Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Säkularismus
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sven23
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#81 Re: Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Beitrag von sven23 » Sa 19. Apr 2014, 13:49

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Macht die Kirche das auch mit "normalen" Mördern?
Ja.

Wie jetzt, die Kirche verhilft Mördern zu Flucht? Kannst du das belegen?

closs hat geschrieben: - Man muss das natürlich ausbaden und spielt auch nicht die Rolle dessen, der gegen weltliche Justiz ist. - Aber man unterscheidet trotzdem zwischen Verbrecher und Sünder - und nimmt für sich die Version "Sünder" VOR der Version "Verbrecher" in Anspruch.

Das kommt davon, dass die Kirche (im Idealfall) dem christlichen Menschenbild und nicht dem säkularen Menschenbild verpflichtet ist.
Gut, die Kirche ist ein Schutzraum für die Täter. Aber ist sie auch ein Schutzraum für die Opfer?
Hat die Kirche vergleichbare Fluchtlinien für Juden und andere vom Nazi-Regime verfolgte eingerichtet?
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closs
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#82 Re: Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Beitrag von closs » Sa 19. Apr 2014, 14:05

sven23 hat geschrieben:Wie jetzt, die Kirche verhilft Mördern zu Flucht?
Sie liefert sie nicht der säkularen Justiz aus - das ist der Gedanke. - Und wenn ein Mörder zu einem Priester sagt, dass er jetzt zurück nach Usbekistan will, wird ihn der Priester laufen lassen - und wahrscheinlich noch eine Stulle mitgeben, damit er nicht hungert. - Er wird ihm vielleicht auch sagen, wo auf dem Weg Klöster sind, bei denen er für Essen anklopfen kann.

Weiterhin wird er ihm sagen, dass er sich seiner Verantwortung vor Gott ohnehin nicht entziehen kann.

In der ZEIT steht (im anderen Zusammenhang) letzte Woche ein Artikel über eine ruandische Ordensschwester, die den Mördern vieler Kinder Geld und Essen gegebene hat, damit die Mörder ihre Opfer begraben - weil sonst keiner da war und die Leichen sonst verwest wären - und weil auch die Mörder arme Säue waren - und weil sie durch diese Geste ein Umkehr-Signal setzen wollte.

sven23 hat geschrieben:Aber ist sie auch ein Schutzraum für die Opfer?
Ja - über den Vatikan sind auch sehr viel Juden während des Krieges aus Deutschland entkommen - dazu gibt es Literatur, die man sicherlich schnell googeln kann.

Nochmal: Es geht um Menschen-Verantwortung und nicht um Täter- oder Opfer-Verantwortung.

piscator
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#83 Re: Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Beitrag von piscator » Sa 19. Apr 2014, 14:07

closs hat geschrieben:Man MUSS es nicht - man ist nur der Justiz nicht primär verpflichtet. - Man muss das natürlich ausbaden und spielt auch nicht die Rolle dessen, der gegen weltliche Justiz ist. - Aber man unterscheidet trotzdem zwischen Verbrecher und Sünder - und nimmt für sich die Version "Sünder" VOR der Version "Verbrecher" in Anspruch.
Das kommt davon, dass die Kirche (im Idealfall) dem christlichen Menschenbild und nicht dem säkularen Menschenbild verpflichtet ist.

Ich denke, ich verstehe wie du das meinst. Die Kirche unterscheidet nicht, weil für sie alle Menschen Sünder sind, unabhängig davon, was sie verbrochen haben. Das Richten überlassen sie Gott. Und wenn ich versuche, mich in die Kirchen hineinzudenken, ist es aus deren Sicht auch irgendwie verständlich.

Der Gläubige, der an die Auferstehung, an das Gericht und ein Leben nach dem Tod glaubt, kann damit wahrscheinlich eher umgehen als jemand, der diesen Glauben nicht hat. Trotzdem ist das Ganze für mich - unabhängig von meinem Nichtglauben - unbefriedigend, weil ich das Christentum im Kern als hoffnungsvollen, lebensbejahenden Glauben empfinde. Außerdem greift diese kirchliche Denkweise stark in unser gewachsenes Rechtsempfinden ein, das davon ausgeht, dass Übeltäter eigentlich sofort ihre Strafe erhalten sollen und Unrecht wieder gut gemacht werden soll.
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Luchs
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#84 Re: Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Beitrag von Luchs » Sa 19. Apr 2014, 14:17

Abischai hat geschrieben:Bist Du noch zu retten? Wie kannst Du Dir nur erlauben sowas zu schreiben, weißt Du denn nicht, daß wir hier gebildete Hüter der Moral haben, Piscator und Darkside, Anwälte der Tugend und der Aufklärung? Die werden Dir schon was erzählen!
--> Na, wenigstens gibt es diese Menschen hier. Da muss ich ja keine Angst haben, dass mir in diesem Forum das ultimative Böse in Form von Diskriminierung gegenüber tritt...

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#85 Re: Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Beitrag von closs » Sa 19. Apr 2014, 15:02

piscator hat geschrieben:Ich denke, ich verstehe wie du das meinst.
Korrekt beschrieben.

piscator hat geschrieben: Außerdem greift diese kirchliche Denkweise stark in unser gewachsenes Rechtsempfinden ein, das davon ausgeht, dass Übeltäter eigentlich sofort ihre Strafe erhalten sollen und Unrecht wieder gut gemacht werden soll.
Das ist eben aus kirchlicher (in diesem Fall - wie ich meine - auch aus christlicher) Sicht ein Denkfehler - wobei leider das Christentum oft selbst so kontaminiert ist, dass es sich säkulare Standards zur Vorlage nimmt, was die Sache wieder diskreditiert. - Wie auch immer:

Aus säkularer/rechts-staatlicher Sicht bedarf es in der Tat des Zusammenhangs von Tat und sichtbarer (!) Sühne - aus ganz pragmatischen Gründen - denn: Die Menschen sollen wahrnehmen, dass sich falsches Verhalten nicht lohnt. Mit solchen Tat-Sühne-Strukturen kann man das gut zeigen.

Aber das hat nichts zu tun mit geistigen Kategorien. - Natürlich wird auch die Kirche darauf bestehen, dass die Gesellschaft vor Tätern geschützt ist - insofern ist es folgerichtig, wenn man (beispielsweise) rückfallgefährdete Täter auf unbestimmte Zeit einbuchtet (wo auch immer). Damit wäre dem Schutz-Bedürfnis der Gesellschaft Genüge geleistet. - Da nun wird aber die Justiz (zu Recht!) sagen, dass das Schutz-Bedürfnis der Gesellschaft nicht ausreichende Grundlage für Internierung sein kann (wie gesagt: zu Recht).

Vielmehr ist die Justiz gesetzlich so normiert, dass sie Tat und persönliche Schuld in Bezug zu setzen hat - was sie übrigens gar nicht kann, wenn man "persönliche Schuld" ernst nimmt und anspruchsvoll versteht. Aber man braucht den Anschein dazu, weil nur so die (offensichtlich benötigte) Argumentations-Kette "Tat, Delikt-Fähigkeit, Eigen-Verantwortung, Strafe" hält.

Die Argumentations-Kette der Kirche dagegen lautet "Tat, Sünde, Erkenntnis, Reue, Sühne" - also etwas ganz anderes, weil es hier nicht um die Vollstreckung einer öffentlichen Rechtsordnung geht, sondern um die "persönliche Schuld" (hier passt dieser Begriff) und dessen geistige Aufarbeitung geht. - Aber solche logischen Ketten sind in der Normierung des heutigen säkularen Menschen nicht präsent - und somit gibt es Konflikte, wenn beide Denk-Systeme aufeinander treffen.

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sven23
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#86 Re: Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Beitrag von sven23 » Sa 19. Apr 2014, 16:33

closs hat geschrieben:Ja - über den Vatikan sind auch sehr viel Juden während des Krieges aus Deutschland entkommen - dazu gibt es Literatur, die man sicherlich schnell googeln kann.

Ja, und dann findet man so was:

http://derstandard.at/1323222459076/Flu ... zur-Flucht


Sagst du nicht immer: gib dem Kaiser, was des Kaisers ist. Insofern hätte die Kirche kein Recht, Naziverbrecher der Justizverfolgung zu entziehen. Sie kann sich gerne um Verfolgte kümmern, aber Straftäter zu decken ist selbst eine Straftat.
Wer sich als Kriegsverbrecher, Massenmörder, Folterknecht usw. hervorgetan hat, muß sich auch seiner Verantwortung stellen. Da hat die Kirche kein Recht auf Strafvereitelung.
Während der Zeit des Faschismus hätte die Kirche oft Gelegenheit gehabt, das Maul aufzumachen. Da schwieg man aber lieber, um es sich mit den Machthabern nicht zu verderben.
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#87 Re: Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Beitrag von sven23 » Sa 19. Apr 2014, 16:43

closs hat geschrieben:
Die Argumentations-Kette der Kirche dagegen lautet "Tat, Sünde, Erkenntnis, Reue, Sühne" -

Das Problem ist halt nur, daß die meisten Ns-Verbrecher die letzten 3 in deiner Argumentationskette vermissen ließen. Dies wurde immer wieder in den Prozessen deutlich, bis auf wenige Ausnahmen.

Hätte die Kirche solche Fluchtlinien für verfolgte Kommunisten und Homosexuelle organisiert, wäre sie glaubwürdiger. Aber dazu war sie selbst in großen Teilen zu sehr in den Nationalsozialismus verstrickt.

http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/kirchen/

Kapitulation der Kirche
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#88 Re: Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Beitrag von closs » Sa 19. Apr 2014, 17:39

sven23 hat geschrieben:Sagst du nicht immer: gib dem Kaiser, was des Kaisers ist.
Ja - insofern hat die Kirche ihre Eigenständigkeit zu halten. - Dass es da unlösbare Fälle gibt (wie man's macht, ist es falsch), ist unvermeidbar: Einerseits darf man nicht juristische Pflichten ignorieren, andererseits darf man nicht juristischen Instanzen zuspielen. - Aporie.

sven23 hat geschrieben:Wer-half-Adolf-Eichmann-zur-Flucht
Wenn es so stimmt (!), ist es ein Fall, bei dem einzelne Priester etwas tut, was je nach eigener Motivation gut oder böse ist - man kann da nicht reingucken. - Vermutlich läuft das so: Der Papst sagt, falls er dazu befragt wird: "Tut in solchen Fragen, was Euch Euer Gewissen sagt".

In der Praxis halte ich es für wahrscheinlich, dass es Fälle gab, in denen (geistliche) Sympathisanten des Nationalsozialismus ihre Gesinnungsgenossen vor dem Zugriff retten wollten (das wäre Deine Version) - und dass es Fälle gab, in denen Priester aus seelsorgerischer Überzeugung Hilfe geleistet haben. - Zwischen abgrundtief böse bis gut ist da alles dabei. - Dass Geistlichkeit nicht autorisiert ist, Straftäter an weltliche Gerichtsbarkeit zu verpfeifen, ist auch klar (das fängt beim Beicht-Geheimnis an). - Wie gesagt: Aporie.

sven23 hat geschrieben:Wer sich als Kriegsverbrecher, Massenmörder, Folterknecht usw. hervorgetan hat, muß sich auch seiner Verantwortung stellen.
Das sieht die Kirche ohnehin so - allerdings meint sie damit "vor Gott".

sven23 hat geschrieben:Während der Zeit des Faschismus hätte die Kirche oft Gelegenheit gehabt, das Maul aufzumachen. Da schwieg man aber lieber, um es sich mit den Machthabern nicht zu verderben.
Unterm Strich ist das falsch - da gibt es genug Literatur - aber natürlich auch Gegen-Literatur - je nach Interesse.

Zitate daraus:

"Im April 1933 ging von der deutschen Regierung die Initiative zu einem Reichskonkordat mit dem Vatikan aus, das am 20. Juli unterzeichnet wurde". - Vollkommen falsch. - Der Text war in den Jahren nach WK I verfasst worden und sollte bis zum Antritt Hitlers längst unterzeichnet sein. - Dieser vorliegende Text wurde von Hitler als einer seiner frühen Amtshandlungen unterzeichnet - sicherlich mit dem Ziel, die Katholiken eine Zeitlang unter Kontrolle zu halten. - Dass das nicht lange gehalten hat, sieht man hier:

"Bereits im Herbst 1933 stellte der Episkopat jedoch fest, daß das NS-Regime das Konkordat fortwährend brach. Ab 1935 wurden in einer Verleumdungskampagne zahlreiche katholische Geistliche wegen angeblicher Sittlichkeits- und Devisenvergehen angeklagt und verfolgt, Eingaben des Episkopats blieben ohne Erfolg. Daraufhin erschien 1937 die päpstliche Enzyklika "Mit brennender Sorge""

Sicherlich hat sich die RKK auch schuldig gemacht - sicherlich nicht so sehr wie die deutschen Protestanten (siehe Dein Link) - aber vergleichen darf man da nicht. - Dass das Konkordat ein Produkt zwischen Rom und Hitler war, ist ein genauso dummes Gerücht wie die Aussage, Hitler habe die Autobahn erfunden. - Aber es hat sich halt so eingebrannt.

sven23 hat geschrieben:Hätte die Kirche solche Fluchtlinien für verfolgte Kommunisten und Homosexuelle organisiert, wäre sie glaubwürdiger.
Da müsste man mal prüfen, ob diese Gruppen sich überhaupt an Priester gewandt haben. - Aber es ist schon richtig:

Kirche und Nationalsozialismus hatten größere Übereinstimmungen in puncto "konservative Werte" (Familie, Heterosexualität, Fleiss - also all das, was man so als "deutsche Tugenden" bezeichnet hat) als mit Links-Intellektuellen, die Gott ja bereits abgeschafft hatten ;) . - Ob sich Homosexuelle damals geoutet haben (also als Gruppe überhaupt erkennbar waren), weiss ich nicht. -

Trotzdem: Wenn sich ein Kommunist/HS bei einem Priester gemeldet hätte und um Hilfe gebeten hätte, hätte er sie genauso bekommen bzw. bekommen müssen. - Nochmals: Ein Priester handelt im Selbstverständnis im Namen Jesus, vor dem es weder Kommunisten noch Homosexuelle noch Nationalsozialisten noch Agnostiker gibt, sondern nur Menschen.

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sven23
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#89 Re: Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Beitrag von sven23 » Sa 19. Apr 2014, 17:58

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer sich als Kriegsverbrecher, Massenmörder, Folterknecht usw. hervorgetan hat, muß sich auch seiner Verantwortung stellen.
Das sieht die Kirche ohnehin so - allerdings meint sie damit "vor Gott".

Zunächst hat er sich mal im hier und jetzt, wo er seine Straftaten begangen hat, zu verantworten. Alles andere wird sich zeigen, wenn überhaupt.


closs hat geschrieben: Trotzdem: Wenn sich ein Kommunist/HS bei einem Priester gemeldet hätte und um Hilfe gebeten hätte, hätte er sie genauso bekommen bzw. bekommen müssen. - Nochmals: Ein Priester handelt im Selbstverständnis im Namen Jesus, vor dem es weder Kommunisten noch Homosexuelle noch Nationalsozialisten noch Agnostiker gibt, sondern nur Menschen.

Tja, im Idealfall ist die Welt ein Ponyhof.
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#90 Re: Zum 125. Geburtstag Adolf Hitlers

Beitrag von closs » Sa 19. Apr 2014, 19:54

sven23 hat geschrieben:Zunächst hat er sich mal im hier und jetzt, wo er seine Straftaten begangen hat, zu verantworten.
Dazu gibt es ja zuständige Stellen.

sven23 hat geschrieben:im Idealfall ist die Welt ein Ponyhof.
Irgendeine Orientierungs-Größe ist schon mal gut, selbst wenn man es selten oder nie perfekt macht.

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