AT vs. NT

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#161 Re: AT vs. NT

Beitrag von Pluto » Di 30. Dez 2014, 20:38

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Kinder befürworteten Gewalt, wenn sie von Gott befohlen war und der eigenen Gruppe nützte.
Das ist normal - das sind gruppen-dynamische Phänomene, die es in jeder Gruppe gibt. - Wenn es innerhalb einer Religion passiert, ist es besonders schlimm, weil die Religion eigentlich für das Gegenteil zuständig sein sollte.
Es ist wirklich ganz besonders schlimm, wenn es in einer Religion geschieht.

Mir kommt dabei immer wieder der Koran in den Sinn, wo (mit nur einer Ausnahme) jede Sure (Kapitel) mit den Worten: "Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen, des Allgütigen..." beginnt, um im Anschluss zu schier unvorstellbaren Gräueltaten aufzurufen, und diese gutzuheißen.

Glaubst du wirklich dies liegt an einer falschen Intepretation? Oder liegt es vielmehr in der Absicht der Rhetorik der Bücher?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#162 Re: AT vs. NT

Beitrag von closs » Di 30. Dez 2014, 21:52

Pluto hat geschrieben:Glaubst du wirklich dies liegt an einer falschen Intepretation?
Die gewalttätigen Stellen in religiösen Schriften wurden sicherlich nicht nachträglich eingebaut und werden dementsprechend als solche (!) auch nicht falsch interpretiert, wenn man sie so versteht, wie sie da stehen.

Der Punkt ist aus meiner Sicht ein anderer: Es gibt (aus Sicht religiöser Menschen) ein übergeordnetes Sein, das sie versuchen begrifflich zu organisieren. - Dieses Sein IST friedfertig (warum, wäre ein ganz eigenes Thema und dialektisch/ontologisch begründbar). - Nun tritt dieses Sein (= Gott) ins Bewusstsein der Menschen - und zwar als (heils-)geschichtlicher Prozess. - Offensichtlich war die Zeit der Jahrtausende vor der Zeitenwende evolutionär geeignet, dass der Menschen für solche Fragestellungen reif war.

Nun prallen diese transzendenten Einwirkungen zusammen mit der damaligen Lebenswirklichkeit, die wir hier einfach einmal als gewalttätig darstellen wollen (Stämme - Stammeskämpfe - Blutrache- etc.). - Wie bringt man nun diese transzendenten Einwirkungen in Übereinstimmung mit der jeweiligen Lebenswirklichkeit?

Der einfachste Weg ist, diese Einwirkungen in die Lebenswirklichkeit hinein-zu-verarbeiten - das wäre eine Vorstufe von Feuerbach: Man spürt da etwas Transzendentes, kann es analytisch noch nicht benennen und versucht es, nach seinem eigenen Bilde zu gestalten. - Dieser Prozess geht über Jahrhunderte und Jahrtausende - das ist genau der Sinn des Wortes "Heilsgeschichte" - eine Epoche ist geistig dunkel und wird immer wieder einmal von geistigen Lichtblitzen durchwirkt, aber es langt aber halt noch nicht für einen Paradigmen-Wechsel.

Der Paradigmen-Wechsel geschieht im Christentum mit dem NT - auf ganz andere Weise geschieht dies im Islam mit Mohammed (wenn man das vergleichen möchte), also 600 Jahre später. - Wir sind also im Jahr 1400, zieht man diese 600 Jahre Unterschied vom heutigen Christentum ab. - Was war mit dem Christentum im Jahr 1400? Der Islam hinkt also hinterher - ob er in 600 Jahren da steht, wo heute das Christentum steht, wissen wir nicht.

Heilsgeschichte ist also immer der Versuch, die Wahrnehmung/der Mensch anzunähern an die geistige Realität des EINEN Gottes (es kann nur einen geben - alles andere ist Unfug). - Ob man diesen Gott Jahwe oder Allah nennt, ist dabei wurscht - wichtig ist die heilsgeschichtliche Wahrnehmungs-Annäherung an den EINEN Holon, in dem jegliche Dialektik aufgehoben ist. - Hierin haben die Christen durch Jesus eine Alleinstellung (warum, wäre auch ein eigenes Thema).

Alleinstellung heisst aber nicht, dass man deshalb auf der richtigen Spur ist. - Denn auch heute sind wir noch in der Heilsgeschichte, in der im Namen Gottes Gewalt gepredigt wird - wobei es prinzipiell (!) egal ist, ob es die ISIS macht oder amerikanisch-christliche Befürworter der Todesstrafe.

Mit anderen Worten: Die Menschen interpretieren nicht nur gelegentlich das Geschriebene falsch, sondern auch das Geschriebene selbst kann falsch sein in Bezug auf das, was es zu vertreten hätte. - Das ist doch der Grund, warum man den Satz "Prüfet alles und behaltet das Gute" gar nicht überbewerten kann.

Allerdings muss man auch mit den richtigen Instrumenten prüfen - das wären nach christlicher Lesart das "Gewissen". - Das Problem dabei - und jetzt kämen wir in unsere gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Haken: Selbst das Gewissen kann mit der Zeit kontaminiert werden.

Wenn solche Entwicklungen irgendwann in eine Sackgasse kommen, folgt meistens ein "Reset" (Noah, Babel, etc.).

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#163 Re: AT vs. NT

Beitrag von Pluto » Di 30. Dez 2014, 22:09

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Glaubst du wirklich dies liegt an einer falschen Intepretation?
Die gewalttätigen Stellen in religiösen Schriften wurden sicherlich nicht nachträglich eingebaut und werden dementsprechend als solche (!) auch nicht falsch interpretiert, wenn man sie so versteht, wie sie da stehen.
Ich verstehe sie als Zeichen einer unterschwelligen Xenophobie bei allen Menschen. Alles was fremd ist, wird abgelehnt, so wie es der alte Spruch vermittelt: "Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht".

Diese Ablehnung von Fremden muss in der Vorgeschichte der Menschheit eine wichtige evolutionäre Rolle gespielt haben. Vermutlich liegt es in der Tatsache, dass fremde Gruppen einem meistens was wegnehmen wollten, bzw. ihr Besuch in der Regel mit Unheil verbunden war.
Übrigens sehe ich in der heutigen Zeit, dass sich mit fortschreitender Säkularisierung hier etwas zu ändern beginnt: z. Bsp. in der Akzeptanz von Minderheiten (Pegida sehe ich als Rückfall in weitgehend falsche und überholte, unterschwellige Gewohnheiten).

Was mir aber ein Rätel ist:

Warum wird der Fremdenhass ausgerechnet in reilgiösen Schriften derart thematisiert? Müssten nicht die Schriften genau das Gegenteil beinhalten, wenn sie Botschaften der Liebe vermitteln wollen/sollen?

Im AT zumindest, wird genau das Gegenteil verkündet (vgl. 5.Mose 20). Dann wird im NT versucht, gegenzusteuern, manchmal mit Erfolg (Feindesliebe und der gute Samariter) aber oft wird auch die Ablehnung von, und der Umgang mit, Andersdenkenden (Ungläubigen) ins Extreme geheiligt (Buch der Offenbarung).
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#164 Re: AT vs. NT

Beitrag von closs » Di 30. Dez 2014, 22:19

Pluto hat geschrieben:Warum wird der Fremdenhass ausgerechnet in reilgiösen Schriften derart thematisiert?
Das stimmt so nicht - es geht nicht um Fremdenhass, sondern (wenn überhaupt) um Hass auf Andersgläubige. - Unabhängig gibt es im AT ausdrückliche Hinweise auf Gastfreundschaft gegenüber Fremden (auch andersgläubigen). - Ich glaube nicht, dass der durchschnittliche Deutsche weniger xenophob ist als der durchschnittliche Nomade in der Sahara vor 2000 Jahren.

Pluto hat geschrieben:Übrigens sehe ich in der heutigen Zeit, dass sich mit fortschreitender Säkularisierung hier etwas zu ändern beginnt
Auf jeden Fall ist man weniger martialisch - und gerade bei den Deutschen ist es in den letzen 50 Jahren deutlich besser geworden.

Allerdings gibt es eine subtile Art der Xenophobie - man denke an den latenten Rassismus in den USA (trotz "Affirmativ Action"), man denke an die namentliche Nennung von "Rumänen" und "Bulgarien", wenn die CSU Stimmen rechts von der Mitte abgrasen will.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#165 Re: AT vs. NT

Beitrag von Pluto » Di 30. Dez 2014, 23:12

closs hat geschrieben:Das stimmt so nicht - es geht nicht um Fremdenhass, sondern (wenn überhaupt) um Hass auf Andersgläubige.
Was glaubs du warum ich 5.Mose 20 ausgewählt habe? Dort geht überhaupt NICHT um Andergläubige, sondern um Feinde und das Verhalten im Krieg.

closs hat geschrieben:Auf jeden Fall ist man weniger martialisch - und gerade bei den Deutschen ist es in den letzen 50 Jahren deutlich besser geworden.
Ja. Ich sehe das als Folge einer zunehmenden Säkularisierung.

closs hat geschrieben:Allerdings gibt es eine subtile Art der Xenophobie - man denke an den latenten Rassismus in den USA (trotz "Affirmativ Action"), man denke an die namentliche Nennung von "Rumänen" und "Bulgarien", wenn die CSU Stimmen rechts von der Mitte abgrasen will.
Tja. Alte Gewohnheiten kann man nicht über Nacht ablegen.
Farbige galten in den USA Jahrhunderte lang als minderwertig. Es wäre naiv zu erwarten, dass sich das in wenigen Jahren ändert. Aber die Erfolge sind sichtbar. Bestes Beispiel für Integration ist wohl Barack Obama.
Auch in Deutschland werden solche rechtspopulistische Auswüchse immer seltener. So lange diese Meinungen (AfD und Pegida) eingegrenzt werden, kann ich damit leben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#166 Re: AT vs. NT

Beitrag von closs » Di 30. Dez 2014, 23:53

Pluto hat geschrieben:Was glaubs du warum ich 5.Mose 20 ausgewählt habe?
Schon - aber Feinde waren damals immer Andersgläubige. - Davon abgesehen: Ist das heute anders? - Ich habe den Eindruck, dass für den "Enemy" im Namen der Nationalen Sicherheit grundsätzlich andere Maßstabe gelten - auch heute noch. - Ich glaube nicht, dass sich das ändern wird. - Wir profitieren vermutlich davon, dass wir seit 70 Jahren in Europa keinen Krieg mehr hatten.

Falls einer käme, würde die Säkularisierung auch nichts ändern - zumal die mitteleuropäischen Kriege der letzten Jahrhunderte allesamt säkulare Kriege waren.

Pluto hat geschrieben:Aber die Erfolge sind sichtbar.
In der Tat - wenn Europa sich richtig entwickelt, haben wir gute Chancen, dass es so weitergeht.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#167 Re: AT vs. NT

Beitrag von sven23 » Fr 2. Jan 2015, 08:56

closs hat geschrieben:Schon - aber Feinde waren damals immer Andersgläubige. - Davon abgesehen: Ist das heute anders? -

Ja, das trifft es ganz gut. Glaube war schon immer ein Abgrenzungsinstrument gegen andere Gruppen. Wer hat den mächtigeren (oder cooleren) Gott zum Verbündeten?
Davon profitieren dann auch die aktuellen Herrscher. Die Götter wurden schon immer auch instrumentalisiert.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#168 Re: AT vs. NT

Beitrag von closs » Fr 2. Jan 2015, 09:17

sven23 hat geschrieben:Glaube war schon immer ein Abgrenzungsinstrument gegen andere Gruppen.
Richtig - man sehe nur mal den neuen Ost-West-Konflikt. - Hier stehen Demokratie-Glaube einem gemäßigen Zarismus-Glauben gegenüber. - Der Westen misstraut undemokratischen Tendenzen des Ostens, der Osten misstraut dekadenten Tendenzen des Westens - und schon hat man einen Weltanschauungs-Konflikt, also Glaubens-Konflikt.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#169 Re: AT vs. NT

Beitrag von sven23 » Fr 2. Jan 2015, 09:31

closs hat geschrieben:Richtig - man sehe nur mal den neuen Ost-West-Konflikt. - Hier stehen Demokratie-Glaube einem gemäßigen Zarismus-Glauben gegenüber. - Der Westen misstraut undemokratischen Tendenzen des Ostens, der Osten misstraut dekadenten Tendenzen des Westens - und schon hat man einen Weltanschauungs-Konflikt, also Glaubens-Konflikt.

Ich meinte aber eher religiösen Glauben. Da erwies sich Jahwe als der Oberabgrenzer gegen andere Götter und Völker.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Martinus
Beiträge: 3059
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:17
Wohnort: Kasane

#170 Re: AT vs. NT

Beitrag von Martinus » Fr 2. Jan 2015, 09:36

sven23 hat geschrieben:. Da erwies sich Jahwe als der Oberabgrenzer gegen andere Götter und Völker.

Na und ! was ein kleines Nomadenvolk glaubt oder nicht glaubt, ist das wichtig?.
Angelas Zeugen wissen was!

Antworten