Natürlich geht es, wie so oft, nicht um historisch präzise Tatsachenberichte sondern um die eigentliche Botschaft. Da gingen schon bei den Evangelisten die Meinungen auseinander. Ich spüre ihr Ringen darum, zu verstehen, was da eigentlich geschehen war - und wie sie das sich selbst und anderen erklären sollten ... Das NT ist, wie auch das AT, ein Diskurs durchaus unterschiedlicher Erklärungsmodelle von Menschen die nach Gott fragen. Ich finde das einfach spannend, unterhaltsam, lehrreich und immer wieder fordernd, die eigenen wechselnden Positionen zu überdenken und sich in diesen Lernprozessen Gott entgegen zu irren. Auch so kann man den Heiligen Geist interpretieren.
2.Tim 3,16 hat geschrieben:Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit;
Es ist eine Ironie in der Geschichte des Christentums, wenn man bedenkt, dass dieser Bibelvers gerade von denen so häufig im Munde geführt wird, welche den Mythos von der Widerspruchsfreiheit der Bibel behaupten. Die Bibel vor allem gegen sich selbst gerichtet zu lesen, und sich von der Bibel die eigenen Lehren über die Bibel widerlegen zu lassen - das ist, zugegebenermaßen, eine ganz besonders schwierige Übung, wenn man anderen erst einmal geglaubt hat, dass es keine Widersprüche in der Bibel geben würde. Es ist wirklich schwierig, dass nicht zu glauben, wenn man in diese christlichen Kreise hineingeboren wurde, weil man es von allen Seiten ständig so hörte. Dieser Gruppendruck ist enorm.
Dieser Bibelvers wurde nicht geschrieben um nur die anderen zu belehren, zu widerlegen, zu bessern, zu erziehen, diese lästigen anderen, die eine andere Meinung vertreten, sondern um sich hin und wieder auch an der eigenen Nase zu fassen - der Gerechtigkeit wegen. Damit man kein falsches Zeugnis ablegt über die Bibel, nicht etwas als Wahrheit bezeugt, was nicht einer eigenen Erkenntnis geschuldet ist, das nur anderen nachgeplappert ist, ohne es selbst geprüft zu haben und das man nicht einmal ansatzweise mit etwas belegen und begründen kann.
Ja, es gehört zum Christsein dazu zu Unrecht ausgelacht und verspottet zu werden, für seinen Glauben - aber es gehört nicht dazu, zurecht ausgelacht zu werden. Sich durch die Bibel widerlegen und so zur Gerechtigkeit erziehen lassen - gar keine schlechte Idee, wie ich meine.