Alles Teufelszeug? IX

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sven23
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#1 Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 24. Feb 2018, 06:22

Alles Teufelszeug? Thema wegen Überlänge geteilt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist Unsinn, sonst würde es viele Konsenspositionen in der Forschung gar nicht geben
Natürlich gibt es zu gewissen Fragen innerhalb einer Hermeneutik Konsenspositionen.
Schön, dass wenigstens das mal eingesehen wird. Denn zu Beginn wurde auch das bestritten.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie "rutschen" in das,was sie glauben wollen.
Sie interpretieren etwas auf Basis ihrer Hermeneutik - richtig.
Und ihre Hermeneutik basiert auf Glaubensbekenntnissen und nicht auf wissenschaftlicher Methodik. Das ist der kleine, aber feine Unterschied.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eine Vielfalt, die nichts in der historischen Forschung gilt, also irrelevant.
Natürlich nicht - das erwartet doch auch keiner. - Welchen Sinn würde es machen, wenn man unterschiedliche Hermeneutiken mischen würde? Es würde doch nur eine neue Hermeneutik geben.
Genau das hat der von dir so verehrte Ratzinger versucht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Im Falle der Bibel haben wir aber nur "stumme Zeugen" in Form von Texten. Aufgabe der Forschung ist es nun, diese stummen Zeugen zum Reden zu bringen.
Nach welcher Hermeneutik?
Nach wissenschaftlicher, was sonst? :roll:
"Wissenschaftlich" ist keine Hermeneutik.
Hermeneutik beleuchtet Voraussetzungen und Ziele einer Auslegung. Hat man einen wissenschaftlichen Anspruch, geht das nur mit wissenchafltlicher Methodik.

closs hat geschrieben: - Hermeneutiken sind (weltanschauliche oder programmtische oder wissenstands-mäßige) Vorannahmen, die man wissenschaftlich bearbeitet oder nicht.
Die eigenen Vorannahmen zu "bearbeiten", ist wohl das Privileg der Kanoniker. :lol:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Weil das Nachplappern von Glaubensbekenntnissen keine Wissenschaft ist.
Keiner würde außer Dir auf diese Idee kommen.
Doch, ein gewisser closs tut das ständig. :roll:
Womit wir wieder bei der unbeantworteten Frage wären, warum kanonische Exegese nicht in der historischen Forschung zu gebrauchen ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Warum ist kanonische Exegese in der historischen Jesusforschung nicht zu gebrauchen?
Also nochmal: Weil die eine Heremeneutik in der anderen Hermeneutik nicht zu gebrauchen ist. - Die kanonische Exegese kann die die Sachergebnisse der HKM gebrauchen, aber nicht deren hermeneutisch-interpretativen Ausführungen - weil sie ihre eigene Hermeneutik hat. - Und das gilt selbstverständlich auch umgekehrt: Wie sollten hermeneutisch-interpretative Aussagen der Kanonik in der HKM brauchbar sein können? - Geht nicht - man müsste beide Hermeneutiken vermischen (was Ratzinger versucht hat: Hermeneutik-Wechsel).
Alles richtig, nur die entscheidende Frage ist: warum sind hermeneutisch-interpretative Aussagen der Kanonik nicht in der historischen Forschung zu gebrauchen? Was sind die konkreten Gründe?


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:was das mit der AFD zu tun hat, bleibt wohl dein Geheimnis.
Kein unmittelbarer Zusammenhang, jedoch sehr wohl im Ganzen gesehen.
Ja, ja, das "große Ganze" eignet sich immer für Schwurbelaussagen. Sobald es konkret wird, wird der Schwanz eingezogen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Pluto
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#2 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Pluto » Sa 24. Feb 2018, 08:31

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was ist denn wirklich passiert, vs. das was du glaubst?
Nichts, was der HKM auf Sachebene widersprechen würde.
1) Was ist denn wirklich geschehen?
2) Was ist neben der "Sachebene" geschehen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#3 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 24. Feb 2018, 08:46

sven23 hat geschrieben:Schön, dass wenigstens das mal eingesehen wird. Denn zu Beginn wurde auch das bestritten.
Nein - es wurde nie bestritten, dass es innerhalb einer Hermeneutik Konsenspositionen geben kann und gibt - egal ob bei der HKM oder in anderen Bereichen in oder im Umfeld der Theologie.

sven23 hat geschrieben:Und ihre Hermeneutik basiert auf Glaubensbekenntnissen und nicht auf wissenschaftlicher Methodik. Das ist der kleine, aber feine Unterschied.
Falsch - Methodik ist das, womit man Hermeneutiken bearbeitet, aber nicht die Basis davon.

sven23 hat geschrieben:Genau das hat der von dir so verehrte Ratzinger versucht.
Richtig - er wollte eine neue Hermeneutik - eine andere Basis, auf der Jesu Wirklichkeit bearbeitet wird.

sven23 hat geschrieben:Hermeneutik beleuchtet Voraussetzungen und Ziele einer Auslegung. Hat man einen wissenschaftlichen Anspruch, geht das nur mit wissenchafltlicher Methodik.
So stimmt es:
1) Man hat eine Hermeneutik.
2) Man geht mit ihr wissenschaftlich oder nicht-wissenschaftlich mit ihr um.
3) Hierzu kommt dann noch, wie man sieht, die Frage, was "Wissenschaft" eigentlich ist - hierzu gibt es unterschiedliche Verständnisse.

sven23 hat geschrieben:Die eigenen Vorannahmen zu "bearbeiten", ist wohl das Privileg der Kanoniker.
Nein - das tut die HKM genauso (und das ist aus meinem Munde kein Problem).

sven23 hat geschrieben:warum sind hermeneutisch-interpretative Aussagen der Kanonik nicht in der historischen Forschung zu gebrauchen? Was sind die konkreten Gründe?
Weil Kanonik geistig agiert und HKM rezeptions-orientiert agiert bzw. nach chronologischen Mustern agiert. - Mal ein Beispiel, das hier nichts zu suchen hat:

In Sachen Descartes argumentiert Pluto, die Cogito-Frage und die Res-Extensae-Frage hätten nichts miteinander zu tun, da Descartes das eine als junger Mann und das andere am Ende seines Lebens bearbeitet habe. Das mag historisch richtig sein. - MEIN Ansatz ist, was beide Fragen geistig miteinander zu tun haben.

Dementsprechend unterschiedlich sind die Ergebnisse (ich vergröbere):
1) Beide Fragen gehören nicht zusammen.
2) Beide Fragen gehören eng zusammen.

Weder Pluto noch ich können die Ergebnisse des jeweils anderen verarbeiten - man nimmt (aus meiner Positition aus gesprochen) chronologische Hinweise interessiert zur Kenntnis, die aber geistig irrelevant sind. - Aus Plutos Perspektive haben die chronologischen Fakten Priorität, weshalb er nichts mit meinen geistigen Hinweisen anfangen kann.

Dieses Beispiel trifft die gegenseitige Positionierung von HKM und Kanonik recht gut, wie ich meine.

sven23 hat geschrieben:Ja, ja, das "große Ganze" eignet sich immer für Schwurbelaussagen. Sobald es konkret wird, wird der Schwanz eingezogen.
Wenn man keinen Blick für das Bild hat, kann man sich nur mit Puzzle-Teilen beschäftigen, obwohl ein einzelnes Puzzle-Teil fürs Ganze irrelevant ist. - Eine Krankheit in unserem heutigen Denken.

Pluto hat geschrieben:1) Was ist denn wirklich geschehen?
2) Was ist neben der "Sachebene" geschehen?
Neben der Sachebene geschieht NIE etwas, weil "das, was der Fall ist", immer "etwas" ist. - Die Frage ist in der Praxis eine andere: Was davon ist methodisch greifbar?

Was WIRKLICH geschehen ist, können wir nur aus verschiedenen Perspektiven zusammentragen. - Und hier führen verschiedene Perspektiven zu unterschiedlichen Einschätzungen ("Glaube").

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sven23
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#4 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 24. Feb 2018, 11:01

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Schön, dass wenigstens das mal eingesehen wird. Denn zu Beginn wurde auch das bestritten.
Nein - es wurde nie bestritten, dass es innerhalb einer Hermeneutik Konsenspositionen geben kann und gibt - egal ob bei der HKM oder in anderen Bereichen in oder im Umfeld der Theologie.
Es wurde zu Beginn sogar heftig bestritten, dass es diese Konsenspositionen überhaupt gibt, z. T. von einigen immer noch. Wenn du dazugelernt hast, um so besser.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und ihre Hermeneutik basiert auf Glaubensbekenntnissen und nicht auf wissenschaftlicher Methodik. Das ist der kleine, aber feine Unterschied.
Falsch - Methodik ist das, womit man Hermeneutiken bearbeitet, aber nicht die Basis davon.
Seit wann werden Hermeneutiken "bearbeitet".
Die historisch-kritische Methode ist ein wissenschaftlicher Methodenapparat zur Untersuchung von Textquellen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau das hat der von dir so verehrte Ratzinger versucht.
Richtig - er wollte eine neue Hermeneutik - eine andere Basis, auf der Jesu Wirklichkeit bearbeitet wird.
Dann ist Ratzinger wohl nicht so klug wie closs. Der hat ja immerhin erkannt, dass dies Unsinn ist. Allerdings will er die Grüne dafür immer noch nicht benennen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Hermeneutik beleuchtet Voraussetzungen und Ziele einer Auslegung. Hat man einen wissenschaftlichen Anspruch, geht das nur mit wissenchafltlicher Methodik.
So stimmt es:
1) Man hat eine Hermeneutik.
2) Man geht mit ihr wissenschaftlich oder nicht-wissenschaftlich mit ihr um.
Damit bekommt man das Problem nicht weg, dass Glaubenshermeneutiker keinen wissenschaftlichen Methodenapparat zur Verfügung haben. Es blasiert alles auf Glaubensbekenntnissen, d. h. mehr oder weniger subjektiver Willkür, war letztlich dazu führt, dass es 42000 Konfessionen gibt.

closs hat geschrieben: 3) Hierzu kommt dann noch, wie man sieht, die Frage, was "Wissenschaft" eigentlich ist - hierzu gibt es unterschiedliche Verständnisse.
Eigentlich nicht. Es gibt zwar immer wieder Versuche- vornehmlich aus der glaubensideologischen Ecke, den Wissenschaftsbegriff aufzuweichen oder zu unterlaufen, aber das war noch nie von Erfolg gekrönt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die eigenen Vorannahmen zu "bearbeiten", ist wohl das Privileg der Kanoniker.
Nein - das tut die HKM genauso (und das ist aus meinem Munde kein Problem).
Laienhafter Unsinn. Die Forschung bearbeitet nicht ihre Vorranahmen, sondern untersucht Texte mit wissenschaftlicher Methodik.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:warum sind hermeneutisch-interpretative Aussagen der Kanonik nicht in der historischen Forschung zu gebrauchen? Was sind die konkreten Gründe?
Weil Kanonik geistig agiert und HKM rezeptions-orientiert agiert bzw. nach chronologischen Mustern agiert.
Das stimmt so nicht. Die Forschung untersucht die Rezeptionstexte, um daraus historisches und authentisches zu extrahieren. Diesen Anspruch hat Kanonik nicht, weil sie sich mit der späteren christlichen Rezeption zufrieden gibt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ja, ja, das "große Ganze" eignet sich immer für Schwurbelaussagen. Sobald es konkret wird, wird der Schwanz eingezogen.
Wenn man keinen Blick für das Bild hat, kann man sich nur mit Puzzle-Teilen beschäftigen, obwohl ein einzelnes Puzzle-Teil fürs Ganze irrelevant ist. - Eine Krankheit in unserem heutigen Denken.
Auch das ist zu kurz gedacht. Ein einzelnes Puzzle kann- wenn es das richtige ist- pars pro totum stehen und ein komplettes Bild erkennbar machen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Münek
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#5 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Sa 24. Feb 2018, 11:59

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Laut Ratzinger hat die Forschung keine a-priori Setzung.
Wie oft haben wir eigentlich darüber gesprochen, dass dies nur für die reine Sachebene und nicht für die hermeneutisch-interpretative Ebene gilt?
Nee nee - das ist Deine persönliche laienhafte ungerechtfertigte Ansicht.

Ratzi unterscheidet genau so wenig wie die "Päpstliche Bibelkommission" zwischen Sachebene und hermeneutisch-interpretativer Ebene. Im Gegenteil - Ratzinger wünscht sich sehnlichst, dass die historisch-kritische Exegese ihr wissenschaftliches Terrain verlässt (siehe seinen absurden Vorwurf: "Antichristliche Gebärde hoher WISSENSCHAFTLICHKEIT") und sich vor ihrer Arbeit das kirchen-dogmatische Gewand überstreift.


Natürlich ist dieser Wunsch mehr als blauäugig. Es ist kein Wunder, dass sein frommer Appell in der wissenschaftlichen Universitäts-Exegese ungehört verhallte. :thumbup:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:in der historischen Forschung ist die historisch-kritische Methode die Standardauslegung.
Das ändert doch nichts daran, dass diejenigen, die die Wirklichkeit Jesu erforschen, automatisch in das rutschen, was vor 2000 Jahren passiert ist.
Sie "rutschen" in das, was sie glauben wollen. Und das sind das glaubensdogmatischen Vorstellungen der Kirche aus dem 4. Jahrhunderts. Der Anfang interessiert sie nicht.

In seinem Buch "Umstrittene Wahrheit" S. 438 kritisiert der Theologe Hans KÜNG Ratzis Jesusbuch u.a. wie folgt:

"Unhistorisch ist die Methode, weil der Dogmatiker Josef Ratzinger sein exegetisches Pferd vom Schwanz aufzäumt: Die synoptischen Evangelien liest er vom Johannesevangelium her, die johanneische Christologie aber versteht er ganz im Sinne der Dogmen der Konzilien von Nikaia (4. Jh.) und Chalkedon (5. Jh.), so dass ihm zufolge sich schon der Jesus der Geschichte als "eines Wesens" ("homoousios") mit dem Vater bekennt.

Im Grunde genommen hat Ratzinger nicht ein historisches Buch geschrieben, sondern eine - alle historischen Probleme überspringende - gelehr-
te geistliche Schriftauslegung, die schon in der Reich-Gottes-Vorstellung, aber auch in der Bergpredigt und im Vater Unser eine verborgene Christologie findet, deren sich Jesus nach den anderen, synoptischen Zeugnissen offenkundig nicht bewusst war."

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#6 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Pluto » Sa 24. Feb 2018, 12:12

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:1) Was ist denn wirklich geschehen?
2) Was ist neben der "Sachebene" geschehen?
Neben der Sachebene geschieht NIE etwas, weil "das, was der Fall ist", immer "etwas" ist.
Ganz meine Meinung.

closs hat geschrieben:Die Frage ist in der Praxis eine andere: Was davon ist methodisch greifbar?
Warum in der Praxis. Da gilt doch die Sachebene.

closs hat geschrieben:Was WIRKLICH geschehen ist, können wir nur aus verschiedenen Perspektiven zusammentragen. - Und hier führen verschiedene Perspektiven zu unterschiedlichen Einschätzungen ("Glaube").
Nein. Zunächst einmal gilt die Sachebene. Du sagst ja selbst, dass sei die Spiegelung dessen was der Fall ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#7 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 24. Feb 2018, 12:33

sven23 hat geschrieben:Es wurde zu Beginn sogar heftig bestritten, dass es diese Konsenspositionen überhaupt gibt
Ich habe geschrieben " dass es innerhalb einer Hermeneutik Konsenspositionen geben kann und gibt" - ich lasse also offen, wann was der Fall ist.

sven23 hat geschrieben:Seit wann werden Hermeneutiken "bearbeitet".
Immer. - Da sind Menschen, die "Vorannahmen" zu einem Thema haben - allein das ist schon eine "Hermeneutik". - Und jetzt geht man mit diesen "Vorannahmen" um - das kann emotional oder wissenschaftlich oder sonstwie sein.

sven23 hat geschrieben:Dann ist Ratzinger wohl nicht so klug wie closs. Der hat ja immerhin erkannt, dass dies Unsinn ist.
Falsche Ebene. - Ratzinger hat hier etwas versucht, was sehr wohl geht - man schaue nur nach der biblisch-kritischen Methodik, die im Grunde nichts anderes ist als "HKM, nur mit anderer interpretativer Hermeneutik".

Mit anderen Worten: Es ist aus meiner Sicht sehr wohl denkbar, dass man auf Sachebene apriori-frei bleibt und dann unterschiedliche Hermeneutiken bei der Interpretation einsetzt. - Der eigentliche Punkt scheint mír zu sein, dass die kritisch-rational-lastige Hermeneutik der HKM zur Zeit weltanschaulich so stark ist, dass sie Monopol-Anspruch hat.

sven23 hat geschrieben:Damit bekommt man das Problem nicht weg, dass Glaubenshermeneutiker keinen wissenschaftlichen Methodenapparat zur Verfügung haben.
Wer sagt das denn? - Du darfst davon ausgehen, dass die Theologie bei allem, was sie tut, methodisch vorgeht - "Methodik" heißt doch nicht notwendigerweise "historisch-kritisch".

Lies mal ein beliebiges Sachbuch von Ratzinger aus seiner Professoren-Zeit: Da ist alles intersubjektiv nachvollziehbar dargestellt - alles ist argumentativ vernetzt - jeder Wissenschaftler kann verstehen, was da steht. - Ich glaube, dass Problem besteht darin, dass man unter "Methodik" heute gerne versteht "kritisch-rationale Methodik" ("Alles, was als Objekt nicht falsifizierbar ist, ist irrelevant"). - In den Geisteswissenschaften ist dagegen durchaus üblich, dass man den Begriff der "Falsifizierbarkeit" nicht auf des Objekt, sondern auf das eigene Argumentarium bezieht: "Du kannst dadurch meine Argumente falsifizieren, indem Du logische Fehler nachweist". - Das ist ein ganz anderes Verständnis von "Wissenschaft" als das Deinige.

sven23 hat geschrieben:Laienhafter Unsinn. Die Forschung bearbeitet nicht ihre Vorranahmen, sondern untersucht Texte mit wissenschaftlicher Methodik.
Wenn jemand erkenntnis-mäßig weiter ist als Du (gilt auch für Münek), nennt man dies "laienhaft" oder "Geschwurbel".

1) Wie oft habe ich darauf hingewiesen, dass die Wissenschaft nicht nicht-falsifizierbare Setzungen untersucht, sondern untersucht, was wäre, wenn diese Setzungen richtig wären. - Egal ob dies Setzungen wie "naturalistischer Wirkungszusammenhang der Geschichte" oder "Jesus ist göttlich" betrifft.

2) Deine Gegenüberstellung "Vorannahmen versus wissenschaftliche Mehodik" ist - copyright Münek - dasselbe wie "Kuh versus Sonntag".

sven23 hat geschrieben:Die Forschung untersucht die Rezeptionstexte, um daraus historisches und authentisches zu extrahieren. Diesen Anspruch hat Kanonik nicht
Richtig - das überlässt sie der HKM und holt sich dort die Sachergebnisse ab.

sven23 hat geschrieben: weil sie sich mit der späteren christlichen Rezeption zufrieden gibt.
Ihhh - ultra-doof. - Sie gibt sich nicht damit zufrieden, sondern bindet sie gleichberechtigt ein, weil es ihr um geistige Kontexte und nicht um chronologische Kontexte geht.

sven23 hat geschrieben: Ein einzelnes Puzzle kann- wenn es das richtige ist- pars pro totum stehen und ein komplettes Bild erkennbar machen.
Im sehr glücklichen Fall geht das, ist aber nicht die Regel. - Und vor allem: Trotzdem muss man die richtige Hermeneutik haben, um so etwas überhaupt zu SEHEN.

Münek hat geschrieben:Antichristliche Gebärde hoher WISSENSCHAFTLICHKEIT
Er spricht nicht von "Wissenschaftlichkeit", sondern von der "Gebärde der Wissenschaftlichkeit". - Im Grunde geht es doch darum, dass die von Ratzinger und Berger angegriffenen HKM-Vertreter ihre hermeneutisch-interpretative Ebene in der "Gebärde hoher WISSENSCHAFTLICHKEIT" vortragen und damit so tun, als gäbe es bei ihnen nicht den Unterschied zwischen Sachebene und interpretativer Ebene.

Münek hat geschrieben:"Unhistorisch ist die Methode, weil der Dogmatiker Josef Ratzinger sein exegetisches Pferd vom Schwanz aufzäumt"
Da hat Küng recht - aus diesem Grund bin ich schon immer für eine strikte Trennung von "(Sach-) Exegese" und "(interpretativer) Hermeneutik". - Zu meinen Studienzeiten hat man das im ersten Semester gelernt.

Das würde allerdings zwangsläufig dazu führen, dass Sätze wie "Jesus HATTE eine Naherwartung (in Deinem Verständnis)" innerhalb der Exegese nicht mehr möglich wären.

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#8 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 24. Feb 2018, 12:38

Pluto hat geschrieben:Zunächst einmal gilt die Sachebene. Du sagst ja selbst, dass sei die Spiegelung dessen was der Fall ist.
Moment: Unter "Sachebene" verstehe ich die Ebene, auf der Atheist und Christ zu gleichen Ergebnissen kommen - einfaches Beispiel (falls es stimmt): "Die Johannestexte sind jünger als die Markus-Texte, was man folgendermaßen ..... nachweisen kann".

Damit versteht man die Bibel NICHT - Apg. 8,30 funktioniert nach ganz anderen Gesetzen.

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#9 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 24. Feb 2018, 14:39

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Seit wann werden Hermeneutiken "bearbeitet".
Immer. - Da sind Menschen, die "Vorannahmen" zu einem Thema haben - allein das ist schon eine "Hermeneutik". - Und jetzt geht man mit diesen "Vorannahmen" um - das kann emotional oder wissenschaftlich oder sonstwie sein.
Nein, es werden keine Vorannahmen behandelt, sondern Texte, die methodisch untersucht werden.
Allein Kanoniker machen ihre Vorannahmen zum Objekt ihrer Begierde.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann ist Ratzinger wohl nicht so klug wie closs. Der hat ja immerhin erkannt, dass dies Unsinn ist.
Falsche Ebene. - Ratzinger hat hier etwas versucht, was sehr wohl geht - man schaue nur nach der biblisch-kritischen Methodik, die im Grunde nichts anderes ist als "HKM, nur mit anderer interpretativer Hermeneutik".
Nein, dann hätte er keine "Ratzinger Methode" erfinden müssen. Und dass die sog. biblisch-kritische Methode nichts taugt, zeigt sich allein daran, dass sie von Evangelikalen benützt wird und ebenso wie kanonische Exegese nicht in der historischen Forschung gebraucht werden kann.

closs hat geschrieben: Mit anderen Worten: Es ist aus meiner Sicht sehr wohl denkbar, dass man auf Sachebene apriori-frei bleibt und dann unterschiedliche Hermeneutiken bei der Interpretation einsetzt.
Nein, das kann man vergessen. Entweder arbeitet man wissenschaftlich oder läßt es bleiben. Du fällst mal wieder wie so oft hinter deine frühere Einsicht zurück, dass Ratzinger hier einen Fehler gemacht hat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Damit bekommt man das Problem nicht weg, dass Glaubenshermeneutiker keinen wissenschaftlichen Methodenapparat zur Verfügung haben.
Wer sagt das denn? - Du darfst davon ausgehen, dass die Theologie bei allem, was sie tut, methodisch vorgeht - "Methodik" heißt doch nicht notwendigerweise "historisch-kritisch".
Wie heißt denn die Methodik der Kanoniker? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Laienhafter Unsinn. Die Forschung bearbeitet nicht ihre Vorranahmen, sondern untersucht Texte mit wissenschaftlicher Methodik.
Wenn jemand erkenntnis-mäßig weiter ist als Du (gilt auch für Münek), nennt man dies "laienhaft" oder "Geschwurbel".
Wenn man erkenntnismäßig weiter mit Fiktion und Fantasy gleichsetzt, mag das stimmen. Wir reden hier aber von historischer Forschung und da solltest du langsam mal die Basics begreifen, sonst wird das nie was. :roll:

closs hat geschrieben: 1) Wie oft habe ich darauf hingewiesen, dass die Wissenschaft nicht nicht-falsifizierbare Setzungen untersucht, sondern untersucht, was wäre, wenn diese Setzungen richtig wären. - Egal ob dies Setzungen wie "naturalistischer Wirkungszusammenhang der Geschichte" oder "Jesus ist göttlich" betrifft.
Wenn die Setzung, dass es das Spaghettimonster gibt, richtig ist, gibt es das Spaghettimonster. Auf diesem Niveau erlangt man keine neuen Erkenntnisse, sondern dreht sich zirkelreferent im Kreis.

closs hat geschrieben: 2) Deine Gegenüberstellung "Vorannahmen versus wissenschaftliche Mehodik" ist - copyright Münek - dasselbe wie "Kuh versus Sonntag".
Es ist aber die exakte Zustandsbeschreibung der historisch-kritischen Forschung vs. Glaubensideologie und - Dogmatik.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung untersucht die Rezeptionstexte, um daraus historisches und authentisches zu extrahieren. Diesen Anspruch hat Kanonik nicht
Richtig - das überlässt sie der HKM und holt sich dort die Sachergebnisse ab.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: weil sie sich mit der späteren christlichen Rezeption zufrieden gibt.
Ihhh - ultra-doof. - Sie gibt sich nicht damit zufrieden, sondern bindet sie gleichberechtigt ein, weil es ihr um geistige Kontexte und nicht um chronologische Kontexte geht.
Nein, man kann nicht die historisch-kritische Methode loben, um dann ihre Prinzipien über Bord zu werfen und genau diametral entgegengesetzt vorzugehen. Siehe dazu auch Müneks sehr passenden Link von Küng.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Ein einzelnes Puzzle kann- wenn es das richtige ist- pars pro totum stehen und ein komplettes Bild erkennbar machen.
Im sehr glücklichen Fall geht das, ist aber nicht die Regel. - Und vor allem: Trotzdem muss man die richtige Hermeneutik haben, um so etwas überhaupt zu SEHEN.
Manchmal reicht ein gutes Auge und etwas gesunder Menschenverstand. :lol:


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:"Unhistorisch ist die Methode, weil der Dogmatiker Josef Ratzinger sein exegetisches Pferd vom Schwanz aufzäumt"
Da hat Küng recht - aus diesem Grund bin ich schon immer für eine strikte Trennung von "(Sach-) Exegese" und "(interpretativer) Hermeneutik". - Zu meinen Studienzeiten hat man das im ersten Semester gelernt.
Kurz vorher hast du Ratzingers Versuch noch als gangbaren Weg bezeichnet. Es ist ein ewiges Hin- und Her in deiner Argumentation, je nach Tagesform. Und dann beschwerst du dich, dass du 30000 Beitrage schreiben musst und dabei deine mangelenden Fortschritte anderen in die Schuhe schieben willst.

closs hat geschrieben: Das würde allerdings zwangsläufig dazu führen, dass Sätze wie "Jesus HATTE eine Naherwartung (in Deinem Verständnis)" innerhalb der Exegese nicht mehr möglich wären.
Unsinn. Dass Jesus eine Naherwartung hatte, ist in der Forschung Konsens. Daran ändern auch die Ratzingers und Bergers nichts.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#10 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Münek » Sa 24. Feb 2018, 14:50

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Antichristliche Gebärde hoher WISSENSCHAFTLICHKEIT
Er spricht nicht von "Wissenschaftlichkeit", sondern von der "Gebärde der Wissenschaftlichkeit".
Du Witzbold - nichts anderes habe ich geschrieben.

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