Ehe für alle

Leben in einer christlich geprägten Gesellschaft
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ProfDrVonUndZu
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#561 Re: Ehe für alle

Beitrag von ProfDrVonUndZu » Fr 16. Mär 2018, 16:45

Das Konzept der Erbsünde relativiert sich, wenn man es bei sich selber sieht, und nicht bei anderen. Die herrschende Klasse hat seit jeher mit einem Konzept der Erbschuld regiert. Früher war man Herr oder Sklave von Geburt an. Der Sklave war schuldig den Herren zu dienen. Heute ist das nicht viel anders. Wer ins falsche Elternhaus geboren wurde, als Opfer der "Sachzwänge", so wie des Hungers und der Kälteempfindlichkeit wegen, ist schuldig sich zu prostituieren, d.h. seine nackte Arbeitskraft zu verramschen. Niemand schenkt einem hier was, nur weil man einfach Mensch ist. Die Solidargemeinschaft, die ja gar keine ist, arbeitet nach dem Schuldprinzip.
"Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand." - Gandalf in J.R.R Tolkien - Herr der Ringe, Band 1

Sonnenblume
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#562 Re: Ehe für alle

Beitrag von Sonnenblume » Fr 16. Mär 2018, 16:54

Zitat aus Kubitza, der Jesuswahn:
"Der Erbsündengedanke ist zudem so alt nicht. Er findet sich weder im Alten noch im Neuen Testament. Im Gegenteil wird auch dort eher die persönliche Verantwortung betont trotz des Sündenfalls des Urmenschen.

Der hier erwähnte Sündenfall hat sehr wohl etwas mit der Erbsünde zu tun. Was? Der Sündenfall verkörpert die erste Sünde. Das hatte für jeden Menschen tiefgreifende Folgen bis zum heutigen Tag. Welche? Es kam zu einer geistigen Trennung zwischen Gott und Mensch. Der Mensch bekam von Gott nur noch in einigen wenigen Situationen eine persönliche Antwort. Erst seit dem Sündernfall altert, erkrankt und stirbt der Mensch:

"Deshalb, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben."(Rö5:12)

Hier eine kleine Korrektur:
Die Kirchen haben auch in der Vergangenheit nicht probiert, den Leuten einzureden, man könne sich von der Erbsünde freikaufen. Doch sie gaben die Möglichkeit, sich von Sünden freizukaufen, wie z.B. mit Ablasszetteln. Und sie drohten/drohen immer noch mit einer Feuerhölle.

closs
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#563 Re: Ehe für alle

Beitrag von closs » Fr 16. Mär 2018, 16:59

sven23 hat geschrieben:Wer sagt denn, dass etwas stimmen muss, nur weil es "Grundlage der Theologie" ist?
Niemand sagt das: Die eine Hermeneutik kann genauso wie die andere Hermeneutik irren - nicht falsifizierbar.

ProfDrVonUndZu hat geschrieben: Die herrschende Klasse hat seit jeher mit einem Konzept der Erbschuld regiert.
Zumindest hat die Kirche dieses Motiv gerne genutzt, um ihre Schäfchen unter Kontrolle zu halten - Missbrauch ist bei solchen Dingen immer inklusive. - Aber das macht die "Erbsünde" nicht falsch, sondern zeigt nur, dass man alles missbrauchen kann und es dann auch tut.

Das Hauptproblem beim Begriff "Erbschuld" liegt meines Erachtens nach wie vor darin, dass man sich nach heutiger Denke etwas ganz anderes darunter vorstellt, als was damit gemeint ist.

ProfDrVonUndZu hat geschrieben:Die Solidargemeinschaft, die ja gar keine ist, arbeitet nach dem Schuldprinzip.
Sozial stimme ich Dir zu, würde es aber nicht mit dem Begriff "Erbschuld" in Verbindung bringen. - Denn es ist ja gerade der Trick, dass man heute das Gegenteil vorgibt: "Du bist selbstverantwortlich und kannst alles erreichen, wenn Du die Leistung dafür erbringst".

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sven23
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#564 Re: Ehe für alle

Beitrag von sven23 » Fr 16. Mär 2018, 17:05

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer sagt denn, dass etwas stimmen muss, nur weil es "Grundlage der Theologie" ist?
Niemand sagt das: Die eine Hermeneutik kann genauso wie die andere Hermeneutik irren - nicht falsifizierbar.
Was hat das mit Falsifizierbarkeit zu tun?
Die Entwicklung eines Menschenbildes ist doch eine freie Entscheidung. Warum aber benötigt gerade das Christentum solch ein negatives Menschenbild?
Der Erbsündengedanke findet sich in dieser extremen Form weder im Islam noch im Judentum.


Zwar kennt der Islam auch den Sündenfall, allerdings ohne dass er deswegen eine Lehre von der
Erbsünde ausgebildet hätte. Anders als im Christentum wird der Mensch auch als viel freier
gegenüber ethischen Geboten und der Annahme des Glaubens verstanden. Er kann Moslem werden,
wenn er will, während (etwas verkürzt gesagt) Menschen nur Christen werden können, wenn Gott
dies will.
Auch das Judentum versteht den Menschen als viel freier in der Entscheidung. Nach jüdischem
Verständnis kann der Mensch die Entscheidung zum Glauben selbst vollziehen, er kann das Gesetz
beachten. Die Sünde ist beherrschbar, der Mensch ist ihr nicht hilflos ausgeliefert.
„Die Sünde ist zwar unvermeidlich, aber keine metaphysische Größe, die den Menschen zu
Boden drückt. Der Mensch ist nicht dazu verurteilt, mit ständigen Schuldgefühlen
umherzugehen.“
Und das Judentum kennt auch keine Erbsünde. Sie ist damit ein rein christlicher Aberglaube.
Judentum und Islam haben deshalb ein viel freundlicheres Menschenbild als die Christen. Dass das
Christentum heute eher positiver verstanden wird, der Islam eher negativer, hängt damit zusammen,
dass das Christentum eine durch die Aufklärung geläuterte Religion ist, der Islam jedoch nicht. Will
man beide Religionen vergleichen, muss man den mittelalterlichen Islam mit dem mittelalterlichen
Christentum vergleichen, und nicht die moderne westliche Welt mit heutigen islamischen oder
halbislamischen Staaten.

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Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Janina
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#565 Re: Ehe für alle

Beitrag von Janina » Fr 16. Mär 2018, 17:10

closs hat geschrieben:Prinzipiell ebenfalls richtig - aber WER prüft WORAN, dass die geistigen Hintergründe dessen, was man "Erbsünde" nennt, falsch oder richtig sind?
Ich. Sollte dir aufgefallen sein. Geprüft an den Fakten, die wir über Vererbung wissen.

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ProfDrVonUndZu
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#566 Re: Ehe für alle

Beitrag von ProfDrVonUndZu » Fr 16. Mär 2018, 17:14

closs hat geschrieben:Zumindest hat die Kirche dieses Motiv gerne genutzt, um ihre Schäfchen unter Kontrolle zu halten - Missbrauch ist bei solchen Dingen immer inklusive. - Aber das macht die "Erbsünde" nicht falsch, sondern zeigt nur, dass man alles missbrauchen kann und es dann auch tut.
Ich halte ja an einem Konzept der Erbsünde fest, auf Basis des von Sonnenblume genannten paulinischen Verses Römer 5,12
Genauer habe ich meine Sichtweise auf Seite 54 erklärt.

Das Hauptproblem beim Begriff "Erbschuld" liegt meines Erachtens nach wie vor darin, dass man sich nach heutiger Denke etwas ganz anderes darunter vorstellt, als was damit gemeint ist.
Ja, eine Art mathematisch fassbarer Automatismus..... oder so ähnlich

Sozial stimme ich Dir zu, würde es aber nicht mit dem Begriff "Erbschuld" in Verbindung bringen. - Denn es ist ja gerade der Trick, dass man heute das Gegenteil vorgibt: "Du bist selbstverantwortlich und kannst alles erreichen, wenn Du die Leistung dafür erbringst".
Richtig, das auch. Das impliziert aber nun mal umgekehrt, dass jeder, der hier nichts bzw. zu wenig erreicht, nur selber Schuld sein kann an seiner Lage. Aber die Schuld, die ich meine, herrscht auch nicht als offenes Narrativ, sondern eher als eine der verheimlichten Prämissen eines Narrativs. Jeder Mensch hat nun mal gewisse natürliche Bedürfnisse, die zwingend zum Überleben befriedigt werden müssen. Allein dieser Umstand herrscht in unserer Gesellschaft mit einer Schuldfunktion : Es sei schließlich nicht genug für alle da.
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#567 Re: Ehe für alle

Beitrag von closs » Fr 16. Mär 2018, 17:32

sven23 hat geschrieben:Was hat das mit Falsifizierbarkeit zu tun?
Es ist weder nachweisbar noch widerlegbar, welche Hermeneutik wahr ist.

sven23 hat geschrieben:Die Entwicklung eines Menschenbildes ist doch eine freie Entscheidung.
Klar - aber das ist doch kein Qualitätskriterium.

sven23 hat geschrieben: Warum aber benötigt gerade das Christentum solch ein negatives Menschenbild?
Wieso "negativ"? - Ist es "negativ", wenn der Mensch nicht sein will wie Gott?

Janina hat geschrieben: Geprüft an den Fakten, die wir über Vererbung wissen.
Kommst Du ernsthaft auf die Idee, dass "Erbsünde" etwas mit "biologischer Vererbung" zu tun hat?

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#568 Re: Ehe für alle

Beitrag von closs » Fr 16. Mär 2018, 17:35

ProfDrVonUndZu hat geschrieben:Das impliziert aber nun mal umgekehrt, dass jeder, der hier nichts bzw. zu wenig erreicht, nur selber Schuld sein kann an seiner Lage.
Richtig - das ist der Trick. - Man spielt "Geld" gegen "Leistung" aus, indem man "Geld" als Folge von "Leistung" darstellt. - Diesbezüglich ist das NT weiter - siehe das Gleichnis mit den Talenten.

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#569 Re: Ehe für alle

Beitrag von ProfDrVonUndZu » Fr 16. Mär 2018, 18:00

Ich dachte da eher an das Gleichnis mit den Tagelöhnern im Weinberg. Da gibts Bezahlung nämlich nicht für Leistung, sondern als Basis für Leistungsfähigkeit. Wohlgemerkt geht es hier um Tagelöhner ; Leute die kein Erbbesitz haben, der wiederum aber im Volk Israel die wichtigste Lebens- und Entfaltungsvoraussetzung war.
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sven23
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#570 Re: Ehe für alle

Beitrag von sven23 » Fr 16. Mär 2018, 18:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was hat das mit Falsifizierbarkeit zu tun?
Es ist weder nachweisbar noch widerlegbar, welche Hermeneutik wahr ist.
Genau deshalb läßt man nicht falsifizierbare Glaubenshermeneutiken in der Forschung nicht zu. Verstehst du es jetzt?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Entwicklung eines Menschenbildes ist doch eine freie Entscheidung.
Klar - aber das ist doch kein Qualitätskriterium.
Es sagt aber viel über diejenigen aus, die sich für ein derart negatives Menschenbild entscheiden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Warum aber benötigt gerade das Christentum solch ein negatives Menschenbild?
Wieso "negativ"? - Ist es "negativ", wenn der Mensch nicht sein will wie Gott?
Was hat die Erbsünde mit Gottesebenbildlichkeit zu tun?
Negativ bleibt es trotzdem.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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