Wie entstanden die Evangelien?

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sven23
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#1 Wie entstanden die Evangelien?

Beitrag von sven23 » Sa 8. Aug 2015, 09:16

Fundamentalisten halten die Evangelien für göttlich inspiriertes und irrtumsfreies Schriftgut.
Selbst die meisten Kirchenmitglieder halten die Evangelien für weitgehend historisch gesichert und die Kirche tut nur wenig, um diesen Eindruck zu korrigieren.
Betrachtet man jedoch die Ergebnisse der historisch kritischen NT-Forschung, dann können einem berechtigte Zweifel kommen.
Außerbiblische Quellen sind dünn gesät und können nicht über die "peinliche Quellenlage" hinwegtäuschen, wie Kubitza sagt.
Also bleiben nur die Evangelien selbst. Doch wie glaubwürdig sind sie und vor allem: sind sie glaubwürdiger als der große Fundus an Schriften, die nicht kanonisiert wurden?
 "In den ersten Jahrhunderten gab es sechzig Evangelien, die fast alle gleich unverdaulich waren. Man verwarf sechsundfünfzig wegen ihrer Kindlichkeit und Albernheit. Gäbe es hierfür keinerlei Anhaltspunkte bei denjenigen, die man behalten hat?"
(Denis Diderot, franz. Schriftsteller, Aufklärer u. Philosoph, 1713-1784).

Der Heidelberger Exeget Christoph Burchard schreibt:
"Kein Augen- oder Ohrenzeuge spricht noch direkt zu uns."

Die "Originale" der Evangelien sind keine, sondern Abschriften von Abschriften, immer verbunden mit der Gefahr der absichtlichen oder unabsichtlichen Veränderung.

"Bis ins 18. Jahrhundert behauptete man, das Original des Markusevangeliums zu besitzen, und zwar sowohl in Venedig als auch in Prag; und beide Originale in Latein, das kein Evangelist je gebraucht hat. In Wirklichkeit existiert kein Original, blieb weder ein neutestamentliches, noch überhaupt ein biblisches Buch in seinem ursprünglichen Wortlaut erhalten. Doch liegen auch die ersten Abschriften nicht vor. Es gibt nur Abschriften von Abschriften von Abschriften."
Quelle

"Nun vollzog sich das Abschreiben der Evangelien natürlich nicht fehlerfrei. Länger als zwei Jahrhunderte waren sie unabsichtlichen und absichtlichen Eingriffen der Kopisten ausgesetzt, erfuhren sie bei ihrer Verbreitung durch den praktischen Gebrauch, um mit den Theologen Feine - Behm zu sprechen, "ganz von selbst mannigfache Veränderungen, aber auch absichtsvolle Erweiterungen und Kürzungen", haben kirchliche Glossatoren bzw. Redaktoren, wie der Theologe Hirsch nachweist, an ihnen weiter 'poliert', 'ergänzt', 'harmonisiert', 'geglättet' und 'verbessert'; so dass schließlich, wie der Theologe Lietzmann schreibt, "ein ganzer Urwald von gegeneinander stehenden Lesarten, Zusätzen und Auslassungen entstanden ist" und, wie der Theologe Knopf erklärt, "wir an vielen Stellen den ursprünglichen Text nicht mit Sicherheit oder auch nur Wahrscheinlichkeit feststellen können"
Quelle

Vielleicht sollten auch Fundamentalisten mal zur Kenntnis nehmen, daß die Evangelien und andere Schriften des NT von Anfang an der Beeinflussung durch die Kirche unterlagen. Die angeblich notwendige Trennung der Schriften der Bibel von der Kirche ist ein Mythos.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Martinus
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#2 Re: Wie entstanden die Evangelien?

Beitrag von Martinus » Sa 8. Aug 2015, 09:50

das gefälschte Matthäusevangelium entstand beim Mütterkaffe in Silo. Es wurde von Petrusine erzählt und von Pauline aufgeschrieben.
Angelas Zeugen wissen was!

Rembremerding
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#3 Re: Wie entstanden die Evangelien?

Beitrag von Rembremerding » Sa 8. Aug 2015, 11:21

Martinus hat geschrieben:das gefälschte Matthäusevangelium entstand beim Mütterkaffe in Silo. Es wurde von Petrusine erzählt und von Pauline aufgeschrieben.
Das gefälschte Johannesevangelium war eine patriarchische Protestschrift gegen das gefälschte Matthäusevangelium, das bei einem Kaffeekränzchen von Frauen erfunden wurde. Es war Hans, der mitschrieb, als man am Stammtisch in Griechenland über das Kaffeekränzchen schimpfte.
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closs
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#4 Re: Wie entstanden die Evangelien?

Beitrag von closs » Sa 8. Aug 2015, 11:36

sven23 hat geschrieben:sind sie glaubwürdiger als der große Fundus an Schriften, die nicht kanonisiert wurden?
Nicht unbedingt.

sven23 hat geschrieben:Fundamentalisten halten die Evangelien für göttlich inspiriertes und irrtumsfreies Schriftgut.
Irrtumsfrei sind sie selbstverständlich nicht - wie da die Haltung der RKK zur Zeit ist, weiss ich nicht.

sven23 hat geschrieben: Die angeblich notwendige Trennung der Schriften der Bibel von der Kirche ist ein Mythos.
Rezeption ist immer Beeinflussung.

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#5 Re: Wie entstanden die Evangelien?

Beitrag von Pluto » Sa 8. Aug 2015, 11:39

Martinus hat geschrieben:das gefälschte Matthäusevangelium entstand beim Mütterkaffe in Silo. Es wurde von Petrusine erzählt und von Pauline aufgeschrieben.
Das würde Einiges erklären, wenn es richtig wäre.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#6 Re: Wie entstanden die Evangelien?

Beitrag von Pluto » Sa 8. Aug 2015, 11:41

Mich interessiert der Prozess der Kanonisierung.
Auf welcher Grundlage wurde seinerzeit entschieden, welche Bücher in den Kanon aufgenommen wurden?

Eine Handvoll ältere Männer saßen in einem stickigen Raum zusammen und haben debattiert...
Und dann? Was geschah dann?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#7 Re: Wie entstanden die Evangelien?

Beitrag von sven23 » Sa 8. Aug 2015, 11:45

closs hat geschrieben:Nicht unbedingt.
Und warum soll man diesen glauben und den anderen 56 nicht?

closs hat geschrieben: Irrtumsfrei sind sie selbstverständlich nicht - wie da die Haltung der RKK zur Zeit ist, weiss ich nicht.
Ratzinger behauptet dies zumindest. Immerhin war er mal Papst.

closs hat geschrieben: Rezeption ist immer Beeinflussung.
Was heißt Rezeption? Die Kirche hat kräftig mitgestaltet. Zeit genug hatte sie ja dafür bis zur Kanonisierung.
Deswegen sagte ich ja, daß die Gegenüberstellung: hier die reine Bibel und dort die pöhse Kirche, ein Mythos ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Andreas
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#8 Re: Wie entstanden die Evangelien?

Beitrag von Andreas » Sa 8. Aug 2015, 12:43

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Irrtumsfrei sind sie selbstverständlich nicht - wie da die Haltung der RKK zur Zeit ist, weiss ich nicht.
Ratzinger behauptet dies zumindest. Immerhin war er mal Papst.
Du solltest wirklich belegen können, dass Ratzinger die Irrtumsfreiheit der Evangelien behauptet hat. Bis dahin buche ich das als eine deiner üblichen Luftnummern bzw. als Unterstellung ab.

2Lena
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#9 Re: Wie entstanden die Evangelien?

Beitrag von 2Lena » Sa 8. Aug 2015, 13:56

Pluto hat geschrieben:Eine Handvoll ältere Männer saßen in einem stickigen Raum zusammen und haben debattiert...
Und dann? Was geschah dann?
Wie wissenschaftliche Werke auch heute, bewähren sie sich und ein Lexikon entsteht nicht in ein paar Wochen. Das System der Kanonisierung zog sich über Jahrhunderte, bis die "Erklärung" erfolgt ist. Wer die Werke kennt, dazu die Auslegung (die damals bekannt war und genommen wurde) kann nachvollziehen, dass die Entscheidung begrüßt worden war. Dazu kommt, dass Wesentliches in nahezu jedem Kapitel enthalten ist. Eine Vereinfachung war daher notwendig, um die Einheit besser zum Ausdruck zu bringen. Es gab zahllose Gruppen, die "ihr" Evangelium oder "ihre" alten Mansukripte als Schatz bewahrten. Mit den annähernd geschichtlichen Daten war es dann leicht, die Linien zu führen.

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#10 Re: Wie entstanden die Evangelien?

Beitrag von 2Lena » Sa 8. Aug 2015, 13:59

Sven23 hat geschrieben:Fundamentalisten halten die Evangelien für göttlich inspiriertes und irrtumsfreies Schriftgut.
Nicht die "Fundamentalisten" sondern die vereinigten Philosophieschulen der Antike, die unter der einheitlichen Führung "katholische Kirche" bekannt wurde, stellte die Irrtumsfreiheit heraus. Es war DER Grund für ihren Zusammenschluss. Sie gaben ihre Ansichten auf und nahmen dafür die Besseren.
(Siehe Panarion, ein Werk das die Fehler der bisherigen Ansichten auflistet.) Heute holt man die ollen erneut aus der Kiste heraus und erklärt, das sein ein fortschrittlicher Humanismus.

"In den ersten Jahrhunderten gab es sechzig Evangelien, die fast alle gleich unverdaulich waren. Man verwarf sechsundfünfzig wegen ihrer Kindlichkeit und Albernheit. Gäbe es hierfür keinerlei Anhaltspunkte bei denjenigen, die man behalten hat?"
(Denis Diderot, franz. Schriftsteller, Aufklärer u. Philosoph, 1713-1784).
So spricht ein Mensch, der sich mit dem Schriftgut nicht befasst hat und keinerlei Hinweise zur Art der Dichtung hatte.

Wer dann noch die "falschen" Inhalte zitiert bekommt (die nur übersetzten Evangelien ohne Dimensionen) der bekommt keine Verbindung zur Historik - und "mault" auch hier rum, dass nichts stimmt.

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