Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

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michaelit
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#11 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von michaelit » Mi 14. Jan 2015, 16:25

Ja, aber ich kann mir ja meine Gesellschaft die ich haben will auch nicht aussuchen. Beispielsweise würde ich gerne in Venezuela leben, mir gefällt was Chavez und Co da aufgezogen haben. Oder mithelfen daß Kuba frei bleibt ... mir gefällt auch deren Gesellschaft. Ich bin ja so ein bißchen kommunistisch angehaucht und denke immer daß diese Gesellschaft hier irgendwann nicht mehr funktionieren wird. Ich meine, klar, wir sind ziemlich wohlhabend und wenn Deutsche über ihre Finanzen jammern, dann doch noch auf vergleichsweise hohem Niveau. Es ist aber so daß mir die Klimata nicht so gefallen, auch gibt es jetzt so regeln die gegen die Würde des Menschen und gegen die Arbeitsfreude gehen. Ich habe in meinem Leben viel als Hilfskrankenpfleger gearbeitet, das macht heute nicht mehr viel Freude weil ich 40-50% der Arbeitszeit mit Dokumentationen verbringe und gar nicht mehr konkret am Patienten bin um ihm zu helfen. Ich war im September wieder mal im Krankenhaus wegen eines Fußbruchs mit psychotischer Belastung danach, ich hatte da kaum Gespräche mit den Leuten dort, außer mit einigen Mitpatienten. Wenn es die nicht gegeben hätte dann hätte ich kaum vom Krankenhaus profitiert.

Worauf ich hinauswill ist, es ist schwer das Leben zu finden das dir gefällt. Und allein schon dieser Wunsch, so leben zu wollen wie ich es mir erträume, wird zunehmend als illegitim bezeichnet, es wäre nicht drin und damit fertig. Genau das empfinde ich aber als großen Widerspruch. Ich lebe doch nicht für die Arbeit, das sehe ich so auch ohne meine Krankheit einzubeziehen. Die Arbeit soll mir doch auch gefallen. Mein Vater war Landwirt und hat die Arbeit immer gern gemacht. Das heißt doch nicht daß ich auch gerne Landwirt sein kann. Es gibt Dinge die gehen, und es gibt Dinge die gehen nicht. Ich könnte etwa nie als Dreher oder sonstirgendwie als Handwerker arbeiten. Es muß irgendwas Intellektuelles sein. Aber genau das kriege ich nicht mehr, mir wird eigentlich nur irgendwelches Zeugs angeboten (wenn ich auf Arbeitssuche gehen müßte, was nicht der Fall ist da ich krankgeschrieben bin) was dann für mich belastend wäre. Das Einzige was ich zur Zeit sehe ist irgendwas mit Kunst. Im Sommer habe ich mal abends für eine Stunde Musik 6 Euros verdient. Das war nicht schlecht.

Ich denke auch, es ist doch genügend Reichtum in Deutschland da. Und es wird doch sowieso nicht genau nach Leistung abgerechnet. Der Bauarbeiter macht doch physisch die meiste und die anstrengendste Arbeit, ein Manager dagegen trifft ein paar Entscheidungen und organisiert ein paar Dinge und kriegt gleich Millionen hinterhergeworfen. Und wenn er Fehler macht kommt er irgendwoanders unter beziehungsweise er hat sowieso schon finanziell ausgesorgt in der Vorzeit. So richtig volkswirtschaftlich wird beim Thema persönlicher Reichtum doch auch nicht mehr gedacht. Die Reichen kriegen immer mehr Geld und die Armen immer weniger, und der Staat ist so ein neutrales Dingens der nach mancher Leute Nase gar kein Geld haben sollte und auch nichts ausgeben sollte für Bedürftige. In Amerika ist das doch das große Thema. Kleine Steuern, kleine Ausgaben, schlanker Staat, alles paletti. Daß dann die Sozialfürsorge eine Sache von privater Willkür wird gilt nichts.

Lieber Pluto, ich klage dich doch da gar nicht mit an, sorry falls du das gedacht hast. Aber Schmarotzer ist auch nicht der richtige Begriff. Die Leute in den Entwicklungsländern sagen dazu einfach Leben, das man sich irgendwas erobern muß weil das mit Arbeit und Lohn und so nicht mehr richtig klappt für jeden. Hättest du auf dem Bau arbeiten können? Oder als Bäcker, jeden Tag um 4 Uhr aufstehen und so? Ich habe mal als Nachtportier gearbeitet, das ging einen Monat lang, danach war ich wie gelähmt von der Müdigkeit weil ich tagsüber den Schlaf nicht fand und damit nicht aufholen konnte.

Die Aussteiger wie die Stadtindianer und die Hippies und so, die bewundere ich dann irgendwie. Die Leben manchmal von einem Gegenwert von 100 Euros (Essen schon mit drin) und sind damit billig und machen was aus ihrer Freiheit. Da ist es mir egal daß der Staat die Versicherung für die mit bezahlt. An den paar Mark hängt's nun auch nicht mehr. Wir geben doch viel Geld für's Militär aus, für irgendwelche total übertriebenen Prunkbauten wie die Elbphilharmonie, für verschiedenste Arten von Wirtschaftsförderung die dann am Ende mehr kostet als sie einbringt. Oder auch die Renten, da sind doch auch jede Menge Staatszuschüsse mit drin.

Die Wirtschaft müßte ganz anders organisiert sein. Erst dann macht das Arbeiten richtigen Spaß.

Naja, ich bin halt immer noch so ein Kommie.

closs
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#12 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von closs » Mi 14. Jan 2015, 16:47

Pluto hat geschrieben:Sie leben im Grunde wie Parasiten auf Kosten der Gesellschaft.
Nebenbei: Das tun die obersten 2% der Gesellschaft (= 40% des weltweiten Vermögens) weltweit auch - das darf man nie vergessen.

Lena
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#13 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von Lena » Mi 14. Jan 2015, 17:14

Für das eigene Wertgefühl ist es wichtig, das zu tun was man tun kann. Auch wenn es nur sehr wenig ist. Manchmal "sind wir" Schlitzohren und lassen uns von unserem ego einreden, wir könnten diese oder jene Sache nicht vollbringen. Und das nur, weil wir nicht grosse Lust empfinden gerade das zu tun was zu tun ansteht. Könnten wir etwas anderes machen, so gäbe das uns grossen Antrieb und wir hätten keine Probleme. Selbstprüfung ist angesagt. Auch immer wieder die Angst oder die Unlust zu überwinden, um am Ende zu erkennen: Es ist doch gegangen, wenn auch mit Mühe und es ist gut so.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

R.F.
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#14 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von R.F. » Mi 14. Jan 2015, 18:07

Am vergangenen Sonntag kam auf ARTE der wohl allen bekannte Film “Einer flog über das Kuckucksnest” mit Jack Nicholson. Der Film stammt aus dem Jahr 1975, als die Gesellschaft noch nicht so sehr durch-organisiert war wie heute. Doch schon damals scheint die Medizin nahezu unbeschränkte Verfügungsgewalt über Psychiatrie-Patienten gehabt zu haben. Besonders weibliche Vertreter dieses Metiers scheinen zu sadistischen Züge neigen.

Dass von medizinischer Seite Psychiatrie-Patienten Besserung ihrer Situation erwarten können, glaube ich nicht, jedenfalls nicht in naher Zukunft. Es ist gerade mal um die zehn Jahre her, dass mit der Eisenbahn fahrende Mitarbeiter meiner Verwaltung oft zu spät zum Dienst kamen. Regelmäßig gaben sie als Grund für ihre Verspätung an, dass ihr Zug wegen eines aus der nahe dem Bahndamm gelegenen Psychiatrischen Anstalt entflohenen Insassen, der sich auf die Gleise gelegt hatte, aufgehalten wurde.

Was aber hat die Anstalt zur Verhinderung weitere Selbstmorde unternommen? Man errichtete entlang der Bahnlinie einen hohen, für gewöhnliche Menschen unüberwindbaren Zaun...Auf welche Weise man nun die Patienten von ihren Selbstmordgedanken abhält, weiß ich nicht. Aber ich kann es mir denken. Arme Menschen...

Arm dran sind aber auch nicht kranke Menschen. Wie viele Lebensläufe durch Geizhälse vernichtet werden, die übrigens oft auch schuld an Kriegen sind, kann höchstens geschätzt werden. Es dürften Hunderte Millionen sein. Ob unter Schizophrenie oder unter Misswirtschaft Leidende: Diese alle werden erst wieder aufatmen können, wenn die derzeitigen Machthaber ausgetauscht sind. Das dürfte recht bald der Fall sein.

Pluto
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#15 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von Pluto » Mi 14. Jan 2015, 18:16

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Sie leben im Grunde wie Parasiten auf Kosten der Gesellschaft.
Das tun die obersten 2% der Gesellschaft (= 40% des weltweiten Vermögens) weltweit auch - das darf man nie vergessen.
Das verstehe ich nicht. Würdest du mir bitte erklären wie du das meinst (und bitte nicht am Beispiel von Steuerflüchtigen :yawn: )?

  • Die Freiheit ist ein begrenztes Gut, dass sich alle Menschen teilen müssen. Je mehr sich einige Wenige davon nehmen, um so weiniger bleibt uns anderen zum verteilen übrig.
Ich weiß zwar nicht, wer das in dem Sinne gesagt, aber es passt so schön zu deiner Frage. ;)
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michaelit
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#16 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von michaelit » Mi 14. Jan 2015, 18:39

Erwin, die Machthaber sind aber gar nicht mal das Problem. Die Sache liegt an systemischen Ungerechtigkeiten und solche Systemveränderungen müssen die Menschen wollen, also das ganze Volk, zumindest die Mehrheit davon. Da kann Frau Merkel auch nichts machen. Wir leben eben in einer Demokratie und wenn da Systemfehler drin sind müßte darüber berichtet werden und die Menschen müßten alle Interesse zeigen. Aber das passiert eben leider nicht außer in Intellektuellenkreisen und bei Professoren und bei manchen Studenten und vielleicht noch an ein paar Stammtischen. Das die Afrikaner nichts zu essen haben liegt eben nicht nur an Frau Merkel sondern daß es nur wenige Menschen begrüßen würden wenn der Staat sagen wir 10% statt 1% seiner Steuerleistung für Entwicklungshilfe ausgeben würde. Im Gegenteil, da wollen die Menschen heutzutage daß man zuerst an das eigene Land denkt und so. Unsere Demokratie ist sehr sehr repräsentativ geworden, so richtig beteiligen an der Politik mit Parteimitgliedschaft und genereller intensiver Information machen doch nicht mehr viele. Wer hört sich denn etwa die Reden im Bundestag an. Die Leute haben doch nur Interesse am Ergebnis, an den ganzen Politikprozessen die dahin führen besteht doch gar kein Interesse. Die Kanzlerin ist eben die Staatsmanagerin, so als wäre Kanzler sein ein Beruf. Doch gute Staaten müssen von der Bürgermitwirkung leben, so daß ein Land ein gemeinsames Projekt ist. In den 70ern wurde da noch viel darüber geredet, jetzt wird es ziemlich leise damit. Wenn ich irgendwann aus dem Heim hier rauskomme und wieder in der Stadt wohne dann suche ich mir SPD- oder Linkspartei-Leute und mache in der Politik mit. Das habe ich mir ziemlich fest vorgenommen. Das Land braucht Bürgersinn und Zivilcourage.

Pluto
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#17 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von Pluto » Mi 14. Jan 2015, 18:42

michaelit hat geschrieben:Die Leute haben doch nur Interesse am Ergebnis, an den ganzen Politikprozessen die dahin führen besteht doch gar kein Interesse. Die Kanzlerin ist eben die Staatsmanagerin, so als wäre Kanzler sein ein Beruf. Doch gute Staaten müssen von der Bürgermitwirkung leben, so daß ein Land ein gemeinsames Projekt ist.
Wäre denn deiner Meinung nach, das schweizer Modell der totalen Mitbstimmung per Volksentscheid eine Lösung?
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#18 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von michaelit » Mi 14. Jan 2015, 18:54

Ich weiß es nicht, Pluto. Es gibt eigentlich in Deutschland viele Wege sich politisch engagieren zu können. Doch die Menschen machen das nicht so gerne, etwa abends in eine Parteiversammlung zu gehen und mitzureden. Bei der Linkspartei oder auch bei der SPD gänge da viel. Es herrscht schlicht an mangelnder Lust hier etwas zu tun, man will sich lieber nur immer beklagen. Jeder Mist wird den Politikern in die Schuhe geschoben. Dabei haben diese ja nur ihr Wahlprogramm abzuarbeiten mit ein paar Reaktionen auf Tagesereignisse. Und kaum ein Deutscher kennt die Details der Wahlprogramme. Im Westen geht das ja noch, aber hier im Osten herrscht viel Unwissenheit über den Politikprozess. Mein Schwager, ein Klempner, ist ernsthaft der Meinung es solle keine Blauhelmeinsätze mit der Bundeswehr geben, weil das alles Ausland ist wo wir nicht hingehören. Mal mit auf eine Demo gehen ist absolut kein Thema für meine Familie. Oder bei Unterschriftenaktionen mitmachen und so. Es müssen nicht unbedingt Volksabstimmungen sein. Das deutsche Grundgesetz ist schon eine gute Grundlage. Es fehlt schlicht an der Bereitschaft sich richtig zu informieren und mitzugehen mit den verschiedenen Initiativen. Das was drin ist an Verbesserung und Entwicklung des Systems, wird nicht ausgelotet. Es gibt zwar viele gute Ansätze aber eben auch Fehlentwicklungen, und den gewöhnlichen Bürgern hier sind diese Details egal, dafür gäbe es halt die Berufspolitiker und das war's schon.

Hemul
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#19 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von Hemul » Mi 14. Jan 2015, 19:37

Pluto hat geschrieben:Sie leben im Grunde wie Parasiten auf Kosten der Gesellschaft.

closs hat geschrieben:Das tun die obersten 2% der Gesellschaft (= 40% des weltweiten Vermögens) weltweit auch - das darf man nie vergessen.

Pluto hat geschrieben:Das verstehe ich nicht. Würdest du mir bitte erklären wie du das meinst (und bitte nicht am Beispiel von Steuerflüchtigen :yawn: )?


Und warum nicht am Beispiel der Steuerhinterzieher? 8-)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

R.F.
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#20 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von R.F. » Mi 14. Jan 2015, 19:54

michaelit hat geschrieben:Erwin, die Machthaber sind aber gar nicht mal das Problem. Die Sache liegt an systemischen Ungerechtigkeiten und solche Systemveränderungen müssen die Menschen wollen, also das ganze Volk, zumindest die Mehrheit davon. Da kann Frau Merkel auch nichts machen. Wir leben eben in einer Demokratie und wenn da Systemfehler drin sind müßte darüber berichtet werden und die Menschen müßten alle Interesse zeigen. Aber das passiert eben leider nicht außer in Intellektuellenkreisen und bei Professoren und bei manchen Studenten und vielleicht noch an ein paar Stammtischen.
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Politiker gelangen in ihre Positionen durch Wähler und Parteien. Da die Politiker aber an der Spitze des Systems stehen, haben sie mehr Einfluss auf Entscheidungen. Zwar sind der Schrift zufolge Politiker und Reiche am meisten für die Missstände in der Gesellschaft verantwortlich, aber auch deren “Knechte” werden als Mitverantwortliche zur Rechenschaft gezogen. Ausgetauscht werden müssen also nicht allein die politische Führung oder die Reichen, sondern auch um die siebzig Prozent der System stützenden Mitläufer...

Selbst hohe Politiker, Wirtschaftsfachleute oder Mediziner im Ruhestand könnten vieles zu Gunsten der Gesellschaft öffentlich machen, was einflussreiche Kreise gerne verheimlichen. Doch nicht einmal dazu können sich diese Ruheständler durchringen. Wohl die meisten Mitbürger wissen um die Gründe für die Zurückhaltung...

Wenn auch viele vor den Tatsachen lieber die Augen verschließen: Die zunehmende Gefährdung des Weltfriedens, die Verarmung breiter Schichten oder der sich zusehends verschlechternde Gesundheitszustand breiter Schichten dürfte für viele die Schmerzgrenze erreicht haben. Wie dieser Trend beendet wird, steht recht deutlich geschrieben. Die versprochene Neuordnung sollte auch Dich hoffen lassen.

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