Alles Teufelszeug? IX

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sven23
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#631 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 21. Apr 2018, 16:15

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, deshalb enthält sich die Forschung aller Glaubenshermeneutik.
Das tut sie eben NICHT. - Sie glaubt zumindest modellhaft, dass ihre Vorannahmen die richtigen sind.
Das ist eine Selbstverständlichkeit und hat nicht das geringste mit folgendem Glaubensbekenntnis zu tun:

Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
Katechismus der katholischen Kirche

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, die einen wissenschaftlich, die anderen wie Ratzinger glaubensideologisch.
Nein - WENN Du schon auf "glaubensideologisch" bestehst, dann sind BEIDE glaubensideologisch. (MEIN Wortschaft ist das nicht)
Meine auch nicht, denn Glaubensbekenntnisse oder Aberglauben sind nicht dasselbe wie die Abwesenheit derselben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Halten wir uns doch an die allgemeingültige Definition.
Siehst Du: So einfach ist es - denn dann ist Jahwe NICHT ein Tyrann.
Doch, ist er. Und ein gewalttätiger dazu.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da ist nichts hineininterpretiert, sondern das waren ganz konkrete und berechtigte Kritikpunkte in den Urgemeinden.
Und diese Punkte waren richtig oder falsch. - Hast Du schon mal dran gedacht, dass die Schreiber ein falsches Verständnis der Urgemeinde korrigieren wollte?
Warum, denn es ist doch genau umgekehrt. Die Kritik der Urgemeinden war eine Reaktion auf die ersten Vergottungsversuche der Schreiber, die darauf erneut reagierten. Ein oft gesehenes Muster im Dialog zwischen Schreibern und Urgemeinden.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#632 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 21. Apr 2018, 16:45

sven23 hat geschrieben:Das ist eine Selbstverständlichkeit und hat nicht das geringste mit folgendem Glaubensbekenntnis zu tun
Es sind verschiedene - logisch. - Aber vergiß nicht: Säkulare oder spirituelle Vorannahmen sind NICHT Gegenstand der Forschung, sondern Grundlagen der Interpretation von Forschung.

sven23 hat geschrieben:Glaubensbekenntnisse oder Aberglauben sind nicht dasselbe wie die Abwesenheit derselben.
Einer dieser stereotypen Null-Sätze. - Denn es gibt keine Abwesenheit von Vorannahmen alias Glaubensbekenntnissen, wenn man interpretiert.

sven23 hat geschrieben:Warum, denn es ist doch genau umgekehrt. Die Kritik der Urgemeinden war eine Reaktion auf die ersten Vergottungsversuche der Schreiber, die darauf erneut reagierten.
Bei entsprechender Hermeneutik kann man es so interpretieren.

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sven23
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#633 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 21. Apr 2018, 18:44

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist eine Selbstverständlichkeit und hat nicht das geringste mit folgendem Glaubensbekenntnis zu tun
Es sind verschiedene - logisch. - Aber vergiß nicht: Säkulare oder spirituelle Vorannahmen sind NICHT Gegenstand der Forschung, sondern Grundlagen der Interpretation von Forschung.
Wer soll vergessen, dass man aufgrund von Glaubensbekenntnissen keine wissenschaftliche historische Forschung betreiben kann? Die Forschung bestimmt nicht. Lediglich die Glaubensideologen leiden unter partieller Amnesie.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Glaubensbekenntnisse oder Aberglauben sind nicht dasselbe wie die Abwesenheit derselben.
Einer dieser stereotypen Null-Sätze. - Denn es gibt keine Abwesenheit von Vorannahmen alias Glaubensbekenntnissen, wenn man interpretiert.
Es gibt aber Abwesenheit von Glaubensbekenntnissen und Aberglauben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Warum, denn es ist doch genau umgekehrt. Die Kritik der Urgemeinden war eine Reaktion auf die ersten Vergottungsversuche der Schreiber, die darauf erneut reagierten.
Bei entsprechender Hermeneutik kann man es so interpretieren.
Eben, bei wissenschaftlicher Vorgehensweise kommt die Forschung zu diesen Ergebnissen. Glaubensideologen ignorieren dies alles, weil es ihr Glaubenskonstrukt gefährden könnte. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
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#634 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 21. Apr 2018, 20:18

sven23 hat geschrieben:Wer soll vergessen, dass man aufgrund von Glaubensbekenntnissen keine wissenschaftliche historische Forschung betreiben kann?
Du vermanschst wieder was: Glaubensbekenntnisse/Vorannahmen sind doch gar nicht Gegenstand der Forschung. - Selbstverständlich kann man (bei entsprechender Definition von Wissenschaft) sachlich-neutrale Forschungs-Ergebnisse nach unterschiedlichen Vorannahmen interpretieren - noch mehr: Nichts anderes tun HKE und andere Exegese-Formen.

sven23 hat geschrieben:Es gibt aber Abwesenheit von Glaubensbekenntnissen und Aberglauben.
Genauso viel oder wenig wie anderswo. - Es ist ein "Glaubensbekenntnis/Aberglaube" (DEINE Worte, nicht meine), wenn man meint, man könne das Wesen Jesu am besten verstehen, wenn man die Bibel wie jeden anderen antiken Text untersucht und Wunder zugunsten eines naturalistisch ununterbrochenen Wirkungszusammenhang der Geschichte ausschließt. - Genauso wie es ein "Glaubensbekenntnis/Aberglaube" ist, wenn man auf der Basis forscht, dass Jesus göttlich ist.

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Zeus
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#635 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von Zeus » Sa 21. Apr 2018, 21:01

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer soll vergessen, dass man aufgrund von Glaubensbekenntnissen keine wissenschaftliche historische Forschung betreiben kann?
Du vermanschst wieder was: Glaubensbekenntnisse/Vorannahmen sind doch gar nicht Gegenstand der Forschung. - Selbstverständlich kann man (bei entsprechender Definition von Wissenschaft) sachlich-neutrale Forschungs-Ergebnisse nach unterschiedlichen Vorannahmen interpretieren - noch mehr: Nichts anderes tun HKE und andere Exegese-Formen.

sven23 hat geschrieben:Es gibt aber Abwesenheit von Glaubensbekenntnissen und Aberglauben.
Genauso viel oder wenig wie anderswo. - Es ist ein "Glaubensbekenntnis/Aberglaube" (DEINE Worte, nicht meine), wenn man meint, man könne das Wesen Jesu am besten verstehen, wenn man die Bibel wie jeden anderen antiken Text untersucht und Wunder zugunsten eines naturalistisch ununterbrochenen Wirkungszusammenhang der Geschichte ausschließt. - Genauso wie es ein "Glaubensbekenntnis/Aberglaube" ist, wenn man auf der Basis forscht, dass Jesus göttlich ist.
Warum sollte man die Bibel nicht wie jeden anderen antiken Text untersuchen?
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#636 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Sa 21. Apr 2018, 21:50

Zeus hat geschrieben:Warum sollte man die Bibel nicht wie jeden anderen antiken Text untersuchen?
Soll man durchaus - aber man muss wissen, was man damit erreichen kann und was nicht.

Aus diesem Grund wird die HKE in der Theologie als Lieferant von historischen Sach-Ergebnissen sehr geschätzt - denn das kann keiner besser als die HKE. - Ratzinger hat dazu eigens in einem päpstlichen Papier 1993 die HKE als "unverzichtbar für das Verständnis der Bibel" bezeichnet - das gilt auch heute noch.

Aber was die die HKE NICHT kann, ist, die Frage zu beantworten, ob Jesus lediglich ein x-beliebiger Wanderprediger oder göttlich war. - Diese Frage stellt sie gar nicht, sondern untersucht so, als sei Jesus nichts als ein Mensch. - Das ist aus Sicht der HKE auch richtig, weil sie kritisch-rational strukturiert ist und somit nur das berücksichtigen kann, was falsifizierbar ist - "Jesus ist göttlich" ist nicht falsifizierbar, also folglich methodisch nicht relevant.

Somit untersucht die HKE die Bibel "als wenn es Gott resp. Jesu Göttlichkeit nicht gäbe" - wie gesagt: Das ist methodisch richtig. - Allerdings ist damit nicht geklärt, ob Jesus göttlich war oder nicht. - Das führt dazu, dass die Theologie, die davon ausgeht, dass Jesus göttlich war, lediglich die sachlich neutralen Ergebnisse der HKE nutzt, nicht aber deren hermeneutischen Interpretationen daraus (= "Wenn Jesus nur Mensch war, ist diese Quelle folgendermaßen ... zu interpretieren"). - Die Theologie nutzt deren hermeneutischen Interpretationen deshlab nicht, weil sie eine eigene Hermeneutik hat: "Wenn Jesus auch göttlich war, ist diese Quelle folgendermaßen ... zu interpretieren". - Und da kommt halt teilweise ganz Unterschiedliches raus.

So einfach ist es im Grunde - und innerhalb der Wissenschaften furchtbar normal. - Da aber diese Diskussion eminent weltanschaulich unterlegt ist, gibt es ständig Auseinandersetzungen, die stellvertretend zwischen Sven/Münek und mir hier im Forum stattfinden.

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sven23
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#637 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 22. Apr 2018, 07:23

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer soll vergessen, dass man aufgrund von Glaubensbekenntnissen keine wissenschaftliche historische Forschung betreiben kann?
Du vermanschst wieder was: Glaubensbekenntnisse/Vorannahmen sind doch gar nicht Gegenstand der Forschung. -
Der Vermanscher bist du selbst, wenn du glaubensbasierte Exegesen mit der historisch-kritischen in einen Topf wirfst.


closs hat geschrieben: Selbstverständlich kann man (bei entsprechender Definition von Wissenschaft) sachlich-neutrale Forschungs-Ergebnisse nach unterschiedlichen Vorannahmen interpretieren - noch mehr: Nichts anderes tun HKE und andere Exegese-Formen.
Logisch: man definiert Wissenschaft einfach um und erklärt Glaubensbekenntnisse zur Basis von wissenschaftlicher Untersuchung.
Dabei gilt nach wie vor: Glaubensbekenntnisse gehören in die Kirche und nicht in die Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es gibt aber Abwesenheit von Glaubensbekenntnissen und Aberglauben.
Genauso viel oder wenig wie anderswo.
Finde ich immer ganz putzig, wenn man die Verweigerung von Aberglauben auf die gleiche Stufe stellt wie den Aberglauben selbst.


closs hat geschrieben: - Es ist ein "Glaubensbekenntnis/Aberglaube" (DEINE Worte, nicht meine), wenn man meint, man könne das Wesen Jesu am besten verstehen, wenn man die Bibel wie jeden anderen antiken Text untersucht und Wunder zugunsten eines naturalistisch ununterbrochenen Wirkungszusammenhang der Geschichte ausschließt. - Genauso wie es ein "Glaubensbekenntnis/Aberglaube" ist, wenn man auf der Basis forscht, dass Jesus göttlich ist.
Nein, ersteres ist der Status Quo in der historischen Forschung, letzteres gehört in die Kirche.
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#638 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 22. Apr 2018, 07:34

closs hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Warum sollte man die Bibel nicht wie jeden anderen antiken Text untersuchen?
Soll man durchaus - aber man muss wissen, was man damit erreichen kann und was nicht.
Man kann damit nicht die zirkelreferente Bestätigung eines Glaubenskonstrukts erreichen. Das geht nur mit Glaubensbekenntnissen wie diesen:

Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
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closs hat geschrieben: Aber was die die HKE NICHT kann, ist, die Frage zu beantworten, ob Jesus lediglich ein x-beliebiger Wanderprediger oder göttlich war.
Die Forschung kann aber zeigen, dass Jesus ein Wanderprediger und Endzeitprophet war, der sich geeirrt hat. Und sie kann den Vergottungsprozess anhand der Textquellen nachzeichnen. Die Forschung macht zwar keine Aussagen zu seiner Göttlichkeit, aber die kritische Betrachtung der chronologischen Textentstehung läßt doch erhebliche Zweifel aufkommen.

Deshalb sagt ja ein Alberte Schweitzer:

Der Jesus der Evangelien hat nie existiert

Und Lindemann meint, dass der historische Jesus dem Gauben im Weg steht.
Er (Jesus) habe nichts von dem getan, was im AT prophezeit wurde.
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#639 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 22. Apr 2018, 08:36

Roland hat geschrieben: Und dass ein Affe mitkriegt, wenn ein anderer die Leckerbissen bekommt und nicht er, hat mE auch weniger mit einem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden zu tun. Sondern einfach mit der Tatsache, dass ER die Leckerbissen haben will, also mit Futterneid.

Nicht unbedingt, denn wenn es reiner Futterneid wäre, würde der Affe bei jedem Futter so reagieren. Tut er aber nicht, sondern nur bei den Leckerbissen, die man ihm vorenthält und er sich deshalb ungerecht behandelt fühlt.

Affen können auch Gefühle zeigen. So wie der Chimpanse, der sich vor seiner Freilassung im Urwald noch einmal von Jane Goodall verabschiedet.

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#640 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » So 22. Apr 2018, 09:00

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Na bitte - geht doch. Hat jetzt aber lange gedauert, bis bei Dir der Groschen fiel. :clap:
Ich befürchte nur, diese Erkenntnis hält bei Dir nicht lange an.
O Mann - da muss man nur die ersten paar Zeilen von Hiob kennen, um das zu wissen. - Aber Du scheinst nicht zu verstehen, dass Satan von Gott als Antagonist eingesetzt ist.
Das wäre ja noch schlimmer. Satan als Kettenhund, den Gott bei Bedarf auf die Menschen losgehen läßt.

Den Schreibern ging es aber primär um etwas anderes. Der antike Tun-Ergehen-Zusammenhang war in die Krise gekommen. Man suchte nach einem Lösungsansatz für das Theodizeeproblem.
Gelungen ist es mehr schlecht als recht.

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