geschrieben:Die älteste Form der Goldenen Regel, die ich in Wikipedia ausfindig machen konnte, stammt aus der Altorientalischen Weisheit, eine Spruchsammlung die um 700 v. Chr. entstanden ist.... Kennst Du eine ältere Quelle?
In der biblischen Form nicht. Aber sie existiert in so vielen verschiedenen Kulturen (China, Babylonien, Indien usw.). Zudem wird der zugrundeliegende Begriff der Reziprozität im Guten und im Bösen, um den es in der goldenen Regel schliesslich geht, bereits im Codex Hammurapi vor 3800 Jahren erwähnt.

Pluto hat geschrieben:
Die moralischen Standards werden Schritt für Schritt angehoben.
Naja... aber genauso aufgeweicht. Ich denke an die Essensvorschriften.
...Die besonderen Speisegebote sonderten die Israeliten als Heiliges Volk für JHWH (יהוה‎) von den Heiden ab. Diese Trennung wurde nach christlicher Vorstellung durch Jesus überwunden, symbolisiert dadurch, dass die Speisen der Heiden nun annehmbar waren. Eine kultische "Reinheit" (Heiligkeit) war nun nicht mehr erforderlich.
Du hast es viel schöner formuliet als ich, aber am Ende nichts anderes gesagt. Die alten Speisegebote waren zur Zeit Jesus' "nicht mehr erforderlich" ; sie wurden demzufolge "aufgweicht".

Es gab offenbar verschiedene Jüdische Auslegungen. So ist es nicht verwunderlich, dass gem. Lk 10:29 ein jüdischer Schriftgelehrter Jesus mit dieser Frage konfrontierte. Jesus antwortete mit dem berühmten Gleichnis vom barmherzigen Samariter.
Richtig. Aber das wurde noch nie ernst genommen, sonst gäbe es keine "heiligen" Kriege.

Paulus wurde dem NT zufolge insbesondere von einigen Judenchristen in Korinth kritisiert, aber im allgemeinen als Apostel respektiert. Er nannte die Brüder, die er einst verfolgt hatte und arbeitete rund dreißig Jahre mit ihnen zusammen - bis zum Märtyrertod. Ich denke, er hatte hier viel Gelegenheit bei seinen früheren Opfern Vergebung zu erlangen und seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Dennoch war sie stehts eine Last für ihn.
Paulus war eine Ausnahmeerscheinung. Wie viele Christen vermögen ihm zu folgen?

Mit dem "Fluch der Sünde" meinte ich nicht, dass wir als Schuldige geboren werden. Damit meinte ich, dass kein Mensch imstande ist, im Laufe seines vollkommen schuldlos zu bleiben (Rö 3:23).
Die Frage ist, ob Menschen überhaupt für Ihre Taten schuldig sein können. Hier rede ich nicht von Bagatellen sondern von Triebtätern, Serienmördern usw..

Es kommt darauf an, wie konkret die Sünde definiert ist. Der biblische Begriff vermittelt den Gedanken, das Ziel zu verfehlen, das Rechte zu tun.
...Sündigen bedeutet, dass Ziel zu verfehlen, dieser Verantwortung zu entsprechen.
Und genau das ist zu unpräzis formuliert, denn wir wissen doch gar nicht wirklich was das Ziel ist. Viele sagen, "Es ist die Nähe zu Gott". Aber was das genau ist, kann man nicht erklären.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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