Münek hat geschrieben:Das hat nichts mit dem Thema/meiner Feststellung zu tun, dass sich Paulus NICHT für den irdischen Jesus interessierte, stattdessen ein eigenes Evangelium verkündigte, das mit Jesu zentralen Botschaft nichts mehr zu tun hatte.
Das ist bestenfalls aus Sicht Deiner Hermeneutik richtig. - Ansonsten versteht Paulus Jesu zentrale Botschaft anders als Du.
Zudem bedeutet "Jesus im Fleisch" nicht "Mich interessiert der reale Jesus nicht" (so albern kommt es Deinerseits rüber), sondern "Mich interessiert das im fleischlichen Jesus offenbarte Geistige, das über dessen leiblichen Tod hinaus wirkt".
Münek hat geschrieben:Dann behaupte doch nicht, Pauli nachweisliches Desinteresse am historischen Jesus sei das Ergebnis irgendeiner Hermeneutik, obwohl die historischen Fakten genau das Gegenteil belegen.
Paulus IST an "Jesus als Mensch" (also "irdisch") selbstverständlich interessiert - aber nicht in dessen Fleischlichkeit, sondern in dessen Geistigkeit.
Außerdem: Pauli Haltung dazu "IST" - sie ist nicht ERGEBNIS einer Hermeneutik. - Nichts, was "ist", ist Ergebnis einer Hermeneutik.
sven23 hat geschrieben:Wenn er die historisch-kritische Methode für unerlässlich hält, sollte er sich auch an deren Definition und Arbeitsweise halten.
Moment: Man sollte zwischen dem, wofür HKM wissenschaftlich steht, und dem, was daraus hermeneutisch gemacht wird, unterscheiden.
sven23 hat geschrieben:Er macht aber das Gegenteil und vergöttert das dogmatische Glaubenskonstrukt aus dem 4. Jahrhundert und interessiert sich nicht für die ursprünglichen Absichten der Verfasser. Diese sind aber gemäß historisch-kritischer Methode unerläßlich zum Textverständnis.
1) Er macht nicht "das Gegenteil".
2) Er vergöttert nicht menschliche Konstrukte aus dem 4. Jh.
3) Er interpretiert die Absichten der Verfasser möglicherweise anders als dies HKM-Vertreter tun.
4) Er verwechselt nicht Text-Verständnis mit Sinn-Verständnis.
Münek hat geschrieben:Wissenschaftliche Exegese ist aber nun mal kein Wunschkonzert.
Richtig - deshalb sollte man sich immer seiner jeweiligen Hermeneutik bewusst sein.
Münek hat geschrieben: Was Du suchst, findest Du im "Katechismus der Katholischen Kirche" (KKK).
Nein - dessen Hermeneutik ist nicht die meinige.
Münek hat geschrieben:Dass sich Ratzinger in seinem Jesusbuch gegen die eindeutigen Festlegungen der "Päpstlichen Bibelkommission" stellt, ist wohl seinem altersstarren Dogmatismus geschuldet.
DU kapierst etwas nicht, weshalb der andere schuld daran ist. - Ich habe Dir mehrfach erklärt, warum es keinen Widerspruch zwischen den Äußerungen der Kommission und des Jesus-Buches gibt.
Pluto hat geschrieben:Die Bibel ist ein Buch mit (religiösen) Texten. Warum ist es nicht ausreichend, den Text als solchen zu untersuchen.
"Als solchen" untersuchen alle den Text - das führt nicht weiter. - Der Unterschied besteht darin, ob man einen Text von außen analysiert oder von innen versteht.
Mit anderen Worten: Wenn man die Ilias, die Bibel oder De Bello Gallico nach dem üblichen geschichtswissenschaftlichen Modus untersucht, kommt man (wenn man wissenschaftlich gut beraten ist) "nur" zu Sachaussagen:
* Die "Ilias" nimmt Bezug auf andere literarische Quellen wie (ich erfinde jetzt etwas) indogermanisch Mythen - siehe Belege dafür.
* Die "Bibel" bedient sich in ihrer Bildsprache antiker Traditonen - siehe Belege dafür.
* "De Bello Gallico" ist eine Mischung aus Geschichtsschreibung und Selbstdarstellung Caesars - siehe Belege dafür.
Und natürlich gehört noch viel mehr in den Bereich "Sachaussagen" - dazu müsste ich jetzt einschlägige strikt wissenschaftliche Kriterien aus Fachbüchern oder gar aus wik abschreiben. - Aber es gehört NICHT dazu, Sätze über die zu sagen, ÜBER die geschrieben wird ("Zeus hat Leda nicht geliebt" oder "Orgetorix <über den Caesar schreibt> hat sich folgendes ... dabei gedacht"). - Im Gegenteil: Gerade die HKM fokussiert sich darauf, was die VERFASSER gedacht haben KÖNNTEN ("Aber es könnte auch ganz anders gewesen sein", würde Theißen hinzufügen).
Und dann kann man sagen:
" Der Verfasser der Ilias hat sich - nimmt man alle Erkenntnisse, die wir haben, zusammen - möglicherweise gedacht, dass ..."
" Der/die Verfasser der Königs-Bücher waren aus folgenden ... belegbaren Gründen mehrheitlich aus dem Nordreich/Südreich, da belegbar ist, dass geschichtlich Nachweisbares tendenziell zu Gunsten des Nordreichs/Südreichs ausgelegt werden".
"Es spricht einiges dafür, dass Caesar Orgetorix deshalb so darstellt, weil er belegbares Interesse hatte, dass er in diesem Licht erscheint".
Aber damit hat es sich auf HKM-Ebene auch schon. - Übertragen auf die Bibel:
Die Bibel versteht man entweder historisch-kritisch - also aus Rezeptions-Sicht. - Oder man versucht die Bibel vom Original her, also von Gott/Jesus aus, also geistig, zu verstehen. - Beides ist voll ok - aber es ist ganz Unterschiedliches.
Deshalb ist es so albern, der anderen Sichtweise vorzuwerfen, sie wäre in der eigenen Sichtweise nicht brauchbar. - Das ist, erstens, richtig. - Zweitens ist es so, als würde man einem Schachspieler vorwerfen, er sei im Rugby nicht brauchbar - was natürlich umgekehrt ebenfalls nicht geht. - Also: Falscher Weg.
Pluto hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Aus diesem Grund stimmt Closs Ratzinger zu, wenn dieser einerseits sagt, dass die HKM unerläßlich FÜR das Verständnis der Bibel sei, aber eben nicht DAS Verständnis der Bibel ist.
Wie begründet Ratzinger diese erstaunliche Behauptung?
Das ist logische Folge von Grundlagen-Erkenntnissen. - Die spirituelle Hermeneutik versucht den Text geistig zu verstehen: "Was ist damit geistig gemeint? Was steckt hier geistig dahinter?".
Diese Frage kann die HKM per methodischer Rahmenbedingungen nicht beantworten - allerdings ist die HKM nützlich (Ratzinger sagt sogar "unerläßlich"), damit man auf der Ebene spiritueller Hermeneutik besser geistig verstehen kann.
Mit anderen Worten: Die historisch-kritische Hermeneutik ist aus Sicht Ratzingers der spirituellen Hermeneutik vorgeschaltet - das sehe ich (auch ohne Ratzinger) genauso. - Wie soll es anders gehen?