Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Säkularismus
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SilverBullet
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#11 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von SilverBullet » So 8. Nov 2015, 20:05

Thaddäus hat geschrieben:Genau das ist eine wesentliche Aufgabe der Erkenntnistheorie.
Moment, bestimmt kann man die Aufgabe dieser „Hauptphilosophierichtung“, die (wenn ich es richtig verstehe) versucht, Schlussfolgerungen über das Denken zu ziehen, genauer präzisieren.

Unter der „Herstellung von Erkenntnis“ verstehe ich das Umwandeln von Daten/Werten in konkrete Bedeutungsausprägungen: Vorstellungen.
Kurz: welche Nicht-Erkenntnis-Einzelschritte sind notwendig, um die Arbeit des Gehirns nachzustellen?

Unter dem „Aufbau von Erkenntnis“ verstehe ich die „raffinierte Konfrontation“ eines Gehirns mit Daten/Werten, so dass dieses Gehirn, Erkenntnis „herstellen“ kann.
Kurz: wie bringt man ein Gehirn dazu, Erkenntnis herzustellen?

Mit was beschäftigt sich diese Philosophierichtung:
mit der „Herstellung“?
mit dem „Aufbau“?
oder mit beidem?

Zitat-Thaddäus:
Schon das bloße Reden von Nervenbahnen und grauer Gehirnsubstanz, von evolutionären Prozessen und eindeutigen, empirischen Beobachtungen ist also problematisch.

Ich vermute damit wird die „Herstellung“ wohl nicht von dieser Philosophie erfasst.

Wenn ich also frage „wie schafft es ein kleines Kind, ohne Kommunikationsmittel, nur mit den Sinnesdaten, eine Sprache zu erlernen (Einzelwörter, Bedeutungen, Satzbauregeln usw.), wobei es zu keiner Zeit sagen kann, auf was es achtet?“, kann dies dann die Erkenntnistheorie erklären, so dass man die Zusammenhänge z.B. Datenverarbeitungstechnisch umsetzen kann?

Thaddäus hat geschrieben:Ich kann mich darüber irren, ob dies dort ein Baum ist, aber ich kann mich nicht darüber irren, dass ich in diesem Moment denke, dass dies ein Baum ist und das es mir in diesem Augenblick bewusst ist, dass ich denke, dass dies dort ein Baum ist (Descartes).
Stimmt diese Behauptung?
Gibt es keine Möglichkeit, „dass ich mich irre, wenn ich analysiere, dass ich denke, dass dies ein Baum ist“?

Hilfsfragen:
Wer oder was ist „ich“?
Was ist „ich denke“?
Woher bzw. in welcher Form ist diesem „Ich“ die Analysehoheit gegeben, „sich selbst beim Denken zu beobachten“?

Anders gefragt:
Wie beweist die Erkenntnistheorie, dass es die „Einzelteile“ und die „Vorgänge“ tatsächlich gibt und es sich nicht einfach nur um eine direkt hergestellte „Überzeugung von Etwas“, also der Erkenntnis handelt?
Wie beweist die Erkenntnistheorie, dass zur Herstellung einer Erkenntnis, ein „Ich/Subjekt“ benötigt wird?

closs
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#12 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von closs » So 8. Nov 2015, 20:07

Thaddäus hat geschrieben:Ich bin am Ende also erkenntnistheoretisch stets zurückgeworfen auf mein eigenes Denken, welches ich beobachten kann.
:thumbup:

Thaddäus hat geschrieben:Da mich mein Erfahrungswissen stets täuschen kann, gilt es, die Voraussetzungen des Denkens bzw. des Verstandes selbst zu untersuchen. - Genau das ist eine wesentliche Aufgabe der Erkenntnistheorie.
Alles gut hergeleitet - jetzt folgende Anmerkung bzw. Frage:

"Erkenntnis-Theorie" wird hier im Forum gelegentlich dargestellt als etwas, dessen Krönung der Kritischen Rationalismus sei. - Als könne man damit das prinzipielle "auf das eigene Denken Zurückgeworfenseins" aushebeln ("Da Messungen objektiv sind und 'schlauer' als täuschbare Wahrnehmung, ist somit diese Grenze nicht mehr da"). - Wie erklärst Du Dir, dass dies kolportiert wird?

Thaddäus hat geschrieben:gilt es, die Voraussetzungen des Denkens bzw. des Verstandes selbst zu untersuchen.
Glaubst/weisst Du, dass/ob man heute mit "Voraussetzungen des Denkens" die mechanischen/neuronalen Abläufe meint?

Oder meinst Du, dass diese Frage heute in der Erkenntnis-Theorie ontologisch verstanden wird?

Thaddäus hat geschrieben: All dieses sind nichts weiter als elektrochemische Impulse, die mal in meinen Nervenbahnen waren und die mein Gehirn interpretiert hat.
Einverstanden. - Hast Du eine prinzipielle Erklärung, wie aus elektrochemischen Impulsen überhaupt eine sinnhafte Interpretation werden KANN?

SilverBullet
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#13 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von SilverBullet » So 8. Nov 2015, 20:24

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Von einem „Gegebenen“ und einem „Widererkennen“ kann dabei keine Rede sein.
Das ist nun mal Teil der Definition. - Willst Du das einfach ausblenden?
Ich habe folgendes geschrieben:
Wie ich geschrieben habe, sehe ich „Qualia“ als „Rätsel des Verstehens“.
…
Von einem „Gegebenen“ und einem „Widererkennen“ kann dabei keine Rede sein.


Ich habe festgelegt, wie ich es sehe, wo ist dein Problem?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:aber die philosophische Tendenz eine „mystische Aussenverbindung“ verbal anzudeuten, ist nicht nachvollziehbar.
Ist in Deiner Weltanschauung nicht nachvollziehbar. - Im Kontext des Begriffs "Qualia" ist es das sehr wohl.
Der Kontext des Begriffs „Qualia“ bildet sich (aus meiner Sicht) durch kollektive Ahnungslosigkeit.

Ich sage „Qualia“ sind Ausprägungen einer „grundlegenden Verstehfunktionalität“, die im Gehirn über aktive neuronale Abläufe stattfindet.
Beispiel:
„Blau“ ist nicht „Etwas“ , das ein „Ich“ wahrnimmt, sondern „Blau“ ist das direkte Verstehen von Sehdaten innerhalb eines „übergeordneten“ Körper-/Raumverstehens.
Alles neuronal „hergestellt“.
Das ist eine sehr konkrete Vermutung, die man irgendwann beweisen oder widerlegen können müsste.

Wenn du behauptest, dass man die Andeutung einer „mystische Aussenverbindung“ durchaus nachvollziehen kann, dann versuch mir mal die Ideen und deren Absicherungen zu beschreiben (bisher hat das nicht geklappt).

closs
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#14 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von closs » So 8. Nov 2015, 21:18

SilverBullet hat geschrieben:Ich habe festgelegt, wie ich es sehe, wo ist dein Problem?
"Problem" ist zuviel gesagt. - Es deutet sich (wie üblich) an, dass Begriffe sofort nach ihrem Auftauchen in ein vorgefertigtes Weltanschauungs-System eingegliedert werden. - Insofern ist dieser Begriff schon fast wieder tot.

SilverBullet hat geschrieben:Von einem „Gegebenen“ und einem „Widererkennen“ kann dabei keine Rede sein.“
Warum benutzt Du dann dieses Wort?

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#15 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von Pluto » So 8. Nov 2015, 22:12

closs hat geschrieben:Einverstanden. - Hast Du eine prinzipielle Erklärung, wie aus elektrochemischen Impulsen überhaupt eine sinnhafte Interpretation werden KANN?
Dafür ist das Bewusstsein zuständig. Wie es zu Interpretationen kommt, wissen wir nicht.

Die Neurologie kann (bis heute) nur zuordnen... z. Bsp. kann man sagen wenn Jemand Freude empfindet dann sind diese und jene Gehirnregionen involviert. Wenn Jemand Schmerz empfindet, dann wiederum andere. Diese Regionen sind zwischen Menschen jeweils deckungsgleich.

Man ist sich heute auch einig, dass Erinnerungen wie ein Film im Gehirn abgespeichert sind, und man sie wieder ins Bewusstsein abrufen kann. Auch dem Prozess der Erinnerung ist man auf der Spur; d.h. man beginnt zu verstehen wie Erinnerungen durch chemische Prozesse an den Synapsen möglich werden.

Aber wie Bewusstsein entsteht, was es genau ist, das wissen wir noch nicht. Dazu gibt es allerdings eine ganze Reihe von plausiblen Theorien, die das Entstehen des Bewusstsein erklären.
Aber es gibt noch keinen "Heureka" Effekt; dazu ist es noch zu früh. Man ist noch nicht so weit, dass man sagen könnte, welche Theorie die Richtige ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#16 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von closs » So 8. Nov 2015, 22:46

Pluto hat geschrieben:Die Neurologie kann (bis heute) nur zuordnen... z. Bsp. kann man sagen wenn Jemand Freude empfindet dann sind diese und jene Gehirnregionen involviert. Wenn Jemand Schmerz empfindet, dann wiederum andere. Diese Regionen sind zwischen Menschen jeweils deckungsgleich
Da sind wir uns mal wirklich einig.

Pluto hat geschrieben:Aber wie Bewusstsein entsteht, was es genau ist, das wissen wir noch nicht.
Glaubst Du an die Möglichkeit, über die mechanische Beschreibung ("Zuordnung") mit wissenschaftlichen Mitteln das Wesen des Bewusstseins zu ermitteln? - Wobei ich jetzt nicht "Tricks" akzeptiere, dass man "Bewusstsein" als das definiert, was man an neuronalen Zuordnungen nachweisen kann.

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#17 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von Pluto » So 8. Nov 2015, 23:56

closs hat geschrieben:Glaubst Du an die Möglichkeit, über die mechanische Beschreibung ("Zuordnung") mit wissenschaftlichen Mitteln das Wesen des Bewusstseins zu ermitteln? - Wobei ich jetzt nicht "Tricks" akzeptiere, dass man "Bewusstsein" als das definiert, was man an neuronalen Zuordnungen nachweisen kann.
Ja. Ich bin zuversichtlich, dass es in den nächsten ca. 50 Jahren eine wissenschaftliche Theorie des Bewusstseins (zumindest in groben Zügen) geben wird.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#18 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von closs » Mo 9. Nov 2015, 00:08

Pluto hat geschrieben:Ja. Ich bin zuversichtlich, dass es in den nächsten ca. 50 Jahren eine wissenschaftliche Theorie des Bewusstseins (zumindest in groben Zügen) geben wird.
Würde Deiner Meinung nach dieser Fall eingetreten sein, wenn neuronale Geschehnisse lückenlos interpretiert werden könnten? - Wäre DAS der Maßstab?

JackSparrow
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#19 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von JackSparrow » Mo 9. Nov 2015, 00:11

Pluto hat geschrieben:Aber wozu dient unsere Erkenntnis? Dient sie derWahrheitsfindung, oder dient sie der evolutionären "Fitness"
Die eigene Erkenntnisfähigkeit für offensichtlich sinnlose Dinge zu nutzen, zeugt von einen hohen sozialen Status (man kann sich das nur leisten, wenn das Überleben bereits gesichert ist und man noch Reserven übrig hat). Und ein hoher sozialer Status steigert den Fortpflanzungserfolg. Soweit meine persönliche Hypothese.


closs hat geschrieben:Hast Du eine prinzipielle Erklärung, wie aus elektrochemischen Impulsen überhaupt eine sinnhafte Interpretation werden KANN?
Wenn man die elektrochemischen Impulse an ein Sprachzentrum anschließt, so dass ein wiederkehrendes Muster einfach immer wieder mit dem gleichen Namen belegt wird, ist das überhaupt kein Problem. Bei einem Hund kann beispielsweise folgende sinnhafte Interpretation auftreten: Briefträger => Gefahr => Bellen.

Glaubst Du an die Möglichkeit, über die mechanische Beschreibung ("Zuordnung") mit wissenschaftlichen Mitteln das Wesen des Bewusstseins zu ermitteln?
Diejenigen Menschen, die an ein "Wesen des Bewusstseins" glauben, werden sich mit keinerlei mechanischer Beschreibung jemals zufrieden geben. Ihr Sprachzentrum ist darauf programmiert, bestimmte Dinge als natürlich und andere Dinge stattdessen als übernatürlich zu interpretieren. Jegliche wissenschaftliche Beschreibung wird sofort in die erste Kategorie fallen, sobald diese Leute gemerkt haben, dass es sich um eine wissenschaftliche Beschreibung handelt.

closs
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#20 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von closs » Mo 9. Nov 2015, 00:16

JackSparrow hat geschrieben:Jegliche wissenschaftliche Beschreibung wird sofort in die erste Kategorie fallen, sobald diese Leute gemerkt haben, dass es sich um eine wissenschaftliche Beschreibung handelt.
Meinst Du etwa, dass das Vorhandensein einer wissenschaftlichen Beschreibung/Begründung von Abläufen etwas damit zu tun hat, ob etwas vom Wesen her materiell oder geistig begründet ist? - O.o.

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