Islam!

Judentum, Islam, Hinduismus, Brahmanismus, Buddhismus,
west-östliche Weisheitslehre
Benutzeravatar
Halman
Beiträge: 4016
Registriert: Di 25. Feb 2014, 20:51

#241 Re: Islam!

Beitrag von Halman » Fr 20. Mai 2016, 02:35

Novalis hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:Zudem hält er das westliche Modell einer ideologischen Kolonialisation von Religion auch auf den Islam anwendbar.
Und...
glaubst DU, dass es möglich ist, dass sich der Islam anderen Staatsformen unterstellt?

Weshalb sollte das nicht möglich sein?
Weil der Islam als soziopolitisches System in Konkurrenz mit nicht-islamischen Gesellschaftsformen steht. Der Islamkritiker Hamed Abdel Samad bringt es meiner Meinung nach im kurzen Interview auf dem Punkt.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#242 Re: Islam!

Beitrag von Novas » Fr 20. Mai 2016, 12:07

Halman hat geschrieben:Weil der Islam als soziopolitisches System in Konkurrenz mit nicht-islamischen Gesellschaftsformen steht. Der Islamkritiker Hamed Abdel Samad bringt es meiner Meinung nach im kurzen Interview auf dem Punkt

Doch, weil wir es hier mit lernfähigen Menschen und nicht mit einem abstrakten System zu tun haben. Wenn Du Menschen damit gleich setzt, dann machst Du den gleichen Fehler, den leider auch alle Fanatiker machen. Dann orientierst Du dich an ihrem Menschenbild. Es ist außerdem eine Tatsache, dass die politische Ideologie (Islamismus) nicht identisch ist mit dem spirituellen Weg des Islam. Ich weiß es, weil ich mich mit dem spirituellen Weg beschäftigt habe, gerne kann ich auch mehr dazu schreiben ;)

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#243 Re: Islam!

Beitrag von Savonlinna » Fr 20. Mai 2016, 12:26

Novalis hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Weil der Islam als soziopolitisches System in Konkurrenz mit nicht-islamischen Gesellschaftsformen steht. Der Islamkritiker Hamed Abdel Samad bringt es meiner Meinung nach im kurzen Interview auf dem Punkt
Doch, weil wir es hier mit lernfähigen Menschen und nicht mit einem abstrakten System zu tun haben.
Gut, dass Du das immer wieder betonst.

Novalis hat geschrieben:Wenn Du Menschen damit gleich setzt, dann machst Du den gleichen Fehler, den leider auch alle Fanatiker machen. Dann orientierst Du dich an ihrem Menschenbild.
Das ist eine wichtige Aussage. Diesem Fehler kann jeder leicht unterliegen: sich an einem geäußerten oder festgeschriebenen Menschenbild zu orientieren und nicht an der Lebendigkeit - dem ständigen Wandel - eines Menschen.

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#244 Re: Islam!

Beitrag von Novas » Fr 20. Mai 2016, 14:48

Savonlinna hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Weil der Islam als soziopolitisches System in Konkurrenz mit nicht-islamischen Gesellschaftsformen steht. Der Islamkritiker Hamed Abdel Samad bringt es meiner Meinung nach im kurzen Interview auf dem Punkt
Doch, weil wir es hier mit lernfähigen Menschen und nicht mit einem abstrakten System zu tun haben.
Gut, dass Du das immer wieder betonst.

Novalis hat geschrieben:Wenn Du Menschen damit gleich setzt, dann machst Du den gleichen Fehler, den leider auch alle Fanatiker machen. Dann orientierst Du dich an ihrem Menschenbild.
Das ist eine wichtige Aussage. Diesem Fehler kann jeder leicht unterliegen: sich an einem geäußerten oder festgeschriebenen Menschenbild zu orientieren und nicht an der Lebendigkeit - dem ständigen Wandel - eines Menschen.



Mohammad Ali Shomali, Professor für islamische Theologie in der Universitätsstadt Qom, der sich auch für den christlich-muslimischen Dialog einsetzt, beschreibt den Weg der Mystik folgendermaßen:

„Echte Mystik muss beides umfassen: das Herz und den Verstand. Vor allem aber müssen wir das, was wir erkannt haben, im Alltag umsetzen. Das Gebet ist nicht nur etwas, was man in der Moschee oder in besonderen Momenten übt, es ist vielmehr eine Haltung, die unser Leben jeden Tag, 24 Stunden lang, bestimmen sollte. Würden wir uns wirklich immer klar machen, dass Gott bei uns ist, dann würden wir nie die Hoffnung verlieren, und wir würden andere nie schlecht behandeln. Ja, wir wären automatisch veränderte, neue Menschen. Ich denke, ein Mystiker ist jemand, der das verstanden hat, dessen Verhalten allem und jedem Gegenüber von der Freude über die Gegenwart und Liebe Gottes geprägt wird.“

Die Seele des Gebets ist das Aufgehen des Selbst in Gott.

– schreibt Jalaluddin Rumi im 13. Jahrhundert, etwa zu derselben Zeit, als auch in Europa die christliche Mystik aufblüht. Heute sehen immer mehr iranische Gelehrte die Mystik als Brücke zwischen den Religionen. Der Philosophieprofessor Shahram Pazouki hat sich sogar an der Teheraner Universität auf dieses Gebiet spezialisiert:

„Ich befasse mich oft mit der abendländischen Mystik, mit Meister Eckhart oder Theresa von Avila. Einer meiner Studenten hat jetzt zum Beispiel eine ausgezeichnete Doktorarbeit über den Vergleich zwischen Rumi und Theresa geschrieben. Es gibt so viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Islam und dem Christentum, und die meisten Parallelen finden Sie in der Mystik. Manchmal sage ich sogar, dass der Sufismus der "christliche Teil" des Islam ist, und suche dabei nach neuen Wegen des Dialogs.“
http://www.deutschlandfunk.de/der-sufis ... _id=127800


Das Herz jeder Religion ist eben die Religion des Herzens.... und die teilen alle Menschen miteinander ... ;) für mich ist Jesus nur deshalb der Weg, weil er diesen Weg des Herzens verkörpert, der universell menschlich ist und somit alle religiösen Begrenzungen hinter sich lässt.


“Ich folge der Liebe,
Wohin auch ihre Karawane zieht,
Liebe ist meine Religion,
Liebe ist mein Glaube.”

― Ibn Arabi


8694188824_2c806bbdd2_z.jpg
https://www.flickr.com/photos/riviera2008/8694188824/
Martina Rathgens: Karawane (CC BY 2.0)

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#245 Re: Islam!

Beitrag von Savonlinna » Fr 20. Mai 2016, 15:30

Novalis hat geschrieben:Heute sehen immer mehr iranische Gelehrte die Mystik als Brücke zwischen den Religionen.
Und nicht nur sie. Auch zwischen dem Zen-Buddhismus und der deutschen Mystik wurde eine fundamentale Übereinstimmung festgestellt.

Ich, die ich keine Religion für mich akzeptieren kann, sehe aber das Gleiche im Menschen überhaupt verankert.
Wie sollte es auch anders sein. Nur Systeme sind per Kopf hergestellt. Aber mitgeboren ist etwas, das jenseits aller Systeme liegt und das Hinz und Kunz - egal, wo er steht - in sich entdecken kann oder muss, oft auch ohne irgendein Suchen.

Novalis hat geschrieben: für mich ist Jesus nur deshalb der Weg, weil er diesen Weg des Herzens verkörpert, der universell menschlich ist und somit alle religiösen Begrenzungen hinter sich lässt.
Jeder kann seinen Weg wählen, ihn benennen, wie er will und sich orientieren desbezüglich an wen er will.
Da pfusche ich auch nicht zwischen.

Für mich aber verkörpert nicht Jesus diesen Weg oder dieses Begreifen.
Für mich ist dieses Begreifen überhaupt nicht verkörpert, außer in uns allen.

Allerdings lässt in meinen Augen das Christentum - das Christentum in seiner zweitausendjährigen Entwicklung - zu, dass dieses Grundverstehen so formuliert werden kann, dass eben in uns Menschen etwas geboren - entwickelt - werden kann, das über unseren momentanen Stand hinausgeht.
Das liegt als Ahnung möglicherweise in uns.

Mir läge daran, für das Genannte ein nicht-religiöses Vokabular zu finden. Das religiöse Vokabular ist verbraucht, missbraucht, und man kann es manchmal nicht mehr hören.

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#246 Re: Islam!

Beitrag von Novas » Fr 20. Mai 2016, 16:21

@ Halman: Noch ein Hinweis zum Thema, was ich der Redlichkeit halber beifügen muss: es gibt zwar eine islamische Mystik – und diese kann zu einem aufgeklärten Islam beitragen – ein Beispiel dafür ist die Arbeit des ägyptische Koranlgelehrten Nasr Abu Zeid, der bekannt wurde für seine freigeistigen Koranauslegung, beruft sich dabei unteranderem auf Ibn Arabi, der auch ein bedeutender Kritiker der Orthodoxie war. Abu Zaid sieht ihn als Vorbild unabhängigen Denkens im Islam. Doch was geschah? 1995 gab es heftige Attacken von Fundamentalisten gegen ihn, weshalb er flüchten und nach Holland immigrieren musste.

Yasar Nuri Öztürk, ein sehr bekannter türkischer Theologe, wies ebenfalls darauf hin, dass nahezu alle Bücher der letzten 50 Jahre über Rumi von westlichen Orientalisten geschrieben wurden. Die größte Anerkennung findet die islamischer Mystik heute in Europa und Amerika. Das ist eine sehr bedauerliche Situation und eine traurige Wahrheit. Gerhard Schweizer im Gespräch mit Qantara.de:

Was ist am Sufismus so bedrohlich für die Orthodoxie?
[....]

Sufis vertreten die Ansicht, dass die Mystiker dogmatisch unterschiedlichster Religionen sich aus der "Schale", ihrem angestammten Glaubensbekenntnis, lösen und zu einem "Kern" gelangen, in dem alle die gleiche intuitive Gotteserfahrung machen. Bei Ibn al-Arabi findet sich die Aufforderung, man solle sich nicht an eine bestimmte Bekenntnisformel binden. Gott sei umfassender und größer als jede dogmatisch fixierte Vorstellung von Gott in irgendeiner heiligen Schrift – also auch größer als der im Koran definierte Gott.

Werden Sufis heute noch verfolgt?

Schweizer: Im Iran hat Khomeini Sufis wegen angeblicher Sittenlosigkeit hinrichten lassen. Aber seit Khatami sind die Werke beispielsweise von Rumi im Iran wieder erhältlich. Eine Sufismus-Tagung an der Universität Teheran mit international renommierten Orientalisten wurde 2002 erlaubt. Die Möglichkeiten der sufischen Toleranz wurden frei erörtert und Rumi rehabilitiert. Heute lässt sich die iranische Bildungsschicht nicht mehr vorschreiben, wen sie lesen darf. Solange Iraner das Regime nicht offen kritisieren, ist derartige Freiheit möglich.

Wird Abu Zaid verfolgt, weil er sich auf Schriften des 13. Jahrhunderts beruft?

Schweizer: Die meisten Ägypter wissen gar nicht so genau, wer al-Arabi ist, aber eine Reihe gebildeter Fundamentalisten hat sehr wohl die geistige Sprengkraft im Gedankengut al-Arabis erkannt. Eine religiös radikale Toleranz und die Einsicht in die Relativität aller rational begrifflichen Dogmatik - das ist es, was besonders Fundamentalisten fürchten.

https://de.qantara.de/inhalt/interview- ... nnte-islam

So wie alle Fundamentalisten eine radikal religiöse Toleranz und die Einsicht in die Relativität aller rational begrifflichen Dogmatik fürchten........ Ich denke, in einer zunehmend vernetzten Welt, kann man diese geistesfeindlichen Repressionen ohnehin nicht mehr auf Dauer durchhalten. Der arabische Frühling war, so denke ich, nur eine leichte Frühlingsbrise. Der Sturm wird noch losbrechen. Meiner Intuition nach: bald.... diese Menschen, die auch unsre Brüder sind, haben bei diesem Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit meine vollkommene Solidarität. Eine Freundin von mir war übrigens am arabischen Frühling (in Tunesien) aktiv beteiligt :thumbup:

Sie sagte, das war das lustigste und aufregendste Abenteuer, welches sie je erlebte. So ist das, wenn Menschen beginnen menschliches Antlitz zu zeigen und der Wind der Freiheit die starren Verhältnisse zum Tanzen bringt. Ich denke da auch an den Prager Frühling. Vom Prager Frühling (1968), der gewaltsam niedergeschlagen wurde bis zur Alma-Ata-Erklärung (auch: Alma-Ata-Deklaration; russisch Алма-Атинская декларация), die am 21. Dezember 1991 die Auflösung der Sowjetunion besiegelte, sind es 23 Jahre gewesen.

Ich denke da immer an dieses Bild mit dem mutigen Mann vor dem Panzer:

Bild

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#247 Re: Islam!

Beitrag von Novas » Fr 20. Mai 2016, 17:20

+
Zuletzt geändert von Novas am Fr 20. Mai 2016, 20:47, insgesamt 1-mal geändert.

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#248 Re: Islam!

Beitrag von Novas » Fr 20. Mai 2016, 18:19

Savonlinna hat geschrieben:Mir läge daran, für das Genannte ein nicht-religiöses Vokabular zu finden. Das religiöse Vokabular ist verbraucht, missbraucht, und man kann es manchmal nicht mehr hören.


Ja, die Religion sollte eigentlich die Spiritualität unterstützen, aber sie verbaut ihr häufig den Weg. Es mag viele Glaubensüberzeugungen geben, aber es gibt nur einen Glauben, der auf verschiedene Weise zum Ausdruck gebracht werden kann. Wenn man den Menschen im Blick behält, dann kann man das erkennen.

Novas
Beiträge: 7986
Registriert: Mi 20. Jun 2018, 21:23

#249 Re: Islam!

Beitrag von Novas » Sa 21. Mai 2016, 18:00

Savonlinna hat geschrieben:Ich, die ich keine Religion für mich akzeptieren kann, sehe aber das Gleiche im Menschen überhaupt verankert.
Wie sollte es auch anders sein. Nur Systeme sind per Kopf hergestellt. Aber mitgeboren ist etwas, das jenseits aller Systeme liegt und das Hinz und Kunz - egal, wo er steht - in sich entdecken kann oder muss, oft auch ohne irgendein Suchen

Das geht mir ähnlich. Allerdings habe ich das nie so empfunden, dass ich Religion akzeptieren oder ablehnen muss. Andere mögen für oder gegen Religion sein, was auch immer damit gemeint ist, aber ich akzeptiere einfach, dass es da ist. So wie ich akzeptiere, dass Kunst da ist.

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#250 Re: Islam!

Beitrag von Savonlinna » Sa 21. Mai 2016, 18:29

Novalis hat geschrieben: Da ist dann aber auch die Frage: was ist Religion?
Schwere Frage.

Ich fange mal mit dem Leichtesten an:
Wenn jemand darauf besteht, dass "es Gott gibt", dann liegt auf jeden Fall Religion vor.
Dann ist bereits eine feste Begrifflichkeit vorhanden, die die Menschen einteilt in zwei Gruppen: die, die glauben, dass es Gott gibt, und die anderen.

Antworten