Testimonium Flavianum

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Halman
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#41 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von Halman » Do 12. Nov 2015, 17:00

Christliche Schriften:
Die ersten Worte der christlichen Schriften, welche später zum Kanon des sog. NT zusammengestellt wurden, könnten auf wachsbedeckten Schreibtafeln, geschrieben worden sein, indem die Schrift eingekratzt wurde. In Lukas 1:63 berichtet der Evangelist: Und er forderte ein Täfelchen (Pinax) und schrieb die Worte: Johannes ist sein Name! Und sie verwunderten sich alle. Wie manche Forscher vermuten, könnten Jesu Jünger solche Täfelchen benutzt haben, um die Worte Jesu mitzuschreiben.

Im ersten Jahrhundert verwendeten die Urchristen offenbar Papyrus, doch bevorzugten sie im Laufe der Zeit zunehmend Pergament als Schreibmaterial und banden es zu den praktischen Codex (Buch). Manche meinen, dass die Urchristen die Erfinder des modernen Buches waren.
In 2. Timotheus 4:13 bat der Apostel Paulus seinem Schüler Timotheus, „die Bucher, besonders die Pergamente“, mitzubringen. Da die Pergamente besonders erwähnt werden, befanden sich unter den Büchern (Buchrollen) vermutlich auch Papyrusrollen.

Leider sind keine Urschriften der christlichen Texte mehr erhalten.


Konstantin von Tischendorf entdeckte mitte des 19. Jdh. im Katharinenkloster Blätter eine altgriechischen Handschrift. Diese Blätter enthielten Teile der Septuaginta und die älteste komplette Handschrift des NT: den Codex Sinaiticus, auch bekannt als Sinai-Bibel, aus der Zeit von 350 n. Chr. Dieser Codex wird auch als Grundlage für moderne Bibelübersetzungen genutzt.

Evangelien (und Apostelgeschichte):
Gemäß der Überlieferung soll Johannes Markus im Jahre 68 n. Chr. ermordet worden sein. Dies wäre das Jahr, indem die Qumran-Höhlen geschlossen wurden, in dem auch das umstrittende Papyrus-Fragment 7Q5 gefunden wurde (siehe Bild). Falls dies ein Fragment des Markusevangeliums ist, wäre es spätestens im Jahre 68 n. Chr. dort deponiert worden.
Bild
BILDQUELLE

Matthäus/Levi soll der Überlieferung zufolge um das Jahr 60 n. Chr. gesteinigt oder verbrannt worden sein. Aber es wird auch davon berichtet, dass er Vegtarier war und eine natürlichen Todes starb.

Laut einer mir bekannten Überlieferung soll Matthäus sein Evangelium bereits acht Jahre nach Christi Himmelfahrt in Hebräisch geschrieben haben (um das Jahr 41 n. Chr., s. Katalog der Texte, Jüngerer Teil(A- C) - Walter De Gruyter Incorporated - Google Books
Dies geht m. W. aus mittelalterlichen Handschriften des Evangeliums hervor und zwar aus den Unterschriften.

Als Abfassungszeit wird allgemein der Zeitraum ungefähr nach 70 - 100 n. Chr. angeben. Sicher ist, dass Ignatius von Antiochia im frühen 2. Jhd. n. Chr. aus dem Matthäusevangelium zitiert.

Der Evangelist Lukas soll der Überlieferung zufolge um 80 n. Chr. gestorben sein. Dies entspricht etwa der Zeit, in der laut der Exgese sein Evangelium verfasst wurde.

Das Älteste Beleg für das Johannesevangelium, und für die christlichen Bibelschriften überhaupt, ist das bereits von Dir, lieber Pluto, angeführte Fragment Papyrus Rylands P^52, welches von Roberts auf 100–125 n. Chr. datiert wurde.
Dabei handelt es sich um ein kleines Fragment, welche möglichersweise von der ersten Abschrift des Urtextes (der um 98 n. Chr. geschrieben wurde) übriggeblieben ist.
Der älteste vollständige Beleg des Johannesevangeliums ist das Papyrus P^66 aus der Zeit von ca. 200 n. Chr und gehört zu den Bodmer Papyri, die 1952 in Ägypten entdeckt wurden.

In Johannes 18:37b heißt es auszugsweise: »Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis gebe.« Lediglich das rot makierte Wort steht nicht in P^52 (findet sich aber allegmein in den Bibelübersetzungen).
Für weitere Infos verweise ich auf die Bibelausstellung.

Ebenfalls zu den Bodmer Papyri gehört das Papyrus P^75. Es enthält etwa die Hälfe der Evangelien von Lukas und Johannes und stammt aus der Zeit um 200 n. Chr. (plusminus 25 Jahre).
Für die Textkritik des Neuen Testaments sind diese Funde sehr bedeutsam und bemerkenswert finde ich, dass sie lt. Wikipedia hervorragend mit dem Codex Vaticanus übereinstimmen.

Neben Papryrus P^75 gehört auch Papyrus P^4 zu den ältesten Handschriftenfunden des Lukasevangelium und stammt irgendwann aus dem Zeit von 175–250 n. Chr.

Im Bild ist das P. Chester Beatty I (oder Papyrus P^45) zu sehen. Es wurde um 250 n. Chr. geschrieben und enhält Teile aller Evangelien und der Apostelgeschichte.

Bild

Das „Magdalen“papyrus (P^64) aus der Zeit um 200 n. Chr. enthält einige Verse von Matthäus (es handelt sich um fünf kleine Fragmente).

Apostolische Briefe
Das Papyrus P^72 ist meines Wissens die älteste Abschrift der Petrusbriefe und stammt etwa aus der Zeitspanne von 150 - 200 n. Chr.
Dieser Fund gibt einen guten Eindruck davon, wie die Originalbriefe von Paulus und Petrus ausgesehen haben könnten. Der Codex ist eine Urform des Buches: Die Papyrusblätter sind zwischen zwei Holzdeckeln eingebunden.
Bildsquelle: Qumran- und Bibelausstellung Sylt


Unter den berühmten Chester-Beatty-Papyri befindet sich die älteste Sammlung der Paulusbriefe aus der Zeit um 200 n. Chr. P^46.
Wenn Du magst, lieber Pluto, kannst Du dir ja mal die Liste der Papyri des Neuen Testaments ansehen.

Ferner verweise ich auf folgende Webside.


Im Jahre 1961 wurde in Caesarea der Pilatusstein entdeckt, dessen lateinsche Inschrift belegt, dass Pontius Pilatus eine historische Person ist.

Bemerkenswert scheint mir noch der Titusbogen zu sein. Auf dem Relief sind sehr gut die Menora (der siebenarmige Leuchter) und der Schaubrottisch zu erkennen, was davon zeugt, dass diese Tempelgeräte wirklich existierten.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Zeus
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#42 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von Zeus » Do 12. Nov 2015, 17:03

Halman hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nur bei der Textreinheit des NT, die bei 99,5% liegen soll, habe ich so meine Zweifel, wie viel davon Wunschvorstellungen sind. Wie kommt man auf diese Zahl, wenn die Originale fehlen?
Wer auch nur einen Moment an die 99.5% Reinheit glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann. :lol:

http://www.theologe.de/theologe14.htm#Auftrag
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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sven23
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#43 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von sven23 » Fr 13. Nov 2015, 16:17

Novalis hat geschrieben: Neulich las ich im Netz, dass es Verschwörungstheoretiker gibt, die daran glauben, dass die Erde eine Scheibe ist. Ich habe das erst für einen Witz gehalten :shock: dafür gibt es sogar einen Verein:
Och, das ist nichts neues. In einem benachbarten Forum gibts jede Menge davon. Auch hier gibts ja bekantlich einen, der behauptet, daß sich die Erde nicht um die Sonne dreht. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#44 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von 2Lena » Sa 14. Nov 2015, 11:58

@ Halman

Danke dir für die sehr geordnete Übersicht zu antiken Zeugnissen. Sie zeigen u.a. wie gepflegt die Weiterentwicklung betrieben wurde. Leider ist in heutiger Überlieferung nicht mehr der Kern als gute Übersicht vorhanden. ... und das scheitert ja schon an den *Lesekenntnissen vorhandener gedruckter Ausgaben :-(

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#45 Re: Testimonium Flavianum

Beitrag von 2Lena » Sa 14. Nov 2015, 12:06

@ Sven23,

deine Zitierfreude in Ehren!
Du bringst, dass nur eine winzige Erwähnung über Jakobus alles sei, was was der Geschichtsschreiber Flavius zu berichten wusste. Da wäre ihm sein Titel wohl nicht erhalten geblieben :-(
Schau mal, wie die Gesamtheit aussieht ...

Hätte Josephus Flavius nichts von den Ereignissen der Erlösungsgeschichte mitbekommen, wäre sein Werk über die antike Geschichte nicht geschrieben worden.
Ein Auszug aus seinem Vorwort der Antiken Geschichte:

Bei denen, die sich auf die Geschichtsschreibung einlassen wollen, sehe ich, dass nicht nur eines und auch nicht dasselbe das Motiv ihrer Bemühung ist, sondern es gibt deren viele, die sich weit voneinander unterscheiden. Die einen nämlich, die Redegewandtheit beweisen wollen und nach diesbezüglichem Ruhm jagen, drängen auf dieses Gebiet der Bildung; andere aber, die denjenigen zu Gefallen sein wollen, um die es in ihrer Schrift gerade geht, nahmen die darauf gerichtete Mühe auf sich, selbst über ihr Vermögen. Andere aber wurden unmittelbar genötigt von dem Gewicht der Ereignisse, bei denen sie selbst zugegen waren, diese in einer Schrift umfassend darzustellen; viele aber hat die Menge lehrreicher Vorgänge, die (bisher) unbekannt geblieben sind, dazu gebracht, die ihnen gewidmete Geschichtsdarstellung zu allgemeinem Nutzen zu publizieren.
Warum schreibt er (als ein Römer?) ausgerechnet die hebräische Geschichte? Durch die Römisch-Jüdischen Kriege sah sich Josephs Flavius genötigt, die ganze alte Geschichte aufzurollen. Er hielt sich an das Vorbild des ägyptischen Königs (aus den Generälen Alexanders des Großen), der in gemeinsamer Arbeit mit dem Hohepriester Elazar das fremde Werk in griechischer Sprache zugänglich gemacht hat. Es gab wohl damals eine wichtige Angleichung der Bildung. In Alexandrien entstand eine berühmte Bibliothek. Das meist gelobte Werk wurde unsere Bibel. Josephs Flavius hebt über alles die darin enthaltenen Gesetze hervor (uns heute unbekannt, in der Erzählform verborgen). Er beginnt mit der Erklärung, WIE Mose seine Gesetze gab, über die Regeln des Kosmos und dem EINEN. Es war anders als die üblichen Verträge und Verbote.

Denn die anderen Gesetzgeber haben sich an die Mythen gehalten und die Schändlichkeit
menschlicher Sünden in ihrem Reden auf die Götter übertragen, womit sie eine bequeme
Ausflucht für die Böswilligen bereitstellten;
Dass nicht einmal die Inhalte der Mythologie mehr erfasst sind, sondern irgendwelche "Fakten" heute falsch zusammengebaut werden, ist wohl heute das Problem von Vielen. Josephus Flavius bringt nicht alle Bedeutungungen der Schrift, die sich aus dem hebräischen Text ergeben, auch nicht alle sonstigen Kenntnisse aus der damaligen Zeit. Er greift jedoch viele bekannte Überlieferungen auf, mit heute nicht mehr beachteten Hinweisen:

(122) Es waren aber unter den Nachkommen Noahs Söhne, zu deren Ehren diejenigen
den Völkern ihre Namen beilegten, die ein Land in Besitz nahmen. Jafta beispielsweise,
der Sohn Noahs, hatte sieben Söhne. Diese siedelten vom Taurus- und Aman-Gebirge,
und kamen innerhalb Asiens bis zum Fluss Tanais, innerhalb Europas aber bis Gader, das
Land einnehmend, wo sie gerade hinkamen; und weil niemand vorher dort gewohnt
hatte, nannten sie die Völker mit ihren eigenen Namen. (123) Die von den Griechen jetzt
so genannten Galater etwa, die eigentlich Gomarer heißen, gründete Gomar. Magog aber
ließ die nach ihm benannten Magoger siedeln, Skythen nach griechischer Benennung.
(124) Von den Jafta-Söhnen Jawan und Mad entstand aus letzterem das Volk der Madäer,
von den Griechen Meder genannt; von Jawan aber stammen Ionien und alle Griechen ab.
Es ließ aber auch Theobel die Theobelier sich ansiedeln, die heutzutage Iberer genannt
werden. (125) Weiterhin werden die "Meskener", von Mesek begründet, heute
Kappadokier genannt, von deren alter Benennung aber noch ein Indiz sich zeigen lässt: In
ihrem Gebiet liegt nämlich eine Stadt, die auch jetzt noch Mazak heißt, was den
Sachverständigen klar macht, dass einstmals das ganze Volk so genannt wurde. Ter
benannte als "Terer" diejenigen, deren (erster) Herrscher er war; die Griechen aber haben
sie in "Thraker" umbenannt.

Auf diese Weise legt er (auf Umwegen) die eigentliche Geschichte von Jesus dar (setzt die Kenntnisse der griechischen Legenden voraus) und zeigt die Gegebenheiten der Erlösung von Anfang an, ihre Wirkung, die Weiterentwicklung und den großen Ruf, der damit begann. Sie ist enthalten in den alten Gesetzen, aber auch in sich überlagerten Überlieferungen. In den überaus erstaunlichen Reden Jesu und seinem Leben auf der Erde wird sie erneut wiederholt. Dies wird in einfacher, allen verständlicher Weise - wieder deutlich darlegt.

Wenn Josephus Flavius so ein Werk verfasst hat - war es nicht erforderlich "Zitate" in ganz andere Werke zu setzen. So komplex ist das Ganze, dass dafür ein hingworfenes Wort wohl kaum den Zweck erfüllen kann.

Es wird falsch zusammengebaut. Hinweise werden nicht erfasst. Die Grundlagen sind generell nicht gelernt worden ... Wie soll da ein vernünftiges Überlegen überhaupt (nur in den Ansätzen) bei unserem mangelnden Wissen - ausreichende, erfassende Zusammenhänge sehen?

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