Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Pluto
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#41 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Mi 28. Jan 2015, 10:15

closs hat geschrieben:Setzungen sind:
a) Wahrnehmung ist authentischer Ausdruck von Realität (setze ich allerdings auch)
b) Nicht-Wahrnehmbares ist zu behandeln als Nicht-Reales (pure Willkür)
c) Dasein ("physikalisches Universum") ist einziger Bezugspunkt (pure Willkür)
Aus deiner Sicht mag das willkürlich erscheinen, aber dieser Weg hat uns schier unfassbare Fortschritte in der Zivilisation ermöglicht.

Was hast du entgegenzusetzen?
Wo sind die Ergebnisse und Fortschritte einer rein fideistischen Welt?

closs hat geschrieben:Insofern gibt es unter Christen genauso viel Ärsche wie unter Naturalisten.
Wenn aber Sinn und Zweck der Religion ist, Menschen zum "Guten" hinzuführen, dann hat sie kläglich versagt.

closs hat geschrieben:Diabolisch bei Metzinger finde ich allerdings, dass er das Spirituelle sozusagen als Phänomen innerhalb des Materialismus darstellt - das hat etwas :devil: an sich.
Wie würdest du das Spirituelle sonst darstellen, wenn du gleichzeitlig intellektuell redlich bleiben willst?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Scrypt0n
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#42 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Scrypt0n » Mi 28. Jan 2015, 10:21

closs hat geschrieben:Sie immunisieren sich dagegen, selbst eine dogmatisch begründete Weltanschauung zu vertreten.
Das tun sie nicht; da schlicht keine dogmatisch begründete Weltanschauung vertreten wird.
Das behauptest du zwar, doch die Behauptung als solche ist eben irrelevant.

closs hat geschrieben:weil sie meinen, reduktive (und deshalb in Einzelteilen) objektivierbare Wahrnehmung zum Maßstab für intellektuelle Redlichkeit machen zu können.
Kann man auch. Das kann durchaus begründet werden; ein Widerspruch dazu lässt sich jedoch nicht begründen und ist von dir auch noch nicht geschehen (andernfalls: Link?).

closs hat geschrieben:Th.v. Aquin: "Man kann viel leichter sagen, was Gott NICHT ist, als das, was Gott ist"
Der gute Thomas war auf dem Holzweg, da man über eine nicht identifizierbare und überprüfbare Sache schlicht nichts sagen kann - es handelt sich hier um schlichtes Nicht-Wissen.
Jedwede Aussage über Gott - was er nun sei oder nicht sei - basiert alleine auf subjektiver Glaubensbehauptung über das, was er innerhalb dieser zu sein hat (oder nicht zu sein hat).

closs hat geschrieben:Übersehen wird dabei, dass der Naturalismus auf Setzungen aufsitzt, damit diese "innerbetriebliche" Aussage überhaupt zutreffen kann.
Das ist keine Setzung in diesem Sinne, ist angeboren und zwingend Notwendig für jedwedes Lebewesen, andernfalls hier ein Überleben nicht möglich wäre. Weitere Zusatz-Setzungen deinerseits sind dahingehend völlig belanglos, willkürlich und beliebig austauschbar.
Hatten wir alles schon im August, aber dann hast du den Thread verlassen und hast dich verdrückt. Gegebene, noch offene Beiträge kann ich gerne wiederholen. :)

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#43 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Mi 28. Jan 2015, 15:40

Scrypt0n hat geschrieben:da schlicht keine dogmatisch begründete Weltanschauung vertreten wird.
Genau das ist der wunde Punkt - 3 Punkte hatte ich genannt.

Scrypt0n hat geschrieben:Kann man auch.
Kann man wirklich - aber nicht für transzendente Dinge.

Scrypt0n hat geschrieben:Jedwede Aussage über Gott - was er nun sei oder nicht sei - basiert alleine auf subjektiver Glaubensbehauptung
Indirekte Argumentations-Führung ist schon möglich.

Scrypt0n hat geschrieben: ist angeboren und zwingend Notwendig für jedwedes Lebewesen, andernfalls hier ein Überleben nicht möglich wäre.
Das gilt dann, wenn man setzt, dass die naturalistische Welt real ist und nicht Vorstellung (das setze ich allerdings auch). - Erkenntnis-theoretisch ist nichtsdestoweniger nicht ausgeschlossen, dass der Mensch ein Geistwesen ist, der Natur als Projektion erlebt.

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#44 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Mi 28. Jan 2015, 15:45

Pluto hat geschrieben:Was hast du entgegenzusetzen?
In pragmatischen Dingen des Daseins habe ich NICHTS entgegenzusetzen, weil es dort meiner eigenen Meinung entspricht.

Pluto hat geschrieben:Wenn aber Sinn und Zweck der Religion ist, Menschen zum "Guten" hinzuführen, dann hat sie kläglich versagt.
Die Religion selber nicht, aber deren Missbrauch durch Menschen - es gibt aus meiner Sicht sehr viel Aberglauben innerhalb dessen, was sich so alles als Christentum bezeichnet.

Pluto hat geschrieben:Wie würdest du das Spirituelle sonst darstellen, wenn du gleichzeitlig intellektuell redlich bleiben willst?
Erstmal abgrenzen zwischen dem, was nachweisbar ist (falls es das gibt), was logisch ist und was geglaubt wird. Und dann sauber begründen, warum etwas geglaubt wird. Hermeneutik (in spiritueller Anwendung) ist ganz und gar kein Selbstbedienungs-Laden - Mystik und Scholastik sind bei aller Unterschiedlichkeit sehr diszipliniert im Denken.

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#45 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Mi 28. Jan 2015, 17:53

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was hast du entgegenzusetzen?
In pragmatischen Dingen des Daseins habe ich NICHTS entgegenzusetzen, weil es dort meiner eigenen Meinung entspricht.
Eben. Das ist ein Armutsszeugnis des Fideismus.

closs hat geschrieben:Erstmal abgrenzen zwischen dem, was nachweisbar ist (falls es das gibt), was logisch ist und was geglaubt wird. Und dann sauber begründen, warum etwas geglaubt wird. Hermeneutik (in spiritueller Anwendung) ist ganz und gar kein Selbstbedienungs-Laden - Mystik und Scholastik sind bei aller Unterschiedlichkeit sehr diszipliniert im Denken.
Darum geht es nicht. Die Frage richtet sich dahingehend, ob und wie man innere Redlichkeit gewährleisten kann.

Kant sagt es so: Die Lauterkeit sich selbst gegenüber aufrichtig zu sein.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#46 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Mi 28. Jan 2015, 18:55

Pluto hat geschrieben: Das ist ein Armutsszeugnis des Fideismus.
Davon abgesehen, dass es seit Kant keinen Fideismus mehr geben dürfte, versteht sich Glaube nicht als technische Disziplin. Der Zusammenhang zwischen Zivilisation und Glaube wäre eher indirekt zu ermitteln, indem man sich die Glaubensrichtungen der naturwissenschaftlichen Nobelpreisträger seit Beginn des 20. Jh anguckt.

Pluto hat geschrieben: Die Frage richtet sich dahingehend, ob und wie man innere Redlichkeit gewährleisten kann.
Das müsste Voraussetzung sein - ob es der einzelne tut, ist schwer objektiv ermittelbar. - Metzinger macht in seinem Vortrag ein paar Bemerkungen, die durchaus daran zweifeln lassen.

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#47 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Mi 28. Jan 2015, 19:02

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Das ist ein Armutsszeugnis des Fideismus.
Davon abgesehen, dass es seit Kant keinen Fideismus mehr geben dürfte, versteht sich Glaube nicht als technische Disziplin.
Die Blütezeit des Fideismus war die Mitte des 19. Jahrhunderts, also lange nach Kant.
Auch Wittgenstein wird Fideismus nachgesagt.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die Frage richtet sich dahingehend, ob und wie man innere Redlichkeit gewährleisten kann.
Das müsste Voraussetzung sein...
Eben. Ist aber in einer reinen Glaubenswelt wie dem Fideismus schwer nachvollziehbar.

closs hat geschrieben:ob es der einzelne tut, ist schwer objektiv ermittelbar.
Im Gegenteil.
Das ist ganz leicht durch Überprüfung der Aussagen zu ermitteln.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#48 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Mi 28. Jan 2015, 19:50

Pluto hat geschrieben:Die Blütezeit des Fideismus war die Mitte des 19. Jahrhunderts, also lange nach Kant.
Sorry - da hätte ich das "DÜRFTE" groß schreiben müssen. - Nach den Erkenntnissen von Kant dürfte es keinen Fideismus mehr geben, weil spätestens ab dann obsolet ist - so war es gemeint.

Pluto hat geschrieben: Ist aber in einer reinen Glaubenswelt wie dem Fideismus schwer nachvollziehbar.
Wenn man den Maßstab des Naturalismus anlegt, JA. - Aber es gibt auch Menschen, die auf geistige und innere Wahrheit ausgerichtet sind - das ist ebenfalls eine Form innerer Redlichkeit.

Pluto hat geschrieben:Das ist ganz leicht durch Überprüfung der Aussagen zu ermitteln.
Aber nur, wenn man DESSEN Setzungen zugrunde legt und nicht die eigenen - aus Sicht des Storchs ist Froschsuppe etwas ganz anderes als aus Sicht des Froschs. - Es ist auch dann noch anders, wenn man Froschsuppe chemisch komplett durch-analysiert - die unterschiedlichen Setzungen machen den Unterschied.

Insofern macht Metzinger den Fehler, dass er sein Bild von "innerer Redlichkeit" nicht ontologisch oder logisch anlegt, sondern im Sinne seiner eigenen Weltanschauung - was man ihm eigentlich als Verstoß gegen "innere Redlichkeit" auslegen kann.

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#49 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Mi 28. Jan 2015, 20:27

closs hat geschrieben:Aber es gibt auch Menschen, die auf geistige und innere Wahrheit ausgerichtet sind - das ist ebenfalls eine Form innerer Redlichkeit.
Das ist wieder ein Aussage aus einem vorgefertigten Weltbild heraus.
Wenn die daraus resultierenden geistigen Erkenntisse (z. Bsp. über Vorhersagen) überprüfbar sind, dann ist das völlig Okay, sonst nicht! Denke an den die Aussage von William Kingdon Clifford (aus Metzingers Vortrag):

  • Es ist zu jeder Zeit, an jedem Ort und für jede Person falsch, etwas aufgrund unzureichender Evidenzen zu glauben.

closs hat geschrieben:Aber nur, wenn man DESSEN Setzungen zugrunde legt und nicht die eigenen
Hier wieder:
Axiome machen überprüfbare Vorhersagen. Das tun/können Dogmen nicht.

closs hat geschrieben:Insofern macht Metzinger den Fehler, dass er sein Bild von "innerer Redlichkeit" nicht ontologisch oder logisch anlegt, sondern im Sinne seiner eigenen Weltanschauung
Ich verstehe nicht was Ontologie hiermit zu tun hat. Es geht, wie Kant sagte darum: Die Lauterkeit sich selbst gegenüber aufrichtig zu sein.
Wenn die Ontologie diese Lauterkeit gewährleisten kann, dann wäre durchaus was dran an deiner Kritik.

closs hat geschrieben:was man ihm eigentlich als Verstoß gegen "innere Redlichkeit" auslegen kann.
Es geht um die intellektulle Redlichkeit des Selbst.
Es ist unredlich, Dinge zu behaupten, die nicht überprüfbar sind, wie z. Bsp. ein Weiterleben des Menschen in irgendeiner Form nach dem Tod.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#50 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Mi 28. Jan 2015, 20:55

Pluto hat geschrieben:Das ist wieder ein Aussage aus einem vorgefertigten Weltbild heraus.
Eigentlich nicht - Menschen haben ja nicht in den verschiedenen Kulturen über (fast) alle Epochen beschlossen, dass es Gott gibt, sonder selbigen in welchen Bildern auch immer verspürt. - Wenn diese universale Welterfahrung nicht da wäre, gäbe es keinen Glauben.

Pluto hat geschrieben:Axiome machen überprüfbare Vorhersagen.
Die 3 Punkte, die ich angeführt habe, werden von deren Verfechtern dogmatisch angewendet - es ist bspw. NICHT überprüfbar, ob Geist von Materie kommt oder umgekehrt.

Pluto hat geschrieben:Die Lauterkeit sich selbst gegenüber aufrichtig zu sein.
Das war aber nicht solipsistisch gemeint. - Es sollte eine Voraussetzung sein, um mit der Welt da draußen (materiell oder geistig) unvoreingenommen umzugehen. - Ich kann nicht erkennen, dass es da Unterschiede zwischen der wissenschaftlichen und geistigen Fraktion gäbe.

Pluto hat geschrieben:Wenn die Ontologie diese Lauterkeit gewährleisten kann, dann wäre durchaus was dran an deiner Kritik.
Ontologie wäre die erkenntnis-theoretische Grundlage für jegliches System - dieser erste SChritt wird üblicherweise (auch von Popper - wie ich meine: absichtlich) außen vor gelassen. - Genau das aber führt dazu, dass viele System-Jünger (egal ob wissenschaftlich oder christlich) streng genommen nicht aufrichtig sind (es sei denn, es übersteigt ihre intellektuellen Möglichkeiten), weil sie dann ihr eigenes System zum Maßstab dessen machen, was Realität sein darf und was nicht. - Also: bereits hier wird es eng.

Pluto hat geschrieben:Es ist unredlich, Dinge zu behaupten, die nicht überprüfbar sind
Das ist unrichtig: Wenn man Behauptungen aufstellt, die gemäß des eigenen Wahrnehmungs-Systems plausibel, aber gleichzeitig aufgrund des Gegenstands der Beobachtung nicht überprüfbar sind ("Gott"), könnte man nur dann redlich sein, wenn man postulierte, nur Überprüfbares könne Realität sein. - Dieses Postulat wäre jedoch selbst unredlich, weil es logisch falsch ist: Denn die Tatsache, dass es Realität gibt, die nachweisbar ist, heisst nicht, dass es deshalb keine Realität gäbe, die NICHT nachweisbar ist - das wäre ein blankes Willkür-Postulat.

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