Von einer Jungfrau geboren?

closs
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#1051 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Sa 6. Feb 2016, 12:44

sven23 hat geschrieben:Die Methoden sind schon verfeinert worden. Vor allem legt man strengere Maßstäbe für den Anspruch an Wissenschaftlichkeit an.
Wahrscheinlich liegt das Problem wirklich in der Definition von "WIssenschaftlichkeit" - es gibt dabei (grob) zwei Möglichkeiten:

1. Strenge Definition im Sinne der Naturwissenschaft = das Ergebnis muss falsifizierbar sein.
2. Definition im Sinne der Geisteswissenschaft resp. Hoyingen-Hüne = die methodischen Untersuchungs-Schritte müssen falsifizierbar sein.

Im Fall (1) kann Wissenschaft die Literatur/Musik/Bibel peripher begleiten (das, was man klassisch "historisch-kritisch" nennt), aber nicht interpretieren (wollen), weil man erst gar nicht in die Substanz hineinkommt.

Im Fall (2) kann Wissenschaft substantiell interpretieren, weil man die Interpretation nicht nachweisen muss ("ich weise nach, dass es Gott gibt"), sondern nur die methodischen Schritte der Interpretation.

Nun MUSS man nicht (2) anwenden - das hieße aber umgekehrt, dass die Rolle der Wissenschaft in Literatur/Musik/Theologie nicht über eine flankierende Bedeutung hinaus ginge - Why not - es wäre alles andere als eine Katastrophe.

Dann aber darf die Wissenschaft sich auch nicht überheben, sich als DIE Disziplin der Exegese (Im Sinne von "substantieller Deutung") zu gerieren, wenn sie doch nur 5 - 10% der Sache abdecken kann. - Entweder, oder - beides geht nicht.

Es lohnt sich diesbezüglich ein historisch-kritischer Blick auf die Entstehung der historisch-kritischen Methode in der Theologie. - Denn sie hat sich damals ja in einem "Aufklärungs-Anspruch" gegen die bisherige Exegese der Kirche gegen dieselbe aufgelehnt - also Kampfmodus. - Dafür gab es gute Gründe - die Abwehr der Kirche hatte ebenfalls gute Gründe, wie wir (oder manche von uns) heute wissen. Dementsprechend ist die HKM-Euphorie übrigens längst abgeflaut.

Also geht es noch heute um einen Rechtfertigungs-Kampf, der eigentlich nicht SO viel mit der eigentlichen Sache zu tun hat. - Diese beiden Pole (einerseits autoritär-alberne frühere Exegese der kirchlichen Theologie und andererseits naßforsche "aufgeklärte" Exegese der HKM-ler ohne Interesse an der spirituellen Substanz) müsste man jetzt wieder zusammenführen - die kanonische Exegese ist ein Versuch. - Ob es ein optimaler Versuch ist, kann ich nicht beurteilen, aber ich verstehe den historischen und substantiellen Hintergrund dafür.

Vielleicht sollte man sich um diese Grundlagen kümmern, bevor wir um Einzelfragen keilen.

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Savonlinna
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#1052 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Savonlinna » Sa 6. Feb 2016, 13:19

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Ich kann mich an den Artikel erinnern, da stand nichts von kritischer Hinterfragung. Das hast du dazu gedichtet.
Ja, ja, sven, alles gut, alles gut.
Nur der Ordnung halber, weil du ja sonst diejenige bist, die jedes Wort auf die Goldwaage legt, hier nochmal der Link:
https://www.uni-tuebingen.de/fakultaete ... ubens.html
Zitat daraus:
"Wir wollen dabei klassische Themen vor dem Hintergrund moderner Lebenswirklichkeiten neu durchdenken."
Das ist so allgemein und schwammig formuliert, daß alles und nichts dahinter stecken kann.

Der Text ist eindeutig. Da gibt es für mich keinen Zweifel.
Besser, Du hättest nun auch nicht nur auszugsweise zitiert.

Da steht also:
Uni Tübingen hat geschrieben:Der Grundkurs führt anhand ausgewählter Themenbereiche in die Dogmatische Theologie ein. Wir wollen dabei klassische Themen vor dem Hintergrund moderner Lebenswirklichkeiten neu durchdenken.
"neu durchdenken" ist synonym mit "kritisch hinterfragen".
Da kann Münek mich der Lüge bezichtigen, wie er nur will.
Weiter hatte ich, soweit ich mich erinnern kann, ebenfalls aus dem Text Folgendes zitiert:

Uni Tübingen hat geschrieben: die Einführung ins wissenschaftliche Arbeiten wird vorausgesetzt.
Wissenschaftliches Arbeiten setzt kritische Reflexion voraus.

sven23 hat geschrieben:Auf jeden Fall steht dort nichts von "kritischer Hinterfragung kirchlicher Dogmen", weshalb dich Münek der Lüge bezichtigte.
Es hätte mich auch gewundert, denn bei Dogmen versteht die RKK keinen Spaß.
Wie ich zeigte, steht das dort eindeutig.
Deine Vorurteile habe ich widerlegt. Du darfst sie weiterhaben, darfst auch weiter Universität mit RKK verwechseln, es fällt auf Dich zurück.

Wahrscheinlich wirst Du auch nicht begreifen können, dass gerade die katholische Kirche - anders als die evangelische, die nun ich aus dem ff kenne - immer bestrebt ist, das moderne Denken einzubeziehen.
Das ist mir gerade durch Benedikt klar geworden, den ich, nachdem er in Deutschland gewesen war, etwas näher unter die Lupe genommen hatte.

Da habe ich auch erstmals begriffen, warum die Ökumene bezüglich Abendmahl so schwierig ist.
Die Protestanten verstehen Brot und Wein so, dass sie "das ist mein Leib" als 'das bedeutet meinen Leib' verstehen, also symbolisch verstehen.
Die Katholiken verstehen das als die Vergegenwärtigung Christi in ihnen selber.

Beide Unterschiede gibt es übrigens auch an den Theatern.
Die eine Ansicht - mehr die von Bertold Brecht - sagt: der Schauspielser symbolisiert nur die Rolle, er "zeigt" sie nur.
Die andere Ansicht - mehr die von Konstantin Stanislawski - sagt: der Schauspieler verwandelt sich in die Rolle, er vergegenwärtigt den Dargestellten mit sich selber.

Dieses Ziel der Vergegenwärtigung habe ich unter Benedikt mehrmals angetroffen, so auch in einer der jährlichen Karfreitagszeremonien am Kolosseum in Rom.
Da hatte Benedikt eine moderne Schriftstellerin beauftragt, die biblischen Karfreitags-Texte zu modernisieren, und in dieser Form sind sie dort vorgetragen worden, von Laien.
Ich habe diese ganze Zeremonie in einem Video verfolgt.
Es war deutlich, dass das Ziel dieser Neufassung war, dass die Anwesenden in sich selber dieses Geschehen lebendig werden lassen sollten.

Mir sind da ziemlich viele Knöpfe aufgegangen, und aus diesem Hintergrund unter anderem habe ich obiges geschrieben, was Münek dann als "Lüge" gegeißelt hat.

Nichtsdestotrotz bin ich selber nach wie vor allergisch gegen jegliche Form des Abendmahls, wie auch überhaupt gegen Riten.
Dennoch ist es nicht nötig, einseitig und undifferenziert, geradezu fanatisch die katholische Kirche zu bekämpfen.

Wer nicht mindestens zwei Seiten an einer Sache sehen kann, ist dem Fanatismus ausgeliefert, und er riecht schon von weitem nach Fanatismus.
Wie sagt Nietzsche so schön im "Zarathustra":
Zarathustra hat geschrieben:Auch das schlimmste Ding hat zwei gute Kehrseiten

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sven23
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#1053 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » Sa 6. Feb 2016, 13:38

Savonlinna hat geschrieben: Der Text ist eindeutig. Da gibt es für mich keinen Zweifel.
Besser, Du hättest nun auch nicht nur auszugsweise zitiert.

Da steht also:
Uni Tübingen hat geschrieben:Der Grundkurs führt anhand ausgewählter Themenbereiche in die Dogmatische Theologie ein. Wir wollen dabei klassische Themen vor dem Hintergrund moderner Lebenswirklichkeiten neu durchdenken.
Nee, nee, das steht da eben nicht. Themen müssen keine Dogmen sein. Das ist eine unzulässige Schlußfolgerung deinerseits.

Ich lasse mich gerne überraschen, aber ich glaube nicht, daß du da belastbares Beweismaterial vorlegen kannst.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Savonlinna
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#1054 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Savonlinna » Sa 6. Feb 2016, 13:51

sven23 hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Da steht also:
Uni Tübingen hat geschrieben:Der Grundkurs führt anhand ausgewählter Themenbereiche in die Dogmatische Theologie ein. Wir wollen dabei klassische Themen vor dem Hintergrund moderner Lebenswirklichkeiten neu durchdenken.
Nee, nee, das steht da eben nicht. Themen müssen keine Dogmen sein. Das ist eine unzulässige Schlußfolgerung deinerseits.
Wahrscheinlich. Wahrscheinlich ist mit "Einführung in die Dogmatische Theologie" die Auseinandersetzung mit der Wichtigkeit von warmen Pullovern gemeint.

sven23 hat geschrieben:Ich lasse mich gerne überraschen, aber ich glaube nicht, daß du da belastbares Beweismaterial vorlegen kannst.
Wie ich schon sagte: Das Thema ist für mich durch. Was Fanatiker da noch immer drin lesen wollen, das ist nun nicht mehr meine Sache.
Ihr könnt mich ja anzeigen wegen Lüge.

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#1055 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » Sa 6. Feb 2016, 13:54

closs hat geschrieben: Es lohnt sich diesbezüglich ein historisch-kritischer Blick auf die Entstehung der historisch-kritischen Methode in der Theologie. - Denn sie hat sich damals ja in einem "Aufklärungs-Anspruch" gegen die bisherige Exegese der Kirche gegen dieselbe aufgelehnt - also Kampfmodus. - Dafür gab es gute Gründe - die Abwehr der Kirche hatte ebenfalls gute Gründe, wie wir (oder manche von uns) heute wissen. Dementsprechend ist die HKM-Euphorie übrigens längst abgeflaut.

Die anfängliche Euphorie gründete sich darauf, endlich wissenschaftlich belastbares Material im Sinne des christlichen Glaubens zu finden. Doch genau das Gegenteil war der Fall. Die historisch-kritische Methode entpuppte sich als der große Desillusionator, was naturgemäß den Glaubensdogmatikern ein Dorn im Auge war. Die Reaktion darauf war das Gegenmodell der kanonischen Exegese, die sich nur für die kanonisierte Endfassung, also die pure Rezeption, interessiert. Alles andere soll sich dem unterordnen.


closs hat geschrieben: Vielleicht sollte man sich um diese Grundlagen kümmern, bevor wir um Einzelfragen keilen.
Eine Grundfrage wäre z. B. : Macht es Sinn, Jesusworte, die nicht authentisch sind, als inspirierte Wahrheiten zu glorifizieren?

"Dogmatik war lange Zeit ein Synonym für Theologie überhaupt. Biblische Stellen wurden
vorkritisch in die „dogmatische Beweisführung“ einfach eingebaut, Unterschiede in den biblischen
Schriften weginterpretiert oder harmonisiert. Erst mit dem Erwachen des historischen Bewusstseins
im Zuge der Aufklärung entstanden die exegetischen Disziplinen Altes und Neues Testament als
eigene Teilgebiete der Theologie. Und während die Dogmatiker noch bis zur Stunde mit bestimmten
Jesuszitaten argumentieren, haben ihre neutestamentlichen Kollegen längst nachgewiesen, dass Jesus
viele dieser Worte gar nicht gesagt haben kann."

Kubitza, Dogmenwahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#1056 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » Sa 6. Feb 2016, 13:56

Savonlinna hat geschrieben: Ihr könnt mich ja anzeigen wegen Lüge.
Wir werden rechtliche Schritte über unsere Anwälte prüfen lassen. :mrgreen:
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George Orwell

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#1057 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Savonlinna » Sa 6. Feb 2016, 13:58

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Ihr könnt mich ja anzeigen wegen Lüge.
Wir werden rechtliche Schritte über unsere Anwälte prüfen lassen. :mrgreen:
Na, Gott sei Dank!

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#1058 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Sa 6. Feb 2016, 14:50

sven23 hat geschrieben: Die historisch-kritische Methode entpuppte sich als der große Desillusionator, was naturgemäß den Glaubensdogmatikern ein Dorn im Auge war.
So weit sich die Kirche sich die Dummheit erlaubte, ihre Lehre naturwissenschaftlich authentisch zu erklären ("Die Tiere waren da - und jetzt schuf Gott an der Evolution vorbei den Menschen"), ist das richtig. - Da hatte die Kirche in der Tat etwas verbockt. - Aber die Glaubensinhalte selbst konnten durch die HKM nicht desillusioniert werden, weil die Substanz ganz woanders stattfindet.

Es ist ein Kategorienfehler, über Naturwissenschaft oder HKM überhaupt auf diese Idee zu kommen - bezogen auf die HKM: Rezeptions-Forschung zeigt nur EINEN Aspekt des "wirklichen" Jesus vor 2000 Jahren - eben aus Sicht der Rezeptionen. - Diese Rezeptionen sind aus meiner Sicht wertvoll (gar unerlässlich) weil wir sonst die Schriften nicht vorliegen hätten - logisch. Aber was im gesamt-kanonischen Kontext an Irrtum und Wahrheit der Rezeptionisten drin steht, ist primär eine geistige Frage und und nur sekundär eine historisch-kritische Frage.

Natürlich kann und soll man sie historisch-kritisch untersuchen - aber bitte selbstkritisch unter dem Vorbehalt, dass die Textverfasser selber erst mal mit der Zeit drauf kommen mussten, was der Jesus eigentlich gemeint hatte. - Schau Dir - mal was Aktuelles - die Entwicklung der Grünen an: Vor 40 Jahren waren es Spinner - heute hat sich deren Paradigmenwechsel durchgesetzt. - Man versteht deren Anliegen heute besser als vor 40 Jahren.

sven23 hat geschrieben:Kubitza
Seine Linie ist schon klar - aber sie zielt daneben.

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#1059 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » Sa 6. Feb 2016, 15:40

closs hat geschrieben: Aber die Glaubensinhalte selbst konnten durch die HKM nicht desillusioniert werden, weil die Substanz ganz woanders stattfindet.
Da bin ich mir nicht so sicher, weil sich vieles als Kunstprodukt der Schreiber entpuppte. Man kann nicht so tun, als seien die "geistigen" Inhalte von den vielen Fälschungen und nachträglichen Erfindungen völlig unberührt.

closs hat geschrieben: Diese Rezeptionen sind aus meiner Sicht wertvoll (gar unerlässlich) weil wir sonst die Schriften nicht vorliegen hätten - logisch. Aber was im gesamt-kanonischen Kontext an Irrtum und Wahrheit der Rezeptionisten drin steht, ist primär eine geistige Frage und und nur sekundär eine historisch-kritische Frage.
Kanonik interessiert sich aber nur für die Rezeption und nicht für den ursprünglichen Sinn der Texte.

closs hat geschrieben: Natürlich kann und soll man sie historisch-kritisch untersuchen - aber bitte selbstkritisch unter dem Vorbehalt, dass die Textverfasser selber erst mal mit der Zeit drauf kommen mussten, was der Jesus eigentlich gemeint hatte.

Wer glaubt, daß später hinzu erfundene Wunder näher an Jesus sind, der macht sich die Hose auch mit der Kneifzange zu. :lol:

"Der Wunderglaube ist heute aber selbst unter Theologen anrüchig, und niemand würde heute
ernstlich damit argumentieren. Eine populäre Ausnahme ist Benedikt XVI., der sogar die Details der
Weihnachtsgeschichte (übrigens sowohl bei Lukas wie bei Matthäus) für historisch hält, incl.
Jungfrauengeburt, diversen Engelsverkündigungen, Stern über Bethlehem, Weisen aus dem
Morgenland, Gold, Weihrauch und Myrrhe und den Kindermord des Herodes.176 Es ist dabei
überhaupt keine Frage, dass Ratzinger ähnliche Geschichten z. B. im Koran sofort als Legenden und
Mythen identifizieren würde. Ratzinger ist in erster Linie Dogmatiker. Und man kann eben nicht erst
in zweiter Linie Wissenschaftler sein."

Kubitza, Dogmenwahn

Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind, wußte schon Goethe.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1060 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Sa 6. Feb 2016, 16:27

sven23 hat geschrieben:Kanonik interessiert sich aber nur für die Rezeption und nicht für den ursprünglichen Sinn der Texte.
Den Sinn dieses Satzes habe ich nie verstanden. - Vermutlich ist in der Kanonik mit "Rezeption" die Aufnahme bei der pastoralen Arbeit gemeint: "Was sollen die Menschen heute verstehen?". - Es ist sicherlich NICHT so gemeint, dass die Kanonik kein Interesse daran hätte, was Jesus ursprünglich gemeint hat - das wäre wäre wirklich eine ziemlich blödsinnige Annahme.

Wenn man jedoch "Rezeption" ganz anders versteht (was ebenso möglich ist), nämlich in Bezug auf das Verstehen Jesu Botschaft seitens der Textverfasser, ist es genau umgekehrt: Hier interessiert sich die HKM nur für die Rezeption (kein Vorwurf - sie muss es so aus Gründen der methodischen Disziplin tun), weil sie geistig gar nicht in die Botschaft Jesu einsteigen kann/darf. - Die Folgen sind bekannt.

sven23 hat geschrieben: Man kann nicht so tun, als seien die "geistigen" Inhalte von den vielen Fälschungen und nachträglichen Erfindungen völlig unberührt.
Was die spätere Rezeption der Kirche angeht, ist das korrekt - bis heute gibt es aus meiner Sicht komplett kontaminierte Standards. - Ein Grund mehr, an die Wurzel, also gegenenenfalss an den Textverfassern vorbei im gesamt-kanonischen Kontext an den Ursprung zu gehen.

sven23 hat geschrieben:Eine populäre Ausnahme ist Benedikt XVI., der sogar die Details der Weihnachtsgeschichte (übrigens sowohl bei Lukas wie bei Matthäus) für historisch hält
Kann ich nicht beurteilen (bin deshalb so vorsichtig, weil üblicherweise Sachen unterstellt werden, die bei näherem Betrachten falsch sind). - Wenn es im Zungenschlag von Kubitza stimmt, ist es auch aus meiner Sicht kein Ruhmensblatt, sondern eine Folge unnötig wörtlicher Interpretation des Begriffs "spirituel inspiriert".

Wenn Benedikt damit sagen will, dass Jesu Leben prinzipiell auf Historizität beruht, wäres es wiederum verständlich - man müsste also genau hingucken. - Im übrigen: Die Aufzählung Kubitzas ist höchst indisparat: Der "Kindermord des Herodes" ist eine vernachlässigbare Größe, während "Jungfrauengeburt" eine spirituell sehr gut begründbare Größe ist. - Deswegen muss man nicht dafür sein - aber dieses Kraut- und Rüben-Getue ist trotzdem nicht professionell.

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