Alles Teufelszeug? VI

Hemul
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#1781 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Hemul » Mo 4. Sep 2017, 18:25

fin hat geschrieben: Es gab/gibt scheinbar keine einheitliche Sichtweise, was letztendlich an den Quellen (Schriften) selbst liegt, denn sie sind alles andere als klar und eindeutig, vielmehr rätselhaft und widersprüchlich - davon zeugen die zahlreichen Denominationen, Freikirchen, Sekten ...Der Streit um die wahre Bedeutung biblischer Aussagen beschäftigt das Christentum bis auf den heutigen Tag.
1.Korinther 11:18+19,
18 Zunächst höre ich da von Uneinigkeit bei euren Versammlungen. Etwas Wahres muss wohl daran sein. 19 Allerdings muss es auch zu Spaltungen unter euch kommen, denn nur so wird sichtbar, wer sich im Glauben bewährt hat.
:chapeau:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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Münek
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#1782 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » Mo 4. Sep 2017, 18:42

Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Die unmittelbar bevorstehende Herrschaft Gottes auf Erden beinhaltete gleichzeitig das Zornesgericht Gottes für alle, die Jesu Aufruf zur Umkehr nicht folgten.
Da Jesus nirgends von einer "unmittelbar bevorstehenden Herrschaft Gottes" spricht, spricht er folglich auch nicht von einem "Zornesgericht Gottes". Ich finde keine Stelle, in der Jesus von einer "Gottesherrschaft" oder von einem " unmittelbar bevorstehenden Zornesgericht" spricht.
Jesu predigte von der "NAHE herbeigekommenden Gottesherrschaft" (= Reich Gottes).

Lassen wir mal zum Thema "Gottesgericht" einen Fachmann zu Wort kommen - den renommierten Theologen Gerd Theißen in seinem Buch "Der historische Jesus", S. 241 ff.:


"Gottes endzeitliches Handeln hat im Judentum immer eine Gerichts- und eine Heilsseite. Der Einbruch des Heils, einer neuen Welt unter Got-
tes Herrschaft
, setzt voraus, dass das Böse überwunden wird, und zwar sowohl das mythisch-personifizierte Böse in der Gestalt Satans und sei-
ner Dämonen als auch das geschichtliche Böse in Gestalt der von ihnen beherrschten Menschen unter den Heiden und im Gottesvolk.

Jesus teilt diese dialektische Zuordnung von Heil und Unheil mit allen zeitgenössischen jüdischen Strömungen , mit apokalyptischen Visionären, die über den Untergang der Gottlosen triumphieren, Bußpredigern wie Johannes dem Täufer, der zur Rettung eines Restes das drohende Gericht predigte, oder Zeloten, die das in den Römern gestaltgewordene Böse ausrotten wollten, um die Aufrichtung der Alleinherrschaft Gottes zu beschleunigen.

Trotz der gemeinsamen Grundannahme, dass zunächst das Böse überwunden, die eschatologische Scheidung geschehen muss, ehe das Heil vollendet werden kann, stellt Jesus die Heilsansage ins Zentrum seiner Verkündigung. Vor allem in der basileia-Predigt tritt der Gerichtsas-
pekt
auffallend zurück, ohne jedoch ganz zu fehlen.

Jesus lädt ein, an der Herrschaft Gottes teilzunehmen - doch wer das von ihm in Worten und Taten angebotene Heil nicht annimmt, VERFÄLLT DEM GERICHT, das in Gerichtsworten und -gleichnissen ausgemalt wird."


Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Apostelgeschichte berichtet nichts davon. Alles andere sind fromme Legenden.
Die Apostelgeschichte berichtet auch nichts von der römischen Christenverfolgung oder vom Jüdischen Krieg, der 66 begann, oder der Tempelzerstörung im Jahr 70, oder vom Tod des Paulus.
Was für ein durchschlagendes Argument. :lol:

Roland hat geschrieben:Die Apostelgeschichte entstand vorher.
Nö - die Apostelgeschichte bildet den zweiten Teil des sogenannten "lukanischen Doppelwerkes", indem es an das Lukasevangelium anschließt. Das Evangelium und die Apostelgeschichte bilden formal und inhaltlich eine Einheit. Die Abfassung dieses Evangeliums wird von historisch-kritischen Exegeten auf etwa 80 n.Chr. datiert. Das Markusevangelium, auf das sich Lukas als Quelle stützt, soll etwa um das Jahr 70 n.Chr. niedergeschrieben worden sein.

Roland hat geschrieben:Von allen Aposteln ist trotzdem überliefert, dass sie den Missionsauftrag befolgten, viele Kirchen gehen auf das Wirken der einzelnen Apostel zurück und bis auf Johannes endeten alle im Martyrium. Für selbst erdachte Erfindungen stirbt niemand freiwillig.
Du berufst Dich auf fromme Legenden, die im Neuen Testament keinen Anhalt haben.

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Thaddäus
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#1783 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » Mo 4. Sep 2017, 19:58

Pluto hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Und da wir beim Höhlengleichnis waren: NIEMAND hat objektive Beweise für IRGENDEINE Weltanschauung. Es kann immer maximal um Plausibilität gehen.
Stimmt! Beweisen kann man nicht, aber falsifizieren. :P
Das Höhlengleichnis wurde durch (a) den animierten Tesserakt, und (b) die String-Theorien, in denen man mit bis zu 11 Dimensionen arbeitet, falsifiziert.
Eine interessante Sichtweise, von der mir allerdings völlig unklar ist, wie du darauf kommst.

Zunächst sollte immer bedacht werden: das Höhlengleichnis ist ein Gleichnis, es soll - gleichnishaft - auf ein grundsätzliches, größeres Problem hinweisen! Modern gesehen ist es ein Gedankenexperiment, welches veranschaulichen soll, welche erkenntnistheoretischen Konsequenzen es hat, wenn wir uns vorstellen, wir wären unser Leben lang in einer dunklen Höhle gefesselt und sähen im Feuerschein stets nur die Schatten von allen möglichen Objekten. Da wir nie etwas anderes kennengelernt hätten, würden wir die Schatten der Dinge für die Dinge selbst nehmen und lebten in dem Trugschluss, die Dinge SEIEN ihre Schatten. Nur derjenige, der sich befreien und es aus der Höhle herausschaffte, würde die Dinge im Lichte der Sonne so sehen, wie sie tatsächlich beschaffen sind. Das Höhlengleichnis hat zwar einen etwas anderen Fokus, aber es ist ein genau so skeptisches Szenario, wie das "Brain-in-a-vat-Gedankenexperiment", welches veranschaulicht, dass wir jederzeit auf der Ebene unserer Wahrnehmungen grundsätzlich einer Täuschung unterliegen könnten.

Zum Tesserakt:
Dir ist schon klar, dass wir dreidimensional wahrnehmende Wesen sind und die vierte Zeit-Dimension lediglich als zusätzliche graphische Achse in die dreidimensionale Darstellung eines Würfels hineinprojeziert wird? Deshalb nehmen wir nicht plötzlich vierdimensional wahr. Wir sehen die Animation des Tesseraktes nach wie vor nur dreidimensional.
Inwiefern widerlegt das das Höhlengleichnis?

Zur Stringtheorie:
Dir ist schon klar, dass Mathematiker nicht nur mit 11, sondern mit n-Dimensionen rechnen können? Weder unter 11, noch unter n-Dimensionen kann sich aber irgendwer irgendetwas vorstellen. Wir können damit rechnen, wissen aber im Grunde nicht, was es "bedeutet". Abgesehen davon stellt die 11-Dimensionalität der Stringtheorie ein Problem dar, weil die ganze Theorie dadurch so kompliziert wird und ihre Lösungen so zahlreich werden, dass die meisten Physiker und Mathematiker mittlerweile annehmen, dass die Stringtheorie kein wirklich gutes physikalisches Modell darstellt. Sie ist viel zu wenig von eleganter Einfachheit. Mathematiker mögen so etwas nicht. :)


Ein paar rhetorische Fragen:
Kannst du ausschließen, dass es im Universum Wesen gibt, deren Sinnesapparat tatsächlich in der Lage ist mehr als drei Dimensionen wahrzunehmen? Wie sähe deren "Wirklichkeit" wohl aus? Wir können uns das nicht einmal im Ansatz vorstellen.

Wie sähe wohl die Physik von intelligenten extraterestrischen Wesen aus, die auf einen nachtschwarzen Planeten lebten, der von keiner Sonne und keinem Mond angestrahlt wird (die Wärme und Energie, die sie für ihre evolutionäre Entwicklung brauchten, könnte aus dem heißen Planetenkern kommen) und die deshalb keine Augen entwickelt haben. Glaubst du, die hätten eine optische Physik und wüssten, was eine Spektralanalyse ist oder Lichtbrechung? Oder sie könnten das Lichtspektrum nach Farben sortieren? Vielleicht würden sie über technische Werkzeuge herausfinden, dass es überhaupt so etwas wie Licht gibt, aber könnten sie je feststellen, wie hoch die Lichtgeschwindigkeit ist? Wie sähe deren "Wirklichkeit" aus?

Unser Erkenntnisapparat ist durch unseren dreidimensional wahrnehmenden Sinnesapparat grundsätzlich eingeschränkt in dem, was wir als Wirklichkeit erkennen können. Zumindest kann man sich vorstellen, dass es einen komplexeren Sinnesapparat als den menschlichen geben könnte.

Ich glaube nicht, dass deine Beispiele das skeptische Szenario des Höhlengleichnisses widerlegen können.

JackSparrow
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#1784 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von JackSparrow » Mo 4. Sep 2017, 20:45

Thaddäus hat geschrieben:Es muss etwas geben, das alle diese unterschiedlichen Gegenstände zu "Tischen" macht.
Es kann auch je nach Zielgruppe und Verwendungszeck sehr viele verschiedene Auffassungen darüber geben, in welchen Fällen ein physikalisches System als ein Tisch zu bezeichnen ist.

DAS ist das Wesen des Tisches.
Das ist sprachliche Flexibilität.

Dieses Universelle, welches alle Tische überhaupt erst zu Tischen macht,
existiert nicht.

Ihre Lage ist ein Gleichnis für die prinzipielle Begrenztheit des menschlichen Sinnesapparates, der, wenn man seine Begrenztheit nicht erkennt, zu dem naiven Trugschluss führt, er ließe einem die Wirklichkeit so erkennen, wie sie ist.
Mein Sinnesapparat hat sich über Millionen von Jahren Evolution dahingehend entwickelt, dass ich genau diejenige Wirklichkeit als seiend erkenne, die für mein Überleben nützlich und sinnvoll ist. Es wäre ein naiver Trugschluss zu glauben, die Wirklichkeit anderer Lebewesen oder gar die Fantasiegebäude antiker Philosophen seien irgendwie wahrer oder wirklicher als meine eigene Wirklichkeit.

Was glaubst du, wie deine Wirklichkeit aussähe, wenn du nicht nur das eng begrenzte Lichtspektrum sähest, für das deine Augen kompatibel sind, sondern auch ultra-violettes und infrarotes Licht.
Da kann ich glauben was ich will, es bliebe trotzdem meine Fantasie und eben keine Wirklichkeit.


Roland hat geschrieben:An Jesus glauben, also auf ihn vertrauen, kann man doch nur, wenn man zuvor erkannt hat, dass man Sünder ist.
Denk doch mal logisch: Sich für einen Sünder halten, also auf die eigene Wertlosigkeit und Verdorbenheit vertrauen, kann man doch erst, wenn man zuvor beschlossen hat, dass man an Jesus glauben will.

Aber wer gar nicht erst einsieht, dass er gerettet werden muss und folglich auch nicht "umkehrt" und sich an Gott wendet und die Vergebung nicht in Anspruch nimmt, sondern das alles ablehnt, der kann auch nicht damit rechnen gerettet zu werden.
Ich möchte es in gern in Anspruch nehmen. Richte deinem Gott bitte aus, er möge mir den Dienstleistungsvertrag inklusive einer Liste meiner erlösungsbedürftigen Sünden sowie einem Kostenvoranschlag in Schriftform zukommen lassen.
Zuletzt geändert von JackSparrow am Mo 4. Sep 2017, 21:10, insgesamt 1-mal geändert.

Roland
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#1785 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Roland » Mo 4. Sep 2017, 21:04

fin hat geschrieben: Ja, die Geschichte von Eden ist Teil der christlichen Rahmengeschichte, ich halte aber ihre Erklärung, wie auch viele andere biblischen Zusammenhänge und Aussagen nicht nur für rätselhaft, sondern auch für äußerst fragwürdig. Das abrahamitische Erbe steckt voller Widersprüche, das betrifft nicht nur die Differenzen zwischen den abrahamitischen Religionen, sondern auch die einzelnen Zweige für sich genommen, die christliche Genese scheint hier keine Ausnahme zu bilden. Woran lag/liegt das? Es gab/gibt scheinbar keine einheitliche Sichtweise, was letztendlich an den Quellen (Schriften) selbst liegt, denn sie sind alles andere als klar und eindeutig, vielmehr rätselhaft und widersprüchlich - davon zeugen die zahlreichen Denominationen, Freikirchen, Sekten ...
Oh ja, die Bibel ist wie Jesus: menschlich und göttlich zugleich. Manchmal wünschte ich mir auch, ich könnte alles glasklar verstehen und es gäbe keinerlei Rätselhaftes und keinerlei Geheimnisse. Aber offenbar sind wir noch nicht so weit.

"Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin." 1. Kor. 13,12

Hier lässt übrigens Platons Höhlengleichnis grüßen. Gott mutet uns zu, dass wir "nicht sehen und doch glauben" sollen (Joh. 20, 29).

fin hat geschrieben: Der ursprüngliche Mensch wurde Verhältnissen/Mächten überlassen, die er als kleiner Mensch überhaupt nicht einehen & einschätzen konnte. Er war auf einmal mit Kräften und Wirklichkeiten konfontiert, die ihn nicht nur entführt, sondern zugleich auch in Verhältnisse verbracht haben, die ihn seither entstellen und entfremden ...
Woher weißt du das denn, dass der Mensch nichts davon einsehen und einschätzen konnte?
Damit sagst du, dass Gott ungerecht ist.

fin hat geschrieben:
"Ich will den Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein. 8 Der Verzagten aber und Ungläubigen und Greulichen und Totschläger und Hurer und Zauberer und Abgöttischen und aller Lügner, deren Teil wird sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt; das ist der andere Tod."
(Offenbarung 21:6f)
Zwischen Verzagten und böswilligen Geschöpfen wird nicht unterschieden, sondern sie werden in den gleichen Topf geschmissen und am Ende eben auf jene Weise entsorgt, wie der arme Hummer in unserer heutigen Welt, der allerdings nur für wenige Sekunden (Minuten?) leiden muß, während er lebendig verbrüht ...
Kenne diese Übersetzung nicht. Eigentlich muss es hier heißen "Die Feigen aber und Ungläubigen…" so steht es in jeder der gängigen Übersetzungen. Egal, wie dem auch sei: Ich bin sicher, dass Gott am Ende jedem Menschen in seinem tiefsten Wesen gerecht werden wird. Er kennt uns besser als wir selbst, bis ins letzte Molekül - und er ist gerecht. Das soll mein Glaube sein.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Wir können uns weder umdrehen, noch die Höhle verlassen.
Das können Gottesgläubige meines Wissens auch nicht. Auch diese sehen nur "Schatten" an der Höhlenwand.
Genau. Siehe oben, 1. Kor. 13,12.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Da Jesus nirgends von einer "unmittelbar bevorstehenden Herrschaft Gottes" spricht, spricht er folglich auch nicht von einem "Zornesgericht Gottes". Ich finde keine Stelle, in der Jesus von einer "Gottesherrschaft" oder von einem " unmittelbar bevorstehenden Zornesgericht" spricht.

Jesu predigte von der "NAHE herbeigekommenden Gottesherrschaft" (= Reich Gottes).

Lassen wir mal zum Thema "Gottesgericht" einen Fachmann zu Wort kommen - den renommierten Theologen Gerd Theißen in seinem Buch "Der historische Jesus", S. 241 ff.:
Du zitierst einen HKMler, der in dem Zitat viele Behauptungen aufstellt aber nix biblisch begründet. Der zwar von "zeitgenössischen jüdischen Strömungen" und von den Zeloten erzählt aber die eindeutigen Bibelstellen, die ich jetzt mehrfach genannt habe, die gegen die Erwartung einer unmittelbar bevorstehenden "Gottesherrschaft" sprechen, nennt er nicht.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Die Apostelgeschichte berichtet nichts davon. Alles andere sind fromme Legenden.
Die Apostelgeschichte berichtet auch nichts von der römischen Christenverfolgung oder vom Jüdischen Krieg, der 66 begann, oder der Tempelzerstörung im Jahr 70, oder vom Tod des Paulus.
Was für ein durchschlagendes Argument.
Genau! Irgendwann war die Apg. ein abgeschlossenes Werk. Das Martyrium der Apostel fand später statt.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Die Apostelgeschichte entstand vorher.
Nö - die Apostelgeschichte bildet den zweiten Teil des sogenannten "lukanischen Doppelwerkes", indem es an das Lukasevangelium anschließt. Das Evangelium und die Apostelgeschichte bilden formal und inhaltlich eine Einheit. Die Abfassung dieses Evangeliums wird von historisch-kritischen Exegeten auf etwa 80 n.Chr. datiert. Das Markusevangelium, auf das sich Lukas als Quelle stützt, soll etwa um das Jahr 70 n.Chr. niedergeschrieben worden sein.
Das Hauptargument einer Spätdatierung ist lt. Wikipedia folgendes: "Bei der im Markusevangelium beschriebenen Zerstörung Jerusalems (in der Endzeitrede) handle es sich nicht um eine echte Prophetie… Da das Lukasevangelium das Markusevangelium als Quelle benutzt habe, müsse das Lukasevangelium zwangsläufig später entstanden sein. Wegen der angenommenen Autorengleichheit von Lukasevangelium und Apostelgeschichte könne somit die Apostelgeschichte nicht ums Jahr 60 datiert werden."
Also Prophetien gibt es nicht, darf es nicht geben, folglich stammt die Apg. nicht aus dem Jahr 60. Ein Argument aus weltanschaulicher Voreingenommenheit.

Die Argumente für die Datierung um das Jahr 60 sind hundertmal plausibler.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

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Thaddäus
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#1786 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » Mo 4. Sep 2017, 21:09

JackSparrow hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es muss etwas geben, das alle diese unterschiedlichen Gegenstände zu "Tischen" macht.
Es kann auch je nach Zielgruppe und Verwendungszeck sehr viele verschiedene Auffassungen darüber geben, in welchen Fällen ein physikalisches System als ein Tisch zu bezeichnen ist.
Nö, wenn du einen Gegenstand als Tisch benutzt und ihn so bezeichnest, muss es Eigenschaften geben, die dich den Gegenstand unter den Begriff "Tisch" subsumieren lassen können.

JackSparrow hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:DAS ist das Wesen des Tisches.
Das ist sprachliche Flexibilität.
DAS lässt dich den Tisch überhaupt erst als Tisch erkennen und sprachlich so bezeichnen.

JackSparrow hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Dieses Universelle, welches alle Tische überhaupt erst zu Tischen macht,
existiert nicht.
Wenn das nicht existierte, könntest du nicht über Tische sprechen und könntest sie auch nicht als solche erkennen. Wie denn?

JackSparrow hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ihre Lage ist ein Gleichnis für die prinzipielle Begrenztheit des menschlichen Sinnesapparates, der, wenn man seine Begrenztheit nicht erkennt, zu dem naiven Trugschluss führt, er ließe einem die Wirklichkeit so erkennen, wie sie ist.
Mein Sinnesapparat hat sich über Millionen von Jahren Evolution dahingehend entwickelt, dass ich genau diejenige Wirklichkeit als seiend erkenne, die für mein Überleben nützlich und sinnvoll ist.
Was offensichtlich schon eine eingeräumte Beschränktheit unserer Wirklichkeitsauffassung darstellt!

JackSparrow hat geschrieben:Es wäre ein naiver Trugschluss zu glauben, die Wirklichkeit anderer Lebewesen oder gar die Fantasiegebäude antiker Philosophen seien irgendwie wahrer oder wirklicher als meine eigene Wirklichkeit.
Wenn du mit der offenkundigen Beschränktheit einer bloß evolutionären Entwicklung deines Wahrnehmungsappartes Wirklichkeit erkennen kannst, dann ist das offenkundig nur der evolutionär sich ausgebildet habende Ausschnitt der Wirklichkeit, die du wahrnimmst.

JackSparrow hat geschrieben:Was glaubst du, wie deine Wirklichkeit aussähe, wenn du nicht nur das eng begrenzte Lichtspektrum sähest, für das deine Augen kompatibel sind, sondern auch ultra-violettes und infrarotes Licht.
Da kann ich glauben was ich will, es bliebe trotzdem meine Fantasie und eben keine Wirklichkeit.[/quote]
Wenn es dir dein evolutionär ausgebildeter Sinnesapparat erlaubte, auch ultra-violettes und infrarotes Licht wahrnehmen zu können, dann würdest du zweifelsfrei einen größeren Ausschnitt der Wirklichkeit wahrnehmen.

Also hat Platon mit seinem Höhlengleichnis grundsätzlich recht ...

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#1787 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von JackSparrow » Mo 4. Sep 2017, 21:34

Thaddäus hat geschrieben:Nö, wenn du einen Gegenstand als Tisch benutzt und ihn so bezeichnest, muss es Eigenschaften geben, die dich den Gegenstand unter den Begriff "Tisch" subsumieren lassen können.
Ja, und wenn verschiedene menschliche Gehirne in verschiedenen Situationen verschiedene Eigenschaften zum Tisch subsummieren, dann existiert offensichtlich kein universales transzendentes Wesen eines Tisches.

Was offensichtlich schon eine eingeräumte Beschränktheit unserer Wirklichkeitsauffassung darstellt!
Beschränktheit? Ich nenne es Perfektion.

Wenn du mit der offenkundigen Beschränktheit einer bloß evolutionären Entwicklung
Welche Form von Entwicklung würdest du stattdessen vorschlagen?

Wenn es dir dein evolutionär ausgebildeter Sinnesapparat erlaubte, auch ultra-violettes und infrarotes Licht wahrnehmen zu können, dann würdest du zweifelsfrei einen größeren Ausschnitt der Wirklichkeit wahrnehmen.
Meine Wirklichkeit ist nicht weniger echt als die Wirklichkeit einer Fledermaus. Nicht echt sind Fantasien über hypothetische Wirklichkeiten. Eben deshalb heißt es "Fantasie".

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#1788 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von SilverBullet » Mo 4. Sep 2017, 21:55

Thaddäus hat geschrieben:Nö, wenn du einen Gegenstand als Tisch benutzt und ihn so bezeichnest, muss es Eigenschaften geben, die dich den Gegenstand unter den Begriff "Tisch" subsumieren lassen können.
…
Wenn das nicht existierte, könntest du nicht über Tische sprechen und könntest sie auch nicht als solche erkennen.
Stell dir einen Inuit/Eskimo vor, der immer nur einen Eisblock als „Tisch“ kennen gelernt hat.

Wenn er zum ersten Mal einer ebenen Holzplatte auf vier Beinen begegnet, wird er dies als Möglichkeit erkennen, etwas oben drauf zu stellen, aber er wird das Gebilde nicht als „Tisch“ bezeichnen.

=> Wie geht das? Wieso kann er einen Teil seines „Tisches“ wieder erkennen und verwenden?

Wenn der Eskimo den Besitzer des Holztisches trifft und lernt, dass dieser in dem Holzgestell auch einen „Tisch“ sieht, dann wird der Eskimo bestimmt sein Konzept von „Tisch“ abstrahieren (z.B. fällt die Geschlossenheit und die Materialgrundlage weg).

=> Wie geht das? Wieso kann sich das „Konzept von Tisch“ derart variabel anpassen?

Wenn das Konzept „existiert“, was geschieht dann bei der jeweiligen „Veränderung“ mit dem Konzept (Form-, Gewicht-, Grössenänderung?)

=> Aus was ist das „Konzept Tisch“?

(=> Aus was ist „Bedeutung“?)

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Münek
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#1789 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » Mo 4. Sep 2017, 22:14

Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Wir können uns weder umdrehen, noch die Höhle verlassen.
Das können Gottesgläubige meines Wissens auch nicht. Auch diese sehen nur "Schatten" an der Höhlenwand.
Genau. Siehe oben, 1. Kor. 13,12.
Dann sind wir uns einmal einig. Christen glauben demnach, dass sie nach ihrem Tod die Platonsche Höhle verlassen und ins helle Licht treten können. Im hier und jetzt aber haben sie anderen Menschen nichts an Erkenntnis voraus.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Lassen wir mal zum Thema "Gottesgericht" einen Fachmann zu Wort kommen - den renommierten Theologen Gerd Theißen in seinem Buch "Der historische Jesus", S. 241 ff.: [/b]
Du zitierst einen HKMler, der in dem Zitat viele Behauptungen aufstellt aber nix biblisch begründet. Der zwar von "zeitgenössischen jüdischen Strömungen" und von den Zeloten erzählt aber die eindeutigen Bibelstellen, die ich jetzt mehrfach genannt habe, die gegen die Erwartung einer unmittelbar bevorstehenden "Gottesherrschaft" sprechen, nennt er nicht.
Mit Deiner Meinung, Jesus habe NICHT die unmittelbar bevorstehende Gottesherrschaft (= das Reich Gottes) verkündigt, stehst Du ziemlich allein da. Diese Botschaft stand schließlich im Zentrum seiner Predigt. Einigen seiner Jünger versicherte er kurz vor seinem Tod:

"Genau so sollt IHR erkennen, wenn IHR all das geschehen seht, dass das Reich Gottes nahe ist. Amen ich sage euch: DIESE Generation wird nicht vergehen, bis alles eintrifft."

Roland hat geschrieben: Das Martyrium der Apostel fand später statt.
Von einem Martyrium der Jünger berichten die neutestamentlich Schriften nichts. Auch nichts von deren weltweiter Heidenmission.

Roland hat geschrieben:Also Prophetien gibt es nicht, darf es nicht geben, folglich stammt die Apg. nicht aus dem Jahr 60. Ein Argument aus weltanschaulicher Voreingenommenheit. Die Argumente für die Datierung um das Jahr 60 sind hundertmal plausibler.
Für Dich mögen sie hundertmal plausibler sein. Für mich sind sie alle andere als überzeugend. Ich vertraue den Ergebnissen der professionell betriebenen historisch-kritischen Forschung, weil sie sich bei ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit nicht von subjekti-
ven Glaubensvorstellungen beeinflussen lässt. Gerade ihre Objektivität zeichnet Wissenschaft aus.


Wie Dritte ihre Ergebnisse bewerten, interessiert die Bibelwissenschaft nicht. Die Karawane zieht weiter...

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#1790 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » Mo 4. Sep 2017, 23:01

Münek hat geschrieben:Jesus lädt ein, an der Herrschaft Gottes teilzunehmen - doch wer das von ihm in Worten und Taten angebotene Heil nicht annimmt, VERFÄLLT DEM GERICHT, das in Gerichtsworten und -gleichnissen ausgemalt wird."
Ich denke, der Theologe Theißen hat es auf den Punkt gebracht. Insgesamt siebenmal warnte Jesus mit seinem Spruch "da wird sein Heulen und Zähneklappern" vor den Qualen der Hölle.

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