Unser Leben -- ein Staubkorn

Pluto
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#131 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Pluto » Do 15. Mai 2014, 00:27

Hi Bodhicitta,
Zunächst mall herzlich willkommen hier im Forum. :D
Ich wünsche dir viele angeregte Diskussionen hier!

kamille hat geschrieben:Vergebung ist wichtig.
Sicherlich, aber es könnte nicht immer die beste Strategie sein.

Bodhicitta hat geschrieben:Es gibt heilsame und unheilsame Handlungen. Wenn Dir jemand Leiden zufügt, dann ist das eine unheilsame Handlung. Eine typische Reaktion wäre dann, der unheilsamen Handlung mit einer unheilsamen Handlung zu antworten. Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Das würde aber bedeuten den Kreislauf des Leidens zu verstärken, anstatt ihn in etwas Heilsamen hinein zu transformieren. Vergebung wäre eine heilsame Handlung, die zu einer richtigen Transformation führen würde.
Ich denke, irL ist die Sache mit der Vergeltung oder Vergebung nicht immer so schwarz/weiss. Was du hier mit Vergebung postulierst nenne ich das "Heile Welt" Szenario... schön aber nicht anwendbar.

Ich würde es weder mir, noch meinem Widersacher so einfach machen, die eine oder andere Strategie zu wählen. Vergeltung könnte ihn abschrecken (muss aber nicht). Vergebung könnte ihn versöhnlich stimmen, ist er aber von Natur ein Psychopath, könnte er sich dazu herausgefordert fühlen, mir weiteres Leid zuzufügen.
Vergeltung bedeutet nicht immer auf Gewalt mit Gewalt zu antworten. Man z. Bsp. kann auch mit Gelassenheit, aber Deutlichkeit antworten, so dass klar wird, "diesmal Okay, aber nimm dich fürs nächste mal in Acht".

Immer zu vergeben erscheint mir zu simpel, weil man dann nicht nur vorhersehbar, sondern wo möglich als "Weichei" gesehen wird. Es gibt viele mögliche Arten auf "unheilsame Handlungen" zu kontern. Sicher muss dabei der Gedanke der Vergebung stets präsent sein, sonst sind wir nicht besser als unsere Widersacher.
Aber mE muss Vergebung je nach Situation in den Hintergrund gedrängt werden.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Bodhicitta
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#132 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Bodhicitta » Do 15. Mai 2014, 01:05

Sei gegrüßt!

Ich denke, irL ist die Sache mit der Vergeltung oder Vergebung nicht immer so schwarz/weiss. Was du hier mit Vergebung postulierst nenne ich das "Heile Welt" Szenario... schön aber nicht anwendbar.

Da würde ich sachlich von der Realität ausgehen: es existiert Leiden – und es ist wichtig dieses Leiden nicht schön zu reden, sondern zu akzeptieren. Es anzuschauen, wie es ist. Dann kann man einen sinnvollen Weg der Überwindung des Leidens gehen, wie ihn die verschiedenen Weisheitslehren beschreiben. „Der Weg darüber hinaus“ (so bezeichnete Paulus den Weg der Liebe) führt von der leidvollen in die heilvolle Welt.

Das braucht aber zweifellos einen grundsätzlichen Glauben daran, dass die Natur des Menschen – oder das Sein „an sich“ - heilvoll und gutartig ist und es somit auch Sinn macht eine „heile“ und lebenswerte Welt zu erstreben, anstatt der Frustration anheim zu fallen. Es gilt leidvolle, destruktive und dumme „Meme“ durch heilsame, geistreiche und liebevolle zu ersetzen.

[...]ist er aber von Natur ein Psychopath, könnte er sich dazu herausgefordert fühlen, mir weiteres Leid zuzufügen. Vergeltung bedeutet nicht immer auf Gewalt mit Gewalt zu antworten. Man z. Bsp. kann auch mit Gelassenheit, aber Deutlichkeit antworten

Das ist ein kompliziertes Thema. Was ist die Wurzel der Psychopathie oder des Bösen, wenn der Mensch ein „bio-soziales“ Wesen ist, Gene und Geist immer in ihrem Verbundensein aktiv sind; wo beginnt der Kreislauf des Leidens? Beim Einzelnen oder im größeren Zusammenhang? Zweifellos kann man mit einem Psychopathen nicht so umgehen, wie mit einem gewöhnlichen Menschen. Das ist dann auch eine gesellschaftliche Frage: welche Werte und gesellschaftlichen Strukturen ermöglichen es uns, dass Gute zu bestärken und durchzusetzen ohne mit überflüssiger Gewalt zu antworten? Der Sozialpsychologe Erich Fromm hat sich diesen Fragen in seinem Werk gewidmet.

Für ihn war die Liebe ein Hauptschlüssel für ein selbstbestimmtes, schöpferisches und erfülltes Leben. In ihr findet eine Reflexion unsrer selbst und unsrer Beziehung zu andren statt. Darum liegt es in unsrer Verantwortung eine Gesellschaft der Liebe zu schaffen und Werte und Strukturen zu bestärken, die das erleichtern und freisetzen: „Wenn es- wie ich aufzuzeigen versuchte - wahr ist, daß die Liebe die einzig befriedigende Antwort auf das Problem der menschlichen Existenz ist, dann muß jede Gesellschaft, die die Entwicklung der Liebe ausschließt, letzten Endes an ihrem Widerspruch zu den grundlegenden Notwendigkeiten der menschlichen Natur zugrunde gehen.“ - (Die Kunst des Liebens", Frankfurt/M (u.a.) 1956. S. 170.)

In diesem Sinne! ;)
Und immer wieder neue Gaben geben - und immer wieder neue Himmel finden. (Buddha)

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#133 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von kamille » Do 15. Mai 2014, 07:58

Bodhicitta hat geschrieben:es existiert Leiden – und es ist wichtig dieses Leiden nicht schön zu reden, sondern zu akzeptieren. Es anzuschauen, wie es ist.
Aber genau dagegen wehrt man sich. Leiden ist negativ, wer will sich schon damit identifizieren. Außerdem sehe ich, das die meisten Menschen sich so sehr an ihre geistige Finsternis gewöhnt und so sehr in ihre Träume vertieft haben, dass es für sie Realität ist und sie strikt abstreiten, dass sie in Wirklichkeit leidend sind.
Deswegen geht es auch demjenigen anfangs schlecht, der dann doch geistig wach werden will, weil er nun sieht, in welcher leidvollen Verfassung sein Geist und seine Seele ist.
Sich von Traumwelten zu verabschieden entspricht einem Losreißen, das nicht ohne Schmerzen geht.
Aber später, wenn die Reinigung fortgeschritten ist und der Abstand vom Ego/Fleisch oder dem alten Menschen (nach Paulus) größer geworden ist, dann kommen die Glücksmomente häufiger und die Liebe nimmt den freigewordenen Raum ein.
Jesus Christus spricht:..Siehe, ich bin bei euch alle Tage.....

Pluto
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#134 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Pluto » Do 15. Mai 2014, 11:29

Bodhicitta hat geschrieben:Da würde ich sachlich von der Realität ausgehen: es existiert Leiden – und es ist wichtig dieses Leiden nicht schön zu reden, sondern zu akzeptieren.
Akzeptieren müssen wir es gewiss.
Abe woher kommt dieses Leid, wenn nicht von Gott?
„Der Weg darüber hinaus“ (so bezeichnete Paulus den Weg der Liebe) führt von der leidvollen in die heilvolle Welt.
Ja. Aber auch Paulus hat nicht immer einfach alles durchgehen lassen.

Das braucht aber zweifellos einen grundsätzlichen Glauben daran, dass die Natur des Menschen – oder das Sein „an sich“ - heilvoll und gutartig ist und es somit auch Sinn macht eine „heile Welt“ und lebenswerte Welt zu erstreben, anstatt frustriert zu resignieren.
Das kommt auf die Ursache des Leids an. Bei von Menschen verursachtem Leid gebe ich dir völlig Recht, aber wie willst du bei einem Erdbeben oder bei Krebs, das Leid mit Liebe allein abwenden?

Was ist die Wurzel der Psychopathie oder des Bösen, wenn der Mensch ein „bio-soziales“ Wesen ist, Gene und Geist immer in ihrem Verbundensein aktiv sind; wo beginnt der Kreislauf des Leidens? Beim Einzelnen oder im größeren Zusammenhang?
Gut. Du willst dich auf menschlich verursachtes Leid begrenzen.
Die Ursachen der Psychopathie sind heute in groben Zügen bekannt -- sie liegen in der Mitleids-Unfähigkeit des Gehirns. Das hat weniger genetische, wie entwicklungsbedingte Ursachen die schon im Mutterleib entstehen.

Zweifellos kann man mit einem Psychopathen nicht so umgehen, wie mit einem gewöhnlichen Menschen.
Das ist dann auch eine gesellschaftliche Frage: welche Werte und gesellschaftlichen Strukturen in einer ermöglichen es uns, dass Gute zu bestärken und durchzusetzen ohne mit überflüssiger Gewalt zu antworten?
Stimmt. Man muss die Gesellschaft vor solchen Leuten schützen. Leider muss aber erst mal einer "zuschlagen", bevor man ihn in Gewahrsam nimmt.

Der Sozialpsychologe Erich Fromm hat sich diesen Fragen in seinem Werk gewidmet.
Für ihn war die Liebe ein Hauptschlüssel für ein selbstbestimmtes, schöpferisches und erfülltes Leben. In ihr findet eine Reflexion unsrer selbst und unsrer Beziehung zu andren statt. Darum liegt es in unsrer Verantwortung eine Gesellschaft der Liebe zu schaffen und Werte und Strukturen zu bestärken, die das erleichtern und freisetzen: „Wenn es- wie ich aufzuzeigen versuchte - wahr ist, daß die Liebe die einzig befriedigende Antwort auf das Problem der menschlichen Existenz ist, dann muß jede Gesellschaft, die die Entwicklung der Liebe ausschließt, letzten Endes an ihrem Widerspruch zu den grundlegenden Notwendigkeiten der menschlichen Natur zugrunde gehen.“ - (Die Kunst des Liebens", Frankfurt/M (u.a.) 1956. S. 170.)
Fromm war ein grosser Könner seines Fachs. Liebe ist gut, aber ich fürchte sie wirkt nicht bei Psychopathen. Diese interpretieren Liebe wohl eher als Zeichen von Schwäche ("die tun mir nichts"). Da sind eher härtere Massnahmen angebracht: Ich meine, man soll sie zur Verantwortung ziehen, um die Gesellschaft vor ihnen zu schützen, in dem man sie einsperrt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Samantha

#135 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Samantha » Do 15. Mai 2014, 12:48

Bodhicitta hat geschrieben: Es gibt heilsame und unheilsame Handlungen. Wenn Dir jemand Leiden zufügt, dann ist das eine unheilsame Handlung. Eine typische Reaktion wäre dann, der unheilsamen Handlung mit einer unheilsamen Handlung zu antworten. Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Das würde aber bedeuten den Kreislauf des Leidens zu verstärken, anstatt ihn in etwas Heilsamen hinein zu transformieren. Vergebung wäre eine heilsame Handlung, die zu einer richtigen Transformation führen würde.
Warum vergibt Gott nicht und verurteilt "Sünder"'? Sollte er nicht auch vergeben, oder ist Vergebung gar nicht so heilsam? Also, ich bin froh, wenn jemand, der ein Verbrechen begangen hat, dafür auch bestraft oder blockiert wird.

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#136 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Pluto » Fr 16. Mai 2014, 01:23

Samantha hat geschrieben:Also, ich bin froh, wenn jemand, der ein Verbrechen begangen hat, dafür auch bestraft oder blockiert wird.
Richtig.
Ich sehe allerdings mehr den Aspekt "Schutz der Gesellschaft" im Vordergrund. Ob Jemand durch das Absitzen einer Strafe in einer Besserungsanstalt ein besserer Mensch wird, sei dahin gestellt. Das hängt sehr von seiner Behandlung und von seinem psychischen Zustand ab.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Samantha

#137 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Samantha » Fr 16. Mai 2014, 12:15

Pluto hat geschrieben:
Samantha hat geschrieben:Also, ich bin froh, wenn jemand, der ein Verbrechen begangen hat, dafür auch bestraft oder blockiert wird.
Richtig.
Ich sehe allerdings mehr den Aspekt "Schutz der Gesellschaft" im Vordergrund. Ob Jemand durch das Absitzen einer Strafe in einer Besserungsanstalt ein besserer Mensch wird, sei dahin gestellt. Das hängt sehr von seiner Behandlung und von seinem psychischen Zustand ab.
Bei Mördern anderen Schwerverbrechern bleibt nichts anderes als Sicherheitsverwahrung und dauerhaftes Einsperren. Es ist für die Beteiligten natürlich eine Strafe, denn helfen kann man ihnen meist nicht mehr.

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#138 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Pluto » Fr 16. Mai 2014, 12:44

Samantha hat geschrieben:Bei Mördern anderen Schwerverbrechern bleibt nichts anderes als Sicherheitsverwahrung und dauerhaftes Einsperren. Es ist für die Beteiligten natürlich eine Strafe, denn helfen kann man ihnen meist nicht mehr.
Mir ging es darum, zwischen den Aspekten Schuld/Sühne und Schutz der Gesellschaft eine klare Linie zu ziehen. Sind Mörder in jedem Fall soweit zurechnungsfähig, also schuldfähig, oder handelten sie aus einem inneren Trieb (Psychose) heraus? In den meisten (allen?) Fällen handelt es sich wohl um Störungen, wenn auch nur temporärer Natur. Beim Schutz der Gesellschaft geht es aber nicht so sehr um die Schuldfrage, wie um die Fähigkeit zu morden, und die Gefahr der Rückfälligkeit.
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#139 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Halman » Fr 16. Mai 2014, 14:40

Pluto hat geschrieben:Beim Schutz der Gesellschaft geht es aber nicht so sehr um die Schuldfrage, wie um die Fähigkeit zu morden, und die Gefahr der Rückfälligkeit.
Richtig, daher wird im Recht auch abstrakt zwischen Gefahrenabwehr und Strafrecht unterrschieden. Die Gefahrenabwehr sollte auch mMn im Forderdergrund stehen.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#140 Re: Unser Leben -- ein Staubkorn

Beitrag von Pluto » Fr 16. Mai 2014, 14:50

Halman hat geschrieben:Richtig, daher wird im Recht auch abstrakt zwischen Gefahrenabwehr und Strafrecht unterrschieden. Die Gefahrenabwehr sollte auch mMn im Forderdergrund stehen.
Das Strafrecht baut auf dem christlichen Fundament des Sündenfalls auf. Es geht immer um Schuld und Sühne: Ein Modell was ich für zumindest überholt finde.
Stattdessen schlage ich vor die Begriffe der Verantwortung und der Reue zu verwenden, mit denen man am Ende dasselbe Ziele der Versöhnung erreichen lässt.
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