Verhängnisvoller Missionsbefehl

closs
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#431 Re: Verhängnisvoller Missionsbefehl

Beitrag von closs » So 29. Nov 2015, 19:34

Savonlinna hat geschrieben:Genau solche Antworten, die man gibt, bevor man eine Sache sorgfältig untersucht hat, benenne ich als unwissenschaftlich.
Da bist Du nicht anders als die, die Du grad angreifst.
So einfach ist es nicht. -Das ist keine wissenschaftliche Frage, sondern eine, über die man auch so nachdenken kann.

Welche Antwort würdest Du dazu von der Wissenschaft erwarten? - Randomisierte Tests? - Es handelt sich hier um MEINEN Eindruck, der entweder zutreffend ist oder nicht - und wahrscheinlich wissenschaftlich nicht beantwortbar ist, es sei denn in unterschiedlichen Modellen, von denen das eine sagt: "zutreffend" und das andere "nicht zutreffend". - Erwarten würde ich eine Reaktion von Dir wie "Nehme ich persönlich genauso wahr" oder "Nehme ich persönlich NICHT so wahr".

Savonlinna hat geschrieben: Diese Diskussionen sind fruchtbar
Meine Aussage war, dass solche Diskussionen dafür belanglos sind für das, was eh kommt. - Fruchtbar können sie trotzdem sein, aber sie haben keinen Einfluss darauf, OB etwas eintritt, das eh eintritt. - Ich denke ja auch, dass solche Diskussionen dazu führen können, dass manches bei manchen ins Sediment runterschwebt, das seine Wirkung irgendwann entfaltet.

Savonlinna hat geschrieben:Die Schnellschussantworten kommen immer aus Vorurteilen, und Vorurteile blockieren die Entwicklung der Menschen.
Da bin ich zwiegespalten. - Einerseits ist an konkreten Vorurteilen was dran - stelle Dir vor, wir würden uns persönlich treffen: Du würdest mich aus Deiner Lebenserfahrung automatisch taxieren und zu einem vorläufigen Ergebnis kommen ("aha - so ein Typ") - und umgekehrt auch.

Andererseits kann man - pardon - mit wissenschaftlichen Modelle in solch diffizielen Fragen wie die hier zugrundeliegende so ziemlich alles nachweisen. - Vielleicht hast Du vor einiger Zeit die Diskussion mitgekriegt über die Themen "Zigarettenpreise" und "Extremismus/Islam". - Bei gleicher Fragestellung gab es wissenschaftlich korrekt bearbeitet folgende Antworten:

* Bei Einbeziehung aller volkswirtschaftlichen Nebenkosten müsste eine Packung Zigaretten kosten:
a) ca. 3 Euro (Forschungsauftrag Raucher-Lobby)
b) ca. 40 Euro kosten (Forschungs-Auftrag Nichtraucher-Lobby)

* Wieviele deutschen Moslems sind extremistisch
a) 36%
b) unter 1%

Mit anderen Worten: Ich würde ohne Gegengutachten (Achtung: Wer bezahlt das Gutachten!) keiner wissenschaftlichen Ausarbeitung zu gesellschaftlichen Themen trauen. - Nicht weil sie nicht wissenschaftlich wären, sondern weil es sich oft nur in Wissenschaft gegossene Weltanschauung bzw. Interesse handelt (via Auftraggeber).

Zu meine aktiven Zeit haben wir mit einem Forschungs-Institut zusammengearbeitet, dessen Leiter (Prof. Dr. x) uns gesagt hat, dass er oft gleichzeitig Expertisen zum SELBEN Thema verfasst, bei denen völlig Unterschiedliches rauskommt - das sei wissenschaftlich (= modell-abhängig) korrekt und Alltag.

Ich schwöre Dir:
Wenn zwei unterschiedliche Interessens-Träger (meinetwegen die Brights und die RKK) einen Forschungs-Auftrag zur Frage "Ist der heutige Mensch aufgeklärter als vor 50 Jahren?" platzieren würde, wäre die Antwort im Fall 1 JA und im Fall 2 NEIN - beide Antworten würden überzeugend wissenschaftlich hinterlegt sein.

Savonlinna hat geschrieben:Welche Antwort willst Du denn hören?
Keine - es ist wahrscheinlich eine Aporie. - Ein ständiges Pendeln in einem geschlossenen System.

Savonlinna hat geschrieben:Ich werde an dieser Frage dranbleiben. Sie lohnt sich, gründlich untersucht zu werden.
Ja - sehr interessant.

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Thaddäus
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#432 Re: Verhängnisvoller Missionsbefehl

Beitrag von Thaddäus » So 29. Nov 2015, 20:11

closs hat geschrieben: Es steht zu befürchten, dass wahre Aufklärung, die man in der Tat in erheblichem Maße der Wissenschaft verdankt, in den nächsten Jahrzehnten immer mehr aufgrund der Selbstüberhebung ihrer Protagonisten an diesem Konflikt zerbricht. [...]

So gesehen verstehe ich (nicht nur) im Christentum eine vermittelnde Größe, da in ihm wissenschaftliche und spirituelle Traditionen gleichermaßen fest verankert sind.
Ich gebe dir insofern recht, als ein durch und durch (natur-)wissenschaftlich-rationales Weltverständnis offensichtlich nicht die spirituellen Bedürfnisse der Menschen befriedigen kann. Wenn viele Menschen in Europa und den USA den christlichen Glaubensansatz - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr teilen können, dann wenden sie sich oftmals komplett irrationalen und idiotischen Glaubenssytemen zu. Der christliche Glaube hat immerhin eine Aufklärung durchlaufen, die ihn entzaubert hat. Das ist auf der einen Seite ein Segen - denn man sieht, was geschieht, wenn Glaubenssysteme eine solche Entzauberung nicht durchlaufen, wie z.B. der Islam -, aber eben auch eine Tragik, denn viele Menschen flüchten in die Esoterik oder in andere stupide, religiöse oder quasi-religiöse Überzeugungen, eben weil der christliche Glaube so durchrationalisiert ist und keinen Zauber mehr ausübt.

Viele vor allem junge Menschen wollen für eine Idee sterben oder an Feen, heilige Geister, Druidenspiritismus, Mentoren-Helden wie den Papst, den Dalai Lama oder Mahatma Ghandi und das Gute einer Überzeugung glauben. Es ist die Frage, ob Wissenschaft dieses offenbar basale spirituelle Bedürfnis je wird befriedigen können. Meiner Ansicht nach ist das grundsätzlich durchaus möglich. Und zwar dann, wenn man die Spiritualität der schlichten Tatsache, dass wir Kinder des Kosmos sind, begreifen lernt. Es ist nicht einfach zu vermitteln, was es bedeutet, dass in unserem Hirn aus Sternenstaub das Universum sich selbst zu begreifen versucht, was die höchste Form spiritueller und analytischer Erkenntnis gleichzeitig darstellt.

Ich bin gespannt, wie lange es dauern wird und wieviel Philosophieunterricht es an den Schulen bedürfen wird, bevor die Menscheit diesen eigentlich recht einfachen Sachverhalt begreift. Aber ich bin guter Hoffnung ... :)

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Savonlinna
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#433 Re: Verhängnisvoller Missionsbefehl

Beitrag von Savonlinna » So 29. Nov 2015, 20:24

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Genau solche Antworten, die man gibt, bevor man eine Sache sorgfältig untersucht hat, benenne ich als unwissenschaftlich.
Da bist Du nicht anders als die, die Du grad angreifst.
So einfach ist es nicht. - Erstens war das nicht wissenschaftlich gemeint, zweitens ist das keine wissenschaftliche Frage, sondern eine, über die man auch so nachdenken kann.
Du hast mich ganz konkret auf die wissenchaftliche Untersuchungsform angesprochen.
Das war ja gerade unser Thema, wie man Dogmen wissenschaftlich untersuchen kann.

Darauf habe ich meine Ideen formuliert, das schien Dir einzuleuchten, und Du hast da eingehakt, sogar bejahend.
Ich bin überfordert, wenn Du plötzlich ganz etwas anderes thematisierst und dann noch etwas, was ich in seiner Pauschalität ohnehin nicht beantworten kann.

closs hat geschrieben:Welche Antwort würdest Du dazu von der Wissenschaft erwarten? - Randomisierte Tests? - Es handelt sich hier um MEINEN Eindruck, der entweder zutreffend ist oder nicht - und wahrscheinlich wissenschaftlich nicht beantwortbar ist, es sei denn in unterschiedlichen Modellen, von denen das eine sagt: "zutreffend" und das andere "nicht zutreffend".
So also stellst Du Dir dann das wissenchaftliche Fach Dogmatik vor? Irgendwelche Tests?
Das passt nicht zu dem, was wir vorher entwickelt haben.

closs hat geschrieben:- Erwarten würde ich eine Reaktion wie "Nehme ich genauso" oder "Empfinde ich nicht so".
Ja, wenn ich so etwas könnte, wäre ich nicht Savonlinna.
Prinzipiell ist es mein Naturell, etwas grundlegend zu untersuchen - oder gar nicht.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Diese Diskussionen sind fruchtbar
Meine Aussage war, dass solche Diskussionen dafür belanglos sind für das, was eh kommt. - Fruchtbar können sie trotzdem sein, aber sie haben keinen Einfluss darauf, OB etwas eintritt, das eh eintritt.
Ja, und darauf habe ich ja reagiert. Deine Version quasi widerlegt.
Denn es ist nun einmal so, dass ohne Bücher, ohne öffentliche Diskussionen etc. die Menschen gar nicht erführen, welche Möglichkeiten es gibt.
Du berufst Dich selber andauernd auf die Kulturen, die Dich beeinflusst hätten - und plötzlich hättest Du das alles auch erfahren ohne die Kulturen?

closs hat geschrieben:- Ich denke ja auch, dass solche Diskussionen dazu führen können, dass manches bei manchen ins Sediment runterschwebt, das seine Wirkung irgendwann entfaltet.
Das ist auch so. Ich weiß es, weil ich in einem literarischen Forum im Alleingang über Jahre gegen gewisse Auffassungen von Literatur andiskutiert hatte. Ich hätte nie geglaubt, dass ich außer Blessuren was anderes bekommen würde, hab aber immer weitergemacht.
Bis dann, o staun, mir nach mehreren Jahren Leute schrieben, sie hätten jetzt kapiert, was ich damals gemeint habe.
Und außerdem habe ich dadurch einen wahrscheinlich lebenslängilichen Freundeskreis bekommen, der ein Geschenk des - tja, des Internets ist.

Mein tiefes Verstehen ist, wie unser Novalis hier es wohl ähnlich sieht: dass wir alle daran mitwirken, wie unsere Zukunft sein wird.
Dass alles am Ende heilen wird, davon bin ich durchdrungen. Das sagen so ähnlich ja sogar die Evolutionisten.
Aber wie es geschieht, ob lange, ob kurz, und wieviele Leichen diesen Weg pflastern - daran ist jeder Einzelne von uns beteiligt.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die Schnellschussantworten kommen immer aus Vorurteilen, und Vorurteile blockieren die Entwicklung der Menschen.
Da bin ich zwiegespalten. - Einerseits ist an konkreten Vorurteilen was dran - stelle Dir vor, wir würden uns persönlich treffen: Du würdest mich aus Deiner Lebenserfahrung automatisch taxieren und zu einem vorläufigen Ergebnis kommen ("aha - so ein Typ") - und umgekehrt auch.
Unter Vorurteil verstehe ich ein festgefahrenes Urteil, das nichts mit dem Menschen zu tun hat, der beurteilt wird, sondern reine Projektion des Urteilenden ist.
Unzulässige Verallgemeinerungen, undurchdachte Stammtischparolen - das sind Vorurteile, wo ich immer gleich abwinke.

closs hat geschrieben:Andererseits kann man - pardon - mit wissenschaftlichen Modelle in solch diffizielen Fragen wie die hier zugrundeliegende so ziemlich alles nachweisen. - Vielleicht hast Du vor einiger Zeit die Diskussion mitgekriegt über die Themen "Zigarettenpreise" und "Extremismus/Islam". - Bei gleicher Fragestellung gab es wissenschaftlich korrekt bearbeitet folgende Antworten:
Na, dann ist nach Deiner Einschätzung die katholische Dogmatik ja kompletter Müll.
Wenn Du die Wissenschaft dermaßen verächtlich beurteilst, dann hat das auf jeden Fall nichts mit dem zu tun, was ich vorher als Wissenschaft - ziemlich ausführlich sogar - beschrieben habe: als Erfüllung des Auftrags der Aufklärung.

closs hat geschrieben:ch schwöre Dir:
Wenn zwei unterschiedliche Interessens-Träger (meinetwegen die Brights und die RKK) einen Forschungs-Auftrag zur Frage "Ist der heutige Mensch aufgeklärter als vor 50 Jahren?" platzieren würde, wäre die Antwort im Fall 1 JA und im Fall 2 NEIN - beide Antworten würden überzeugend wissenschaftlich hinterlegt sein.
Meine Art der Herangehensweise wäre eine ganz andere. Die habe ich vorher skizziert.
Und wir können auch bei Herrn Prof Hoy... sehen, wie er bereits erst die Fragen analysiert, bevor er überhaupt ein wenig antworten kann.
Ich sehe in einer wissenchaftlichen Arbeit keine Beantwortung von "ja-nein" Fragen, sondern eine problembewusstseinschaffende Perspektivierung aller damit zusammenhängenden Faktoren.

Savonlinna hat geschrieben:Welche Antwort willst Du denn hören?
Keine - es ist wahrscheinlich eine Aporie. - Ein ständiges Pendeln in einem geschlossenen System.
Deine Sicht ist wirklich nicht meine. Ich bin ein Mensch voller Hoffnung, weil ich weiß, dass sich immer neue Türen öffnen. Das ist meine Grunderfahrung. Türen, von denen ich vorher gar nicht gewusst habe, dass sie sich öffnen können.
Ich habe gelernt, darauf zu vertrauen.

Du als Christ siehst ein geschlossenes System, in dem Du hin- und herpendelst. Du siehst keinen Ausweg, Du siehst nur Rückwärtsgänge.
"Glauben" bedeutet selbst im Christentum nicht "glauben an" im Sinne von "vielleicht", sondern "vertrauen".

Vertrauen ist in einem entweder verankert, oder man hat eben kein Vertrauen.
An irgendwas glauben ist mein Ding nicht. Aber vertrauen, dass da, wo ich ein Ende sehe, sich dann doch eine Tür öffnen wird, habe ich gelernt, durch Erfahrung. Auch wenn ich immer wieder zwischendurch das alles verliere. Ist aber immer plötzlich wieder da.

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#434 Re: Verhängnisvoller Missionsbefehl

Beitrag von closs » So 29. Nov 2015, 20:57

Savonlinna hat geschrieben:Ich bin überfordert, wenn Du plötzlich ganz etwas anderes thematisierst und dann noch etwas, was ich in seiner Pauschalität ohnehin nicht beantworten kann.
Das waren ganz einfach Gedanken aus der Lebenserfahrung.

Savonlinna hat geschrieben:So also stellst Du Dir dann das wissenchaftliche Fach Dogmatik vor?
Nein - das war eine suffisante Replik.

Savonlinna hat geschrieben:Prinzipiell ist es mein Naturell, etwas grundlegend zu untersuchen - oder gar nicht.
Hmm - und Du meinst, mit einem wissenschaftlichen Modell könne man am besten grundlegend untersuchen. - Welche Instanz entscheidet dann, welches Modell das beste dazu ist?

Savonlinna hat geschrieben:Du berufst Dich selber andauernd auf die Kulturen, die Dich beeinflusst hätten - und plötzlich hättest Du das alles auch erfahren ohne die Kulturen?
Der eigene Erkenntnis-Weg ist selbstverständlich durch Beeinflussungen geprägt, die man verarbeitet. - Ich habe mich auf Deine Bemerkung bezogen, was "am Ende" sei - und da meine ich, dass am Ende immer dasselbe ist: Das Stehen im Licht der Erkenntnis, das gleich ist, egal wie man "unterwegs" geprägt wurde. - Aber das ist natürlich Glaubenssache.

Savonlinna hat geschrieben:Dass alles am Ende heilen wird
Genau das. - Je nach Weltbild unter- oder überschätzt man dabei den eigenen Anteil daran.

Savonlinna hat geschrieben:Unter Vorurteil verstehe ich ein festgefahrenes Urteil, das nichts mit dem Menschen zu tun hat, der beurteilt wird, sondern reine Projektion des Urteilenden ist.
Einverstanden. - Gibt es aus Deiner Sicht ein Wort für das, was der Mensch aus seiner Lebenserfahrung "auf dem ersten Blick" (also ohne wissenschaftliche Untersuchung) erkennt?

Savonlinna hat geschrieben:Wenn Du die Wissenschaft dermaßen verächtlich beurteilst
Das ist eine Unterstellung - das waren reale Beispiele, die alltäglich sind. - Du musst nur mal Fernseh gucken und hören, welches wissenschaftliche Gutachten aus welcher Richtung zum gesellschaftlichen/wirtschaftlichen Thema x was sagt.

Ich habe ausdrücklich eingeschränkt auf Felder, die gesellschaftlich (und finanziell) relevant sind - dort wird mit der Wissenschaft gespielt, die sich dabei rein formal NICHT verrät.

Savonlinna hat geschrieben:dann ist nach Deiner Einschätzung die katholische Dogmatik ja kompletter Müll.
Kein wissenschaftliches Modell ist Müll, wenn es zu widerspruchsfreien Ergebnissen führt. - Man darf solche Ergebnisse nur nicht zum allgemeinen Maßstab nehmen - als wären nicht auch gegenteilige wissenschaftliche Ergebnisse zum selben Thema möglich. - Das scheint mir in der Praxis gelegentlich übersehen zu werden.

Savonlinna hat geschrieben:Ich sehe in einer wissenchaftlichen Arbeit keine Beantwortung von "ja-nein" Fragen, sondern eine problembewusstseinschaffende Perspektivierung aller damit zusammenhängenden Faktoren.
So wird es im Idealfall auch sein. - Aber wie oft gibt es diesen Idealfall, sobald Interessen im Spiel sind?

Savonlinna hat geschrieben:Deine Sicht ist wirklich nicht meine.
Das sagst Du und bringst danach einen Satz, den ich voll unterschreiben würde. :|

Zur Klarstellung: Nicht ICH oder das Christentum pendeln hin und her, sondern das gesellschaftliche Bewusstsein tut es. - Über-Verwissenschaftlichung fördert Kräfte Richtung Irrationalisierung - Irrationalität fördert Kräfte Richtung Wissenschaft.

Savonlinna hat geschrieben:Du als Christ siehst ein geschlossenes System, in dem Du hin- und herpendelst. Du siehst keinen Ausweg, Du siehst nur Rückwärtsgänge.
Da hast Du mich arg falsch verstanden. - Weder pendele ich noch sehe ich keinen Ausweg - im Gegenteil:
Savonlinna hat geschrieben:"Glauben" bedeutet ... im Christentum nicht "glauben an" im Sinne von "vielleicht", sondern "vertrauen".

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#435 Re: Verhängnisvoller Missionsbefehl

Beitrag von closs » So 29. Nov 2015, 21:11

Thaddäus hat geschrieben:Der christliche Glaube hat immerhin eine Aufklärung durchlaufen, die ihn entzaubert hat.
Meinst Du, dass das Christentum vor 1000 Jahren im Einzelnen anders gewirkt hat als heute?

Thaddäus hat geschrieben:weil der christliche Glaube so durchrationalisiert ist und keinen Zauber mehr ausübt.
Empfindest Du das so? - Mein Eindruck ist eher, dass es viele Tauf- und Kirchensteuer-Christen gibt, die überhaupt nicht mehr checken, was Christentum eigentlich ist.

Dann könnte es noch einen ganz anderen Aspekt geben: Wenn Du die deutsche und die latein-amerikanische Mentalität vergleichst, da Du sie hier am besten kennst: Kann es nicht sein, dass man an anderen Enden der Erde ganz anders mit Freude und Zauber umgeht als hier? - Zumindest kriege ich das regelmäßig von meiner mexikanischen Schwägerin samt chilenischer Freundin gesagt - und ich ahne, dass sie recht haben.

Thaddäus hat geschrieben:Und zwar dann, wenn man die Spiritualität der schlichten Tatsache, dass wir Kinder des Kosmos sind, begreifen lernt.
Was wäre der kategoriale Unterschied zu anderen Religionen?

Mein Problem:
Du erweckst immer so ein bißchen den Eindruck, als sei Spiritualität so etwas wie ein Kollateral-Schaden der Evolution - so, als würde es "sowas" im Idealfall nicht geben.

Thaddäus hat geschrieben:Es ist nicht einfach zu vermitteln, was es bedeutet, dass in unserem Hirn aus Sternenstaub das Universum sich selbst zu begreifen versucht, was die höchste Form spiritueller und analytischer Erkenntnis gleichzeitig darstellt.
Vor allem bleiben Fragen offen über das Woher und Wohin des Menschen. - Warum ist der Mensch ausgerüstet mit einem Potential zum transzendenten Denken, wenn er am Ende materialistisch seine Atome an den Kosmos abliefert und das war's dann? - Da könnten Zusatzstunden im Philosophie-Unterricht fällig werden. - Davon abgesehen: Dein Ansatz klingt gut - vielleicht ist das ja der Weg, um in einer agnostischen Epoche weiter zu kommen.

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#436 Re: Verhängnisvoller Missionsbefehl

Beitrag von Pluto » So 29. Nov 2015, 23:49

closs hat geschrieben:Meinst Du, dass das Christentum vor 1000 Jahren im Einzelnen anders gewirkt hat als heute?
Dessen bin überzeugt.

closs hat geschrieben:Mein Problem:
Du erweckst immer so ein bißchen den Eindruck, als sei Spiritualität so etwas wie ein Kollateral-Schaden der Evolution - so, als würde es "sowas" im Idealfall nicht geben.
In der Tat. Ich verglich es mal mit einem "Spandrel". Spiritualität erscheint mir genau wie ein schöner bemalter Bogen in einer Kathedrale. Hübsch anzusehen und oft auch tröstlich, aber als tragendes Element des Gebäudes völlig nutzlos.

closs hat geschrieben:Vor allem bleiben Fragen offen über das Woher und Wohin des Menschen.
Nicht alle Fragen haben eine Antwort. Damit müssen wir lernen umzugehen.
Leben ist in einem Universum wie dem Unserem möglich. Warum sollte es dann nicht entstehen? Und warum nicht auch bewusstes Leben, welches in der Lage ist, nach dem Woher und Wohin zu fragen?

closs hat geschrieben: Warum ist der Mensch ausgerüstet mit einem Potential zum transzendenten Denken...
Siehe oben... Spiritualität könnte ein einfacher Nebeneffekt unserer geistigen Fähigkeiten sein. Wer mehr da hinein interpretieren möchte, sollte auch in der Lage sein, dies nachzuweisen.

closs hat geschrieben:wenn er am Ende materialistisch seine Atome an den Kosmos abliefert und das war's dann?
Ganz genau.
Sagt nicht die Bibel, Staub zu Staub...?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#437 Re: Verhängnisvoller Missionsbefehl

Beitrag von closs » Mo 30. Nov 2015, 00:18

Pluto hat geschrieben:Dessen bin überzeugt.
Wie es im Volk war, ist natürlich schwer zu ermitteln. - Gemessen an Schriften des Mittelalters und späteren Liedtexten (16./17. Jh) ist es auch vorstellbar, dass sich gar nicht so viel verändert hat - jedenfalls versteht man Vieles innerlich sofort. - Da gibt es schon was Universales, das sich durch die Jahrhunderte trägt.

Pluto hat geschrieben:In der Tat. Ich verglich es mal mit einem "Spandrel".
Aus Sicht des Materialismus sind Deutungen wie diese notwendig.

Pluto hat geschrieben:Nicht alle Fragen haben eine Antwort. Damit müssen wir lernen umzugehen.
Das ist nicht das Problem. - Das Problem ist eher, wenn man Fragen ausblendet, weil sie methodisch ungeeignet sind.

Pluto hat geschrieben:Sagt nicht die Bibel, Staub zu Staub...?
Ja - die materielle Existenz des Menschen kommt aus dem Staub und geht wieder in den Staub.

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sven23
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#438 Re: Verhängnisvoller Missionsbefehl

Beitrag von sven23 » So 7. Feb 2016, 08:05

Die Missionsbefehl zur Missionierung der ganzen Welt gilt in der Forschung als unhistorisch.

"Der mächtigste Dämpfer gegen diese Form eines christlichen Imperialismus kommt
wieder einmal von der neutestamentlichen Forschung, die das Jesuszitat, in dessen
Namen so viel Leid und Blut in die Welt kam, als Erfindung des Evangelisten Matthäus
erwiesen hat. Ganz abgesehen davon, dass die Erzählungen der Evangelisten vom
Auferstandenen in der Forschung alle als Legenden gelten, denen kein Anhalt in der
realen Welt zukommt (auch darauf kommen wir unten noch eingehend zu sprechen),
lässt sich die typische Terminologie des Evangelisten durch Sprachanalyse und
Wortstatistik nachweisen. Erfindungen des Evangelisten liegen vor, wenn gehäuft dessen
typische Terminologie und seine theologischen Vorstellungen in einem Wort Jesu
auftauchen. Absolute Sicherheit gibt es bei diesem Verfahren zwar nicht, wie nirgendwo
in der historischen Forschung. Doch ein weiterer Hinweis auf die späte Abfassung des
Missionsbefehls ist die Wendung „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des
heiligen Geistes“. Hierbei handelt es sich um eine triadische Formel, die bei den ersten
Christen noch nicht verwendet wurde. Denn vor allem aus den paulinischen Briefen
wissen wir, dass in der Frühzeit nur eingliedrig auf Christus (Gal 3,27) oder auf den
Namen Jesu (1. Kor 1,13; Apg 8,16; 19,5; vgl. Gerd Lüdemann, Jesus nach 2000 Jahren, S.
325) getauft wurde. Die hier von Matthäus gebrachte dreigliedrige Formel ist historisch
später anzusiedeln und spiegelt vermutlich den Gebrauch dieser Formel in der Gemeinde
des Matthäus wider, wie überhaupt Erzählungen und Worte der Evangelien oft
Gemeindesituationen und Gemeindeprobleme reflektieren. Durch die Legende vom
Missionsbefehl soll der Gemeinde ihre Taufpraxis als von Jesus selbst begründet
demonstriert werden."

Kubitza, Der Jesuswahn

Jesus kannte bestimmt die Hauptdirektive der Nichteinmischung in die Kultur fremder Völker.

Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Münek
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#439 Re: Verhängnisvoller Missionsbefehl

Beitrag von Münek » So 7. Feb 2016, 22:02

sven23 hat geschrieben: Doch ein weiterer Hinweis auf die späte Abfassung des Missionsbefehls ist die Wendung „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes“. Hierbei handelt es sich um eine triadische Formel, die bei den ersten Christen noch nicht verwendet wurde. Denn vor allem aus den paulinischen Briefen wissen wir, dass in der Frühzeit nur eingliedrig auf Christus (Gal 3,27) oder auf den Namen Jesu (1. Kor 1,13; Apg 8,16; 19,5; vgl. Gerd Lüdemann, Jesus nach 2000 Jahren, S.
325) getauft wurde.
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Tja - Kurt und Hemul. Das sind Ergebnisse der neutestamentlichen Wissenschaft.

Kurioserweise wird in den neutestamentlichen Schriften von einer Missionstätigkeit der 12 Jünger nach dem Tode Jesu nirgendwo berichtet. Paulus, der Jesus persönlich nicht kannte, gründete bekanntlich einige Gemeinden, mit denen er auch brieflich in Verbindung stand.

Wann und wo haben die Jünger missioniert? Welche Gemeinden haben die Jünger gegründet? :o

Haben sie den Missionsauftrag ihres Herrn einfach ignoriert? Oder gab es einen solchen Auftrag überhaupt nicht? Fühlte sich Jesus nicht ausschließlich zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt? Und weshalb sollten die 70 von ihm zu seinen Lebzeiten ausgesandten Jünger die Straßen und Städte der Heiden meiden?

Fragen über Fragen - aber keine vernünftige Antworten von Euch.

Es spricht außerordenlich viel dafür, dass es diesen Missionsbefehl Jesu nie gab. Viel naheliegender ist es, dass dieser angebliche Auftrag Jesus von dem Evangelisten Matthäus Jahrzehnte nach seinem Tod in den Mund gelegt wurde, um
die Parusieverzögerung irgendwie plausibel zu machen.

Samantha

#440 Re: Verhängnisvoller Missionsbefehl

Beitrag von Samantha » So 7. Feb 2016, 23:18

Münek hat geschrieben:Es spricht außerordenlich viel dafür, dass es diesen Missionsbefehl Jesu nie gab. Viel naheliegender ist es, dass dieser angebliche Auftrag Jesus von dem Evangelisten Matthäus Jahrzehnte nach seinem Tod in den Mund gelegt wurde, um die Parusieverzögerung irgendwie plausibel zu machen.
Wenn dies so offensichtlich wäre (dass alles erstunken und erlogen ist), dann bräuchte man doch nicht zu streiten. Oder nimmst Du Menschen, die so verwirrt "glauben" oder lügen, etwa ernst?

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