Die Sprache(n) Jesu

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closs
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#21 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von closs » Mo 12. Jan 2015, 18:56

Rembremerding hat geschrieben:Hoffentlich war dies nicht alles zu speziell.
Nein, war es nicht. - Vielen Dank - super.

Eine Anmerkung meinerseits: Bei der Lektüre der AT-Übersetzung ist mir aufgefallen, dass das Hebräische eine ganz andere Philosophie transport als das (indogermanische) Griechisch - grob gesagt: Das Hebräische scheint zum Phänomen hin zu formulieren, während das Griechisches logische Zusammenhänge in den Blickpunkt rückt. - Das bedeutet, dass das Hebräische kein Interesse an Deutung hat, sondern an lakonischer Darstellung ("Hier ist der Fakt. - Punkt").

Ersichtlich wird dies, weil Buber sehr genau zu übersetzen scheint UND vor allem versucht, den Geist der Sprache und damit der Kultur mitzuübersetzen - Folge davon sind zum Teil Wort-Neuschöpfungen im Deutschen, die man manchmal gerade noch versteht. - Ein andere Folge für mich war allerdings, dass sich plötzlich die meisten Widersprüche im AT aufgelöst haben. - Denn dadurch, dass (fehlgeleitete) logische Zusammenhänge eliminiert waren, kam plötzlich etwas Trockenes, Phänomen-Haftes, Deutungs-Freies heraus, das aber plötzlich Sinn machte.

Das heisst: Die Übersetzungen von Hebräisch in Griechisch und dann noch ins Lateinische sowie die Übersetzungen in unsere Sprache können erheblich kontaminiert sein, wenn man den Charakter des Hebräischen dabei nicht erhält (was vermutlich die Regel ist).

Rembremerding
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#22 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Rembremerding » Mo 12. Jan 2015, 19:58

Pluto hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:Lateinisch
Sie ist ebenso eine indogermanische Sprache, die in Mittelitalien beheimatet war. Durch die römischen Eroberungen breitete sie sich in der Westhälfte des Römischen Reichs aus. Heute gibt es romanische Sprachen (entwickelt aus dem Lateinischen) von Portugal bis Rumänien in ganz Europa.
Im gesamten Römischen Reich war Latein die Sprache des Militärs.
Das überrascht mich. War Latein nicht auch die Sprache von Vergil und vielen anderen römischen Autoren?
Es ist so zu verstehen, dass Latein nicht die "Weltsprache" des Röm. Reiches war, aber gewiss jeder Befehl und jede militärische Inschrift in Latein verfasst wurde, ähnlich wie Französisch lange Zeit die Diplomaten- und Postsprache war oder Italienisch die Sprache der Finanzwelt. Gerade in der Osthälfte des Reiches war Griechisch die Umgangssprache. Besonders unter Kaiser Nero wurde Griechisch wieder zur Sprache der "High Society" und der "Intellektuellen", etwa wie Französisch unter Eindruck von Ludwig XIV. in vielen europäischen Konigshäusern des 18., 19 Jahrhunderts.

closs hat geschrieben:Bei der Lektüre der AT-Übersetzung ist mir aufgefallen, dass das Hebräische eine ganz andere Philosophie transport als das (indogermanische) Griechisch - grob gesagt: Das Hebräische scheint zum Phänomen hin zu formulieren, während das Griechisches logische Zusammenhänge in den Blickpunkt rückt. - Das bedeutet, dass das Hebräische kein Interesse an Deutung hat, sondern an lakonischer Darstellung ("Hier ist der Fakt. - Punkt").
Meine bescheidene Kenntnis hinsichtlich Hebräisch/Aramäisch im Gegensatz zu Indogermanisch/Griechisch hinterlässt nur bedingt diesen Eindruck. Hebräisch zeigt sich eher, pardon, als "Hinterwäldlersprache" mit begrenzten Wortschatz. Das liegt einfach an der Kultur, in der diese Sprache gesprochen wurde, die lange Zeit nomadisch bestimmt war und in einem geografisch weniger gegliederten Raum angesiedelt, als Mittel- und Südeuropa. Es fehlten einfach die vielfältigen kulturellen Einflüsse, wie sie etwa im kleingliedrigen Raum Mitteleuropas oder an den weltoffenen Küsten am Mittelmeer vorherrschten.
So kann der Eindruck entstehen, dass Hebräisch zum Phänomen hin formuliert, weil schlichtweg der Wortschatz geringer ist und weniger Interpretation bedarf. Erst unterschiedliche Vokalisation lässt dann verschiedene Facetten der Bedeutung einer bestimmten Konsonantenfolge aufscheinen.

Griechisch (Indogermanisch) wurde von viel mehr Menschen in einem weitaus größeren geografischen Raum gesprochen. An dem Wortschatz "arbeiteten" Nomadenvölker, Vieh- und Pferdezüchter, Seefahrer, Soldatenvölker, Eroberer und "Sitzenbleiber," Holzhandwerker, Bewohner kälterer und warmer Klimazonen etc. und, nicht unerheblich, Menschen unterschiedlicher spiritueller Prägung und unterschiedlich organisierter Priesterschaft. Der Wortschatz wurde immer größer, die Abstraktionsmöglichkeiten vielfältiger, verschiedene Vorgänge, die auf ein Ziel hinausliefen, konnten mit einem Wort definiert werden, was man manchmal als "Deutung" wahrnimmt.

Nun darf nicht der Eindruck entstehen, die Hebräer waren "dümmer". Es sind oftmals die Klimazone und der geografische Raum, der die Kultur und Psyche von Menschen entscheidend prägt. So wirkt das Hebräische wie der wüstenhafte und trockene Raum, indem es entstand: karg, präzise (Eingottglaube!), abstinent. Das Indogermanische/Griechische der gemäßigten, fruchtbaren Klimazone hingegen befruchtend, vielfältig (Götterglaube) und somit logisch, um nicht beliebig zu werden.

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closs
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#23 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von closs » Mo 12. Jan 2015, 21:33

Rembremerding hat geschrieben:weil schlichtweg der Wortschatz geringer ist und weniger Interpretation bedarf
Oder umgekehrt: Dass sich die Sprache auf das Phänomen beschränkt und deshalb weniger Kontaminierung durch eindeutige Interpretation zulässt. - Eine Russin hat mir mal erzählt, dass das Russische (grammatikalisch bedingt) keine Schachtelsätze kennt und deshalb mehr nacheinander platziert - also auch nicht so sehr innerhalb der Sprache interpretiert. - Oder nimm den Ablativus absolutus im Lateinischen - dasselbe Modell, ob man etwas kausal, temporal, konsekutiv, konzessiv oder intentional meint - man muss es sich selber heraussuchen - die Sprache sagt es nicht eindeutig.

Und das ist das Problem unserer Sprachen: Die Sprache sagt etwas eindeutig aus und irrt sich imk schlimmsten Fall dabei, weil sie es nicht bei der Phänomen-Darstellung belässt - dies scheint mir das Hauptproblem bei gängigen Bibelübersetzungen zu sein. -Ich bin da deshalb etwas leidenschaftlich, weil ich das AT überhaupt erst über Buber verstanden habe - vorher war es für mich ein Märchenbuch.

Es gibt sicherlich Linguisten, die solche Sachen im Vergleich archaischer und fortgeschrittener Sprachen untersuchen - die Ergebnisse würden mich interessieren. - Mein vorläufiger Verdacht: Fortgeschrittene Sprache neigen zum "Babel-Syndrom": Der Mensch interpretiert dann das universale Phänomen nach seinem Kultur-Geschmack, de-universalisiert es also.

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#24 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Rembremerding » Di 13. Jan 2015, 17:27

Hejdo @closs

Bubers Werk ist ohne Zweifel genial und äußerst hilfreich.
Buber behandelt die Sprache, als könnte sie als eigenständiges bestehen, außerhalb menschlichen Wirkens. Das ist wohl das, was Du an Buber schätzt, er interpretiert nicht, sondern lässt das präzise Wort, den Buchstaben sprechen.
Genau das ist es allerdings, was mir oftmals unbehagen bereitet, denn für mich befüllt erst der Mensch Sprache mit Sinn und Leben. Mich interessiert nicht die Sprache, das Wort, der Buchstabe, sondern der Sprecher: Was empfand der Mensch, als er dieses Wort niederschrieb, was für eine Information wollte er genau mit jenem Wort transportieren? Wie waren seine Lebensumstände, seine Kultur in Raum und Zeit? In welchem sozialen Raum bewegte er sich und welche Faktoren prägten seine Psyche?

Nun stellt sich die Frage: Ist ein solcher Ansatz für die Hl. Schrift überhaupt legitim?
Einige Übersetzer versuchten ihn in ihre Arbeit einzubeziehen, die meisten bezogen aber eher ihre eigenen Lebensumstände mit ein und so entstand menschliche Deutung ohne Bezug zum Textverfasser und Textschreiber, was Du zurecht kritisierst. Nun kann man sagen: Es ist ja Gottes Wort und darum sollte es durch präzise, auf das Phänomen bezogene Sprache transportiert und gelesen werden ohne große menschliche Einflüsse.
Dies soll dann die Sprachverwirrung nach dem Turmbau zu Babel mildern, allerdings gibt es diese für mich seit dem Pfingstwunder schon längst nicht mehr. Das präzise Wort ohne Deutung ist für eine Gottesbeziehung nicht mehr nötig, denn der Hl. Geist spricht nun unmittelbar zu einem selbst (auch beim Lesen der Hl. Schrift) in leicht verständlicher, weil eigener Sprache, aktiviert durch Glaube. So treffe ich Menschen, die nur wenig aus der Hl. Schrift kennen, aber ein weises geistiges Leben führen, das verblüffend ist. Und das Gegenteil findet sich heute öfter: Total verkopfter Bibelfetischismus ohne Beziehung zum Herrn, wobei es hier egal ist, ob das Wort ohne oder mit Interpretation gelesen wird (Du hast dieses Phänomen ja selbst bereits beschrieben), Hauptsache man hat etwas sichtbares und seine Klugheit, woran man festhalten kann.

Das Universelle ist für mich in geistiger Hinsicht schon längst nicht mehr das Wort, es ist der Hl. Geist.

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#25 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von closs » Di 13. Jan 2015, 17:43

Rembremerding hat geschrieben: Nun kann man sagen: Es ist ja Gottes Wort und darum sollte es durch präzise, auf das Phänomen bezogene Sprache transportiert und gelesen werden ohne große menschliche Einflüsse.
Ja - so sehe ich das. - Denn jegliche Interpretation durch den Übersetzer hindert den Leser daran, aus dem Grund heraus selber zu interpretieren und zu erkennen.

Rembremerding hat geschrieben:Genau das ist es allerdings, was mir oftmals unbehagen bereitet, denn für mich befüllt erst der Mensch Sprache mit Sinn und Leben.
Aber das soll doch der Leser übernehmen und nicht der Übersetzer.

Rembremerding hat geschrieben:So treffe ich Menschen, die nur wenig aus der Hl. Schrift kennen, aber ein weises geistiges Leben führen, das verblüffend ist.
So ist es - Röm. 2,14

Rembremerding hat geschrieben:Und das Gegenteil findet sich heute öfter: Total verkopfter Bibelfetischismus ohne Beziehung zum Herrn
Das ist das Reduktive, also ohne holistischen Zugang.

Rembremerding hat geschrieben:Das Universelle ist für mich in geistiger Hinsicht schon längst nicht mehr das Wort, es ist der Hl. Geist.
Ganz Deiner Meinung - ohne die Anrufung des HG sollte man die Bibel erst gar nicht aufschlagen.

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#26 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Rembremerding » Di 13. Jan 2015, 18:00

closs hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben: Nun kann man sagen: Es ist ja Gottes Wort und darum sollte es durch präzise, auf das Phänomen bezogene Sprache transportiert und gelesen werden ohne große menschliche Einflüsse.
Ja - so sehe ich das. - Denn jegliche Interpretation durch den Übersetzer hindert den Leser daran, aus dem Grund heraus selber zu interpretieren und zu erkennen.
Gegen diese Sichtweise ist nichts einzuwenden. Besteht erst einmal der Wille zu erkennen, dann wächst bereits die Liebe.
Lass mich da etwas Leicht-Sinnig sein: Ich vertraue auf Gott, dass er mich durch alle vernünftige Übersetzungen der Hl. Schrift leiten wird und mir daraus immer das Beste schenkt, was ich brauche. Gerade weil der Übersetzer interpretierte. Er tat es für mich im Auftrag Gottes.

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#27 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von closs » Di 13. Jan 2015, 21:03

Rembremerding hat geschrieben:Er tat es für mich im Auftrag Gottes.
Da wäre allerdings zu fragen, warum so viel Irreführendes in die Übersetzungen reinkommt. - Naja - vielleicht, dass man dadurch die Nicht-Irreführenden erkennen möge.

Im übrigen: Habe neulich mal in die Volx-Bibel reingeschaut - manches ist dort besser übersetzt als in wissenschaftlichen Übersetzungen - weil es im Zweifelsfall auf Korrektheit nicht achtet, um einen Sinn so zu schaffen, dass er vom heutigen Sprachniveau fassbar ist. - Also was ganz anderes und AUCH sinnvoll.

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#28 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von 2Lena » Di 13. Jan 2015, 22:30

Rembremerding hat geschrieben:Das liegt einfach an der Kultur, in der diese Sprache gesprochen wurde, die lange Zeit nomadisch bestimmt war
Insofern "nomadisch", dass die Seidenstraße durch das Land führte ...
Es kommt nichts von der "Tierzucht" in der Bibel vor.

Das Kulturzentrum war 500 v. Chr. am Zweistromland (Euphrat - Tigris). Die Chaldäer besaßen neben den Dakern (und auch in Ägypten) große astronomische Kenntnisse und eine gute historische Überlieferung. Es war DIE Wissenschaft in allen Bereichen vertreten, die im Perserreich zur Geltung kam. Dessen Diplomatensprache war HEBRÄISCH.

Die Landesgrenzen:
Bis an die Donau (Thraker) Türkei, Schwarzes Meer bis Kaspische See und Aralsee, bis zum Ganges in Indien. Dazu die Länder entlang des Mittelmeers, alle Küsten bis Spanien, dazu seine Inseln, wie Sardinien. Ägypten Hunderte Kilometer dem Nil entlang, die nördlichen Abschnitte.

Ein Staatswesen, dass diese Ausdehung hat und einheitliche Gesetze einführt - hat etwas die Bibel etwas anderes gesehen, deren Förderer sie war.

Pluto
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#29 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Pluto » Di 13. Jan 2015, 22:44

2Lena hat geschrieben:Insofern "nomadisch", dass die Seidenstraße durch das Land führte ...
Die Seidenstraße hat den durchschnittlichen nomadischen Ziegenhirten jener Zeit sicher wenig interessiert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#30 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Münek » Di 13. Jan 2015, 23:04

Pluto hat geschrieben:
2Lena hat geschrieben:Insofern "nomadisch", dass die Seidenstraße durch das Land führte ...
Die Seidenstraße hat den durchschnittlichen nomadischen Ziegenhirten jener Zeit sicher wenig interessiert.

Wohl eher die Weinstraße. :)

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