Alles Teufelszeug? IX

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Münek
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#261 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Mo 19. Mär 2018, 23:55

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: entscheidend ist allein, ob die Worte und Reden Jesu im Johannesevangelium historisch sind
Nein - letztlich ist entscheidend, ob sie im Geiste des wirklichen Jesus sind.
Das wird ja gerade bezweifelt, wenn man Jesu Worte und Reden mit denen der Synoptiker vergleicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:LESEN, Kurt - das kannst Du in Ratzingers Jesusbuch (Bd. 1, S. 260 - 281) nachlesen.
Schon wieder? - Dann guckst Du:
S. 261 Papyrus-Funde 1. Jh.
S. 262 Bultmann = hohe Wissenschaftlichkeit schützt nicht vor tiefgehenden Irrtümern
S. 266 Neben Hengel die Nennung von Namen der neueren Exegetik mit anderen ERgebnissen als Bultmann
S. 266 ff etc.
Du hast tatsächlich nachgelesen? Bravo. :clap:

Dann werden ja jetzt Deine Zweifel zerstreut sein, dass Ratzinger - wie ich behauptet habe - tatsächlich auf die Autorenschaft des Lieblingsjüngers Johannes größten Wert legt.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:"Heilsgeschichte" wiederum ist ein Glaubensbegriff, mit dem seriöse Wissenschaft nicht anzufangen vermag.
Falsch. - "Heilsgeschichte" ist ein Begriff, der nicht in die Methodik der historisch-kritischen Exegese passt.
Nichts anderes habe ich geschrieben.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich zähle die verschiedenen gläubigen Gottesreichsvorstellungen noch einmal auf.
Das ist nicht das Problem.
Doch - stimmt es Dich nicht nachdenklich, dass vier verschiedene Versionen der Gottesherrschaft aus gläubiger Sicht zur Auswahl stehen?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Und: Natürlich meint Jesus "Gottesherrschaft" "real" im Sinne von "in der Welt" - aber doch nicht so, dass Gott samt Entourage auf die ERde=kommt und in Jerusalem anstelle von Pilatus und Co einzieht - es geht NICHT um eine weltliche, "politische" Herrschaft. - So ist "basilea" nicht gemeint.
Wie denn dann?
Als Nahsein und Dasein im Menschen und in der Welt.
Oooch - für einen frommen Juden war das eine Selbstverständlichkeit.

closs hat geschrieben:Vorsicht: NICHT als psychologische Größe, sondern als Entität im Menschen.
Das Gottesreich als Entität im Menschen. :shock: Also das hat Jesus ganz bestimmt nicht gemeint, als er die nahe Gottesherrschaft verkündigte. Da wird Dir keiner folgen. Was hältst Du von den drei anderen Modellen einer Gottesherrschaft?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nee - ich denke, Ratzinger hat sich klar ausgedrückt, als er in seinem Jesusbuch (Bd. 1 S. 14) schrieb:

"Für den biblischen Glauben ist es wesentlich, dass er sich auf wirklich historisches Geschehen bezieht. Er erzählt nicht Geschichte als Symbole über geschichtliche Wahrheiten, sondern er gründet auf Geschichte, die sich auf dem Boden dieser Erde zugetragen hat. Das Factum historicum ist für ihn nicht eine auswechselbare symbolische Chiffre, sondern konstitutiver Grund."

Wie Du siehst, hat Ratzi - im Gegensatz zu Dir - mit "Chiffren" nichts im Sinn .
Quatsch - er kennt sehr viel länger als ich den Unterschied zwischen historischer Realität und Gleichnis/Chiffre/Metapher.
Eeeben - deshalb warnt er ja ausdrücklich davor, historische Ereignisse als Chiffren anzusehen.

closs hat geschrieben:Und versteh halt Dein Zitat von ihm: "Das Factum historicum ist für ihn nicht eine auswechselbare symbolische Chiffre, sondern konstitutiver Grund."- Das heißt nicht, dass es keine Chiffren/Gleichnisse GIBT, sondern dass das Christentum selbst keine Chiffre IST.
Nein - Ratzinger spricht von konkreten historischen Geschehnissen und nicht vom Christentum.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Auferweckung Jesu ist allein Gegenstand des persönlichen Glaubens. Damit hat wissenschaftliche Exegese bekanntlich nichts am Hut.
Wenn sie im sachlichen Bereich bleibt und nicht hermeneutisch interpretiert, ist das vollkommen richtig
Da die HKM mit Wundern nichts am Hut hat, ist Deine Bemerkung überflüssig.

closs hat geschrieben:das ist mit "apriorifrei" gemeint.
Eben - deswegen äußert sich die HKM NICHT zum überlieferten Wunder der Auferweckung Jesu.

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#262 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Di 20. Mär 2018, 00:39

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ratzinger waren die jahrhundertealte historisch-kritische Exegese und deren Ergebnisse natürlich sehr gut bekannt. An deren Methodik und ihren Resultaten hat sich bis 2006 ja nichts geändert. Also diesbezüglich hatte Ratzi keinen Grund, enttäuscht zu sein.
Klar hat er das gewusst - aber er wollte die HKM einfangen, indem er ihr das Angebot macht, "sich zum Geistigen hin zu öffnen".
Mit anderen Worten, er wollte den Glauben durch die Hintertür ins wissenschaftlich ausgerichtete Lager der historisch-kritisch forschenden Exegeten einschmuggeln. Tja - auch hochintelligente Menschen sind gegen naive Anwandlungen nicht gefeit.

closs hat geschrieben:Die kanonische Exegese ist der Versuch, einen unbefriedigenden Status Quo mit Zuckerbrot zu ändern.
Ja - für den alten Ratzi war der Status Quo (Dominanz der HKM an den Universitäten) gewiss frustrierend. Darum sein Ausraster im Affekt. Er wünschte sich, dass in der Exegese Gott endlich zu Wort kommt und kein Mauerblümchen-Dasein mehr führt.

Da hat der "Stellvertreter Christi auf Erden" aber die Rechnung ohne den "Fürsten dieser Welt" :devil: gemacht. Was sollte sein "Zuckerbrot" bewirken, wenn sämtliche Theologieprofessoren der Exegese vom "Leibhaftigen" besessen sind? :devil: Der Ponifex hätte erstmal eine Ar-
mee von Exorzisten an die theologischen Fakultäten schicken müssen, um der ganzen Teufelsbrut :devil: den Garaus zu machen.

:lol: :lol: :lol:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Nachvollziehbar ist, dass ihm die Dominanz der historisch-kritischen Exegese an den theologischen Fakultäten im Laufe der Zeit ganz gewaltig gegen den Strich gegangen ist. Deshalb sein Anti-Christ-Ausraster
Richtig - das war dann die Peitsche.
Das war keine Peitsche, sondern ein Eigentor. Für seinen absurden Anti-Christ-Vorwurf gegenüber der HKM ist er von Theologen zu recht kräftig abgewatscht worden.

closs hat geschrieben:Was ist die Folge: Die HKM spielt innerhalb der Theologie nach wie vor als sachlich-neutrale Disziplin eine große Rolle.
Richtig - sie ist die Anwältin und die alleinige Auslegerin der biblischen Schriften. Das solltest Du bei Deinem Wunsch, sie zur Hilfswissenschaft zu degradieren, nie aus den Augen verlieren.

closs hat geschrieben:ansonsten ziehen die beiden Karawanen ihres Wegs.
Die katholische Kirche ist ein erstarrter Monolith. Da bewegt sich nichts.

closs hat geschrieben:Da hat sich was nachhaltig getrennt.
Schon seit Beginn der Aufklärung. Den Göttern sei Dank. :)
Zuletzt geändert von Münek am Di 20. Mär 2018, 01:12, insgesamt 1-mal geändert.

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#263 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Di 20. Mär 2018, 01:03

Münek hat geschrieben:Das wird ja gerade bezweifelt, wenn man Jesu Worte und Reden mit denen der Synoptiker vergleicht.
ERstens ist das unter geistig-inhaltlichen Gesichtspunkten eine Interpretationsfrage. - Zweitens ist das nicht der Maßstab, wenn man theologisch prüft.

Münek hat geschrieben:Dann werden ja jetzt Deine Zweifel zerstreut sein, dass Ratzinger - wie ich behauptet habe - tatsächlich auf die Autorenschaft des Lieblingsjüngers Johannes größten Wert legt.
Dass er auf ihn Wert legt, war doch nicht die Frage.

Münek hat geschrieben:stimmt es Dich nicht nachdenklich, dass vier verschiedene Versionen der Gottesherrschaft aus gläubiger Sicht zur Auswahl stehen?
Auch das wäre zu interpretieren. - Sind diese Sichten widersprüchlich gemeint? - Werden sie nur widersprüchlich interpretiert?

Münek hat geschrieben:Was hältst Du von den drei anderen Modellen einer Gottesherrschaft?
Tema con variazione. - Verschiedene Offenbarungs-Umsetzungen der selben Sache - sicherlich gelegentlich auch pro domo.

Münek hat geschrieben:Das Gottesreich als Entität im Menschen. :shock: Also das hat Jesus ganz bestimmt nicht gemeint, als er die nahe Gottesherrschaft verkündigte.
Es ist zwar meinerseits sehr grundlegend formuliert, aber anders kann es nicht gewesen sein - denn die Alternative wäre "Gott-Nähe als Vorstellung", was genau NICHT gemeint sein sollte. - Oder eben "Gott-Nähe mit irdischem Glanz und Gloria" (Deine Variante) - passt ebenfalls hinten und vorne nicht.

Münek hat geschrieben: deshalb warnt er ja ausdrücklich davor, historische Ereignisse als Chiffren anzusehen.
Er meint damit aber nicht, dass es deshalb keine Chiffren/Metaphern/Gleichnisse geben könne. - Der Kern soll historisch sein.

Münek hat geschrieben:Ratzinger spricht von konkreten historischen Geschehnissen und nicht vom Christentum.
Ähm, ja. - In Bezug aufs Christentum.

Münek hat geschrieben:deswegen äußert sich die HKM NICHT zum überlieferten Wunder der Auferweckung Jesu.
Auf reiner Sachebene soll das auch nicht sein - aber bei der Hermeneutik muss man sich outen.

Münek hat geschrieben:Ratzinger hat der historisch-kritischen Exegese NIE "ein Angebot gemacht".
Die kanonische Exegese ist selbst das Angebot - sie sollte eine Weiterentwicklung sein.

Münek hat geschrieben:Für seinen absurden Anti-Christ-Vorwurf gegenüber der HKM ist er von Theologen zu recht kräftig abgewatscht worden.
Natürlich - auf Watsche folgt Watsche. - Oder hättest Du erwartet, dass man ihn als Messias begrüßt?

Wie auch immer: Es hat sich in seit den Nuller Jahren einiges verändert - es ist sicherlich kein Zufall, dass die HKM - nun ja - nicht stärker geworden ist.

Münek hat geschrieben: sie ist die Anwältin und die alleinige Auslegerin der biblischen Schriften.
Sie ist NICHT die alleinige Auslegerin auf hermeneutischer Ebene - ganz gewiss nicht. - Falls es diesen Anspruch jemals gab, war es der Grund für Ratzis Erst-Watsche.

Münek hat geschrieben:Die katholische Kirche ist ein erstarrter Monolith. Da bewegt sich nichts.
Das stimmt wirklich nicht. - Da wird nach wie vor heftig geforscht.

Münek hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Da hat sich was nachhaltig getrennt.


Schon seit Beginn der Aufklärung. Den Göttern sei Dank.
Die damalige Aufklärung und das, was man heute so nennt, haben sehr wenig gemeinsam . - Du darfst wirklich davon ausgehen, dass ein halbwegs philosophisch beschlagener Theologe um Längen aufgeklärter ist als die üblichen zeitgenössischen Philosophen im Schlepptau von Materialismus, Existenzialismus, Analytischer Philosophie, etc.

Das Mindeste, was festzustellen ist: Es gibt zwei komplett unterschiedliche Auffassungen von dem, was "Aufklärung" ist. - Mit Kant ist das nicht zu lösen, da sein berühmter Satz dazu von beiden Seiten abgenickt wird.

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sven23
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#264 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Di 20. Mär 2018, 07:14

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, man will den von Legenden überwucherten Mythos bestätigt sehen und wählt dazu eine glaubensbasierte Exegese. Die Ziele der Hermeneutik liegen auf der Hand. Mit dem historischen Jesus hat das herzlich wenig zu tun.
Das ist nach wie vor falsch. - Es geht (übrigens auch der Kerygmatik) um den WIRKLICHEN Jesus, nur dass man dies nicht auf historischer Ebene darstellt.
Den Glaubensideologen geht es in erster Linie um den unhistorischen Jesus, den von Legenden und Mythen überwucherten.
Das wußte auch schon Albert Schweitzer:

Der Jesus der Evangelien hat nie existiert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ratzinger mit Sicherheit nicht, wie du inzwischen wissen solltest. Es kann nur an deinem Unvermögen liegen, Texte zu verstehen.
Du spiegelst wieder. - Lies mal den Text mit den Augen Ratzingers - hermeneutisch ist er leicht so zu interpretieren, dass es passt.
Nein, du weißt genau, dass Ratzinger die Naherwartung ablehnt. Du weißt ebenso, dass Grässer die Naherwartung in diesem Text plausibel darstellt. Und dann willst du uns erzählen, dass Ratzinger diesem Text zustimmen würde. :roll:
Wen willst du eigentlich für dumm verkaufen: dich selbst oder andere?


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:wir verlangen ja nicht, dass du vom Glauben abfällst, aber du mußt doch inzwischen die Basics kapiert haben.
Genau auch mein Anliegen gegenüber Euch. - Der Unterschied, den ich zu meinen Gunsten sehe: Ich kann über-systemisch denken, habe also ein Bild, unter welchen Bedingungen Deine Argumentation richtig ist. - Dieses über-systemische Denken gebt Ihr nicht zu erkennen.
Ja klar, closs ist der geistige Überflieger. Leider ist davon nichts zu erkennen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was sie allerdings untersuchen kann, ist die Frage, ob sich Jesus selbst nach den Quellen als präexistenter eingeborener Sohn Gottes, als himmlisches Wesen, als Teil einer göttlichen Trinität angesehen hat. Diese Frage wird in der Exegese einhellig verneint.
Auf Basis einer Methodik, die dem gerecht wird oder nicht - diesen Zusatz hast Du vergessen.
Nein, auf Basis wissenschaftlicher Untersuchung. Glaubensideologie bleibt außen vor. Diese Kleinigkeit hast du vergessen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Klar will man den "wirklichen" Jesus rekonstruieren. ABER - der MUSS auf jeden Fall "göttlich" sein. Da führt kein Weg dran vorbei.
Richtig - das ist die Hermeneutik, die man selbst nicht untersuchen kann, da sie nicht-falsifizierbar ist.
Deshalb läßt die Forschung nicht falsifizierbares weg. Das ist das Kerngeschäft der Glaubensideologen.


closs hat geschrieben: Nach wie vor falsche Spur - wahrscheinlich bin der einzige von uns dreien, der jemals (allerdings auf literarischer Ebene) historisch-kritisch gearbeitet hat. - Es geht nicht um die Grundlagen der HKM, sondern um die Hermeneutiken, mit der sie interpretativ verarbeitet werden.
Leider gibst du in keiner Weise zu erkennen, dass da irgendwas hängengeblieben ist.
Du sagtest mal, dir sei der Zusammenhang zwischen Exegese und Hermeneutik nicht ganz klar. Das ist aber enorm wichtig.

Hermeneutik beleuchtet die Ziele und Beweggründe einer Exegese.

Im Falle der historisch-kritischen Exegese ist das Ziel klar definiert: wissenschaftlich fundierte Rekonstruktion des historischen Jesus.
Im Falle der glaubensbasiertes Exegesen geht es um ein anderes Ziel: die Bestätigung eines Glaubenskonstrukts, das zudem noch als Prämisse vorangestellt wird.

closs hat geschrieben: Konkret: Würden die ältesten Quellen nur so wimmeln von "Jesus ist Gott" und "Jesus ist leiblich auferstanden", könnte die HKM NICHT zum ERgebnis kommen, dass Jesus göttlich war und leiblich auferstand, sondern nur feststellen, dass man das damals geglaubt hat.
Richtig, man beschreibt die Enstehung eines Glaubenskonstrukts. Das gilt für alle antiken Texte und ihre Götter. Es gibt keine Sonderbehandlung für biblische Texte. Das scheint immer noch nicht angekommen zu sein.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#265 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Di 20. Mär 2018, 10:05

sven23 hat geschrieben:Den Glaubensideologen geht es in erster Linie um den unhistorischen Jesus,
Ich weiß gar nicht, wen Du mit "Glaubensideologen" meinst. - Was die Theologie angeht, kannst Du mir glauben, dass es ihnen ausschließlich um den wirklichen Jesus geht - egal ob er historisch-kritisch oder anders angenähert wird.

sven23 hat geschrieben:du weißt genau, dass Ratzinger die Naherwartung ablehnt. Du weißt ebenso, dass Grässer die Naherwartung in diesem Text plausibel darstellt. Und dann willst du uns erzählen, dass Ratzinger diesem Text zustimmen würde.
Siehst Du bei Grässer, dass er mit "Basilea" ein irdisches Reich meint? - Habe ich da was überlesen?

sven23 hat geschrieben:Deshalb läßt die Forschung nicht falsifizierbares weg.
Auf Sachebene ist das generell in der Wissenschaft so - wir reden hier von der Interpretation, die auf Nicht-Falisifizierbarem ruht - allerseits.

sven23 hat geschrieben:Du sagtest mal, dir sei der Zusammenhang zwischen Exegese und Hermeneutik nicht ganz klar. Das ist aber enorm wichtig.
So weit bin ich auch. - Meine Aussage war, dass in der Praxis die Grenze zwischen Exegese und Hermeneutik nicht klar gezogen wird - im Gegensatz zu dem, was uns früher eingetrichtert wurde.

sven23 hat geschrieben:Hermeneutik beleuchtet die Ziele und Beweggründe einer Exegese.
Im Falle der historisch-kritischen Exegese ist das Ziel klar definiert: wissenschaftlich fundierte Rekonstruktion des historischen Jesus.[/quote]Moment: Das ist nicht ausreichend - wenn schon, dann müsste es heißen:
"Wir wollen Jesus in der Geschichte rekonstruieren und wählen dazu eine Methodik, die die Bibel untersucht wie normale antike Texte".
Aber damit ist der Begriff "Hermeneutik" noch nicht voll getroffen - denn mit Deiner Aussage und meiner Ergänzung dazu ist zunächst nur der sach-wissenschaftliche Aspekt gemeint: "Wir ermitteln Sach-Ergebnisse auf Basis dieser Art des wissenschaftlichen Zugangs".

Hermeneutik ist aber mehr: "Wie interpretieren wir die sachlich-neutralen Ergebnisse?". - Auf naturalistischer Basis (es gibt keine Wunder) oder auf spiritueller Basis (Wunder sind Realität)? - Interpretieren wir Jesus als Phänomen innerhalb von uns als voraufgeklärt verstandener Glaubensbilder im Volk? - Interpretieren wir Jesus als spirituelle Größe, die gängigen Volksglauben aufgemischt hat? - Halten wir als Interpretierende "Gott" für ein Vorstellungs-Phänomen oder als Entität?

All das spielt mit und hat mit den reinen Sachergebnissen nichts zu tun - diese bleiben gleich - weshalb sie ja auch von der RKK prinzipiell anerkannt werden. - Aber da spielt NICHT die Musik - die Musik spielt auf der Interpretationsebene NACH der/im Anschluss an die sachlich-neutrale Ebene der HKM.

sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Konkret: Würden die ältesten Quellen nur so wimmeln von "Jesus ist Gott" und "Jesus ist leiblich auferstanden", könnte die HKM NICHT zum ERgebnis kommen, dass Jesus göttlich war und leiblich auferstand, sondern nur feststellen, dass man das damals geglaubt hat.


Richtig, man beschreibt die Enstehung eines Glaubenskonstrukts. Das gilt für alle antiken Texte und ihre Götter. Es gibt keine Sonderbehandlung für biblische Texte. Das scheint immer noch nicht angekommen zu sein.
Hast Du gelesen, was ich schrieb? - Nochmal:

Was würde die HKM in Bezug auf Jesus sagen, wenn die ÄLTEREN Quellen voll wären von Aussagen wie "Jesus hat ein Wunder nach dem anderen durchgezogen" oder "Jesus ist leiblich auferstanden" oder "Das Volk hat Jesus als göttlich" erkannt. - Könnte dann die HKM die spirituellen Aussagen der Bibel so interpretieren, als sei Jesus tatsächlich göttlich?

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sven23
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#266 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Di 20. Mär 2018, 12:59

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Den Glaubensideologen geht es in erster Linie um den unhistorischen Jesus,
Ich weiß gar nicht, wen Du mit "Glaubensideologen" meinst. - Was die Theologie angeht, kannst Du mir glauben, dass es ihnen ausschließlich um den wirklichen Jesus geht - egal ob er historisch-kritisch oder anders angenähert wird.
Wenn es ihnen ausschließlich um den historischen Jesus ging, können sie auf die Ergebnisse der Forschung zurückgreifen.
Um den geht es ihnen aber gerade nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:du weißt genau, dass Ratzinger die Naherwartung ablehnt. Du weißt ebenso, dass Grässer die Naherwartung in diesem Text plausibel darstellt. Und dann willst du uns erzählen, dass Ratzinger diesem Text zustimmen würde.
Siehst Du bei Grässer, dass er mit "Basilea" ein irdisches Reich meint? - Habe ich da was überlesen?
So ist sie im jüdischen Glauben definiert. Jesus und auch Johannes sind nur im Kontext des jüdischen Gaubens zu verstehen. Alles andere ist spätere, christliche Übermalung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb läßt die Forschung nicht falsifizierbares weg.
Auf Sachebene ist das generell in der Wissenschaft so - wir reden hier von der Interpretation, die auf Nicht-Falisifizierbarem ruht - allerseits.
Die Forschung benötigt nicht Nicht-Falsifizierbares. Das entspringt doch nur deinem altmodischen descartschen Weltbild.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Hermeneutik beleuchtet die Ziele und Beweggründe einer Exegese.
Im Falle der historisch-kritischen Exegese ist das Ziel klar definiert: wissenschaftlich fundierte Rekonstruktion des historischen Jesus.
Moment: Das ist nicht ausreichend - wenn schon, dann müsste es heißen:
"Wir wollen Jesus in der Geschichte rekonstruieren und wählen dazu eine Methodik, die die Bibel untersucht wie normale antike Texte".
Auch das würde ich unterschreiben, denn es steht nicht im Widerspruch zu dem, was ich gesagt habe.


closs hat geschrieben: Aber damit ist der Begriff "Hermeneutik" noch nicht voll getroffen - denn mit Deiner Aussage und meiner Ergänzung dazu ist zunächst nur der sach-wissenschaftliche Aspekt gemeint: "Wir ermitteln Sach-Ergebnisse auf Basis dieser Art des wissenschaftlichen Zugangs".
Das reicht doch. Wenn die Methodik sauber angewendet wird, ist das der Garant dafür, dass subjektive Glaubensbekenntnisse außen vor bleiben.
Das ist die Voraussetzung für Wissenschaft.

Kanonik verfolgt einen entgegengesetzten Ansatz. Sie will überhaupt keine historische Forschung betreiben, sondern ihr geht es vor allem um die Bestätigung des kaonisierten, glaubensdogmatischen Konstrukts aus dem 4. Jahrhundert. Diesem Ziel wird alles andere untergeordnet. Küng hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass man damit das Pferd von hinten aufzäumt.

Übrigens sah ich vor ein paar Tagen ein Interview mit Küng, ein sehr sympathischer und undogmatischer Mensch. Damit hebt er sich wohltuend von der katholischen Kirche ab. Er versteht den christlichen Glauben als ein Angebot an die Menschen. Wirklich sehr symphatisch und intellektuell nicht so unterfordernd wie manch andere kirchlichen Würdenträger.


closs hat geschrieben: Hermeneutik ist aber mehr: "Wie interpretieren wir die sachlich-neutralen Ergebnisse?". -
Das siehst du falsch. Die Sachergebnisse sind mit historisch-kritischer Exegese ermittelt worden. Danach wird nicht einfach eine Hermenutik übergestülpt, sondern mit der Hermeneutik wurden die Beweggründe und Ziele der Auslegung ja schon vorab definiert. Hier die wissenschaftliche Rekonstruktion des historischen Jesus. Damit ist das weitere Vorgehen definiert.


closs hat geschrieben: Was würde die HKM in Bezug auf Jesus sagen, wenn die ÄLTEREN Quellen voll wären von Aussagen wie "Jesus hat ein Wunder nach dem anderen durchgezogen" oder "Jesus ist leiblich auferstanden" oder "Das Volk hat Jesus als göttlich" erkannt. - Könnte dann die HKM die spirituellen Aussagen der Bibel so interpretieren, als sei Jesus tatsächlich göttlich?
Du hast es immer noch nicht verstanden.
Die Wissenschaft kann keine Aussagen zur Göttlichkeit von wem auch immer machen. Sie kann beschreiben, dass es den Glauben daran gab oder dass die Schreiber den Glauben forcieren wollten.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#267 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Di 20. Mär 2018, 14:20

sven23 hat geschrieben:Wenn es ihnen ausschließlich um den historischen Jesus ging, können sie auf die Ergebnisse der Forschung zurückgreifen.
Um den geht es ihnen aber gerade nicht.
Es geht ihnen um den wirklichen Jesus vor 2000 Jahren, aber nicht im Hinblick auf seine historisch-kritische Relevanz, sondern seiner geistigen Relevanz. - Wenn Jesus vor 2000 Jahren leiblich auferstanden ist, dann ist folgendes ... wirklich. - Wenn die Geschichte als lückenlos naturalistischer Wirkungszusammenhang zu verstehen ist, dann ist anderes folgendes ... wirklich.

Das sind beides nicht-falsifizierbare Setzungen, auf deren Basis man versucht, dem wirklichen Jesus nahe zu kommen. - Nochmals: Der kerygmatische Jesus kann dem Jesus vor 2000 Jahren näher sein als der historisch-kritische Jesus, WENN Jesus göttlich war und leiblich auferstanden ist.

sven23 hat geschrieben:Jesus und auch Johannes sind nur im Kontext des jüdischen Gaubens zu verstehen.
Dagegen kann man problemlos stellen: Jesus ist nur im Kontext seines Paradigmen-Wechsels im Umfeld des jüdischen Glaubens zu verstehen.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung benötigt nicht Nicht-Falsifizierbares.
Wenn sie nicht hermeneutisch interpretiert, stimmt das. - Aber die HKM interpretiert nun mal hermeneutisch.

sven23 hat geschrieben:Auch das würde ich unterschreiben, denn es steht nicht im Widerspruch zu dem, was ich gesagt habe.
Durchaus richtig - bei Dir klingt es aber so, als sei die HKM der einzige wissenschaftliche Weg zur Wirklichkeit Jesu hin. - Ich betone den speziellen Weg, den sie dabei nimmt.

sven23 hat geschrieben:Wenn die Methodik sauber angewendet wird, ist das der Garant dafür, dass subjektive Glaubensbekenntnisse außen vor bleiben.
Das ist die Voraussetzung für Wissenschaft.
Auf Sachebene erwartet doch keiner irgendwelche subjektiven Glaubensbekenntnisse - nicht einmal Ratzinger. - Das ist doch der Grund, warum er die HKM auf dieser Ebene als "apriori-frei" bezeichnet.

sven23 hat geschrieben:Kanonik verfolgt einen entgegengesetzten Ansatz. Sie will überhaupt keine historische Forschung betreiben
Sie klinkt sich doch im wesentlichen erst da ein, wo die HKM hermeneutisch wird. - Natürlich will sie keine Konkurrenz zur vorhergehenden apriori-freien Sachebene der HKM sein. - Da, wo sie einklinkt, ist sie genauso wissenschaftlich oder unwissenschaftlich wie die hermeneutische HKM.

sven23 hat geschrieben:Übrigens sah ich vor ein paar Tagen ein Interview mit Küng, ein sehr sympathischer und undogmatischer Mensch. Damit hebt er sich wohltuend von der katholischen Kirche ab. Er versteht den christlichen Glauben als ein Angebot an die Menschen.
Er ist auch Priester - insofern ist Dein pastoral klingender Eindruck sicherlich richtig.

sven23 hat geschrieben: Die Sachergebnisse sind mit historisch-kritischer Exegese ermittelt worden. Danach wird nicht einfach eine Hermenutik übergestülpt
Natürlich "nicht einfach so", sondern begründet. - Aber trotzdem: Natürlich werden Hermeneutiken draufgesetzt - die HKM setzt die ihrige drauf und andere ebenfalls die ihrigen. - Achtung: In der Regel unter Wahrung der sachlich-neutralen Ergebnisse.

sven23 hat geschrieben:sondern mit der Hermeneutik wurden die Beweggründe und Ziele der Auslegung ja schon vorab definiert
Aber doch nicht vor der Phase der Ermittlung sachlich-neutraler Ergebnisse. - Die Datierung eines Textes ist komplett hermeneutik-frei - und vieles andere mehr.

sven23 hat geschrieben:Die Wissenschaft kann keine Aussagen zur Göttlichkeit von wem auch immer machen.
Aber das käme doch dem Eingeständnis gleich, dass sie auch Sätze wie "Jesus hatte eine Naherwartung" sein lassen müsste. - Denn Aussagen wie diese sind unmittelbar davon abhängig, was Jesus tatsächlich war: Nur Mensch oder auch göttlich.

Verstehst Du das nicht? - Bei GLEICHEM Text ist dessen Interpretation unterschiedlich in Abhängigkeit von hermeneutischen Annahmen. - "Das nahe Reich" ist etwas anderes, ob Jesus nur Mensch oder auch göttlich war. - Wenn sich die Wissenschaft da raushält: Warum verzichtet sie dann nicht auf hermeneutische Interpretationen?

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#268 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Zeus » Di 20. Mär 2018, 14:41

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nein - eigentlich genügen Vernunft, Plausibilität und Evidenz .
Irrweg - denn mit Selbst-Referenzen kannst Du nicht klären, was in Bezug auf Gott "vernünftig", "plausibel" und "evident" ist.
Richtig, denn die Wege des Herrn sind unergründlich. Gell?
Ein tolles Totschlag-Argument.
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#269 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Di 20. Mär 2018, 14:47

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn es ihnen ausschließlich um den historischen Jesus ging, können sie auf die Ergebnisse der Forschung zurückgreifen.
Um den geht es ihnen aber gerade nicht.
Es geht ihnen um den wirklichen Jesus vor 2000 Jahren, aber nicht im Hinblick auf seine historisch-kritische Relevanz, sondern seiner geistigen Relevanz. - Wenn Jesus vor 2000 Jahren leiblich auferstanden ist, dann ist folgendes ... wirklich. - Wenn die Geschichte als lückenlos naturalistischer Wirkungszusammenhang zu verstehen ist, dann ist anderes folgendes ... wirklich.
Wenn closs übers Wasser laufen kann, dann kann er übers Wasser laufen. Welchen Erkenntisgewinn bringt das?

closs hat geschrieben: Das sind beides nicht-falsifizierbare Setzungen, auf deren Basis man versucht, dem wirklichen Jesus nahe zu kommen. - Nochmals: Der kerygmatische Jesus kann dem Jesus vor 2000 Jahren näher sein als der historisch-kritische Jesus, WENN Jesus göttlich war und leiblich auferstanden ist.
Wenn man in Taka-Tukaland lebt, mag das stimmen. Wir reden hier aber von historischer Forschung. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jesus und auch Johannes sind nur im Kontext des jüdischen Gaubens zu verstehen.
Dagegen kann man problemlos stellen: Jesus ist nur im Kontext seines Paradigmen-Wechsels im Umfeld des jüdischen Glaubens zu verstehen.
Eben nicht, weil der angebliche Paradigmenwechsel ein späteres Konstrukt ist, das nichts mit dem historischen Jesus zu tun hat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung benötigt nicht Nicht-Falsifizierbares.
Wenn sie nicht hermeneutisch interpretiert, stimmt das. - Aber die HKM interpretiert nun mal hermeneutisch.
Das glaubst du auch nur deshalb, weil du Hermeneutik immer noch nicht verstanden hast.
Das hermeneutische Ziel ist die Rekonstruktion des historischen Jesus. Das Mittel dazu ist die historisch-kritische Exegese. Da wird hinterher nichts über die Sachergebnisse drübergestülpt. Das ist nur in deiner laienhaften Vorstellung so. Lies dazu mal Theißen, dann fällt vielleicht der Groschen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch das würde ich unterschreiben, denn es steht nicht im Widerspruch zu dem, was ich gesagt habe.
Durchaus richtig - bei Dir klingt es aber so, als sei die HKM der einzige wissenschaftliche Weg zur Wirklichkeit Jesu hin. - Ich betone den speziellen Weg, den sie dabei nimmt.
In der historischen Forschung ist sie auch alternativlos. Deshalb ist sie die Standardauslegung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn die Methodik sauber angewendet wird, ist das der Garant dafür, dass subjektive Glaubensbekenntnisse außen vor bleiben.
Das ist die Voraussetzung für Wissenschaft.
Auf Sachebene erwartet doch keiner irgendwelche subjektiven Glaubensbekenntnisse - nicht einmal Ratzinger. - Das ist doch der Grund, warum er die HKM auf dieser Ebene als "apriori-frei" bezeichnet.
Da hat er ja auch Recht. Nur sein Vorschlag, die Sachergebnisse durch Glaubensentscheide wegputzen zu können, ist falsch und entsprechend beantwortet worden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kanonik verfolgt einen entgegengesetzten Ansatz. Sie will überhaupt keine historische Forschung betreiben
Sie klinkt sich doch im wesentlichen erst da ein, wo die HKM hermeneutisch wird. - Natürlich will sie keine Konkurrenz zur vorhergehenden apriori-freien Sachebene der HKM sein. - Da, wo sie einklinkt, ist sie genauso wissenschaftlich oder unwissenschaftlich wie die hermeneutische HKM.
Unsinn, sie ist das Gegenteil von wissenschaftlicher Vorgehensweise, demzufolge in der historsichen Forschung nicht brauchbar.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Übrigens sah ich vor ein paar Tagen ein Interview mit Küng, ein sehr sympathischer und undogmatischer Mensch. Damit hebt er sich wohltuend von der katholischen Kirche ab. Er versteht den christlichen Glauben als ein Angebot an die Menschen.
Er ist auch Priester - insofern ist Dein pastoral klingender Eindruck sicherlich richtig.
Auch sein aufgeklärtes Verständnis für die historische Forschung ist beeindruckend. Kein Wunder, dass man ihm die Lehrerlaubnis entzog. Aufklärung und Kirche, besonders die Katholische, vertragen sich offenbar nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:sondern mit der Hermeneutik wurden die Beweggründe und Ziele der Auslegung ja schon vorab definiert
Aber doch nicht vor der Phase der Ermittlung sachlich-neutraler Ergebnisse. - Die Datierung eines Textes ist komplett hermeneutik-frei - und vieles andere mehr.
Wie man sieht, ist das eben nicht der Fall. Glaubensideologen sind immer an einer möglichst frühen Datierung interessiert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Wissenschaft kann keine Aussagen zur Göttlichkeit von wem auch immer machen.
Aber das käme doch dem Eingeständnis gleich, dass sie auch Sätze wie "Jesus hatte eine Naherwartung" sein lassen müsste. - Denn Aussagen wie diese sind unmittelbar davon abhängig, was Jesus tatsächlich war: Nur Mensch oder auch göttlich.
Nein, die Aussagen zur Naherwartung sind nun mal vorhanden. Ob closs gaubt, dass Jesus göttlich war, ändert daran nichts.

closs hat geschrieben: Verstehst Du das nicht? - Bei GLEICHEM Text ist dessen Interpretation unterschiedlich in Abhängigkeit von hermeneutischen Annahmen. - "Das nahe Reich" ist etwas anderes, ob Jesus nur Mensch oder auch göttlich war. - Wenn sich die Wissenschaft da raushält: Warum verzichtet sie dann nicht auf hermeneutische Interpretationen?
Du verwechselst das mit Kanonik, die kann drüberstülpen, was sie will. Sie muss sich über keine wissenschaftliche Methodik Rechenschaft geben, weil sie keine hat.
Für die historische Forschung ist das kein gangbarer Weg.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#270 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Di 20. Mär 2018, 15:11

Zeus hat geschrieben:Richtig, denn die Wege des Herrn sind unergründlich. Gell? Ein tolles Totschlag-Argument.
Nicht mehr und nicht weniger als die anthropozentrische Schiene. - Warum belässt man es nicht dabei, dass "plausibel" ein Begriff ist, der in Bezug zu etwas stehen muss, um griffig zu werden?

sven23 hat geschrieben:Wenn closs übers Wasser laufen kann, dann kann er übers Wasser laufen. Welchen Erkenntisgewinn bringt das?
Hat mit dem, worauf Du antwortest, überhaupt nichts zu tun. - Die Frage lautet, was unter welchen Bedingungen als "wirklich" zu verstehen ist.

sven23 hat geschrieben:Wenn man in Taka-Tukaland lebt, mag das stimmen.
Falsch - wir reden von der Realität auf dem Planet namens Erde.

sven23 hat geschrieben:Eben nicht, weil der angebliche Paradigmenwechsel ein späteres Konstrukt ist, das nichts mit dem historischen Jesus zu tun hat.
Das ist nun wirklich ein Zirkelschluss.

sven23 hat geschrieben:Das hermeneutische Ziel ist die Rekonstruktion des historischen Jesus.
Das ist eine ganz andere Verwendungsebene des Wortes "Hermeneutik". - Hier ist mit "hermeneutisch" gemeint, unter welchen Annahmen Sachergebnisse der Forschung interpretiert werden.

sven23 hat geschrieben:Das glaubst du auch nur deshalb, weil du Hermeneutik immer noch nicht verstanden hast.
Nee - da passiert was ganz anderes: Du versuchst den Begriff "Hermeneutik" in für Dich ungefährliche Gewässer hineinzudefinieren. - Wenn "Deine" Hermeneutik-Verwendung relevant wäre, würde der kanoniker sagen: "Das hermeneutische Ziel ist die Rekonstruktion des wirklichen Jesus in der Geschichte seit dem Jahr 0". - Damit ist kein einziges Problem gelöst.

sven23 hat geschrieben:Nur sein Vorschlag, die Sachergebnisse durch Glaubensentscheide wegputzen zu können, ist falsch und entsprechend beantwortet worden.
Genau das schlägt er nicht vor - darum geht es ihm gar nicht. - Jetzt rächt sich, dass Du beschlossen hast, bei der HKM sachliche und hermeneutische ERgebnisse zu vermanschen.

sven23 hat geschrieben:Unsinn, sie ist das Gegenteil von wissenschaftlicher Vorgehensweise, demzufolge in der historsichen Forschung nicht brauchbar.
Ein oft wiederholter in sich schräger Satz, der so verquer ist, dass er weder richtig noch falsch ist.

sven23 hat geschrieben:Auch sein aufgeklärtes Verständnis für die historische Forschung ist beeindruckend. Kein Wunder, dass man ihm die Lehrerlaubnis entzog.
Eine Verschwörungs-Theorie nach der anderen. :lol: - Sein Verständnis war ganz sicher nicht der Grund für den Entzug. :D

sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:

sven23 hat geschrieben:
sondern mit der Hermeneutik wurden die Beweggründe und Ziele der Auslegung ja schon vorab definiert

Aber doch nicht vor der Phase der Ermittlung sachlich-neutraler Ergebnisse. - Die Datierung eines Textes ist komplett hermeneutik-frei - und vieles andere mehr.


Wie man sieht, ist das eben nicht der Fall. Glaubensideologen sind immer an einer möglichst frühen Datierung interessiert.
Die Datierung eines Textes ist NICHT hermeneutik-frei? - Was ist denn das jetzt?

Das hat auch nichts mit Glaubensideologen, egal ob in Theologie oder HKm, zu tun. - Es interessiert eigentlich alle, die damit wissenschaftlich beschäftigt sind - genau deswegen ist doch Ratzinger an der HKm als apriori-freie Disziplin interessiert.

sven23 hat geschrieben:Nein, die Aussagen zur Naherwartung sind nun mal vorhanden.
Aber es sind hermeneutische Aussage auf der Basis, dass Jesus NICHT göttlich ist. - Nix dagegen - aber wie passt das zu Deinem Konstrukt?

sven23 hat geschrieben:Für die historische Forschung ist das kein gangbarer Weg.
Doch - sie TUT es doch. - Und ein Wissenschaftler vom Format Theißen weiß das auch.

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