Thaddäus hat geschrieben: dass es tatsächliche historische Ereignisse gibt, und er geht davon aus, dass wir grundsätzlich wissen können, was diese historischen Ereignisse faktisch waren
Genau das rot Gemarkerte
DEMENTIERE ich. - Ich sage, dass man
um die Faktizität historischer Ereignisse wissen kann, weil es reale Phänomene in der Zeit gibt (was sonst?). - Man kann um das Phänomen eines Faktums wissen, ohne es selber (genau) zu kennen.
Closs hat geschrieben: Diese tatsächliche Wirklichkeit gibt es selbstverständlich, weil sie mit unserer Wahrnehmung nichts zu tun hat - sie "ist".
Nochmals zur Klarstellung:
Diese erste These, so wie Du sie darstellst, stammt gerade NICHT von mir, sondern ist mein Vorwurf an Tatsachen-Ansprüche mancher HKM-ler. Wobei ich unter "Tatsache" NICHT ein modell-internes Ergebnis verstehe, sondern das, was wirklich war. - "Tatsache" also als ontologische Größe und nicht als Modell-Größe.
Thaddäus hat geschrieben:dass es eine "geistige Rekonstruktion" von historischen Tatsachen gibt (die nicht historisch-kritisch ist) und die "authentischere"(!) Ergebnisse liefern kann, als die HKM.
Ja - diesmal hast Du mich richtig verstanden.
Das, was wirklich war, KANN durch einen geistigen Ansatz besser getroffen sein als über einen historisch-kritischen Ansatz. - Rein praktisch hinzugefügt: Bei "normalen" geschichtlichen Ereignissen (Verlauf des 30jährigen Kriegs/Vita von Heinrich Himmler/die Entwicklung der BRD von Adenauer bis Kohl) bedarf es wahrscheinlich keiner geistigen "Konkurrenz" zur HKM - lassen wir mal beiseite, dass auch da ganz unterschiedliche Interpretationen trotz GLEICHER Faktenlage üblich sind. - Also auch die HKM gewichtet objektive Fakten je nach eigener Überzeugung der untersuchenden Forscher (oder des Auftraggebers) - anderes zu glauben, wäre erschreckend naiv.
Thaddäus hat geschrieben:Selbstverständlich gibt es historische Tatsachen, die sich aus den realen historischen Ereignissen ergeben. Diese realen historischen Tatsachen existieren unabhängig davon, ob sie von uns beobachtet werden
So ist es - Tatsachen sollten sogar IMMER unabhängig von unserer Wahrnehmung sein.
Thaddäus hat geschrieben: Keines dieser realen historischen Ereignisse ist uns unmittelbar zugänglich, insofern wir es unmittelbar beobachten könnten, außer denen, die wir tatsächlich unmittelbar selbst beobachten, weil sie in unserem unmittelbaren Umfeld geschehen (aber selbst dann, können wir uns über das Beobachtete täuschen).
Korrekt.
Thaddäus hat geschrieben:Wissen über reale historische Ereignisse können wir nur erlangen, indem wir auf der Grundlage von Indizien bzw. Quellen (Texte, Filmaufnahmen, Photographien, archeologische Funde usw.) die historischen Ereignisse rekonstruieren!
Wenn Du einräumst, dass "Wissen" immer "Modell-/System-Wissen" ist, stimme ich Dir zu (siehe Sokrates).
Thaddäus hat geschrieben:Tatsächlich kann also niemand mit absoluter Sicherheit wissen, ob Cäsar wirklich jemals in Gallien einmarschiert ist. Die Quellenlage hierzu ist aber so gut ("De bello Gallico" u.a.), dass wir mit hoher Sicherheit davon ausgehen können, dass ein römischer Feldherr mit Namen Gaius Iulius Caesar im Jahre 58 v.u.Z. tatsächlich in Gallien gegen die dortigen gallischen und germansichen Stämme gekämpft hat.
Korrekt - hier gibt es mannigfache voneinander unabhängige (!!!!) Quellen.
Thaddäus hat geschrieben:Niemand kann mit absoluter Sicherheit wissen, ob John F. Kennedy jemals tatsächlich Präsident der Vereinigten Staaten war.
Im Sinne von Sokrates' "Ich weiss, dass ich nichts weiss" oder der cartesianischen Res Cogitans-Res extensa-Diskussion stimme ich Dir zu. - Wenn man aber davon ausgeht/setzt, dass Wahrnehmung nicht an sich Täuschung ist (der "wohlwollende Gott" von Descartes), würde ich hier tatsächlich von "Tatsache" sprechen:
Es gibt Aufnahmen von Dallas, es gibt den Besuch Kennedys in Deutschland, es gibt Dossiers in allen Geheimdiensten der Welt, dass es diesen Kennedy gibt. - Diesen Fall würde ich ganz und gar nicht vergleichen mit Jesus, bei dem es keine wesentlichen unabhängigen Quellen neben der Bibel gibt. - Zumal es um geistige Aussagen Jesu geht, die man nachweislich falsch verstehen kann, wobei dies biblisch sogar mehrfach angekündigt wird.
Konkret:
Wenn Kennedy sagt "Wenn Ihr Russen nicht die Atomsprengköpfe in Kuba abzieht, gibt es Krieg", ist diese Aussage unmissverständlich. - Wenn Jesus sagt "Das Reich Gottes ist ja" ist es dem Verständnis-Horizont des Hörers überlassen, ob er dies alttestamentarisch oder neutestamentarisch versteht - und schreibt es dementsprechend in seine Quelle "Q". - Die HKM muss diesen Unterschied auch innerhalb ihres Selbstverständnisses erkennen - und tut es ja in vielen Fällen auch. - Denn die kirchliche Theologie lehnt doch den Naherwartungs-Gedanken nicht gegen besseres Wissen ihrer eigenen HKM-ler ab.
Thaddäus hat geschrieben: Wir können niemals mit absoluter Sicherheit von den real geschehenen historischen Ereignissen wissen (selbst dann nicht, wenn wir selbst Beobachter sind, da wir uns über das, was wirklich geschieht täuschen können).
Korrekt - siehe Sokrates, Augustinus und Descartes.
Thaddäus hat geschrieben:. Alles, was wir über real geschehene historische Ereignisse wissen können, basiert auf einer Rekonstruktion der Ereignisse, ausgehend von Quellen, die uns für diese Rekonstruktion zur Verfügung stehen.
Wenn wir "Wissen" als Modell-/System-Wissen erkennen UND weiterhin erkennen, dass wir mit "Wissen" dieser Art nur bedingt weit kommen können.
Thaddäus hat geschrieben:Eine andere Möglichkeit der Rekonstruktion realer historischer Geschehnisse gibt es nicht. Insbesondere gibt es keine ...
4. ... "geistige Rekonstruktion" realer historischer Ereignisse, von der closs spricht, die mit anderen "Methoden" und ohne Rückgriff auf historische Quellen reale historische Geschehnisse rekonstruieren könnte.
Kritisch-rationalistisch stimme ich Dir zu. - Nur ist damit halt auch immer die Frage verbunden: Wie weit kommt man damit?
Thaddäus hat geschrieben: Wenn closs aber annimmt, seine "geistige Rekonstruktion" interpretiert lediglich die Quellenlage anders, als die HKM, dann muss er zunächst einmal nachweisen, mit welcher wissenschaftlichen Berechtigung sie das tun können soll!
Da wurden drei ziemlich harte Argumente mehrfach präsentiert (hier nochmals verkürzt):
1. Paradigmen-Wechsel
Jesus stellt einen Paradigmen-Wechsel zum AT dar ("innere Beschneidung", "Vorhaut des Herzens", "Ich aber sage Euch ...", etc) - gibt's auch im AT, wird im NT aber bestätigt mit "Jetzt ist das Reich Gottes nah" - jetzt gilt's. - Kann man biblisch leicht zusammentragen - hab's jetzt nur nicht auswendig im Kopf.
2. Motiv des "Und sie verstanden ihn nicht"
Jesus weist mehrfach darauf hin ("Er antwortete nicht und ging", etc.), dass er weiss, dass die Jünger noch in den Kategorien des AT denken.
3. Text-Quellen der Bibel sind ausschließlich Rezeptions-Quellen
Die NT-Texte sind durchsetzt mit AT-Falsch-Verstehen (oder mit bewusster Fälschung - das kann dann noch dazu kommen). - Dies hat unter HKM-Gesichtspunkten weitreichende Folgen - denn:
Dadurch funktioniert das bewährte HKM-Vorgehen NICHT, dass man die älteste verfügbare Quelle als authentischste setzt. - Diese Methode funktioniert bei Objekten, zu denen es ein Original gibt oder gab - aber das gibt es halt (sehr wahrscheinlich) nicht bei Jesus. - Das heisst: Es kann sein und ist sogar wahrscheinlich, dass aus den Gründen 1. und 2. die ältesten Quellen AT-mäßig kontaminiert sind, ja sogar AT-mäßig mehr kontaminiert sein KÖNNEN als spätere, weil spätere Quellen mehr von nach und nach einsickerndem NT-Denken geprägt sind. - Das normalerweise funkionierende HKIM-Vorgehen ( die älteste verfügbare Quelle = authentischste Quelle) kann also hier nicht maßstäblich sein.
Thaddäus hat geschrieben:Kein ernst zu nehmender Theologe stellt die wissenschaftliche Berechtigung der Methoden der HKM infrage.
Daz7u gehört auch die RKK, die die HKM als Basis ihrer theologischen Exegese für unverzichtbar hält - DARAN liegt es nicht.