Missbrauch der Religion als Kriegsstifter

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#1 Missbrauch der Religion als Kriegsstifter

Beitrag von closs » Mi 24. Dez 2014, 23:10

Thema abgetrennt aus: Die Früchte des Reduktionismus


sven23 hat geschrieben:Mit holistischer Betrachtungsweise kommt man z. B. optischen Täuschungen nicht auf die Spur
Nein - das sagt auch keiner. - Die Aussage ist, dass die Wahrnehmung des Menschen aus gutem Grund holistisch angelegt ist, und dass es provozierte Einzelfälle geben kann, bei denen diese Wahrnehmungs-Art ausgehebelt werden kann.

sven23 hat geschrieben:Überprüfung ist aber nur durch Reduktion möglich.
Überprüfung von Einzel-Wahrnehmungen, JA. - Das ist jedoch als "zweite Stimme" durchaus willkommen, aber nicht entscheidend. - Denn wenn man bei der Einzel-Beobachtung herausfindet, dass Quadrat A und B den gleichen Farbwert haben, steht dem immer noch gegenüber, dass die Wahrnehmung unterschiedlicher Farbwerte im Kontext mit dem Zylinder-Schatten zur Kontrastbetonung sinnvoll ist. - Wir reden hier also nicht von "Sinnes-Täuschung", sondern von einer anderen Perspektive, die durchaus sinnvoll ist. - Es ist eher eine Frage der Priorität: Was ist der Wahrnehmung wichtiger? Der Vergleich A mit B oder die Heraushebung des Kontrasts Schatten - Quadrat.

sven23 hat geschrieben:Die Natur evolviert einfach weiter.
Das tut sie oder sie tut es nicht - je nachdem, was ansteht. - Es ändert nichts an grundsätzlichen geistigen Koordinaten, die es ebenfalls unabhängig vom Menschen gibt.

sven23 hat geschrieben:Man kann durchaus das Dasein zum Maßstab machen, ohne durchdrehen zu müssen
Es gibt sicherlich geistige Schutzräume, die dies verhindern - das habe ich mit "Verdrängung" gemeint.

sven23 hat geschrieben:Was man mit fehlgeleiteter Spiritualität anrichten kann, haben 2000 Jahre Kirchengeschichte gezeigt oder aktuell die ISIS. Da ist mir ein entspanntes Dasein 1000 mal lieber, auch wenn ich dafür auf eine ungewisse himmlische Belohnung nach meinem Tod verzichten muß.
Du bringst es manchmal fertig, in einem Satz verschiedenste Irrtümer auf engstem Raum zu vereien:
1) Kirchengeschichte: Das Problem der Kirchen-Geschichte war nicht das NT, sondern die Verletzung des NT.
2) In den letzten ca. 400 Jahren waren alle Kriege Europas primär säkular bedingt. - Wer den Christen die theoretische Verantwortung für Kreuzzüge, Religionskriege und Inquisition zuordnet, muss als Säkularer die preussisch-österreichischen, napoleonischen sowie die beiden Weltkriege auf seine Kappe nehmen - KZ und Gulag ganz zu schweigen. - Macht das Sinn?
3) Es geht nicht um himmlische Belohnung, sondern um geistige Erkenntnis.

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sven23
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#2 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Do 25. Dez 2014, 07:48

closs hat geschrieben:Nein - das sagt auch keiner. - Die Aussage ist, dass die Wahrnehmung des Menschen aus gutem Grund holistisch angelegt ist, und dass es provozierte Einzelfälle geben kann, bei denen diese Wahrnehmungs-Art ausgehebelt werden kann.

Man sollte es aber auch nicht mit dem Holismus übertreiben, sonst landen wir wieder beim Schamanismus. :lol:
Im Ernst: Afrika hat eine große Tradition des Aberglaubens, der geradezu kultiviert wird. Das hat dann manchmal extreme Auswirkungen.
http://www.n-tv.de/mediathek/videos/pan ... 52295.html


closs hat geschrieben: - Es ändert nichts an grundsätzlichen geistigen Koordinaten, die es ebenfalls unabhängig vom Menschen gibt.

Ich würde eher sagen, daß diese geistigen Koordinaten eine menschliche Erfindung sind.

closs hat geschrieben: Es gibt sicherlich geistige Schutzräume, die dies verhindern - das habe ich mit "Verdrängung" gemeint.

Also es gibt nicht "geistige" Menschen, die in geistige Schutzräume gehen, um nicht durchzudrehen?
Was du dir nicht alles zusammen bastelts. :lol:

closs hat geschrieben: Du bringst es manchmal fertig, in einem Satz verschiedenste Irrtümer auf engstem Raum zu vereien:
1) Kirchengeschichte: Das Problem der Kirchen-Geschichte war nicht das NT, sondern die Verletzung des NT.
2) In den letzten ca. 400 Jahren waren alle Kriege Europas primär säkular bedingt. - Wer den Christen die theoretische Verantwortung für Kreuzzüge, Religionskriege und Inquisition zuordnet, muss als Säkularer die preussisch-österreichischen, napoleonischen sowie die beiden Weltkriege auf seine Kappe nehmen - KZ und Gulag ganz zu schweigen. - Macht das Sinn?
3) Es geht nicht um himmlische Belohnung, sondern um geistige Erkenntnis.

Und aus vermeintlichen Irrtümern werden Wahrheiten.
1) Damit bestätigst du meine Aussage. :thumbup:
2) 30 jähriger Krieg war kein Religions-oder Konfessionskrieg? Daneben noch viele kleine regionale Konflikte und ganz außen vor waren die Kirchen im Nationalsozialismus auch nicht. Wird oft gerne vergessen. Zugegeben ist das Christentum heute nicht mehr der Initiator von Konflikten, das hat sich mehr auf die anderen abrahamitischen und mosaischen Religionen verlagert. http://www.zeit.de/2014/39/islam-religion-krieg
3) Und die geistige Erkenntnis wird im Himmel belohnt. Warum tun sich eigentlich Religiöse so schwer, die versprochene Belohnung zu akzeptieren? Belohnung und Bestrafung ziehen sich als Leitmotive durch die gesamte Bibel. Fühlt man sich wie ein kleines Kind beim Naschen ertappt? :lol:
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#3 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Do 25. Dez 2014, 13:57

closs hat geschrieben:Die Aussage ist, dass die Wahrnehmung des Menschen aus gutem Grund holistisch angelegt ist, und dass es provozierte Einzelfälle geben kann, bei denen diese Wahrnehmungs-Art ausgehebelt werden kann.
Das mag deine Sicht der Dinge sein, aber das ist mir persönlich zu einseitig. Ich sage da: Jedem Topf seinen Deckel, also für jedes Problem das geeignete Mittel. Der Holismus ist nun man in den allermeisten Fällen zur Erklärung der Welt die unterlegene Methode.

closs hat geschrieben:Es gibt sicherlich geistige Schutzräume, die dies verhindern - das habe ich mit "Verdrängung" gemeint.
Verdrängung ist meist das Ergebnis einer zu starken Vereinfachung der Welt, wie sie sich aus einer holistischen Sicht der Welt meistens ergibt. Man sieht den schattenspendenen Wald und denkt nicht weiter nach, woher er kommt oder woraus er besteht.

Vor lauter Entzückung über den Wald, erkennt man nicht dass er aus Bäumen besteht.

closs hat geschrieben:In den letzten ca. 400 Jahren waren alle Kriege Europas primär säkular bedingt.
Solche Vorstellungen sind natürlich Unsinn und das Ergebnis einer zu intensiven Nabelschau.
Da grefit ein Außenstehender sich fassungslos an den Kopf Bild, und fragt wie dick denn die rosa gefärbte Brille eigentlich sein muss, um die Fakten der Geschichte derart zu ignorieren?
Ich könnte dir auf Anhieb ein halbes Dutzend Kriege nennen, die NUR aus religiösen Gründen ausgetragen wurden, angefangen mit dem 30-Jahre währenden Krieg von 1618 bis 1648, bis hin zum versuchten Völkermord an den bosnischen Muslimen in den 90-er Jahren.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#4 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Do 25. Dez 2014, 15:52

sven23 hat geschrieben: Als rein säkularen Krieg kann man den 30jährigen Krieg aber nicht ansehen.
Das Religiöse mag irgendwie mitschwingen - aber das Volk hat im Grunde nur wahrgenommen: "Da Wallenstein und der katholische Kaiser - da Gustav Adolf und die evangelische Fürsten". - Ich kann nicht erkennen, dass das Volk damals religiös empfunden hat.

sven23 hat geschrieben:"Freut euch an jenem Tage und springt vor Freude; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel. Denn das Gleiche haben ihre Väter den Propheten getan." LK 6,23
Ja - das wird tatsächlich vulgarisiert so verstanden (insofern Zustimmung). - Wenn Du erkennst, dass Klavierspielen erstrebenswert ist und Du Dich darum bemühst: Verstehst Du es als "Lohn", wenn Du irgendwann eine Sonate von Mozart spielen kannst?

Ja - natürlich irgendwie - aber eigentlich ist es doch mehr die Einlösung eines Bedürfnisses. - Keiner spielt Klavier, weil er dafür eine "Belohnung" bekommt. - Wie immer: Irgendwo stimmt es - aber in nullkommanix hängt eine kontaminierte Konnotation dran.

sven23 hat geschrieben:Wenn du uns sagst, mit welcher Form von Verstand man Gott findet, dann wären wir schon ein Stück weiter.
Es ist die Vernunft, die selber (!) erkennt, dass sie Grenzen hat, weil jenseits von ihr etwas Wichtigeres ist - genau die Auffassung von Kant.

sven23 hat geschrieben:Besteht der Strickfehler nicht darin, daß "spirituelle Vernunft" von Haus aus ein Oxymoron ist?
Nur wenn man eine Definition von "Vernunft" so voraus-setzt, dass es zum Oxymoron wird.

sven23 hat geschrieben:Die Antwort ist grob gesagt: im Kopf natürlich, genauer gesagt im präfrontalen Cortex (vorderer Schläfenlappen)
Wenn der Mensch von Gott etwas wahrnimmt, tut er das selbstverständlich im Kopf - und wenn Neurowissenschaftler herausfinden, wo genau im Gehirn, ist das sicherlich interessant. - Aber es sagt nichts darüber aus, ob Gott dort ge-funden oder er-funden wird.

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#5 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Do 25. Dez 2014, 16:00

Pluto hat geschrieben: Der Holismus ist nun man in den allermeisten Fällen zur Erklärung der Welt die unterlegene Methode.
Das sind wir unterschiedlicher Meinung. - Natürlich kann man reduktiv Einzelbestandteile besser isolieren und beschreiben - aber komplex erklären kann man damit nicht. - Dein Satz ist dann zutreffend, wenn man Phänomene, die über den reduktiven Zugriff hinausgehen, ignoriert.

Pluto hat geschrieben:Verdrängung ist meist das Ergebnis einer zu starken Vereinfachung der Welt, wie sie sich aus einer holistischen Sicht der Welt meistens ergibt.
Das wäre jetzt eigentlich mein Argument gegenüber der reduktiven Welt gewesen.

Pluto hat geschrieben: bis hin zum versuchten Völkermord an den bosnischen Muslimen in den 90-er Jahren.
OK - da ist was dran - ich war jetzt auf Kern-Europa fixiert.

Meinst Du wirklich, der 30jährige Krieg wurde vom Volk als Religions-Krieg verstanden? - War es nicht vielmehr so, dass es ein reiner machtpolitisch motivierter Krieg war in Folge des Status Quo aus den echten Religionskriegen im 16. Jh?

Welche Kriege in Kerneuropa zu den rein säkularen Kriegen wie Friedrich der Große/Napoleon/Preussisch-Österreichische Kriege/Deutsch-Französischer Krieg/2 Weltkriege/etc fallen Dir ein? - Wir spontan keiner.

Pluto hat geschrieben:ch könnte dir auf Anhieb ein halbes Dutzend Kriege nennen, die NUR aus religiösen Gründen ausgetragen wurden,
Nenne mir nur zwei in Kerneuropa.

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#6 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Do 25. Dez 2014, 17:31

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Verdrängung ist meist das Ergebnis einer zu starken Vereinfachung der Welt, wie sie sich aus einer holistischen Sicht der Welt meistens ergibt.
Das wäre jetzt eigentlich mein Argument gegenüber der reduktiven Welt gewesen.
Tja... Wie sagte der gute Michail Gorbatschew noch 1989?

closs hat geschrieben:Meinst Du wirklich, der 30jährige Krieg wurde vom Volk als Religions-Krieg verstanden? - War es nicht vielmehr so, dass es ein reiner machtpolitisch motivierter Krieg war in Folge des Status Quo aus den echten Religionskriegen im 16. Jh?
Wie das Volk sie verstand, ist, mit Verlaub nicht relevant. Aus historischer Sicht ist/war der 30jährige Krieg ein Krieg der Religion.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:ch könnte dir auf Anhieb ein halbes Dutzend Kriege nennen, die NUR aus religiösen Gründen ausgetragen wurden,
Nenne mir nur zwei in Kerneuropa.
Nun verschiebst du wieder die Torpfosten mitten im Spiel.... ;)

1.) Dreißigjähriger Krieg.
2.) Völkermord an den Juden im 2. WK.
3.) Nordirland Konflikt.
4.) Balkankonflikt (1991-1995)
4.) Völkermord in Bosnien (1995/96)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#7 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Fr 26. Dez 2014, 00:42

sven23 hat geschrieben:wer glaubt, daß es ewige Wahrheiten gibt, die nie durch neue Erkenntnisse überprüft werden müssen,
Wieder-Erkannt werden sie ja ständig - sie sind halt nicht reduktiv nachweisbar. - Wie soll das auch gehen bi Sachen, die nicht falsifizierbar sind.

sven23 hat geschrieben:Wenn man Gotteserfahrung mit Hirnstimulation hervorrufen kann, dann "wohnt" Gott tatsächlich in einem Gehirnareal und das Gebet an ihn ist in Wahrheit ein Selbstgespräch.
Das ist (wie üblich in solchen Dingen) zu kurz gesprungen. - Denn auch Singer kann nicht unterscheiden, ob die Hirnareale (vereinfacht gesagt) durch Geist stimuliert werden oder diesen Geist selbst schaffen. - Es ist eine nicht falsifizierbare Weltanschauung, ob man es so oder so rum sieht.

sven23 hat geschrieben:Es gibt auch Eltern, die ihr Kind 24h am Tag vernachllässigen.
Dann ist KiTa besser. - Aber man sollte das Schlechte nicht durch Schlechteres rechtfertigen. - Wie auch immer: Man muss nur abwarten - vielleicht erleben wir noch "neueste Erkenntnisse", die einem neuen Trend folgen oder ihn auslösen.

sven23 hat geschrieben:Also mehr oder weniger doch Fantasie und keine echten Phänomen.
Wieso "also"?

sven23 hat geschrieben:Wissenschaft erklärt die Welt so, daß wir sie alle verstehen.
Geistig veranlagte Menschen verstehen sich auch gegenseitig - das Problem ist immer die Verständigung über Weltanschauungs-Grenzen hinweg.

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#8 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Fr 26. Dez 2014, 01:02

Pluto hat geschrieben:Wie sagte der gute Michail Gorbatschew noch 1989?
Jetzt muss nur noch geklärt werden, auf wen sich dieser Satz bezieht - denn das ist genau die Frage, über die wir streiten.

Pluto hat geschrieben: Aus historischer Sicht ist/war der 30jährige Krieg ein Krieg der Religion.
Er wäre nicht möglich gewesen ohne die Glaubensspaltung hundert Jahre vorher - das ist richtig. - Aber als solcher war der 30jährige Krieg ein Hegemonialkrieg um die Macht in Europa.

Pluto hat geschrieben:1.) Dreißigjähriger Krieg.
Aus meiner Sicht primär nein - s.o.

Pluto hat geschrieben:2.) Völkermord an den Juden im 2. WK.
Ganz und gar nicht (auf diese Idee wäre ich echt nie gekommen). - Natürlich sind Juden erkennbar durch ihre Religion - aber der Holocaust war überhaupt kein Religions-Krieg (da bräuchte man mindestens noch eine 2. Religion, damit es überhaupt ein Krieg zwischen Religionen sein kann). - Es ging um das Volk der Juden und nicht um die Religion der Juden.

Pluto hat geschrieben:3) Nordirland Konflikt.
Ja, das stimmt. - Wobei es (historisch) eigentlich um die Befreiung der Insel aus der Kolonialisierung.

Pluto hat geschrieben:4.) Balkankonflikt (1991-1995)
Jein - eigentlich hat es seinen Ursprung im Zerfall von Jugoslawien. - Dass sich die Identifikation der einzelnen Völker religiös definiert hat, ist auch hier historisch richtig. - Mit anderen Worten: Aus religiösen Gründen allein wäre auch dieser Krieg nie ausgebrochen.

Natürlich schwingt die Historie hier jeweils mit, weil die Historie definiert ist von nationaler und damit oft auch religiöser Identität. - Fragen wir doch umgekehrt: Wären die von Dir genannten Kriege ausgebrochen, wenn es primär um religiöse Fragen gegangen wäre?

1) Dreißigjähriger Krieg? - Ganz klares NEIN.
2) 2.WK/Holocaust? - Ganz klares NEIN.
3) Nordirland-Konflikt? - Ganz klares Nein.
4) Balkankonflikt? - Ganz klares NEIN.
5) Kreuzzugs-Kriege? - Ganz klares JA.
6) Reformationskriege? - Ganz klares JA.

An solchen Kriterien würde ich erwarten, dass man die Frage "Religions-Kriege ja - nein" beantwortet. - So wie Du das machst, ist es aus meiner Sicht ziemlich fragwürdig - am Ende schaffst Du es, dass die Säkularisierung nach 1945 als Grund für 70 Jahre Frieden seitdem darzustellen. :devil: - Bei aller Lustigkeit: Damit wird man dem 17./18./19. und 20. Jh. überhaupt nicht gerecht.

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#9 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Fr 26. Dez 2014, 07:07

closs hat geschrieben: Das ist (wie üblich in solchen Dingen) zu kurz gesprungen. - Denn auch Singer kann nicht unterscheiden, ob die Hirnareale (vereinfacht gesagt) durch Geist stimuliert werden oder diesen Geist selbst schaffen.

Halten wir uns an das naheliegende und wahrscheinliche. Wenn Hirnareale durch elektrische Ströme stimuliert werden und "Gotteserfahrungen" hervorrufen, dann ist die Stimulation die Ursache und kein Geist. Oder sollen wir glauben, daß der Geist im Stromkabel wohnt? :lol:


closs hat geschrieben: Geistig veranlagte Menschen verstehen sich auch gegenseitig - das Problem ist immer die Verständigung über Weltanschauungs-Grenzen hinweg.

Das tun Briefmarkensammler auch.
Ich denke, Hawking hat schon Recht. Dinge, die der Mensch noch nicht versteht, chiffriert er gerne mit Gott.
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#10 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Fr 26. Dez 2014, 07:19

closs hat geschrieben: Dreißigjähriger Krieg? - Ganz klares NEIN.

Das sehen Historiker wohl etwas anders, auch wenn die meisten Kriege nie monokausal sind.

"Im engeren Sinne bezeichnet man mit Religionskrieg die Konfessionskriege im 16. und 17. Jahrhundert. Dazu zählen insbesondere die Hugenottenkriege Frankreichs sowie im Deutschen Reich der Schmalkaldische Krieg (1546–1547), der Aufstand der protestantischen Fürsten (1552) und der Dreißigjährige Krieg (1618–1648)."
Quelle: Wikipedia


closs hat geschrieben:Ganz und gar nicht (auf diese Idee wäre ich echt nie gekommen). - Natürlich sind Juden erkennbar durch ihre Religion - aber der Holocaust war überhaupt kein Religions-Krieg (da bräuchte man mindestens noch eine 2. Religion, damit es überhaupt ein Krieg zwischen Religionen sein kann). - Es ging um das Volk der Juden und nicht um die Religion der Juden.

Der Antisemitismus hat seine Wurzeln schon bei der Schuldzuweisung am Tode Jesu durch die Bibel.
Die Römer durften durch Pilatus ihre Hände in Unschuld waschen und waren frei gesprochen, blieben also nur noch die Juden als Schuldige übrig. Das wurde dann in den folgenden Jahrhunderten auch durch die christliche Kirche kräftig kultiviert.
Die Nazis griffen diesen Archetyp wieder auf und trieben die Judenverfolgung auf eine historisch nie da gewesene Spitze.

"So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn".
(Adolf Hitler)

"Die katholische Kirche hat 1500 Jahre lang die Juden als Schädlinge angesehen...Ich gehe zurück auf die Zeit, was man 1500 Jahre lang getan hat...und vielleicht erweise ich dem Christentum den größten Dienst."
(Adolf Hitler)

Hitler sieht sich hier in der Tradition der katholischen Kirche, die das Feld lange genug gründlich vorbereitet hat.

"Ohne die Jahrhunderte mit christlichem Katechismus, Predigten und Schmähungen wären Hitlers Lehren, Propaganda und Schmähungen nicht möglich gewesen."
(Jules Isaac, frz.-jüd. Wissenschaftler, über den Antisemitismus des Dritten Reiches)

WKII ist kein klassicher Religionskrieg, aber es schwingen religiöse Motive mit nach dem Motto: das christliche Abendland ist gefährdet durch das internationale Finanzjudentum. Das sind Sätze, die man zuweilen heute noch von Nazis hört.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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