Pluto hat geschrieben:Ist es denn deiner Meinung nach redlich zu behaupten es könnte etwas sein, wenn man keine Ahnung hat?
Es ist eine strukturelle Aussage, keine inhaltliche. - Aber das reicht schon, um dem Materialismus auszureden, Nicht-Erkennbares könne nicht real sein. - Siehe obiges Zität zu Münek:"Das Ding an sich ist eine Begriffsbildung Immanuel Kants, der damit ein Seiendes bezeichnet,
welches unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt würde" (wik)
Pluto hat geschrieben: "Prüfe alles [was ist], und das Gute behalte". Die Betonung ist hier auf das Wort "prüfe".
Damit ist nicht "Überprüfen" im wissenschaftlich-methodischen Jargon gemeint. - "Prüfe mit Deinem Verstand, Herzen, Gewissen", wäre klarer.
Pluto hat geschrieben:Das ist zwar richtig, aber wie willst du etwas prüfen was nicht zu erkennen ist?
Siehe oben - dies ist nicht wissenschaftlich gemeint. - Du sollst in Dich gehen und prüfen, ob Du es (wieder-)erkennst.
Pluto hat geschrieben:Einfach zu sagen, "es erscheint mir plausibel" ist unredlich
Es ist für den Naturwissenschaftler unredlich, aber nicht für die Spiritualität. - Bei letzterer geht es um innere Aufnahme und inneren Abgleich - aber mir wird langsam klar, wie tief wissenschaftlich-methodischer Jargon in die heiligen Hallen des Geistes eingedrungen ist. - Großes Missverständnis.
Die Plausibilitäts-Kriterien können von außen angeleitet/gelernt werden (siehe Bhudda-Schulen - aber nicht nur diese), aber nur im Einzelnen angewendet werden.
Pluto hat geschrieben:Husserl meint in seinem "Epoché" , man solle aufhören zu spekulieren.
Was meint er damit und was ist seine Alternative? - Zuwendung zum Naturalismus und Ignorierung der Transzendenz?
Pluto hat geschrieben:Er ist nach der modernen analytischen Philosophie ausgerichtet.
Noch schlimmer - dann ist mit Epistemologie in transzendenten Dingen nichts anzufangen.
Pluto hat geschrieben: Aus Sicht der Geschichte war Kant ein Vorreiter des Existentialismus und diese war eine Frühform der modernen Philosophie.
Das stimmt - das Gegenteil stimmt auch: Kant hat die Aufklärung in die Romantik geführt.
Das liegt daran, dass man Kant unterschiedlich einsetzen kann: Aus Sicht seines methodisch hoch-disziplinierten Kritischen Werks - da hast Du recht. - Oder aus Sicht dessen, an dem das Kritische Werk verankert ist (Ding an sich/Transzendenz) - da habe ich recht.
Pluto hat geschrieben:Dann gib mir bitte ein Beispiel!
"Beispiel" ist das falsche Wort - "Ontologie schafft Erkenntis, wie Wahrnehmung und Sein/Realität in Bezug stehen", lautete mein Satz. - Es geht also um das Verhältnis von Wahrnehmung und Sein/Realität und nicht um Anwendungs-Beispiele. - Dazu meint Heidegger (Sein=Realität/Seiendes=Wahrnehmung(s-Fähiges)
• „Das Sein ist die Voraussetzung für das Seiende“
• „Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor.“
• „Da deshalb Sein und Seiendes niemals getrennt auftreten, wird das Sein nicht als solches thematisiert.“
• „Daher ist das Sein zwar das Nächste, weil es im Umgang mit der Welt immer schon vorausgehend und mitgängig ist; andererseits erweist es sich als das Fernste, da es als Unthematisches nie explizit wird.“
Das Sein ist thematisch dasselbe wie die "Ideen" Platons und die "Realien" des Universalienstreits - und eben das "Ding an sich" von Kant. Wenn Kant meint, es gäbe etwas " welches unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt würde", ist das exakt "das Sein" im Sinne Heideggers - mit der Verwirrung, dass Kant es "das Seiende" nennt. - Da haben sich beide begrifflich nicht abgesprochen - die Eigenschaften sind identisch.
Pluto hat geschrieben:Was ist die ontologische Sicht eines Stuhls?
Ein Stuhl "ist" (WENN es so etwas gibt). - Gott "ist" (WENN es ihn gibt).
Pluto hat geschrieben: Was, die erkenntistheoretische Sicht?
Nach welcher Methodik und nach welchen Kriterien kann man per Wahrnehmung den Stuhl oder Gott beschreiben.
Pluto hat geschrieben:Dann sollten wir innehalten
Als Materialist kann man beschließen, sich ausschließlich um nachweisebare Realität zu kümmern - kein Problem. - Dann darf man aber nicht mit Begriffen wie "Spiritualität" kommen, wie es Metzinger tut - beides zusammen geht nicht.
Pluto hat geschrieben:Die Menschen im Altertum waren unwissend und Vieles erschien ihnen wie göttliche Magie.
Weil sie Nicht-Transzendentes als transzendent verstanden haben - das kann die Wissenschaft korrigieren. - Aber das betrifft nicht seins-mäßig Transzendentes. - Es ist ein Unterschied, ob man Naturalistisches als Transzendentes missversteht, oder ob es sich um transzendentes Sein handelt ("Ding an sich").
Pluto hat geschrieben: Er hat in seiner "Kritik der reinen Vernunft" klar seine Abneigung gegen Metaphysik zum Ausdruck gebracht.
Ja - in dem Sinne, dass er für das Transzendente keine Vermischung von Subjekt und Objekt haben wollte - er wollte nicht, dass das Transzendente wahrnehmungs-mäßig angerührt wird. - Aber er war nicht gegen das Transzendente an sich, weil er es ja gebraucht hat.
Denn wenn er meint (ich muss leider dasselbe Zitat ein drittes Mal bringen), dass das "Ding an sich"/die Idee/die Realie "unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt würde", will er auch, dass man sich auch insofern daran hält, dass man sich nicht in einen Subjekt-Bezug dazu stellt, also darüber spekuliert (das scheint er mit "Meta-Physik" zu meinen, die vorgibt, etwas erkennen zu wollen, was nicht erkennbar ist). - Insofern ist er gar nicht so weit weg von Wittgenstein, wenn er sagt, man solle nur über DInge sprechen, über die man sprechen kann.
Im Grunde macht sich Kant damit zum Mystiker: Hier die Welt der Reinen Vernunft (die als Pate etwa für den Kritischen Rationalismus steht) - dort das Mysterium des "Dings an sich", das "ist", aber nicht thematisiert (Heidegger) werden soll. - Das ist übrigens ganz und gar nicht weit weg von Sätzen wie "Gott ist ein Geheimnis".
Das Entscheidende ist: Kant sagt NICHT, es gäbe kein Sein jenseits der Wahrnehmung - er sagt exakt das Gegenteil. - Allerdings sagt er auch: Über dieses Sein kann ich als Vertreter der "Reinen Vernunft" nicht sprechen, weil dieses Sein jenseits derselben ist - und damit stößt er auf Wittgenstein.
Pluto hat geschrieben:In Wirklichkeit wird Kant heute als Anstifter der Aufklärung verstanden
Stimmt - aber es handelt sich hier nicht um eine materialistisch gelagerte Aufklärung, sondern um eine transzendent gelagerte Aufklärung ("Ding an sich"). - Das wird heute nicht mehr verstanden, weil man den Begriff der Aufklärung in den letzten Jahrhunderten materialistisch gedreht hat.
Pluto hat geschrieben:Trifft das nicht auch auf den Christen Störig zu
Natürlich. - Die Frage wäre: Wer hat Kant besser verstanden? - Diese Frage ist nicht dadurch beantwortet, dass man es heute "so" sieht - es könnte morgen schon ganz anders sein.
Pluto hat geschrieben:Belege??
Aus Sicht Störigs und anderen ist es so (so wurde mir Kant in England erklärt - allerdings dann in Frankfurt ganz anders
). - Aber vielleicht wäre es besser, Kant als Transzendental-Philosophen zu bezeichnen denn als Metaphysiker, weil er sich gleichzeitig gegen die metaphysische Praxis seiner Zeit wendet. - Wobei ich nicht wüsste, wie man den Unterschied (außer in Kants Worten) vermitteln sollte. - Vielleicht kann man so sagen: In der Begriffs-Verwendung Kants ist er KEIN Metaphysiker, aber Transzendental-Philosoph. - In der Begriffs-Verwendung anderer Philosophen kann es gut sein, dass sie keinen Unterschied zwischen Metaphysiker und Transzendental-Philosoph sehen, wenn sie nicht Kants Argument gegen Metaphysik (= Thematisierungs-Verbot durch das Subjekt) kennen.
Pluto hat geschrieben: Die Fachwelt sieht das anders.
Der heutige philosophische Mainstréam sieht das anders - bei vergangenen und zukünftigen Philosophien kann das ganz anders.
Pluto hat geschrieben:Die Ablehnng geht auf das 19. Jahrhundert zurück.
Passt - Hegel kann man nur verstehen, wenn man ihn platonisch versteht ("Phänomenologie des Geistes") - die zersplitterte Welt des 19. Jh (Romantik, Existentialismus, etc.) ist ganz anders gepolt.