Von einer Jungfrau geboren?

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#1 Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Thaddäus » Sa 9. Jan 2016, 09:29

abgetrennt aus: Aschera, die Gemahlin Jahwes
I.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es gibt keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen einer wissenschaftlichen Erforschung der christlichen Religion durch die historisch-kritische Methodik und der "Musik" bzw. besser: der "Kunst" des Glaubens.
So ist es - wenn man es "richtig macht", gibt es diesen Widerspruch nicht.
Dann machst du offenbar etwas falsch. ;)

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Nicht der Glaube an sich wird durch die wissenschaftliche Analyse der biblischen Schriften angegriffen, sondern allenfalls das Fürwahrhalten ganz bestimmter Glaubensinhalte
Wenn es Glaubensinhalte sind, die historische Qualität haben, stimme ich Dir zu - das müsste man im Einzelfall untersuchen. - Hast Du konkrete Beispiele?
Alle christlichen Glaubensinhalte werden auf die ein oder andere Weise aus den biblischen Schriften abgeleitet, manche auf halsbrecherische Weise, wie z.B. die Begründung des Papsttums mit Mat.16,18. Die HKM untersucht, in wieweit das im Einzelfall berechtigt ist.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wer von den Normalgläubigen glaubt denn bitteschön noch daran, dass Maria eine Jungfrau war, als sie Jesus gebar?
Das bspw. hat KEINE historische Qualität - wie wollte man dies historisch-kritisch widerlegen?
1. Durch den gesunden Menschenverstand aufgrund der biologischen Unmöglichkeit. Jungfrauen haben noch niemals in der Menschheitsgeschichte Kinder geboren. Insofern ist es eine unbelegbare Behauptung christlicher Autoren, dass dies möglich sei.

2. Indem man historisch-kritisch nachweist, warum es die christlichen Autoren für nötig erachteten, dass Jesus von einer Jungfrau geboren worden sein soll, obwohl so weder die Sündlosigkeit Jesu, noch seine nachträglich eingeführten Abstammungslinien begründet werden können bzw. dadurch sogar offensichtliche Widersprüche erzeugt werden. Die zeitgeschichtlichen Parallelen von Jungfrauengeburten in anderen Texten zeigen auf, dass die Bestrebung bestand, Könige, Götter oder einfach nur berühmte Menschen durch eine Jungfrauengeburt aufzuwerten. Usw.usw.
Die Analyse aller zeitgeschichtlich bekannten Jungfrauengeburten weist auf, dass es sich um ein religiöses Motiv und eine symbolische Metapher handelt.
Jede andere Sichtweise ist exegetisch auszusschließen!

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:dass Jesus über das Wasser eines Sees gegangen ist, Wasser in Wein verwandelte, Dämonen hat in Schweine fahren lassen oder Lazarus von den Toten hat auferstehen lassen?
Dito.
Dito!
Ein Problem scheint zu sein, dass hier kaum einer weiß, wie die historisch-kritische Methode eigentlich genau arbeitet und welchen Stellenwert ihre Ergebnisse haben. Das kann an dieser Stelle leider auch nicht beispielhaft vorgeführt werden, weil es von seiner Länge her eine Seminararbeit ergeben würde - oder eine Doktorarbeit, je nachdem, wie komplex die biblische Stelle ist, die analysiert wird. Es begönne mit einer text- und literarkritischen sowie linguistischen Analyse des griechischen Textes in der Rekonstruktion seiner Urfassung. Und es endete mit einer traditions- und überlieferungsgeschichtlichen Analyse des Inhaltes und seiner Motive im vergleichenden zeitgeschichtlichen Kontext.
Die HKM rekonstruiert aufgrund von Indizien das, was die wahrscheinlichste historische Faktenlage ist und warum die Textstelle in der aktuellen Fassung so existiert, wie sie existiert.
Die HKM geht im Grunde so detektivisch vor, wie polizeiliche Ermittler, die einen Fall aufzuklären haben. Dabei gibt es Fälle, die restlos aufgeklärt werden können und solche, deren Tathergang zwar rekonstruiert, die aber nicht restlos aufgeklärt werden können.

Die meisten Heilungswunder Jesu werden meines Wissens als historisch angesehen. Man geht exegetisch also davon aus, dass Jesus tatsächlich Heilungswunder vollbrachte, zumindest in den Augen der Zeitgenossen, die Jesus persönlich erlebt haben und diese Heilungsgeschichten mündlich überlieferten. Dabei muss es natürlich offen bleiben, was exakt geschehen ist, da dies logischerweise nicht sicher rekonstruiert werden kann. "Heilungswundererzählungen" gab es zu Jesu Zeit zu Hauf und auch heute kann man "Heilungswundern" vor allem in evangelikalen afrikanischen Gemeinden und in Gemeinden der südlich gelegenen Bundesstaaten der USA beiwohnen, wenn man will. Oder man kann sie in manchen Fernsehübertragungen us-amerikanischer evangelikaler Prediger verfolgen. Was man davon hält, bleibt jedem selbst überlassen.

Alle Naturwunder Jesu gelten als spätere Gemeindebildung, die dazu diente, seine göttliche Macht durch noch großartigere Naturwunder hervorzuheben.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Denn wenn behauptet wird, es gäbe eine wahre christliche Lehre, von der kein Jota weggenommen werden darf, dann gibt es keine Freiheit des Glaubens mehr, die einen irritieren könnte.
Das ist ein zweischneidiges Schwert (lies dazu mal, wenn Du Zeit hast, die Auseinandersetzung zwischen Luther und Melanchthon, in der es um "sola scriptura" versus "Freigeisterei" ging.
Im Zweifelsfalle folge ich da nicht dem "fetten Schwein und sanftlebenden Fleisch zu Wittenberge", wie Thomas Müntzer Luther unschön nannte, sondern den weitaus klügeren Philipp Melanchthon.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 9. Jan 2016, 09:30, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#2 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Thaddäus » Sa 9. Jan 2016, 09:30

II.

closs hat geschrieben: Zweischneidig deshalb, weil es einerseits (auch aus meiner Sicht) nicht nur EINEN "wahren Glauben" geben kann, andererseits es aber keine "Freiheit des Glaubens" geben kann - letzteres klingt mir zu beliebig ("Meinungs-Gesellschaft"). - Hegel sagt irgendwo “Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit”.
Meines Wissens stammt der Ausspruch von Friedrich Engels, aber es ist mir klar, was du meinst.
Freiheit des Glaubens hat nichts mit Beliebigkit zu tun, sondern damit, dass man seinen Glauben nicht an offensichtlichen dogmatischen Unsinnigkeiten und Mirakeln festmachen sollte. Freiheit des Glaubens besteht also in der Tat in der Ensicht in die Notwendigkeit, nicht gegen die Vernunft und die (wissenschaftlichen) Realitäten anglauben zu können. Tut man es dennoch, macht man sich zum Idioten.


closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die Naherwartung Jesu hat Tatsachenrang
Das wäre gleichbedeutend mit "Tatsache" und "wie es wirklich war" sind nicht identisch - das fände ich bedenklich. [... ] dass es "sicher wirklich so war". - Und das ist schlicht anfechtbar -
Wenn du willst, kannst du auch anfechten, dass 2+5=7 ist oder die Erde eine Kugel. Die Frage ist, ob das sinnvoll ist?!
Die Naherwartung Jesu ist ein historisch-kritisch so sicheres Ergebnis, wie man es sich bei einer historischen Rekonstruktion nur wünschen kann. Alle ältesten Textbelege sprechen genau hierfür und alle späteren Textstellen, die die Naherwartung Jesu relativieren, weil das Ende der Welt dummerweise fortgesetzt nicht eintrat, können als die verständlichen Versuche nachgewiesen werden, Jesu eigene klare Haltung hierzu abzuschwächen, um sie mit dem Nichteintreten des Weltendes kompatibel zu machen.
Das fortgesetzte Nicht-Kommen des Gottesreiches war für die gläubigen frühen Christen ein erhebliches praktisches Problem, welches unbedingt theologisch gelöst werden musste, da die Gemeindemitglieder ihre Gemeindevorsteher ganz lebenspraktisch fragten, ob sie denn noch heiraten sollten und Kinder bekommen oder ob es sich noch lohne, Besitz zu erwerben, Häuser zu bauen usw.usf. Noch Paulus hatte ihnen gesagt, dass sich das eigentlich nicht mehr lohne. Es musste also eine theologische Lösung für dieses Problem gefunden werden und so wurde Jesu zweifellos vorhandene Naherwartung zunehmend abgeschwächt und die Kunde vom Reich Gottes verbreitet, dass schon mitten unter den Gläubigen sei.

closs hat geschrieben: ich habe mehrfach begründet, warum es im Kontext der Gesamt-Bibel sogar unwahrscheinlich ist, dass Jesus selbst eine Naherwartung hatte - mit "Jesus" meine ich denjenigen, den wir antreffen würden, ließen wir uns 2000 Jahre zurück-beamen und wären Life-Zeugen dessen, was er sagt.
Tut mir Leid closs, aber die Indizienlage spricht eindeutig gegen dich, und die Indizien, sind die vermutlich authentischen Jesusworte selbst gegenüber nicht-authentischen Jesusworten sowie die Durchsichtigkeit der späteren Umdeutung der Haltung Jesu aus einer offensichtlichen lebenspraktischen und theologischen Problemlage heraus.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wenn du mit der Naherwartung Jesu nicht leben kannst, dann willst du offenbar an das Falsche glauben
Oder Du denkst automatisiert historisch-kritisch ohne Einbeziehung übergeordneter Parameter.
Es existieren keine übergeordneten Parameter, die für die Rekonstruktion von Jesu eigener Naherwartung von Belang wären, außer seinen eigenen als authentisch rekonstruierbaren Worten.

closs hat geschrieben: - Auch das ist eine Art von Religion.
Nein.
Es ist historisch-kritische Wissenschaft.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es ist dir wirklich hoch anzurechnen, closs, dass du dich bemühst, die Wissenschaftlichkeit aus deinem Glauben nicht als Teufelswerk zu verbannen
Schön, dass Du das erkennst.
Natürlich. Du bist ja kein Dummkopf. Allerdings macht das die Sache auch tragischer. Wärest du ein Dummkopf, könnte man leichter darüber hinwegsehen, dass du dich in den Verblendungszusammenhang begibst, als falsch erkennbare Glaubensinhalte mit aller Gewalt rechtfertigen zu wollen.

closs hat geschrieben: Das wäre eine Diskussion darüber wert, ob es methodische Dogmatismen gibt, die mehr an ihrer Selbst-Erfüllung als an universale Erkenntnis interessiert sind. - Spannendes Thema.
Es gibt die wissenschaftliche Methodiken, die nur deshalb beibehalten werden können, weil sie den Menschen auch vernünftig einsichtig gemacht werden können. Allen voran natürlich den Theologen selbst, die in einem wissenschaftlich-akademischen Rechtfertigungszwang stehen. Deshalb gibt es überhaupt die HKM in der wissenschaftlich betriebenen Theologie. Alles andere ist un-wissenschaftlich betriebene Theologie. Die Einzelmethoden der HKM sind längst kritisch überprüft und müssen auch weiterhin gegen Kritik mit Sachargumenten verteidigt werden, weil es stets Kirchenfürsten, Theologen und Gläubige geben wird, denen sie ein Dorn im Auge ist.
Die universale Erkenntnis, von der du schreibst - und das ist eine wissenschaftliche Einsicht - gibt es nicht und es kann sie wissenschaftstheoretisch auch nicht geben.

closs hat geschrieben: Meine Meinung ist wirklich, dass die Erhebung der METHODIK "Kritischer Rationalismus" zu einer Philosophie (ganz gegen den Willen Poppers) zu einer weltanschaulichen Dominanz im 20./21. Jh. geführt hat, die allenfalls durch die Dominanz der Kirche im Mittelalter getoppt werden kann. - Ich mag beides nicht - da gehen sämtliche Alarmlichter bei mir an.
Der kritische Rationalismus als methodischer Zweifel innerhalb der Wissenschaften ist ein Segen, denn 1. betrachtet er sich auch selbst mit methodischem Zweifel und 2. bewahrt er davor Unsinn als Erkenntnis auszugeben. Allein seine Analyse von den in (religiösen) Ideologien weit verbreiteten Immunisierungsstrategien (z.B. das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes in Lehrfragen) ist unbezahlbar.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:als geistlicher Trost das herrliche Jubilet von Monteverdi, gesungen von der großartigen argentinischen Sopranistin Maria Cristina Kiehr
Die ist wirklich sehr, sehr gut. - Das zeigt wieder mal, dass Du ein geistiger Mensch ist - Punkt.
Ich habe nie behauptet, kein "geistiger" Mensch zu sein. ;)

closs hat geschrieben: Kennst Du die "Marienvesper" - sehr, sehr schönes Stück. - Falls nein, hör Dir wenigsten mal das "Ave maris stella" an. - Übrigens ist die "Marienvesper" ziemlich schwer zu singen - es gibt Stücke, bei denen jede Stimmlage 4-fach geteilt ist. :o
Selbstverständlich kenne ich die Marienvesper! :thumbup:

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#3 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Pluto » Sa 9. Jan 2016, 18:05

Thaddäus hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Hegel sagt irgendwo “Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit”.
Meines Wissens stammt der Ausspruch von Friedrich Engels, aber es ist mir klar, was du meinst.
:thumbup: :D

Thaddäus hat geschrieben:Freiheit des Glaubens hat nichts mit Beliebigkit zu tun, sondern damit, dass man seinen Glauben nicht an offensichtlichen dogmatischen Unsinnigkeiten und Mirakeln festmachen sollte.
Nee, nee... ;)
Die verfassungsrechtich garantierte Freiheit des Glaubens besteht darin, sich die Dogmen und Mirakel frei aussuchen zu dürfen, an die man glauben möchte.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#4 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Sa 9. Jan 2016, 18:59

Thaddäus hat geschrieben:Alle christlichen Glaubensinhalte werden auf die ein oder andere Weise aus den biblischen Schriften abgeleitet
Natürlich - hat deshalb bspw. 1.Kor. 13 historische Qualität? - Verstehen wir unter "historischer Qualität" Unterschiedliches?

Thaddäus hat geschrieben:Durch den gesunden Menschenverstand aufgrund der biologischen Unmöglichkeit.
Das ist zu wenig. - WENN man davon ausgeht (und das muss man als Anhänger einer monotheistischen Religion), dass der Mensch aus Gott kommt UND Gott Geist ist, kommt Materie aus Geist. - Ob sich der Geist dabei biologischer Gewohnheiten bedient oder nicht, ist irrelevant.

In anderen Worten: Wenn der Ursprung der Materie der Meinung wäre, man könne Materie auch ohne den "normalen" Weg erzeugen, wäre das möglich. - WIE das genau gehen soll, weiss ich auch nicht - entscheidend ist, dass diese Frage nicht durch Biologen beantwortbar ist - none of their business.

Thaddäus hat geschrieben: Insofern ist es eine unbelegbare Behauptung christlicher Autoren, dass dies möglich sei.
Es ist naturalistisch nicht belegbar
- korrekt. - Und jetzt? Was sagt das darüber aus, ob es möglich wäre oder nicht?

Thaddäus hat geschrieben:Indem man historisch-kritisch nachweist, warum es die christlichen Autoren für nötig erachteten, dass Jesus von einer Jungfrau geboren worden sein soll
HKM kann dies nicht leisten - dies kann man nur philosophisch/geistig/spirituell/theologisch leisten. - Und dann ist das Ergebnis entweder logisch schlüssig oder nicht - trotzdem wird es unfalsifizierbar bleiben, weil Falsifizierung nur im naturalistischen Kontext möglich ist. - Oder - Verständnisfrage - würdest Du den Begriff "Falsifizierung" auch auf Logik anwenden?

Thaddäus hat geschrieben:Die Analyse aller zeitgeschichtlich bekannten Jungfrauengeburten weist auf, dass es sich um ein religiöses Motiv und eine symbolische Metapher handelt.
Das ist es ohnehin - das ist doch der Sinn von Offenbarungen. - Dabei ist es prinzipiell wurscht, ob ein Sinn/eine geistige Aussage historisch/naturalistisch oder als rein geistige Metapher ("Gleichnis") chiffriert ist. - Auch naturalistische "Realität" ist Chiffre.

Thaddäus hat geschrieben:Jede andere Sichtweise ist exegetisch auszusschließen!
"Auszuschließen" ist falsch - "es ist nicht nachweisbar", wäre besser. - Wie willst Du historisch-kritisch nachweisen oder falsifizieren, dass Maria ihr Hymen noch hatte, als sie geboren hat?

Nebenbei: Mir persönlich ist es egal, ob man die Jungfräulichkeit Mariä als biologisch postuliert oder als Metapher - wichtig ist, dass die Chiffre verstanden wird. - Davon abgesehen: Die HKM kann hierin keine Entscheidung treffen (out of their range), und es ist geistig gesehen tatsächlich nicht vom Menschen ausschließbar (s.o.: Materie als Folge von Geist).

Thaddäus hat geschrieben:Dito!
Dito. ;)

Thaddäus hat geschrieben:Ein Problem scheint zu sein, dass hier kaum einer weiß, wie die historisch-kritische Methode eigentlich genau arbeitet und welchen Stellenwert ihre Ergebnisse haben.
Genau das wollte ich DICH fragen: Bist Du Dir eigentlich des Stellenwerts historisch-kritischer Ergebnisse bewusst? - Unterscheidest Du ausreichend zwischen Modell-Erkenntnissen und absoluten Erkenntnissen?

Thaddäus hat geschrieben: Es begönne mit einer text- und literarkritischen sowie linguistischen Analyse des griechischen Textes in der Rekonstruktion seiner Urfassung.
Genau das ist modellhaft richtig, aber aus Sicht der "tatsächlichen Wirklichkeit" falsch - und ich kann nicht zurückhalten, dass mich Deine diesbezügliche Kurzsichtigkeit etwas erschüttert, gerade WEIL Du ansonsten soviel kapiert hast.

Der "wirkliche" Beginn sind die aramäischen Aussprüche Jesu - das, was Du "Urfassung" nennst, ist bereits eine Rezeption in mindestens drei-facher Hinsicht:
1) Was haben die unmittelbaren Ohrenzeugen verstanden? - Belegbare Behauptung: Einiges falsch.
2) Wie und über wie viele Stationen wurden bis zu Deiner "Urfassung" der Ohrenzeugen rezipiert?
3) Was ging durch die Übersetzung des aramäischen Textes ins Griechische verloren? (Meine ziemlich intensive Lektüre von Bubers AT-Übersetzung hat mir eindringlichst gezeigt, was verloren/geändert gehen kann, wenn man die Septuaginta als Basis nimmt)

Erst NACH diesen Rezeptions-Schritten 1 - 3 haben wir Deine "Urfassung", die alles andere als ein Autograph ist - also kann man zwar modellhaft auf diese "Urfasssung" kalibirieren - aber eben nur modellhaft ("Wir haben nichts Älteres, also tun wir so, als sei es authentisch zu den Worten Jesu"). - Tut man es, kann man natürlich fröhliche Urständ feiern und sitzt auch noch auf der sicheren Seite ("Wir können methodisch nachweisen, dass wir wissenschaftlich gearbeitet haben"). - Das ist mir einfach zu wenig.

Und jetzt kommt die - selbstverständlich nicht intersubjektiv nachweisbare - spirituelle Kompetenz ins Spiel, die sagen kann: "Im Gesamt-Kontext passt da was nicht". - Die Antwort der HKM ist dann: "Ätsch - wir sind aber wissenschaftlich". - Und schon herrscht ein Sängerkrieg wie auf der Wartburg.

Erstaunlich finde ich, dass die HKM-Vertreter ihre modell-hafte Beschränkung triumphierend als Krone der Wissenschaft präsentieren, die ein kultureller Fortschritt sei - dass dies auf spiritueller Seite auf Räuspern stößt, sollte naheliegend sein.

Thaddäus hat geschrieben:Im Zweifelsfalle folge ich da nicht dem "fetten Schwein und sanftlebenden Fleisch zu Wittenberge", wie Thomas Müntzer Luther unschön nannte, sondern den weitaus klügeren Philipp Melanchthon.
Da stehe ich eher auf Seiten Luthers - vor allem im Kontext seines Streits mit Erasmus - als hätte Luther die Orientierungs-Losigkeit des menschlichen Selbstmaßes des Existenzialismus vorausgeahnt.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#5 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Sa 9. Jan 2016, 19:04

II

Thaddäus hat geschrieben:Meines Wissens stammt der Ausspruch von Friedrich Engels, aber es ist mir klar, was du meinst.
Engels zitiert Hegel in seiner Schrift "Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft":
„Hegel war der erste, der das Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit richtig darstellte. Für ihn ist die Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit.“

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du willst, kannst du auch anfechten, dass 2+5=7
Nein - dazu müsste man Axiome verändern - das ist etwas ganz anderes. - Aber es zeigt, dass Dir der Modell-Charakter historisch-kritischer Erkenntnisse nicht hinreichend bewusst ist (s.o.).

Thaddäus hat geschrieben:Die Naherwartung Jesu ist ein historisch-kritisch so sicheres Ergebnis, wie man es sich bei einer historischen Rekonstruktion nur wünschen kann.
Dann ist das ein schlechtes Zeichen für das, was wirklich ist/war. - Denn es zeigt lediglich die richtigen Ergebnisse einer falschen Annahme ("Modell") - s.o.: Kritik der "Urquelle".

Thaddäus hat geschrieben:Das fortgesetzte Nicht-Kommen des Gottesreiches war für die gläubigen frühen Christen ein erhebliches praktisches Problem, welches unbedingt theologisch gelöst werden musste, da die Gemeindemitglieder ihre Gemeindevorsteher ganz lebenspraktisch fragten, ob sie denn noch heiraten sollten und Kinder bekommen oder ob es sich noch lohne, Besitz zu erwerben, Häuser zu bauen usw.usf. Noch Paulus hatte ihnen gesagt, dass sich das eigentlich nicht mehr lohne.
Weil Paulus diesbezüglich falsch rezipiert hat - auch er war noch AT-geprägt - auch er hat den Paradigmen-Wechsel Jesu nicht gleich umfassend kapiert.

Und so haben wir jetzt zwei Ergebnisse:
Die "historisch-kritische Fraktion" kann innerhalb ihres Modell gut belegen und begründen, warum es so ist, wie Du es siehst - auf der Basis, dass die "Urquelle" (die keine ist) authentischer war als das Nachfolgende. - Die "geistige Fraktion" kann genauso gut begründen, dass die Entwicklung der Rezeption mit der Zeit zu MEHR Authentizität geführt hat, weil die Leute immer mehr den Paradigmen-Wechsel Jesu gecheckt haben. - Und schon steht die HKM blöd da, weil so etwas in ihrem Modell nicht vorgesehen ist - und dann gibt es Glaubenskämpfe untereinander, wessen Perspektive näher an die Wirklichkeit Jesu kommt - gifelnd darin, dass laut HKM die Naherwartung Jesu Tatsachen-Rang habe ("Basta") und laut Ratzinger dies Quatsch sei ("Basta").

Die HKM macht sich glauben, dass ihre wissenschaftliche Methodik fehlerlos sei ("Ätsch - wir sind Wissenschaftler") - die Ratzinger-Fraktion macht sich glauben, dass ihr geistiger Ansatz über methodischen Modell-Ansätzen steht ("Ätsch - wir sind geistig bevollmächtigt") . - Allerdings mit dem Unterschied, dass sie sich zu einem Glaubens-System bekennt, die HKM aber sagt "Nein, nein - wir glauben nicht, wir wissen"). - Mmh. :lol:

Thaddäus hat geschrieben:die Indizien sind die vermutlich authentischen Jesusworte
Natürlich darf man davon ausgehen, dass viele Worte Jesu trotzdem irgendwie authentisch überliefert wurden - wenn man auch nicht immer weiss, welche. - Aber hier kommt das nächste Problem: Wenn Jesus sagt "Das Reich Gottes ist nahe" ist dieser Wortlaut auch dann authentisch, wenn man ihn heute komplett unterschiedlich interpretiert.

Für den gesamt-biblisch Denkenden und Empfindenen "muss" das innerlich gemeint sein ("klar wie Kloßbrüh"), für den historisch-kritisch Denkenden "muss" es äußerlich gemeint sein ("Apokalypse now"). - Also ist es nur bedingt problem-lösend, selbst wenn man sicher ist, einen authentische Wortlaut Jesu vor sich zu haben.

Oder wenn das griechische Wort "..." einmal mit "diese Generation" und ein andermal mit "dieses Volk" übersetzt wird (beides Interpretationen von "Geschlecht": einmal naherwartungs-mäßig, ein anderes Mal fernerwartungs-mäßi interpretiert). - Das heisst übrigens auch: Die Erwartungs-Haltung des Übersetzers kann AUCH Texte sinn-kontaminieren - siehe dazu mein Hinweis oben zu M. Buber.

Thaddäus hat geschrieben:Es existieren keine übergeordneten Parameter, die für die Rekonstruktion von Jesu eigener Naherwartung von Belang wären
Meinst Du das immer noch?

Thaddäus hat geschrieben:Nein. Es ist historisch-kritische Wissenschaft.
Wenn man aber nicht die Grenzen ihres Mandats ("Modell-Aussagen") zur Kenntnis nimmt, kann es zur Religion WERDEN.

Thaddäus hat geschrieben:Wärest du ein Dummkopf, könnte man leichter darüber hinwegsehen, dass du dich in den Verblendungszusammenhang begibst, als falsch erkennbare Glaubensinhalte mit aller Gewalt rechtfertigen zu wollen.
Halte es für einen Moment für möglich, dass es Bereiche gibt, in denen andere weiter denken als Du.

Thaddäus hat geschrieben:Die Einzelmethoden der HKM sind längst kritisch überprüft und müssen auch weiterhin gegen Kritik mit Sachargumenten verteidigt werden, weil es stets Kirchenfürsten, Theologen und Gläubige geben wird, denen sie ein Dorn im Auge ist.
Das ist eine Fehlleistung der Kirchenfürsten, Theologen und Gläubigen, da die Einzelmethoden der HKM nach meiner Ansicht über jedem Zweifel stehen. - Die Frage ist nicht die Frage nach die Qualität der HKM (Note 1+), sondern das Mandat, die Reichweite der HKM, wenn es um geistige Frage-Stellungen geht.

Thaddäus hat geschrieben:Die universale Erkenntnis, von der du schreibst - und das ist eine wissenschaftliche Einsicht - gibt es nicht
Verwerfung des Begriffs "universale Einsicht" durch "wissenschaftliche Einsicht" - das stellt die Dinge auf den Kopf. - Es müsste umgekehrt sein: Welche universale Einsicht lässt uns wissenschaftliche Einsicht qualifiziert bewerten? (Ist allerdings schwer und wohl kaum intersubjektiv nachweisbar)

Thaddäus hat geschrieben:Der kritische Rationalismus als methodischer Zweifel innerhalb der Wissenschaften ist ein Segen
Wie Du richtig sagst: "innerhalb der Wissenschaft".

Kant hat irgendwann mal ziemlich spät (ich glaube in einem Brief an einen Freund im Jahr 1797) in etwa gesagt: "Ich habe die Vernunft an ihre Grenzen gebracht, um Platz für den Glauben zu schaffen". - Mit anderen Worten: Kant war sich bewusst, dass es jenseits des menschlich-intellektuell Erfassbaren etwas Qualitatives gibt, was dem Maßstab menschlichen Denkens nicht folgt. - Nicht umsonst wurde (der späte) Kant deshalb als Überwinder der Aufklärer und Türöffner der Romantik charakterisiert (ich kann dies leider jetzt nicht namentlich belegen, weil es einfach zu lange her ist).

Thaddäus hat geschrieben:Ich habe nie behauptet, kein "geistiger" Mensch zu sein.
Und weil Du ein geistiger Mensch bist, hast Du noch Luft nach oben. :)
Zuletzt geändert von closs am Sa 9. Jan 2016, 20:02, insgesamt 2-mal geändert.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#6 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Sa 9. Jan 2016, 19:14

@Münek und Sven:

Eure Beiträge sind eigentlich mit meinem Post an Thaddäus mit-beantwortet (bin jetzt auch müde, weil mich das eine ganze Stunde meines Lebens gekostet hat :D ). - Klinkt Euch doch hier mal ein - das Niveau sollte hier für Euch ausreichend hoch sein (Ihr müsst also nicht herunter-steigen :angel: ).

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#7 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von sven23 » Sa 9. Jan 2016, 19:35

closs hat geschrieben:@Münek und Sven:

Eure Beiträge sind eigentlich mit meinem Post an Thaddäus mit-beantwortet (bin jetzt auch müde, weil mich das eine ganze Stunde meines Lebens gekostet hat :D ). - Klinkt Euch doch hier mal ein - das Niveau sollte hier für Euch ausreichend hoch sein (Ihr müsst also nicht herunter-steigen :angel: ).
Yep, du darfst natürlich weiter schlafen. Süße Träume. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#8 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Sa 9. Jan 2016, 19:54

sven23 hat geschrieben:Yep, du darfst natürlich weiter schlafen.
Und wenn ich aufwache, finde ich eine anspruchsvolle Erwiderung?

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#9 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von Thaddäus » Sa 9. Jan 2016, 21:22

@ closs

I.

Ich sehe durch deine beiden Antworten jetzt klarer, wo deine Missverständnisse liegen und kann gezielter darauf eingehen. Du sitzt vor allem einigen wissenschaftstheoretischen Irrtümern auf, was deine Ansichten zum kritischen Rationalismus, der Bedeutung von Falsifizierbarkeit, dem von dir so genannten "Modellcharakter" der HKM, deine Ansicht, die HKM würde lediglich "Rezeptionen" untersuchen und vor allem deine Überzeugung, es gäbe das tatsächliche historische Geschehen als ein fundamentum inconcussum (= ein festes unkritisierbares Faktum), an dem sich jede Auslegung zu messen habe, belegen.

Lass dir mit deiner Antwort ruhig Zeit. Ich weiß, dass es sehr zäh, mühsam und frustrierend ist, wenn man als einziger eine bestimmte Ansicht vertritt und sich gegen mehrere Mitdiskutanden verteidigen muss. Da viele deiner Ansichten aber wirklich komplett falsch sind, kann ich dir meine Argumente nicht ersparen. Ich erhoffe mir, dass du sie als bessere Argumente zu erkennen vermagst und du dir nicht als Verlierer vorkommst, wenn du ihnen folgen solltest. Verlierer ist man ohnehin nur, wenn man wider die bessere Einsicht zu argumentieren versucht.

Zunächst etwas Grundsätzliches:
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Durch den gesunden Menschenverstand aufgrund der biologischen Unmöglichkeit.
Das ist zu wenig.
Die Jungfrauengeburt Jesu wegen ihrer biologischen Unmöglichkeit zurückzuweisen, ist nicht "zu wenig", sondern das ist ein sehr zentraler Punkt.
Es ist nicht einfach eine zeitgemäße naturalistische Ansicht, zu wissen, dass Jungfrauen keine Kinder gebären. Vielmehr ist es eine grundsätzliche Lebenserfahrung der Menschen - auch schon zur Zeit Jesu -, zu wissen, dass Jungfrauen keine Kinder gebären. So funktioniert die Natur einfach nicht, - heute nicht, vor 2000 Jahren nicht - und davor auch nicht.
Genau darum wird in der Antike von manchen Königen, diversen Göttern und einigen berühmten Menschen behauptet, sie seien von Jungfrauen geboren worden. Ihre Abstammung soll kontrafaktisch wundersam gewesen sein, weil die so Geborenen dadurch als nicht in natürlichen Zusammenhängen stehend aufgewertet werden. Man will mit der Zuschreibung einer Jungfrauengeburt diese Personen und Götter als etwas ganz Besonderes aufweisen.

closs hat geschrieben: WENN man davon ausgeht (...), dass der Mensch aus Gott kommt UND Gott Geist ist, kommt Materie aus Geist. - Ob sich der Geist dabei biologischer Gewohnheiten bedient oder nicht, ist irrelevant.
Du pochst darauf, dass dein Gott-Geist jederzeit die Naturgesetze durchbrechen kann kann, - und machst damit aus ihm eine Art Zauberkünstler. Der ev. Theologe Rudolf Bultmann hat erkannt, dass ein solcher Gott, eigentlich nichts anderes als eine Witzfigur ist, der die von ihm selbst geschaffenen Naturgesetze nach Belieben bricht und jeder Glaube, der sich auf einen solchen zaubernden Witzbold stützt, nur ein lächerlicher Mirakelglaube ist, - also ein Glaube, der sich an der vermeintlichen Gottesmacht festmacht, die Naturgesetze jederzeit brechen zu können.
Das funktionierte vielleicht noch in der Antike, heute aber nicht mehr, denn heute glauben die Menschen dann einfach nicht mehr an Gott, wenn er ihnen nur eine Zaubervorstellung gibt. Dafür ist die Stellung der Naturwissenschaften heutzutage in der Tat zu stark.

Es ist mir wichtig, dass du erkennst, dass du Gott gerade kleinmachst, wenn du ihn zu einem besseren Zauberer degradierst!

closs hat geschrieben: HKM kann dies nicht leisten - dies kann man nur philosophisch/geistig/spirituell/theologisch leisten. - Und dann ist das Ergebnis entweder logisch schlüssig oder nicht - trotzdem wird es unfalsifizierbar bleiben, weil Falsifizierung nur im naturalistischen Kontext möglich ist. - Oder - Verständnisfrage - würdest Du den Begriff "Falsifizierung" auch auf Logik anwenden?
Falsifizierbarkeit bedeutet bei Popper nichts anderes als den Umstand, dass eine Behauptung nur dann wissenschaftlich ernst zu nehmen ist, wenn sie auch falsch sein kann. (Anders als z.B. Dogmen, die per Definition nicht falsch sein können. Die sind gerade nicht wissenschaftlich!).
Jedes Ergebnis der HKM ist in diesem Sinne falsifizierbar, kann sich also als falsch erweisen. Deshalb sind die Ergebnisse der HKM - nach Popper - wissenschaftlich.

Du gehst von der irrigen Annahme aus, die HKM sei ja bloß ein methodisches Modell und deshalb könne sie die Wahrheit nicht letztgültig erkennen. Gleichzeitig nimmst du an, es gäbe das historische Ereignis als fundamentum inconcussum, an dem sich jede Auslegung zu messen habe.

closs hat geschrieben: Genau das ist modellhaft richtig, aber aus Sicht der "tatsächlichen Wirklichkeit" falsch - und ich kann nicht zurückhalten, dass mich Deine diesbezügliche Kurzsichtigkeit etwas erschüttert, gerade WEIL Du ansonsten soviel kapiert hast.
Diese tatsächliche Wirklichkeit, die du hier postulierst, gibt es nicht und zwar deshalb nicht, weil wir eben gerade nicht in eine Zeitmaschine steigen können, um zu beobachten, was tatsächlich geschehen ist!
Das einzige, was es gibt, ist die historisch-kritische Rekonstruktion durch die historisch-kritischen Methoden!

Du schreibst so, als ob du wissen könntest, was die tatsächliche Wirklichkeitgewesen sei, aber du kannst gar nicht wissen, was diese tatsächliche Wirklichkeit gewesen sein soll, außer du rekonstruierst sie mit den Methoden der historisch-kritischen Wissenschaft!
Es existiert keine tatsächliche Wirklichkeit, die du gegen die HKM in Anschlag bringen könntest, denn wie - bitteschön - solltest du von ihr wissen, - es sei denn, du bedienst dich der HKM um zu rekonstruieren, was historisch geschehen sein muss?

Es ist kollossaler Unsinn von dir, hier zu schreiben, du wüsstest von der tatsächlichen Wirklichkeit, an der du die Ergebnisse der HKM messen könntest. Ich möcjhte solchen Schwachsinn hier von dir nicht mehr hören!

II. kommt morgen ...

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#10 Re: Aschera, die Gemahlin Jahwes

Beitrag von closs » Sa 9. Jan 2016, 23:06

Thaddäus hat geschrieben:Ich erhoffe mir, dass du sie als bessere Argumente zu erkennen vermagst
Wenn sie meiner Prüfung statthalten, gerne.

Thaddäus hat geschrieben:Verlierer ist man ohnehin nur, wenn man wider die bessere Einsicht zu argumentieren versucht.
So ist es.

Thaddäus hat geschrieben: So funktioniert die Natur einfach nicht, - heute nicht, vor 2000 Jahren nicht - und davor auch nicht.
Niemand behauptet, dies sei der "normale" natürliche Weg. - Die Frage ist: Kann es sein, wenn Materie Folge von Geist ist - es also etwas gibt, das auf einer höheren Ebene als die Natur in die Natur hinein-agiert. - Aus meiner Sicht ist diese Frage nicht falsifizierbar, weil sie keine naturalistische Frage mehr ist.

Thaddäus hat geschrieben:Man will mit der Zuschreibung einer Jungfrauengeburt diese Personen und Götter als etwas ganz Besonderes aufweisen.
Das ist unter mythischen Gesichtspunkten naheliegend und meinerseits nicht bestritten. - Dass es diese Begründung gibt, beantwortet aber die Frage nicht, ob es durch Geist "real" geht.

Thaddäus hat geschrieben:Der ev. Theologe Rudolf Bultmann hat erkannt, dass ein solcher Gott, eigentlich nichts anderes als eine Witzfigur ist
Ist das naturalistische Verständnis der Maßstab, hat Bultmann recht. - Aber wie will er wissen, ob dieses Verständnis der Maßstab ist? Doch nur auf Grund einer nicht falsifizierbaren Setzung.

Thaddäus hat geschrieben:Dafür ist die Stellung der Naturwissenschaften heutzutage in der Tat zu stark.
Das klingt so, als seien die Naturwissenschaften der ultimative Maßstab für Erkenntnis. - Bei physikalischen Fragen (also letztlich auch biologische Fragen) stimme ich Dir zu, bei geistigen nicht.

Keiner käme auf die Idee, für Werkstoff-Entwicklung, Architektur, Entwicklung chirurgischer Instrumente, etc. einen anderen Maßstab als den naturwissenschaftlichen anzulegen. - Bei Fragen nach der Naherwartung Jesus (ein beliebiges Beispiel) ist das anders.

Thaddäus hat geschrieben:Es ist mir wichtig, dass du erkennst, dass du Gott gerade kleinmachst, wenn du ihn zu einem besseren Zauberer degradierst!
Täte ich dies, hättest Du recht. - Aber hinter Deiner Bemerkung steht schon wieder bewusst oder unbewusst der Gedanke, dass naturalistisches Denken der Maßstab dafür wäre, ob Gott eine Witzfigur ist oder nicht. - Woher willst Du das wissen? ICH weiss es nicht.

Ich wüsste es auch nicht, wenn ich Naturwissenschaftler und sonst noch was wäre. - Denn hätte mich meine Erkenntnis nicht verlassen, dass "Realität" keine abhängige Größe von Wahrnehmung resp. menschengemachten Systemen, Methoden, Wissenschaften sein könne, müsste ich weiter darauf bestehen, dass jegliches Maß und jegliche Erkenntnis des Menschen immer nur Abbilder liefern kann, die im besseren Fall in sich nachweisbar sind, aber nie umfassend. - Der Mensch kann nur erkennen im Rahmen selbst-definierter Systeme - es gibt beim Menschen nur System-Wissen. - Der sokratische Satz "Ich weiss, dass ich nichts weiss" ist wörtlich gemeint und kein Bonmot.

Thaddäus hat geschrieben:Falsifizierbarkeit bedeutet bei Popper nichts anderes als den Umstand, dass eine Behauptung nur dann wissenschaftlich ernst zu nehmen ist, wenn sie auch falsch sein kann.
Genau so verstehe ich Popper auch. - Und was heisst das? Es heisst im Umkehrschluss, dass Nicht-Falsifizierbares nicht behandelbar ist.

Und hier beginnt nun die weltanschauliche, wenn nicht sogar ideologische Maschinerie: Man setzt, dass alles, was sein könne ("Realität") falsifizierbar sein müsse. - Auf dieser Basis kann man schlussfolgern: Jegliche Realität ist kritisch-rationalistisch erfassbar/beurteilbar. - Umgekehrt: Dann ist Gott keine Realität. - Conclusio: Gott ist eine von der Wahrnehmung abhängige Größe - ohne Wahrnehmung gibt es keinen Gott. - Konkret: Vor 900 Millionen Jahren, als es nur Kragengeißeltierchen gab, gab es Gott nicht als Entität, weil keiner da war, der ihn denken konnte. - "Realität" ist also Produkt von Wahrnehmung. - Die Babel-Geschichte ist die Geschichte des Selbst-Maßes als ultimative Orientierungs-Größe des Menschen.

Thaddäus hat geschrieben:Anders als z.B. Dogmen, die per Definition nicht falsch sein können. Die sind gerade nicht wissenschaftlich!
Dogmen selbst sind natürlich nicht wissenschaftlich - die Frage ist, ob die systematischen Herleitungen/Herbeiführungen von Dogmen wissenschaftlich genannt werden dürfen. - Nach heutigem wissenschafts-theoretischen Stand wohl JA.

Außerdem macht es nichts, wenn etwas NICHT wissenschaftlich ist, solange die Wissenschaft nicht aus weltanschaulichen/ideologischen Gründen als TÜV für jegliche Erkenntnis angesehen wird. - Was ist aus Deiner Sicht "Hermeneutik" im Sinne von F-SChlegel und F.Ast? Wissenschaftlich oder nicht? - Wie auch immer: Diese Art von Hermeneutik (ein ziemlich heterogen definierter Begriff - deshalb meine Spezifizierung) ist für geistige Fragestellungen um Längen besser geeignet als der wissenschaftliche Zugang - falls Wissenschaft (im Sinne Poppers) ÜBERHAUPT ein Zugang dazu ist.

Thaddäus hat geschrieben:Du gehst von der irrigen Annahme aus, die HKM sei ja bloß ein methodisches Modell und deshalb könne sie die Wahrheit nicht letztgültig erkennen.
Wieso irrig? - KEIN Mensch und KEINE Methodik kann Wahrheit letztgültig erkennen. - Möglich ist dagegen, dass man einzelne Bereiche wissenschaftlich sauber nachweisen kann. - ALLES in unserer Wahrnehmung ist "Modell" - unsere Wahrnehmung selbst ist ein Modell.

Thaddäus hat geschrieben: es gäbe das historische Ereignis als fundamentum inconcussum, an dem sich jede Auslegung zu messen habe
Moment - ich weiss nicht, was damit genau meinst. (Das Einzige, worauf ich diesen Begriff WIRKLICH anwenden würde, wäre das "Cogito", da hier Subjekt und Objekt, also Wahrnehmung und Realität, identisch sind).

Geschichtlich gesehen wäre allenfalls ein "fundamentum inconcossum", dass das, was geschehen ist, nicht durch Wahrnehmung rückwirkend geändert werden kann - also ontologisch ist das Phänomen an sich und völlig unabhängig von unserer Wahrnehmung ein "fundamentum inconcussum". - Sobald jedoch unsere Wahrnehmung involviert ist, gibt es NIE (bis auf's Cogito) ein "fundamentum inconcussum". - Worauf zielst Du mit der Einführung dieses Begriffs?
Zuletzt geändert von closs am Sa 9. Jan 2016, 23:10, insgesamt 1-mal geändert.

Antworten