Die Sprache(n) Jesu

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Abischai
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#11 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Abischai » Di 6. Jan 2015, 00:56

Wieso waren die Phönizier Semiten? Ist das nachvollziehbar?

"Phönizier" bezeichnet doch nur den Berufsstand "Färber" derer, die an der Ostküste des Mittelmeeres lebten, egal welches Volk das nun war... Das Volk, das dort wohnte waren die Sidonier (von Sidon, Enkel Hams, heute etwa Libanon), wenn ich mich nicht irre.

Kann man Schrift und Sprache so eindeutig einem Volk zuordnen, vor allem in Schmelztiegeln wie Kanaan, wo so viele Stämme durchgezogen und immer mal wieder das Gleichgewicht verschoben haben?

Semitisch ist inmitten der Chaldäer (?) die Familie Terachs gewesen (Abram), deren Sprache war semitisch. Die althebräische Schrift, die Israel in Ägypten hatte oder sich zu eigen machte, kam nicht aus Ur in Chaldäa, sondern war in der Tat phönizischen Ursprungs.

Abram war aber weder Phönizier noch Chaldäer, dennoch hat er (bzw seine Nachkommen) die Sprache irgendwie aus Mesopotamien und die Schrift aus Kanaan.
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Rembremerding
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#12 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Rembremerding » Di 6. Jan 2015, 10:23

Abischai hat geschrieben:Wieso waren die Phönizier Semiten? Ist das nachvollziehbar?

"Phönizier" bezeichnet doch nur den Berufsstand "Färber" derer, die an der Ostküste des Mittelmeeres lebten, egal welches Volk das nun war... Das Volk, das dort wohnte waren die Sidonier (von Sidon, Enkel Hams, heute etwa Libanon), wenn ich mich nicht irre.

Kann man Schrift und Sprache so eindeutig einem Volk zuordnen, vor allem in Schmelztiegeln wie Kanaan, wo so viele Stämme durchgezogen und immer mal wieder das Gleichgewicht verschoben haben?

Die Phönizier (mykenische Bezeichnung für "purpurrot", weil sie eben, wie Du richtig geschrieben hast, Färber waren) nannten sich selbst nie so. Sie benannten sich nach der Stadt, aus der sie kamen, also etwa Sidonier. Die Ägypter nannten sie "Fenchu", Zimmerer, weil die Phönizier Zedern aus dem Libanon für Schiffbau exportierten und auch gute Bauleute waren (Hiram!).
Tatsächlich ist von der phönizischen Sprache wenig erhalten, da waren die Römer bei ihrem Vernichtungsfeldzug gegen die Karthager gründlich. In einer römischen Komödie jedoch (war sie von Plautus? weiß ich nicht mehr genau) sind aber einige punische Sätze überliefert, die eindeutig semitischen Wortschatz enthielten. Auch wenige Inschriften bezeugen die semitische Sprache, ebenso Andeutungen römischer Autoren, etwa bei Augustinus.
Herodot, der Vater der Geschichtsschreibung, lässt die Phönizier vom Persischen Golf einwandern. Lt. Gen 10,15 war Sidon ein Sohn Kanaans aus dem Geschlecht Hams (Phönizisch "cham", rot!). Im sprachwissenschaftlichen Sinne stimmen die Semiten nicht mit den biblischen Nachkommen Sems überein. Archäologisch betrachtet waren die Phönizier ehemals Bewohner der Halbinsel Sinai.
Israeliten und Kanaaniten waren nicht verschiedene Völker, sondern unterschieden sich durch ihre Lebensweise (einerseits städtisch Küstenebene mit intensiver Landwirtschaft, andererseits halbnomadische dörfliche Lebensweise im Hügelland) und natürlich in ihrer religiösen Praxis. Zu diesem Ergebnis kommen zumindest neueste archäologische Forschungen (darunter allerdings auch von Israel Finkelstein, welcher der Hl. Schrift grundsätzlich negativ gegenüber steht.)

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Abischai
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#13 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Abischai » Di 6. Jan 2015, 22:47

Interessant, wir haben wahrscheinlich divergierende Quellen.

"Ham" ist wortverwandt mit dem arabischen "hämi" und bedeutet dort "hitzig", rot und glühend könnte die Brücke zwischen beiden Wortbedeutungen in den unterschiedlichen Sprachen sein.

Ich las mal, daß der Pharaonenkult der Ägypter auf den Patriarchen zurückging, der aufgrund charakterlicher Eigenheiten als "Sohn der Sonne" bezeichnet wurde. Wenn die Pharaonen (ob nun tatsächlich oder der Legende nach) Nachkommen dieses "Sonnengottes" (gemeint ist die Person Hams!) sind, bekommt die menschliche Sicht auf den "Sohn der Sonne" (jeweiliger Pharao) eine recht einfache Erklärung.

(Aber mit den Sprachen Jesu hat das nichts mehr zu tun...)

Interessant ist vielleicht der Sprachliche Aspekt, daß bei der Verwirrung der Ursprache der Menschen, das Epizentrum direkt in Babel lag. Wenn sich Teile des Menschheit davon fernhielten, könnte es sein, daß deren Sprache quantitativ am wenigstens verwirrt ist. Die Semitischen Sprachen ähneln sich auffallend.

Gibt es die Ursprache der Menschheit eigentlich noch? Es wäre interessant zu wissen, welche das war oder vielleicht heute sogar noch ist.
Mein Votum wäre ja: hebräisch, weil Abram als Träger mündlicher und schriftlicher Überlieferung diese Sprache hatte.
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#14 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Rembremerding » Mi 7. Jan 2015, 13:33

Abischai hat geschrieben: Gibt es die Ursprache der Menschheit eigentlich noch? Es wäre interessant zu wissen, welche das war oder vielleicht heute sogar noch ist.
Mein Votum wäre ja: hebräisch, weil Abram als Träger mündlicher und schriftlicher Überlieferung diese Sprache hatte.
Eine interessante Frage, die ich mir auch schon stellte. Denn egal, inwieweit man der Hl. Schrift glauben schenken will, so ist sie doch gerade in diesen frühen Tagen der Menschheitsgeschichte eines der wenigen, wenn nicht das einzige schriftliche Dokument. Denkt man rein evolutionär, müsste man die Ursprache des Menschen im ostafrikanischen Grabenbruch finden.
Vorweg: Ich bin kein Sprachwissenschaftler, brauche das bißchen Wissen nur am Rande in der Toponomastik.

Es gibt Forschungen, die eine solche Ursprache erkunden wollen, die aber bis jetzt ungenügend verlaufen sind. Die Rekonstruktion der indogermanischen (indoeuropäischen) Sprache ist allerdings relativ erfolgreich gewesen. Aus ihr stammen eigentlich alle europäischen Sprachen ab, außer Ungarisch und Finnisch. Auch Sanskrit (Vedisch), Awestisch (Altiranisch, Persisch) und Hethitisch sind indoeuropäische Sprachen. Allgemein wird eine Aufspaltung dieser Sprache um 3400 - 3000 v. Chr. angenommen. Auch im Bereich des späteren Babylon (Sumer) wurde diese Sprache gesprochen. Interessant ist, dass sich die Auseinanderentwicklung von Indoeuropäisch über den Lautwandel vollzog, also über die Vokale.
Hebräisch jedoch kennt ursprünglich keine Vokale, was nicht heißt, dass solche nicht gesprochen werden. Sie wurden später in schriftlicher Form durch die Konsonanten Waw (W), Jod (J,Y), He (H) und Aleph (ein Reibelaut im Rachen) konkretisiert. Du wirst erkannt haben, dass YWH die Konsonanten des Gottesnamen sind und in der Hl. Schrift "kein Jod (Jota)" weggenommen werden soll, also vielleicht kein Konsonant dafür verwendet werden soll, in der Schrift einen Vokal zu bilden. Kann man daraus folgern, dass Gott das Hebräische vor der Sprachverwirrung "schützen" wollte, indem er ihr sein Siegel, seinen Namen aufdrückt?
Dass Gott in dieser Sprache dann seinen ersten Liebesbrief an die Menschen geschrieben hat, würde umso verständlicher.

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Halman
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#15 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Halman » Do 8. Jan 2015, 00:22

:wave: @Rembremerding
Vielen Dank für Dein hochinteressantes und informatives Thema. :clap:

Rembremerding hat geschrieben:Alle Quellen, die über Jesus berichten, sind in griechisch verfasst, müssen deshalb ursprünglich aber nicht in griechisch geschrieben worden sein. Nur wenige Worte Jesu sind im originalen Wortlaut erhalten. So „Abba“ oder „Eli, Eli, lema sabachtani"(vielleicht später dazu mehr).
Dies wirft die Frage auf: Sprach Jesus Hebräisch oder Aramäisch? Denn das Interessante an dem höchstwahrscheinlich authentischen matthäischen Jesus-Zitat ist, dass es eine Mischform der beiden Sprachen ist und sich vom hebräischen David-Psalm 22 unterscheidet, indem es heißt: "Eli, Eli, lama asawtani?"
Hätte der Evangelist einfach ein Psalm-Zitat aus Ps 22:2 eingeschoben, so wäre zu erwarten, dass er das hebräische Original benutzt, nämlich: Eli, Eli, lama asabtani?. Doch die matthäische Wiedergabe weicht von der davidischen Form in Psalm 22 ab, was für die Authenzität spricht:
Zitat von Dr. Jörg Sieger:
Dies ist übrigens ein wichtiger Hinweis darauf, dass Jesus diesen Satz am Kreuz tatsächlich gesprochen hat. Ein späterer Autor hätte, wenn er Jesus diesen Ausspruch in den Mund hätte legen wollen, mit Sicherheit den hebräischen Wortlaut des AT zitiert.

Möglicherweise sprach Jeschua (Jesus) einen galiläisch-hebräischen Dialekt, welcher stark vom Aramäischen beeinflußt wurde. Mattäus zitiert ihn in Mat 27:46 mit dem Ausruf: "Elí, Elí, lamá sabachtháni?" Der erste Teil (rot) ist hebräisch und der zweite Teil (blau) ist aramäisch. Vielleicht ist die matthäische Wiedergabe authentischer als die markinische (welche komplett aramäisch ist). Vermutlich sprach Jesus den ganzen davidischen Psalm 22 als Gebet. Was meinst Du?

Die uns bekannte Übesetzung der jesuanischen Worte lautet: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?"
Doch ’Lama sabachthani’ sei schon falsch übersetzt, entgegnet Frau Lapide in aller Seelenruhe dem Übermut ihres christlichen Interviewers, denn das hieße nicht ’warum’ sondern ’wozu’ hast Du mich verlassen – hier handelte es sich um einen Bruch, der Jesus erst möglich machte, dass er wieder „zurück zu G’tt findet“ und sagt, ’Eli Eli, Du bist mein G’tt und Du weißt, was zutun ist’“.
Jesus fand also zu G’tt zurück – ihm, dem Rabbiner, nachzufolgen, heißt also für jeden an den G’tt der Bibel (d.h. Moses bis Propheten) Glaubenden, zu Ihm, den von Jesus EINZIG angebeteten G’tt, gelobt sei Er, zurück zu kehren. Alleine Rom macht die Rückkehr zum Ewigen oder gar den Übertritt zum Judentum, Seinem Volk, für Christen unmöglich.
Zitatquelle
Auf den Seiten 9 und 10 PDF-Dokomunet steht folgende Erklärung:
Bei Matthäus heißt das griechische Wort, das mit „warum“ übersetzt wurde „inati“ (Matth 27,46) und das bedeutet nach dem griechisch - deutschen Handwörterbuch (Seite 388) wozu“. Der israelische Theologe Pinchas Lapide erklärt ebenfalls dazu, dass das hebräische Anfangswort „lema“ besser mit „wozu“ über setzt werden sollte, das meint „zu welchem Zweck“ – während „warum“ auf hebräisch „maddua“ hieße. Die beiden Wörter „warum“ und „wozu“ sind keineswegs nahezu gleich, wie man zunächst vielleicht denken könnte. Das Wörtchen „warum“ fragt nach einer Begründung und der Ursache eines Geschehens, während „wozu“ das Ziel, die künftige Entwicklung erkunden will. Das „Warum“ blickt zurück und befragt die Vergangenheit, sucht nach Schuldigkeit. Das „Wozu“ schaut nach vorn und fragt, welche Bedeutung dieses Ereignis für die Zukunft hat.

Rembremerding hat geschrieben:Im Johannesevangelium werden Ortsbezeichnungen überliefert, die als „hebräisch“ gekennzeichnet sind: Betesda, Gabbata und Golgota, ebenso der Titel Rabbuni. Dabei sind Gabbata, Golgota und Rabbuni aber klar aramäisch. Es liegt aber keine Unkenntnis des Evangelisten vor, sondern „hebräisch“ hieß damals nicht „in hebräischer Sprache“, vielmehr deutete man dadurch an, dass die Ortsbezeichnungen in der Sprache der Juden, der Hebräer waren. So ist auch die Angabe des Kirchenhistorikers Eusebius von Caesarea (260-340) zu verstehen, der überliefert, dass das Matthäusevangelium ursprünglich hebräisch abgefasst wurde. Dabei meinte er genauso allgemein „in der Sprache der Juden“.
Sehr aufschlussreich, vielen Dank. :)
Hatte nicht auch Hieronymus im vierten Jahrhundert laut dem Werk De viris illustribus erwähnt, dass Matthäus sein Evanglium ursprünglich in "Hebräisch" verfasst hatte. Dies würde m. E. durchaus Sinn ergeben, das das matthäischische Evangelium vermutlich zunächst an Judenchristen gerichtet war.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#16 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Rembremerding » Do 8. Jan 2015, 10:30

Halman hat geschrieben: Denn das Interessante an dem höchstwahrscheinlich authentischen matthäischen Jesus-Zitat ist, dass es eine Mischform der beiden Sprachen ist und sich vom hebräischen David-Psalm 22 unterscheidet, indem es heißt: "Eli, Eli, lama asawtani?"
Hätte der Evangelist einfach ein Psalm-Zitat aus Ps 22:2 eingeschoben, so wäre zu erwarten, dass er das hebräische Original benutzt, nämlich: Eli, Eli, lama asabtani?.
Dies ist übrigens ein wichtiger Hinweis darauf, dass Jesus diesen Satz am Kreuz tatsächlich gesprochen hat. Ein späterer Autor hätte, wenn er Jesus diesen Ausspruch in den Mund hätte legen wollen, mit Sicherheit den hebräischen Wortlaut des AT zitiert.

Möglicherweise sprach Jeschua (Jesus) einen galiläisch-hebräischen Dialekt, welcher stark vom Aramäischen beeinflußt wurde. Mattäus zitiert ihn in Mat 27:46 mit dem Ausruf: "Elí, Elí, lamá sabachtháni?" Der erste Teil (rot) ist hebräisch und der zweite Teil (blau) ist aramäisch. Vielleicht ist die matthäische Wiedergabe authentischer als die markinische (welche komplett aramäisch ist). Vermutlich sprach Jesus den ganzen davidischen Psalm 22 als Gebet. Was meinst Du?
Hallo @Halman, so ist es wohl :thumbup:
Die beiden Evangelien übersetzen ähnlich frei ein Zitat aus dem Psalm ins Griechische, wobei die Unterschiede tatsächlich im Stil, aber nicht in der Bedeutung liegen. Ob es sich nun ursprünglich um einen hebräischen oder aramäischen Ausruf handelt, kann kaum mehr eruiert werden. Stellen wir mal gegenüber:

Markus: Eloi, Eloi, lema sabachtani
Matthäus: Eli, Eli, lema sabachtani
Hebräisch: Eli, Eli, lama 'asavtani

Der Unterschied beginnt also schon bei dem Wort Eli, Eloi, zumal es alte Handschriften von Markus und Matthäus gibt, die das Wort in der jeweils anderen Form schreiben. Man kann das dadurch erklären, dass die Abschreiber das jeweils ihnen geläufige Wort verwendeten. Hebräisch und Aramäisch kennen zwei Wörter für Gott: El, das es in beiden Sprachen gibt und eine längere Alternativform, im Hebräischen Eloah, was aber fast immer in der Mehrzahl Elohim verwendet wird, und im Aramäischen Elah (vgl. arab. allah!).
Hängt man nun das Fürwort "mein" an, kommt man in beiden Sprachen bei der Kurzform auf Eli ("mein Gott"). Bei der Langform kommt man im Hebräischen entweder auf Elohi (das Griechische kennt kein mittiges H, schreibt also Eloi), die seltene Form in der Einzahl, oder auf Elohai, die Form in der Mehrzahl. Die aramäische Form mit Fürwort ist Elahi.
Eloi kann also als seltene hebräische Form erklärt werden oder, komplizierter und wahrscheinlicher, als Mischform. Dabei wurde die hebräische Form verwendet und die aramäische Art der Einzahl angehängt.

Im dritten Wort des Ausrufs treffen wir auf lema in den Evangelien und lama im Psalmtext. Es gibt wiederum Handschriften der Evangelien, die lama schreiben. Das hebräische lama meint wörtlich "für was", wird häufig allgemein für "warum", seltener für "wozu" verwendet. Das aramäische lema bedeutet ebenso "für was", wird aber selten für "warum" benützt. Aramäische Bibelübersetzungen übersetzen das hebräische Wort mit anderen Worten (wozu). Es ist möglich, dass auch hier wieder eine Mischform vorliegt, eine aramäische Form, die auf hebräische Art verwendet wird.

Sabachtani ist klar aramäisch, dort heißt es schwaqtani. Das scheint wenig miteinander gemein zu haben, macht aber dann doch kein Problem: Das Wort beginnt im Aramäischen mit einem sch (im Aramäischen ist das ein Buchstabe), ein Laut, den es im Griechischen nicht gibt. Er wird daher mit einem ähnlichen Laut, s, wiedergegeben (aus dem König Schaul wurde über das griechische und lateinische auch Saul).
Im Griechischen folgt dann der Selbstlaut a, der wiederum im aramäischen Wort fehlt. Entweder es ist eine aramäische Dialektform oder das Griechische fügte dieses a ein, weil griechische Wörter ungern mit zwei Mitlauten beginnen.
Im Aramäischen folgt nun w, im Griechischen ein b. Beide Sprachen besitzen für w und b nur einen einzigen Buchstaben (aus dem griechischen Wort Basileus, König, wurde so etwa der slawische Name Vasily).
Beide Sprachen haben dann den identischen Selbstlaut a, worauf im Aramäischen dann q steht. Das ist ein tief in der Kehle gesprochener Laut (wie das kh der Schweizer :D ). Diesen Laut gibt es im Griechischen nicht, weshalb man ch schrieb, was im Griechischen ein Buchstabe ist.
Der Rest ist dann identisch: ta ist die Endung für zweite Person Einzahl in der Vergangenheit ("du hast"), ni das persönliche Fürwort "mich".
Dieses aramäische Schwaq (Schabak, Schbaq) wird in frühen aramäischen Übersetzungen des NT (Mt 24,43; Apg 24,27; Apg 25,14; Rö 11,4) sonst für "lassen, zurücklassen, übriglassen" verwendet, man muss also nicht zwingend "verlassen" übersetzen. Der Psalmtext 22,2 im Targum (aramäische Übersetzung des AT) nennt ebenso Schabak.
Die wörtliche Übersetzung meint also: "Mein Gott, wozu (warum, für was) übriglassen (bleiben lassen, lassen) du hast mich?"

Statt dem aramäischen schwaqtani/sabachtani steht im hebräischen Psalmtext 'asavtani. Für beide Evangelien gibt es Handschriften, die auch dieses Wort in griechischer Umschrift im Zitat verwenden.
Der Ausruf ist also überwiegend aramäisch, aber nicht in Reinform, sondern mit hebräischen Einflüssen aus dem AT.

Ups, jetzt wurde es wieder so lang. Möge es lesen, wem es interessiert. Danke dafür.
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2Lena
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#17 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von 2Lena » Do 8. Jan 2015, 21:51

Rembremberding hat geschrieben:Die Rekonstruktion der indogermanischen (indoeuropäischen) Sprache ist allerdings relativ erfolgreich gewesen. Aus ihr stammen eigentlich alle europäischen Sprachen ab ...
Gut recherchiert. Danke Rembremberding ...
Nun ist die Frage nach Hebräisch.

Dort gibt es seltsamerweise etliche deutsche Wörter.
Acker zum Beispiel von aqar, ausraufen. Ich meine da gar nicht die "neueren" Wörter, wie Havarie oder Ganove, sondern auch Verben wie komm! Aufstehen, kum. Irgendwo liegt eine Liste, die hat etliche grundlegend deutsche Worte.

Die Grammatik ist in Hebräisch jedoch anders. Es gibt die Artikelformen nicht wie auf Deutsch. Begriffe "greifen" anders. Die Verben konstruieren sich anders, Man erkennt, ob eine Frau oder ein Mann spricht in der Änderung der Verben. Die Zahlen sind weiblich und männlich. Die Schreibweise der Vokale hat durch die Erzählkunst der Bibel eine besondere Entwicklung erfahren. Weil der Bibeltext mehrdimensional ist, war es nötig die Vokale durch Regeln zu ordnen. Bestimmte Vokale sind "Platzhalter". Erst wie gesprochen wurde, brachte der Rückschluss und man hatte eine entsprechende Grammatikregel. In alten Handschriften finden sich zuweilen "Spikzettel" mit Hinweisen, wie oft ein Satz gelesen wurde (auf wieviele Arten). Dabei wusste man, welchen Typ von Verb (und wie viele Abwandungen davon) man für die jeweilige Lösung brauchte.

Waw (W), Jod (J,Y), He (H) und Aleph hast du richtig als Ausdrücke für Verben. Doch Vorsicht bei dem "A". Es kann als Ain ein Kehllaut sein, hat dann einen besonderen Buchstaben und die ganz andere Akustik. Das Alef steht neben a, e, i, o, ä, u sozusagen stimmlos als Platzhalter. Weil man die Wörter kennt, ist ein Stamm (uma) אמה der als Sippe gleich geschrieben ist wie Elle (ema) אמה dann doch nicht verwirrend, aber eben geeignet zum entsprechenden Dichten.

Halman hat geschrieben:Matthäus zitiert ihn in Mat 27:46 mit dem Ausruf: "Elí, Elí, lamá sabachtháni?"
Es wird viel Verwirrendes über den Satz gesagt, vermischt mit theologischer Spekulation und vor allem - man schaut dreimal hin, Moment mal, steht da sabachtháni oder 'asavtani? Sabach, das heißt schlachten genau [zavax] - asav ist verlassen.

Das hast du übersichtlich gebracht, lieber Rembremerding.
Markus: Eloi, Eloi, lema sabachtani
Matthäus: Eli, Eli, lema sabachtani
Hebräisch: Eli, Eli, lama 'asavtani
In der Lutherbibel ist bei Matthäus von asabthani die Rede, die Elberfelder bringt sabachtani. Man möchte meinen, die haben nicht abschreiben können! שבקתני schreibt meine einfache hebräische Bibel aus Israel, שבק [schavak] heißt verlassen. Da die Dichtkunst eine weitere Form der Kreuzigungsgeschichte hat, brauchte es die andere Ausdrucksweise mit dem Zusatz in anderer Sprache. Darin ist aber auch von einem Lobpreis die Rede. Die Schreibart ist bei שבח [schevach] völlig verkehrt bei der Rechtschreibung, hat zudem noch eine weitere akustische "Verstrickung".

Über die Verstrickung von historischen, übersinnlichen, gesetzlichen, göttlichen und menschlichen Belange kann ich noch nichts Genaues sagen. Das Ahnen allein reicht nicht dazu.

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#18 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Rembremerding » Fr 9. Jan 2015, 12:31

2Lena hat geschrieben: Dort gibt es seltsamerweise etliche deutsche Wörter.
Acker zum Beispiel von aqar, ausraufen.
Vielleicht ein kleiner Exkurs zum eigentlichen Thema:
Bei der Herkunft von Sprachen und dem Wort muss man beachten: Was dasgleiche ist, ist nicht gleich dasselbe. Zudem sollte man einerseits bei einer Wortbedeutung nicht am Buchstaben hängen bleiben, andererseits die Abstraktion nicht übertreiben. Tatsächlich steht hinter einem Wort in seiner Zusammensetzung ein ganzes Universum menschlicher Empfindlichkeiten, spirituelle Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten. Der Wortstamm gibt die Richtung, die Abstraktion des ihn sprechenden Menschen das Ziel und dieses noch verändert in Raum und Zeit.
Das geht sogar in die andere Richtung: Kennt man die Ursprache von Menschen in Raum und Zeit, kann man ihre Kultur bestimmen, ihre spirituellen Bezüge und ihre Lebenswirklichkeit.

Wie so etwas funktioniert, beweist schön das Wort Acker.

Hier trifft man wohl auf einen Urlaut, ein Urwort. Im Indogermanischen (idg.) bedeutet 1. *ac scharf, spitz, auch kantig und Stein, durchdringen, ebenso scharf sehen. Desweiteren wurde 2. *ak für fahren, treiben, triften verwendet. Diese Verwendung ging allerdings in den meisten Nachfolgesprachen verloren.
Aus 1. entwickelte sich eine weitere Bedeutung von *ac, nämlich "schmerzen". Spitzes wie Nadeln können etwas durchdringen und Schmerz verursachen.
Mit r-Formantien betont idg. *acr die erste Bedeutung: Spitze (lat. acer = Ahorn, wegen der spitzen Blätter!), Bergspitze, Ecke, Kante.
Mit k-Formantien idg. *akk (*agg) wird das schneiden, stechen, durchdringen, entzweien betont: in einigen nachfolgenden Sprachen wurde daraus das Stammwort für Groll, Haß (schwed. agg), Zank (isl. agg), nagen, beunruhigen (norw. agga). Wir im Deutschen kennen da den Ekel.
Interessant ist, was die rekonstruierte keltische Sprache daraus machte: AKKA = Grenz- Markstein.

Aus all dem kann man folgendes eruieren: Die erste Bodenbearbeitung, der erste Ackerbau der Indogermanen fand auf steinigen Boden statt. Vielleicht wurden die Äcker auch spitz zulaufend angeordnet (in den Steppen Kasachstans wurde dies früher so gehandhabt). Man bearbeitete den Boden, indem man sich (logisch) über ihn hinwegbewegte, vielleicht mit Geräten samt Rädern. Vielleicht war dieses Hinwegschreiten und Säen schon ein gewisser religiöser Akt, wie das griechische (h)ag(io) für heilig andeutet. Die Entdeckung, dass aus dem Boden Neues wächst, bewegt die Menschen dazu den Ackerboden zu verweiblichen, weshalb idg. *Akka auch zum Wort für Mutter wurde. Zu diesem Zeitpunkt muss noch ein Matriarchat bestanden haben. Später wurde dieses weibliche Hervorbringen von Leben vergöttlicht.

Als das Wort Acker etabliert war, musste er als Besitz eingegrenzt und verteidigt werden. Der kantige, spitze Grenz- und Markstein wurde mit dem dadurch abgegrenzten Acker an sich identifiziert. Er wurde zur Ursache von Zank und Pein, er beunruhigte den Menschen. Es scheint nun ein Bevölkerungsdruck vorhanden gewesen zu sein, wohl ausschlaggebend für die anschließende Wanderung der Indogermanen Richtung Westen.

Und wenn wir im Hebräischen aqar für "Acker" finden und dieses Wort auch noch "ausraufen" bedeuten kann, wird es ernst mit einer Ursprache.

Hoffentlich war dies nicht alles zu speziell. :?

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#19 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Rembremerding » Mo 12. Jan 2015, 18:07

Nur zur Vervollständigung:

Lateinisch
Sie ist ebenso eine indogermanische Sprache, die in Mittelitalien beheimatet war. Durch die römischen Eroberungen breitete sie sich in der Westhälfte des Römischen Reichs aus. Heute gibt es romanische Sprachen (entwickelt aus dem Lateinischen) von Portugal bis Rumänien in ganz Europa.
Im gesamten Römischen Reich war Latein die Sprache des Militärs. Die einzig außerbiblische Bezeugung von Pontius Pilatus ist eine lateinische Inschrift im römischen Theater von Cäsaräa am Meer, die damalige Hauptstadt der Provinz Palästina. Die zahlreich entdeckten römischen Meilensteine waren zweisprachig, lateinisch und griechisch, beschriftet. Der Hauptzweck der römischen Straßen war ja schnelle militärische Bewegungen zu ermöglichen.
Es gibt nur wenige lateinische Lehnwörter im griechischen NT. Es sind militärische Fachausdrücke, z.B. „Custodia“ (Wache, Mt. 27,65). Es ist nicht belegt, dass Jesus lateinisch sprach oder verstanden hat.
In Rom konnte sich das Lateinische in den christlichen Gemeinden als Sprache nur langsam durchsetzen. Erst Mitte des 2. Jh. kann man eine lateinische Bibelübersetzung nachweisen. Um 200 wurde Latein zur Liturgiesprache. Es blieb aber etwa das griechische „Kyrie eleison“ (Herr, erbarme Dich!).
Die lateinische Bibelübersetzung der Kirche ist erst um das Jahr 400 entstanden. Sie stammt von Hieronymus aus Dalmatien, der in Betlehem als Einsiedler lebte. Man nennt sie „Vulgata“ (die Volkstümliche), denn sie sollte eine Übersetzung der Hl. Schrift in die damalige Volkssprache sein.

Fertig, vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

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Pluto
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#20 Re: Die Sprache(n) Jesu

Beitrag von Pluto » Mo 12. Jan 2015, 18:41

Rembremerding hat geschrieben:Lateinisch
Sie ist ebenso eine indogermanische Sprache, die in Mittelitalien beheimatet war. Durch die römischen Eroberungen breitete sie sich in der Westhälfte des Römischen Reichs aus. Heute gibt es romanische Sprachen (entwickelt aus dem Lateinischen) von Portugal bis Rumänien in ganz Europa.
Im gesamten Römischen Reich war Latein die Sprache des Militärs.
Das überrascht mich. War Latein nicht auch die Sprache von Vergil und vielen anderen römischen Autoren?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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