Rechthaberei

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#51 Re: Rechthaberei

Beitrag von closs » Mi 16. Mär 2016, 02:08

Magdalena61 hat geschrieben:Man kann nicht wirklich wissen, warum sich jemand so hartnäckig an sein Weltbild klammert. Ist er davon wirklich überzeugt oder ist er überfordert damit, die schützenden Sicherungsseile loszulassen und weiter zu gehen; die Gedankengänge anderer nachzuvollziehen und eventuell neue Perspektiven zuzulassen?
Wahrscheinlich ist es genau so - Schutzfunktion, um im eigenen Kokon überleben zu können.

Selbstkritisch füge ich hinzu, dass meine persönliche Schutzfunktion sein kann, nicht in die Tiefen des un-intellektuellen Daseins - die alltägliche, zum Teil schmerzhafte - Realität zu gehen, sondern in geistigen Rahmenbedingungen zu verbleiben. - Andererseits: Wir können gerne auch Threads aufmachen, die überhaupt nichts mit Weltanschauungen zu tun haben, sondern rein pastoraler Natur sind (bspw. "Mein Partner ist gestern tödlich verunglückt - was soll ich tun?"). - Aber so etwas findet man ja hier (man möchte es ja auch keinen Wünschen) nicht.

Käme aber so etwas, müsste sich jeder schämen, der mit Weltanschauungs-Vorträgen kommt.

Kritisch stimme ich Dir ansonsten zu, dass gesellschaftliche und moderne philosophische Denkweisen offenbar derart mächtig sein können, dass viele sich nur innerhalb derselben bewegen können und oft darauf achten, eine gewisse Konformität einzuhalten. - Man möchte individuell erscheinen, aber bitte nicht rahmen-sprengend - man denkt oft nicht über In-seiner-Zeit-sein hinaus.

Dem stelle ich den Entwurf entgegen, so zu denken, dass man in jeder Zeit der Vergangenheit und Zukunft von universal denkenden Menschen verstanden wird. - Das gilt übrigens auch für sehr un-philosophische Dinge: Würde man 20 Mütter aus 20 Jahrhunderten um einen Tisch setzen, würden diese sich auf Anhieb verstehen - Kinder sowieso. - Und im Geistigen geht es eben auch - aber hier nur nach ziemlich viel Eigene-Zeit-Abschüttel-Arbeit. - Aber es geht.

Lena
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#52 Re: Rechthaberei

Beitrag von Lena » Mi 16. Mär 2016, 16:16

erbreich hat geschrieben: Nehmt ihr die Tendenz zur Rechthaberei bei euch selber auch wahr? Oder nur bei den anderen? Wie geht ihr mit der Tendenz zur Rechthaberei um, wenn ihr sie bei euch selber erkennt? Und wie, wenn ihr sie bei euren Diskussionspartnern erkennt?

Eigene Ueberzeugung braucht keine Rechthaberei. Man weiss sich im Recht. Dieser Zustand schenkt Gelassenheit, alles sich anzuhören. Rechthaberisches Verhalten zeugt von Unsicherheit. Der andere soll meine Sicht mit mir teilen damit ich mir sicher sein kann.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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#53 Re: Rechthaberei

Beitrag von erbreich » Mi 16. Mär 2016, 17:18

Lena hat geschrieben:Man weiss sich im Recht.
Ja, ich kann mich mit meiner Anschauung gemäss meinem Weltbild im Recht sehen. Daran ist nichts auszusetzen. Solange ich genau dies meinem Gegenüber auch zugestehe: Dass er sich nämlich mit seiner Anschauung gemäss seinem Weltbild auch im Recht sehen darf.

closs
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#54 Re: Rechthaberei

Beitrag von closs » Mi 16. Mär 2016, 18:01

erbreich hat geschrieben: ich kann mich mit meiner Anschauung gemäss meinem Weltbild im Recht sehen. Daran ist nichts auszusetzen. Solange ich genau dies meinem Gegenüber auch zugestehe
Wo ist die Grenze zwischen Toleranz und Anarchie?

erbreich
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#55 Re: Rechthaberei

Beitrag von erbreich » Mi 16. Mär 2016, 18:13

closs hat geschrieben:
erbreich hat geschrieben: ich kann mich mit meiner Anschauung gemäss meinem Weltbild im Recht sehen. Daran ist nichts auszusetzen. Solange ich genau dies meinem Gegenüber auch zugestehe
Wo ist die Grenze zwischen Toleranz und Anarchie?
Toleranz sieht das "Wir".
Anarchie sieht das "Ich".
...würde ich mal so aus dem Stegreif sagen...

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#56 Re: Rechthaberei

Beitrag von closs » Mi 16. Mär 2016, 18:17

erbreich hat geschrieben:Toleranz sieht das "Wir". Anarchie sieht das "Ich".
Ich meine es anders:

Wo ist die Grenze zwischen dem "Das ist nicht mein Weltbild, aber es könnte auch wahr sein" und dem "Die Sache stimmt hinten und vorne nicht". - Würdest Du tolerieren, wenn ich behaupten würde, dass ich im Jahr 1255 geboren bin, der erste Mann auf dem Mond war und gedenke, mich im Jahr 2096 als Bundeskanzler zur Wahl zu stellen? - Das ist übertrieben - ich weiss. - Aber gibt es nicht Punkte, wo man einfach STOP sagen muss? Ist das dann untolerant?

erbreich
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#57 Re: Rechthaberei

Beitrag von erbreich » Mi 16. Mär 2016, 18:53

closs hat geschrieben:Wo ist die Grenze zwischen dem "Das ist nicht mein Weltbild, aber es könnte auch wahr sein" und dem "Die Sache stimmt hinten und vorne nicht". - Würdest Du tolerieren, wenn ich behaupten würde, dass ich im Jahr 1255 geboren bin, der erste Mann auf dem Mond war und gedenke, mich im Jahr 2096 als Bundeskanzler zur Wahl zu stellen? - Das ist übertrieben - ich weiss. - Aber gibt es nicht Punkte, wo man einfach STOP sagen muss? Ist das dann untolerant?
Weisst du, das ist so ziemlich meine Situation mir meiner Mutter: Sie ist 86 und lebt seit drei Jahren (seit dem Tod meines Vaters) im Altersheim (wo sie auf eigenen Wunsch hinwollte). Sie war schon seit Jahrzehnten psychisch angeschlagen, das heisst, viele Ängste und mehr und mehr auch paranoides und psychotisches Erleben. Und das spitzt sich mehr und mehr zu.

Bis vor ein paar Jahren versuchten wir jeweils noch, sie auf ihre subjekive Wahrnehmung hinzuweisen, das ging aber schon damals nicht. Schliesslich mussten wir ganz darauf verzichten, da sie bei jedem kleinsten Einwand wütend wird und wir dann auf die Seite der Verschwörer gegen sie gehören. Es ist schlicht unmöglich, noch irgendwo Stopp zu sagen. Es gibt nur die eine Möglichkeit mit ihr in Frieden zu sein: Ihr zuzuhören, sie ihre Weltwahrnehmung erzählen zu lassen und ihr nicht zu widersprechen. Bestätigen tun wir die Dinge allerdings auch nicht, aber das wiederum scheint sie nicht zu stören...

Das ist auch ein Extrem, klar. Aber manche Menschen, die als gesund gelten, verhalten sich im Hinblick auf ihre Weltanschauung nicht anders: Sie werden grantig, wenn man sie nicht teilt. Und da sage ich mir dann auch bald einmal: Ach, lass ihn reden... und da auch genauso wie bei meiner Mutter: bestätigen muss ich seine Rede ja nicht, aber wozu widersprechen? Um ein endloses Hin- und Her ohne Sinn und Zweck ausser der Rechthaberei oder Besserwisserei?

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Kingdom
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#58 Re: Rechthaberei

Beitrag von Kingdom » Mi 16. Mär 2016, 18:59

erbreich hat geschrieben:Der Palikanon (Buddhismus) definiert 16 Herzenstrübungen, eine von diesen ist die RECHTHABEREI. In den Diskussionsforen, auch in diesem hier - so ist mein Eindruck - springt einen diese Herzenstrübung aus allen Ecken und Enden fortwährend entgegen und um die Ohren (oder Augen).

Hallo Erbreich

Was der Buddhismus als Herzenstrübung bezeichnet muss in einer anderen Religion oder Weltanschauung eines Menschen, nicht so gesehen werden.

Spr 4:5 Erwirb Weisheit, erwirb Verstand; vergiß nicht und weiche nicht ab von den Reden meines Mundes.

Jos 1:7 Sei du nur stark und sehr fest, daß du darauf achtest, zu tun nach dem ganzen Gesetz, das dir mein Knecht Mose befohlen hat; weiche nicht davon, weder zur Rechten noch zur Linken, auf daß du allenthalben weislich handeln mögest, wo du hingehst!


Aus Biblischer Sicht ist der welcher von den Satzungen Gottes abweicht oder sie verwässert, einer der sich auf Irrwegen befindet, es wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, das man in den Wesentlichen Punkten, weder zur Rechten noch zur Linken abweichen sollte.

Es gibt ja nichts schlechteres, als einer welcher von der Wahrheit abrückt, nur weil er sich ein wenig mit dem Sturm von Gegenargumenten konfrontiert sieht. Wenn eine Diskussion dann abgebrochen wird, nur weil man gegenteilige Standpunkte nicht ertragen kann oder sich diesen unterlegen sieht, dann ist wohl in der Herzenshaltung mehr falsch, als einer der Friedlich aber konsequent, an seinen Standpunkten festhält und sich auch nicht scheut, diese öffentlich zu vertreten.

Wenn ich meinen Gegenüber einfach nur beipflichte, nur das es sich bestätigt fühlt, wenn dies meiner Meinung nach eine total falsche Weltanschauung wäre, dann wäre das wenig Rückgrat und auch nicht aufrichtig.

Wenn einer zu mir kommt und eine Lüge behauptet, was sollte ich tun, IHM beipflichten, damit er am Ende Recht behält und sich in einer Lüge bestätigt fühlt?

Eine Diskussion muss konträre Meinungen, aushalten können, selbst wenn das Gegenüber nicht von seinem Standpunkt abrücken will. Ob ein Standpunkt nun sachlich ruhig oder sachlich konsequent, mit Biss vorgetragen wird, muss man als Gesprächspartner ertragen können, sonst zieht man sich eben besser zurück oder tauscht sich eben nur mit denen aus, welche einem nie wiedersprechen und die welche dem eigenen Naturel nur immer schmeicheln.

Für mich wäre selbt ein Ungläubiger, ein Mensch ohne Rückgrat, wenn er seine Meinung, einfach der meinen anpassen würde oder sie einfach übernehmen würde, nur damit er mir nicht wiedersprechen muss oder nur weil er mir das Gefühl geben möchte, das er jetzt auch meiner Meinung sei. Das wäre sogar ein bewusste Täuschung. Deshalb ist mir doch lieber er hält an seinem Standpunkt fest und vertritt Ihn konsequent, das ist für mich aufrichtiger. Alles andere wäre für mich die falsche Herzenshaltung.

Der welcher in einer konträren Diskussion, wo zwei Welten aufeinander treffen, seine Werte unter Wert verkauft oder sie gar noch für ein Linsengericht verscherbelt oder eben anders ausgedrückt, gegen die Lüge einstauscht, das wäre für mich eine total falsche Herzenshaltung. Warum sollte ich als Christ dem Buddhismus beipflichten, wenn ich IHN als Menschliche Philosophie und Lüge, für meine Leben verworfen habe?

Warum sollte Pluto oder andere mir beipflichten, wenn sie Glauben das Ihre Weltanschauung die bessere sei, damit ich mich Gut fühle? Also dabei würde ich mich gar nicht gut fühlen, da ist mir lieber einer argumentiert gegen meine Weltanschauung oder gegen die Sicht Gottes, als der er mir nur beipflichtet, um nicht als Mensch mit einer falschen Herzenshaltung bezeichnet zu werden.

Sicher bezeichne ich es auch als falsche Herzenshaltung, wenn man gegen Gottes Wort rebelliert aber mir ist lieber einer tut dies mit Überzeugung als das er nur um des Friedens Willen mir oder Gott beipfichtne würden. Nur um dieses Frieden Willen von wesentlichen Grundsätzen abrücken, das ist falsche Herzenshaltung.

Lg Kingdom

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#59 Re: Rechthaberei

Beitrag von closs » Mi 16. Mär 2016, 20:45

erbreich hat geschrieben:Das ist auch ein Extrem, klar. Aber manche Menschen, die als gesund gelten, verhalten sich im Hinblick auf ihre Weltanschauung nicht anders: Sie werden grantig, wenn man sie nicht teilt.
Da verstehe ich Dich - dann werden wir bei der Frage:
Wann verhält man sich "pastoral" (hier: therapeutisch) und wann verhält man sich "fundamental" (hier: von der Sache her).

Wenn man jemand als krank betrachtet, stimme ich Dir zu - aber auf einem Forum möchte ich das eigentlich nicht, es sei denn, jemand kommt mit schwerwiegenden persönlichen Anliegen.

Pluto
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#60 Re: Rechthaberei

Beitrag von Pluto » Do 17. Mär 2016, 09:50

closs hat geschrieben:dann werden wir bei der Frage:
Wann verhält man sich "pastoral" (hier: therapeutisch) und wann verhält man sich "fundamental" (hier: von der Sache her).
Das verstehe ich nicht.
Wie kann es jemals falsch sein, sich "von der Sache her" mit einem Thema zu befassen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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