Der Jesus der Gnosis

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sven23
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#211 Re: Der Jesus der Gnosis

Beitrag von sven23 » So 5. Jun 2016, 18:32

closs hat geschrieben:Aber dann muss man das zu Kritisierende auch verstanden haben. - Was die RKK-Fundamental-Theologie angeht, scheint sie kaum einer in ihrer Tiefe verstanden zu haben - trotzdem wird sie ständig kritisiert. - Ich behaupte nicht, dass sie wahr ist, sondern dass sie i.d.R. nicht verstanden wird.
Doch, gerade weil man tiefer einsteigt in die Glaubenswelt der Kirche und an was man da alles glauben soll, ist man als kritischer Geist geradezu gezwungen, dies zu hinterfragen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Könntest du als Jung-Verehrer sich mit seiner Definition Gottes als Reflexion des Selbst anfreunden?
Insofern, dass der Mensch Göttliches ebenbildlich in sich trägt, sehr wohl.
Ich weiss nicht, ob Jung das so gemeint hat. Tatsache ist doch, dass Gottesbilder sich je nach Kulturkreis und Zeiten geändert haben. Es gibt die verschiedensten Vorstellungen von Gott, aber der personale Gott, der in die Geschichte eingreifende himmliche Vater, ist und bleibt ein Phantom.

closs hat geschrieben: Nach heutigem Denken kann das gut sein - was nichts an dem ändert, was "ist" (egal, was es ist).
Und wenn nichts ist, ist halt nichts. Wäre doch nicht schlimm, oder?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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sven23
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#212 Re: Der Jesus der Gnosis

Beitrag von sven23 » So 5. Jun 2016, 18:36

Novalis hat geschrieben:Um zum Thema zurück zu kommen: es gab genau einen Jesus und diesen können wir aus verschiedenen Perspektiven betrachten und unterschiedlich beschreiben. In dem wir diese Perspektiven betrachten, können wir ihn erkennen und verstehen lernen, wer er ist, also es ereignet sich "Gnosis".
Man sollte aber bedenken, dass der biblische, idealisierte und auch instrumentalisierte Jesus nicht identisch ist mit dem historischen. Der historische Jesus hat einen Vater, seinen leiblichen, irdischen Vater. Der Jesus der Evangelien hat viele Väter, aber sicher keinen himmlischen.
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closs
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#213 Re: Der Jesus der Gnosis

Beitrag von closs » So 5. Jun 2016, 20:55

sven23 hat geschrieben:Doch, gerade weil man tiefer einsteigt in die Glaubenswelt der Kirche und an was man da alles glauben soll, ist man als kritischer Geist geradezu gezwungen, dies zu hinterfragen.
Das soll man immer - da sind wir uns doch einig. - Aber es nützt bspw. nichts, wenn man die RKK in Bezug auf ihre Glaubenswelt kritisiert, ohne deren Verständnis von Gott begriffen zu haben.

sven23 hat geschrieben:Tatsache ist doch, dass Gottesbilder sich je nach Kulturkreis und Zeiten geändert haben.
Natürlich. - Die Vorstellungen von Gott sind immer angepasst an die Wahrnehmungs-Möglichkeiten einer Epoche.

sven23 hat geschrieben:der personale Gott, der in die Geschichte eingreifende himmliche Vater, ist und bleibt ein Phantom.
Logisch - dies ist mit unserem Wahrnehmungs-Horizont nicht machbar. - Vielleicht erinnerst Du Dich, dass gelegentlich nicht einmal der Begriff "Fügung" vermittelbar ist - und das wäre etwas, was man menschlich sogar halbwegs erklären kann.

sven23 hat geschrieben:Und wenn nichts ist, ist halt nichts. Wäre doch nicht schlimm, oder?
WENN es Gott nicht gäbe, wären viele Fragen zwar unlösbar - insofern würde sich nichts ändern - dann wären es halt ein paar Fragen mehr. Dies würde die meisten Menschen, zumindest im Westen, nicht weiter berühren.

Novas
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#214 Re: Der Jesus der Gnosis

Beitrag von Novas » So 5. Jun 2016, 21:24

sven23 hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Um zum Thema zurück zu kommen: es gab genau einen Jesus und diesen können wir aus verschiedenen Perspektiven betrachten und unterschiedlich beschreiben. In dem wir diese Perspektiven betrachten, können wir ihn erkennen und verstehen lernen, wer er ist, also es ereignet sich "Gnosis".
Man sollte aber bedenken, dass der biblische, idealisierte und auch instrumentalisierte Jesus nicht identisch ist mit dem historischen

Wenn wir erkennen und verstehen wollen, wer Jesus von Nazareth ist und welche spirituelle Lehre er vermitteln wollte, dann ist es notwendig, dass wir uns die verschiedenen Perspektiven zu Gemüte führen. Rein äußerlich gesehen entstammte er einer jüdischen Familie in Galiläa und arbeitete vermutlich als Zimmermann. Erst mit ungefähr 30 Jahren begann sein öffentliches Wirken, Jünger schlossen sich ihm an und er geriet aufgrund seiner ungewöhnlichen Handlungen und Worte in Konflikt mit dem religiösen Establishment der damaligen Zeit.
Außerdem ist überliefert, dass er psychisch kranke („Besessene“, wie man in der damaligen antiken Kultur sagte) und körperlich Kranke geheilt hat, was im Grunde auch von der jüdischen Tradition indirekt bestätigt wird, was wir beispielsweise an dieser Aussage des Babylonischen Talmuds erkennen können: „Er hat Zauberei getrieben.“ (Sanhedrin, 43a) ~ besonders glaubwürdig werden diese Aussagen auch dadurch, dass Jesus selbst nicht irgendwelche Wunder, sondern seine Botschaft - „Das Reich Gottes ist nahe!“ (Markus 1,15) – für entscheidend hielt. Die Nähe des Reich Gottes zeig sich dann eben in Heilung von Krankheiten, Vergebung von Sünden und schließlich in der Auferstehung, das Symbol für den Sieg des Lebens über den Tod schlechthin. Selbst in der islamischen Mystik wird Jesus als der „große Arzt“ und „Prophet der Liebe“ bezeichnet. Bemerkenswert finde ich diese Worte der evangelischen Theologin und Psychotherapeutin Hanna Wolff:

„Jesus spricht nicht von Neurose, Trauma oder Depression. Diese modernen Begriffe fehlen selbstverständlich. Aber - und das ist das Entscheidende - das Wissen um die Leben erbauenden und Leben zerstörenden psychischen Abläufe ist voll da. Es ist derart fundamental da, dass wir heutigen Psychotherapeuten noch von ihm lernen können.“

Selbst wenn Du Jesus rein weltlich/säkular betrachtest, kannst Du erkennen, dass das stimmt. Er ist offenbar nicht irgendein Mensch. Auch diese Aussage des Historikers Alexander Demandt über sein messianisches Charisma wird jeder Atheist mit Sicherheit zustimmen können:

„Jesus ist einzigartig. Sein messianisches Charisma sucht seinesgleichen. Allerdings wäre seine Botschaft nicht verstanden worden, hätte Paulus nicht das Griechische als Kultsprache eingeführt...[Ohne Christentum] hätte es keine Ketzerverfolgungen gegeben, keine Inquisition [...]. Aber es gäbe auch keine Kathedralen und keine Klöster. Wahrscheinlich gäbe es auch keine Hospitäler, denn die Christen haben schon früh ihr Ansehen durch praktische Nächstenliebe begründet.“ Alexander Demandt, Historiker, (Interview in: Kleine Zeitung 31.03.2010)

Die Geister scheiden sich jedoch, wenn es um die Frage geht, ob Jesus der „Sohn Gottes“ war und wenn ja, was das bedeutet, schließlich kann man das auch metaphorisch verstehen.

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lovetrail
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#215 Re: Der Jesus der Gnosis

Beitrag von lovetrail » So 5. Jun 2016, 22:26

Novalis hat geschrieben:
Das sind wieder einige (typisch Evangelikale und unermüdlich wiederholte) Glaubensaussagen, die einer Erklärung bedürftig sind.Wie kann "durch das Blut am Kreuz" Versöhnung geschehen?
Ich würde eher sagen, typisch bibleltreu ;-)

Wie kann durch das Blut am Kreuz Versöhnung geschehen? Das ist eine wichtige Frage. Ich verstehe es so, dass das Blut Jesu sein Leben bzw seine Seele repräsentiert, welche er für die Menschen gegeben hat. Keiner hat grössere Liebe, als derjenige welcher für den anderen zu sterben bereit ist.
Dieses Blut war aber kostbar, da es vom Sohn Gottes stammte, welcher von Gott in die Welt gesandt wurde. Es konnte stellvertretend Sühne erwirken.

Wieder nur Phrasen für dich? Vielleicht liegt es daran, dass du den einmaligen Anspruch Jesu ablehnst?



Das klingt großartig. Rein theoretisch. Doch weshalb handeln dann viele Christen nicht versöhnend? Die naheliegende Schlussfolgerung ist dann: sie sind innerlich nicht wirklich versöhnt.
Zum einen liegt es daran, dass man vielleicht allzu romantische, weiche Vorstellungen von Versöhnung hat, zum anderen ist es vermutlich wirklich so, dass es viele Scheinchristen gibt.

LG lovetrail
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

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sven23
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#216 Re: Der Jesus der Gnosis

Beitrag von sven23 » Mo 6. Jun 2016, 15:27

Novalis hat geschrieben: Die Geister scheiden sich jedoch, wenn es um die Frage geht, ob Jesus der „Sohn Gottes“ war und wenn ja, was das bedeutet, schließlich kann man das auch metaphorisch verstehen.
Metaphorisch oder mythisch will es die Kirche aber auf keinen Fall verstanden wissen. Das findet Ausdruck im Glaubensbekenntnis und dem Dogmenapparat der RKK.
Der Theologe Gerd Lüdemann hält es auch für das Wahrscheinlichste, dass der Wanderprediger Jesus als Heiler und Exorzist gewirkt hat. Das meiste andere ist wohl Legendenbildung.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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lovetrail
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#217 Re: Der Jesus der Gnosis

Beitrag von lovetrail » Mo 6. Jun 2016, 22:06

sven23 hat geschrieben:
Metaphorisch oder mythisch will es die Kirche aber auf keinen Fall verstanden wissen. Das findet Ausdruck im Glaubensbekenntnis und dem Dogmenapparat der RKK.

Da hast du Recht, Sven.

LG lovetrail
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

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#218 Re: Der Jesus der Gnosis

Beitrag von Novas » Di 7. Jun 2016, 15:14

lovetrail hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Metaphorisch oder mythisch will es die Kirche aber auf keinen Fall verstanden wissen. Das findet Ausdruck im Glaubensbekenntnis und dem Dogmenapparat der RKK.

Da hast du Recht, Sven.

LG lovetrail

Nichtsdestotrotz ist das eine mögliche Lesart. Ich bin ein Anhänger der Liberalen Theologie, das heißt: ich bin für eine Offenheit in Umgang mit der Bibel und anderen spirituellen Texten, denn ich gehe grundsätzlich davon aus, dass meine Mitmenschen sich ihres Verstandes selbstständig bedienen können.
Außerdem hat jeder Bürger dieser Welt das gottgegebene Recht für sich selbst heraus zu finden, was wirklich wahr und glaubwürdig ist. Das muss ich niemandem vorschreiben. Wenn Jesus als der Sohn Gottes bezeichnet wird, muss gefragt und erklärt werden, was das bedeutet, sonst ist das eine nichtige Aussage. Beispielsweise denke ich, dass wir von vornherein alle göttliches Leben sind, das Mensch geworden ist (und in diesem Sinne sind wir auch "Söhne" und "Töchter")

So verstehe ich auch diese Aussage:

"DAS REICH GOTTES IST IN EUCH"


:thumbup: ich gehe davon aus, dass diese die Menschen innerlich freisetzende Erkenntnis ein wesentlicher Bestandteil der Lehre von JESUS/YESHUA ist.

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#219 Re: Der Jesus der Gnosis

Beitrag von Novas » Di 7. Jun 2016, 19:55

lovetrail hat geschrieben:@Novalis: Du hast hier einige Male Erkenntnis gegen Glauben gestellt. Ich denke du kennst die Bibel gut genug um zu wissen, dass Erkenntnis sehr wohl zum Glauben dazugehört

Ich bin der Ansicht, dass Glaube ohne Erkenntnis einfach sinnlos und nicht wirklich glaubwürdig ist, für mich gehört beides untrennbar zusammen. Nirgendwo habe ich Erkenntnis gegen Glaube gestellt, da hast Du mich wohl missverstanden.

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Savonlinna
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#220 Re: Der Jesus der Gnosis

Beitrag von Savonlinna » Di 7. Jun 2016, 20:20

sven23 hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben: Die Geister scheiden sich jedoch, wenn es um die Frage geht, ob Jesus der „Sohn Gottes“ war und wenn ja, was das bedeutet, schließlich kann man das auch metaphorisch verstehen.
Metaphorisch oder mythisch will es die Kirche aber auf keinen Fall verstanden wissen.
Ach, Josef Ratzinger ist aus der Kirche geworfen worden? Wann?

sven23 hat geschrieben: Das findet Ausdruck im Glaubensbekenntnis und dem Dogmenapparat der RKK.
Was man sich so alles erzählt, an lauen Sommerabenden...

sven23 hat geschrieben: Der Theologe Gerd Lüdemann hält es auch für das Wahrscheinlichste, dass der Wanderprediger Jesus als Heiler und Exorzist gewirkt hat. Das meiste andere ist wohl Legendenbildung.
Und was Lüdemann für wahscheinlich hält, muss so geglaubt werden. Das steht im Katechismus.

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