Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Pluto
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#61 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Do 29. Jan 2015, 19:54

Münek hat geschrieben:Der Königsberger Philosoph entwickelte nämlich eine grundlegende KRITK an traditionellen metaphysischen
Inhalten und Verfahren
. Gegen die klassischen Verfahren der "Begriffszergliederung" und des "indirekten Be-
weises" führte Kant an, dass erstere keine Erweiterung der Erkenntnis ermöglicht, letzterer hingegen zu not-
wendigen Widersprüchen
führen kann, wie Kant sie in den "Antinomien der reinen Vernunft" beschreibt.
Ich staune nicht nur über deine Bibelkenntnisse sondern auch über deine tiefe Kenntniss der großen Philosphen. :thumbup:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#62 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 20:17

Münek hat geschrieben: eine grundlegende KRITK an traditionellen metaphysischen Inhalten und Verfahren.
Vorsicht: "Kritik" heisst bei Kant nicht das, was es bei uns heisst, sondern nichts anderes als "Untersuchung". - "Kritik" der reinen Vernunft oder der Metaphysik bedeutet somit "Untersuchung" derselben.

Münek hat geschrieben:Wichtige Fragen der klassischen Metaphysik müssen Kant zufolge notwendig unbeantwortet bleiben
Richtig - das ist ein Grundsatz der Meta-Physik: Sie sind nicht analysierbar wie naturalistische Phänomene.

Münek hat geschrieben:Wichtige Fragen der klassischen Metaphysik müssen Kant zufolge notwendig unbeantwortet bleiben, da prinzipiell keine Möglichkeit besteht, etwas von der Eigenschaften der Objekte zu wissen, die traditionell in metaphysischen Systeme als Basis vorausgesetzt werden.
So ist es - das ist exakt der Grund, warum Gott dem Menschen sagt, dass er (aus Daseins-Sicht) nicht erkennbar ist.

Münek hat geschrieben: Diese sollen nämlich übernatürliche, unabhängige Substanzen sein - Kant spricht von "Dingen an sich".
Und sicher weisst Du auch, dass Kant ohne diese "Dingen an sich" nicht auskommt - genau das ist doch der Punkt, warum die "reine Vernunft" ("Aufklärung") am Faden der Transzendenz hängt. "Das Ding an sich ist eine Begriffsbildung Immanuel Kants, der damit ein Seiendes bezeichnet, welches unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt würde" (wik) "Der Begriff des Dinges an sich ist für Kant nur im transzendentalen Sinne zu gebrauchen." (wik)

Daraus entsteht übrigens Kants Abneigung gegen metaphysische Paxis der Religion, weil sich dadurch Subjekt und Objekt zu sehr vermischen (das nimmt er Feuerbach teilweise vorweg). Kant will also keine Deutung des "Dings an sich", sondern selbiges als notwendigen Anker zugriffs-fern zur Vertäuung der Aufklärung haben.

Münek hat geschrieben: Diese Übernatürlichkeit macht nach Kant gerade ihre wesentlichen Eigenschaften NICHT erfahrbar
Da denkt er in der Tat anders als das Christentum. - Das Christentum versteht das Transzendente/Metaphysische/Gott als Kommunikations-Fähiges - Kant sieht es als Anker, den er für sein System braucht, aber ansonsten nicht "belästigen" will. - Aber er braucht ihn!! - Ansonsten würde sein Denksystem zusammenbrechen.

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#63 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Do 29. Jan 2015, 20:23

closs hat geschrieben: "Kritik" der reinen Vernunft oder der Metaphysik bedeutet somit "Untersuchung" derselben.
Richtig. Doch aus seinen Schlussfolgerungen macht Kant keinen Hehl.

closs hat geschrieben: das ist exakt der Grund, warum Gott dem Menschen sagt, dass er (aus Daseins-Sicht) nicht erkennbar ist.
Du klingst manchmal sehr widersprüclich: Wie kann man Gott verstehen, wenn er nicht erkennbar ist?

closs hat geschrieben:Kant sieht es als Anker, den er für sein System braucht, aber ansonsten nicht "belästigen" will. - Aber er braucht ihn!! - Ansonsten würde sein Denksystem zusammenbrechen.
Genau das Gegenteil ist der Fall. Am Ende befreit sich Kant von sämtlichen religiösen "Fesseln".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#64 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 21:19

Pluto hat geschrieben:Ist es denn deiner Meinung nach redlich zu behaupten es könnte etwas sein, wenn man keine Ahnung hat?
Es ist eine strukturelle Aussage, keine inhaltliche. - Aber das reicht schon, um dem Materialismus auszureden, Nicht-Erkennbares könne nicht real sein. - Siehe obiges Zität zu Münek:"Das Ding an sich ist eine Begriffsbildung Immanuel Kants, der damit ein Seiendes bezeichnet, welches unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt würde" (wik)

Pluto hat geschrieben: "Prüfe alles [was ist], und das Gute behalte". Die Betonung ist hier auf das Wort "prüfe".
Damit ist nicht "Überprüfen" im wissenschaftlich-methodischen Jargon gemeint. - "Prüfe mit Deinem Verstand, Herzen, Gewissen", wäre klarer.

Pluto hat geschrieben:Das ist zwar richtig, aber wie willst du etwas prüfen was nicht zu erkennen ist?
Siehe oben - dies ist nicht wissenschaftlich gemeint. - Du sollst in Dich gehen und prüfen, ob Du es (wieder-)erkennst.

Pluto hat geschrieben:Einfach zu sagen, "es erscheint mir plausibel" ist unredlich
Es ist für den Naturwissenschaftler unredlich, aber nicht für die Spiritualität. - Bei letzterer geht es um innere Aufnahme und inneren Abgleich - aber mir wird langsam klar, wie tief wissenschaftlich-methodischer Jargon in die heiligen Hallen des Geistes eingedrungen ist. - Großes Missverständnis.

Die Plausibilitäts-Kriterien können von außen angeleitet/gelernt werden (siehe Bhudda-Schulen - aber nicht nur diese), aber nur im Einzelnen angewendet werden.

Pluto hat geschrieben:Husserl meint in seinem "Epoché" , man solle aufhören zu spekulieren.
Was meint er damit und was ist seine Alternative? - Zuwendung zum Naturalismus und Ignorierung der Transzendenz?

Pluto hat geschrieben:Er ist nach der modernen analytischen Philosophie ausgerichtet.
Noch schlimmer - dann ist mit Epistemologie in transzendenten Dingen nichts anzufangen.

Pluto hat geschrieben: Aus Sicht der Geschichte war Kant ein Vorreiter des Existentialismus und diese war eine Frühform der modernen Philosophie.
Das stimmt - das Gegenteil stimmt auch: Kant hat die Aufklärung in die Romantik geführt.

Das liegt daran, dass man Kant unterschiedlich einsetzen kann: Aus Sicht seines methodisch hoch-disziplinierten Kritischen Werks - da hast Du recht. - Oder aus Sicht dessen, an dem das Kritische Werk verankert ist (Ding an sich/Transzendenz) - da habe ich recht.

Pluto hat geschrieben:Dann gib mir bitte ein Beispiel!
"Beispiel" ist das falsche Wort - "Ontologie schafft Erkenntis, wie Wahrnehmung und Sein/Realität in Bezug stehen", lautete mein Satz. - Es geht also um das Verhältnis von Wahrnehmung und Sein/Realität und nicht um Anwendungs-Beispiele. - Dazu meint Heidegger (Sein=Realität/Seiendes=Wahrnehmung(s-Fähiges)
• „Das Sein ist die Voraussetzung für das Seiende“
• „Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor.“
• „Da deshalb Sein und Seiendes niemals getrennt auftreten, wird das Sein nicht als solches thematisiert.“
• „Daher ist das Sein zwar das Nächste, weil es im Umgang mit der Welt immer schon vorausgehend und mitgängig ist; andererseits erweist es sich als das Fernste, da es als Unthematisches nie explizit wird.“

Das Sein ist thematisch dasselbe wie die "Ideen" Platons und die "Realien" des Universalienstreits - und eben das "Ding an sich" von Kant. Wenn Kant meint, es gäbe etwas " welches unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt würde", ist das exakt "das Sein" im Sinne Heideggers - mit der Verwirrung, dass Kant es "das Seiende" nennt. - Da haben sich beide begrifflich nicht abgesprochen - die Eigenschaften sind identisch.

Pluto hat geschrieben:Was ist die ontologische Sicht eines Stuhls?
Ein Stuhl "ist" (WENN es so etwas gibt). - Gott "ist" (WENN es ihn gibt).

Pluto hat geschrieben: Was, die erkenntistheoretische Sicht?
Nach welcher Methodik und nach welchen Kriterien kann man per Wahrnehmung den Stuhl oder Gott beschreiben.

Pluto hat geschrieben:Dann sollten wir innehalten
Als Materialist kann man beschließen, sich ausschließlich um nachweisebare Realität zu kümmern - kein Problem. - Dann darf man aber nicht mit Begriffen wie "Spiritualität" kommen, wie es Metzinger tut - beides zusammen geht nicht.

Pluto hat geschrieben:Die Menschen im Altertum waren unwissend und Vieles erschien ihnen wie göttliche Magie.
Weil sie Nicht-Transzendentes als transzendent verstanden haben - das kann die Wissenschaft korrigieren. - Aber das betrifft nicht seins-mäßig Transzendentes. - Es ist ein Unterschied, ob man Naturalistisches als Transzendentes missversteht, oder ob es sich um transzendentes Sein handelt ("Ding an sich").

Pluto hat geschrieben: Er hat in seiner "Kritik der reinen Vernunft" klar seine Abneigung gegen Metaphysik zum Ausdruck gebracht.
Ja - in dem Sinne, dass er für das Transzendente keine Vermischung von Subjekt und Objekt haben wollte - er wollte nicht, dass das Transzendente wahrnehmungs-mäßig angerührt wird. - Aber er war nicht gegen das Transzendente an sich, weil er es ja gebraucht hat.

Denn wenn er meint (ich muss leider dasselbe Zitat ein drittes Mal bringen), dass das "Ding an sich"/die Idee/die Realie "unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt würde", will er auch, dass man sich auch insofern daran hält, dass man sich nicht in einen Subjekt-Bezug dazu stellt, also darüber spekuliert (das scheint er mit "Meta-Physik" zu meinen, die vorgibt, etwas erkennen zu wollen, was nicht erkennbar ist). - Insofern ist er gar nicht so weit weg von Wittgenstein, wenn er sagt, man solle nur über DInge sprechen, über die man sprechen kann.

Im Grunde macht sich Kant damit zum Mystiker: Hier die Welt der Reinen Vernunft (die als Pate etwa für den Kritischen Rationalismus steht) - dort das Mysterium des "Dings an sich", das "ist", aber nicht thematisiert (Heidegger) werden soll. - Das ist übrigens ganz und gar nicht weit weg von Sätzen wie "Gott ist ein Geheimnis".

Das Entscheidende ist: Kant sagt NICHT, es gäbe kein Sein jenseits der Wahrnehmung - er sagt exakt das Gegenteil. - Allerdings sagt er auch: Über dieses Sein kann ich als Vertreter der "Reinen Vernunft" nicht sprechen, weil dieses Sein jenseits derselben ist - und damit stößt er auf Wittgenstein.

Pluto hat geschrieben:In Wirklichkeit wird Kant heute als Anstifter der Aufklärung verstanden
Stimmt - aber es handelt sich hier nicht um eine materialistisch gelagerte Aufklärung, sondern um eine transzendent gelagerte Aufklärung ("Ding an sich"). - Das wird heute nicht mehr verstanden, weil man den Begriff der Aufklärung in den letzten Jahrhunderten materialistisch gedreht hat.

Pluto hat geschrieben:Trifft das nicht auch auf den Christen Störig zu
Natürlich. - Die Frage wäre: Wer hat Kant besser verstanden? - Diese Frage ist nicht dadurch beantwortet, dass man es heute "so" sieht - es könnte morgen schon ganz anders sein.

Pluto hat geschrieben:Belege??
Aus Sicht Störigs und anderen ist es so (so wurde mir Kant in England erklärt - allerdings dann in Frankfurt ganz anders :lol: ). - Aber vielleicht wäre es besser, Kant als Transzendental-Philosophen zu bezeichnen denn als Metaphysiker, weil er sich gleichzeitig gegen die metaphysische Praxis seiner Zeit wendet. - Wobei ich nicht wüsste, wie man den Unterschied (außer in Kants Worten) vermitteln sollte. - Vielleicht kann man so sagen: In der Begriffs-Verwendung Kants ist er KEIN Metaphysiker, aber Transzendental-Philosoph. - In der Begriffs-Verwendung anderer Philosophen kann es gut sein, dass sie keinen Unterschied zwischen Metaphysiker und Transzendental-Philosoph sehen, wenn sie nicht Kants Argument gegen Metaphysik (= Thematisierungs-Verbot durch das Subjekt) kennen.

Pluto hat geschrieben: Die Fachwelt sieht das anders.
Der heutige philosophische Mainstréam sieht das anders - bei vergangenen und zukünftigen Philosophien kann das ganz anders.

Pluto hat geschrieben:Die Ablehnng geht auf das 19. Jahrhundert zurück.
Passt - Hegel kann man nur verstehen, wenn man ihn platonisch versteht ("Phänomenologie des Geistes") - die zersplitterte Welt des 19. Jh (Romantik, Existentialismus, etc.) ist ganz anders gepolt.

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#65 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 21:29

Pluto hat geschrieben: Wie kann man Gott verstehen, wenn er nicht erkennbar ist?
Es gibt irgendwo den Ausdruck, dass man den Rocksaum Gottes berühren kann - das heisst: Man kann sich nähern, aber nicht greifen. - "Erkennbar" ist Gott schon - aber eben nicht im Dasein. - Danach wird man erkennen, wie man immer erkannt war (vgl. 1.Kor. 13,12).

Pluto hat geschrieben:Genau das Gegenteil ist der Fall.
Das ist der tragische Irrtum des Materialismus, weil den Anker des "Dings an sich" ignoriert. - Aus Sicht des Naturalismus nämlich kann es eine Realität nicht anerkennen, die "unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt" wird. - Das "Ding an sich" zerschießt das materialistische System und wird deshalb ignoriert.

Pluto hat geschrieben:Am Ende befreit sich Kant von sämtlichen religiösen "Fesseln".
Das kann man so sehen, wenn man es deskriptiv versteht.

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#66 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Do 29. Jan 2015, 22:13

closs hat geschrieben:Siehe obiges Zität zu Münek:"Das Ding an sich ist eine Begriffsbildung Immanuel Kants, der damit ein Seiendes bezeichnet, welches unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt würde" (wik)
Hast du den Wiki-Absatz zu Ende gelesen?
In einer seiner vorkritischen Schriften, den „Träumen eines Geistersehers“ von 1766, gibt Kant in einer Polemik gegen den von Kant als Scharlatan und Geisterseher betrachteten Emanuel Swedenborg folgendes anschauliche Beispiel: „Denn es ist gewiß kein den Sinnen bekannter Gegenstand der Natur, von dem man sagen könnte, man habe ihn durch Beobachtung oder Vernunft jemals erschöpft, wenn es auch ein Wassertropfen, ein Sandkorn, oder etwas noch einfacheres wäre; so unermesslich ist die Mannigfaltigkeit desjenigen, was die Natur in ihren geringsten Teilen einem so eingeschränkten Verstande, wie der menschliche ist, zur Auflösung darbietet“. (I. Kant, Träume eines Geistersehers, Vorkritische Schriften bis 1768(2), S. 963, A 79,80; FFM 1981). Diese Stelle zeigt ganz klar, dass Kant sehr wohl an konkrete Naturgegenstände denkt, welche anhand ihrer Erscheinungen, gemäß der Kategorien soweit nur irgend möglich bestimmt werden bis eben zu jener Grenze, welche unsere Erkenntnis niemals überschreiten kann. Jenseits dieser Grenze liegt der jeweils sich entziehende „Rest“ – eben das Ding an sich, welches man auch als die Differenz zwischen unserem Verstand und dem perfekten Intellectus intuitivus Gottes ausdrücken könnten. Diese Welt der Gegenstände richtet sich daher nach unserem Verstand oder anders ausgedrückt, die begriffliche Grenze unserer Naturerkenntnis wird ausgespannt durch die Widerstandskraft unserer Modelle und Theorien. Seit Kopernikus schreibt unsere Vernunft der Erde vor, sich um die Sonne zu drehen, zuvor war es umgekehrt. Für unsere Sinne ist sie ein kleiner, runder heller Fleck, welcher Wärme abstrahlt und zwischen zwei Fingern vielleicht zwei Zentimeter misst, wie Descartes es in seinem Beispiel beschreibt. Alles was wir von ihr jedoch konkret wissen, schreibt der Verstand vor.

closs hat geschrieben: "Prüfe mit Deinem Verstand, Herzen, Gewissen", wäre klarer.
Erstens steht das nicht in der Bibel, und zweitens wüsste ich nicht womit man sonst prüfen sollte. Vor allem das Gewissen erscheint mir im Fall des Seins arg strapaziert zu werden.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Einfach zu sagen, "es erscheint mir plausibel" ist unredlich
Es ist für den Naturwissenschaftler unredlich, aber nicht für die Spiritualität.
Wozu diese fiktive Unterteilung? Ohne eine Definition ist Plausibilität willkürlich.

closs hat geschrieben:Die Plausibilitäts-Kriterien können von außen angeleitet/gelernt werden (siehe Bhudda-Schulen - aber nicht nur diese), aber nur im Einzelnen angewendet werden.
Dann kannst du sicher diese Plausibilitätskriterien beschreiben.

closs hat geschrieben:Was meint er damit und was ist seine Alternative? - Zuwendung zum Naturalismus und Ignorierung der Transzendenz?
Husserl meint es alterntivlos: Man soll nicht über Dinge spekulieren die man nicht kennen kann, sonder schweigen!

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Er ist nach der modernen analytischen Philosophie ausgerichtet.
Noch schlimmer - dann ist mit Epistemologie in transzendenten Dingen nichts anzufangen.
Da hat doch die Erkenntistheorie wieder mal Recht. Mystische Dinge "unbeschreiblich".

closs hat geschrieben:Kant hat die Aufklärung in die Romantik geführt.
Das stimmt nur bedingt. Zeitlich folgte nach Kant das was wir Romantik nennen. Aberdas meinte Kant nicht.

closs hat geschrieben:Dazu meint Heidegger (Sein=Realität/Seiendes=Wahrnehmung(s-Fähiges)
• „Das Sein ist die Voraussetzung für das Seiende“
• „Das Sein kommt auf der Ebene des Seienden ohne ein Seiendes nicht vor.“
• „Da deshalb Sein und Seiendes niemals getrennt auftreten, wird das Sein nicht als solches thematisiert.“
• „Daher ist das Sein zwar das Nächste, weil es im Umgang mit der Welt immer schon vorausgehend und mitgängig ist; andererseits erweist es sich als das Fernste, da es als Unthematisches nie explizit wird.“
Das scheint mir das philosophieren über "Nichts" zu sein.

closs hat geschrieben:Das Sein ist thematisch dasselbe wie die "Ideen" Platons und die "Realien" des Universalienstreits
Wie der Universalienstreit ausging ist bekannt: Das Konzept, Ideen als Gegenstände zu betrachten, wurde im 12. Jahrhundert verworfen. 8-)

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was ist die ontologische Sicht eines Stuhls?
Ein Stuhl "ist" (WENN es so etwas gibt). - Gott "ist" (WENN es ihn gibt).
Der Existenz des Stuhl ist leicht festzustellen, aber Gott...?
Erkennst du den Unterschied?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Was, die erkenntistheoretische Sicht?
Nach welcher Methodik und nach welchen Kriterien kann man per Wahrnehmung den Stuhl oder Gott beschreiben.
Ein Stuhl ist zum sitzen da. Bei Gott kann man das hingegen per definitionem nicht wissen.

closs hat geschrieben:Dann darf man aber nicht mit Begriffen wie "Spiritualität" kommen, wie es Metzinger tut - beides zusammen geht nicht.
Eigentlich war ich echt überrascht, mit welcher Leichtigkeit es Metzinger gelang, den Unterschied zwischen Spiritualität und Religion aufzuzeigen.

closs hat geschrieben:Aber das betrifft nicht seins-mäßig Transzendentes.
Was soll das überhaupt sein "seins-mäßig Transzendentes"?

closs hat geschrieben:Im Grunde macht sich Kant damit zum Mystiker:
:lol: :o
Kant stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Wirklichkeit. Mystik lehnte er ab!

closs hat geschrieben:Das Entscheidende ist: Kant sagt NICHT, es gäbe kein Sein jenseits der Wahrnehmung - er sagt exakt das Gegenteil.
Wo tut er das? Hast du ein Zitat?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Trifft das nicht auch auf den Christen Störig zu
Natürlich. - Die Frage wäre: Wer hat Kant besser verstanden?
Störig sieht es falsch, weil er Kants Werk subjektiv aus seiner christlichen Sicht betrachtet, anstatt es objektiv zu sehen.

closs hat geschrieben:In der Begriffs-Verwendung Kants ist er KEIN Metaphysiker, aber Transzendental-Philosoph.
Ja. Aber Kant trennte die Begirffe transzendental und transzendent.
Wiki schreibt dazu:
Als Wissenschaft von den allgemeinen und notwendigen Bedingungen der Erkenntnis definiert Kant die Transzendentalphilosophie als ein System von Begriffen, das die Möglichkeit, von Gegenständen etwas „a priori“ zu erkennen, zum Gegenstand hat (Immanuel Kant: AA III, 43[3]). Hingegen sind Gegenstände oder Sachverhalte transzendent, die nicht Gegenstand einer möglichen Erkenntnis sind.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#67 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 23:44

Pluto hat geschrieben:Diese Stelle zeigt ganz klar, dass Kant sehr wohl an konkrete Naturgegenstände denkt, welche anhand ihrer Erscheinungen, gemäß der Kategorien soweit nur irgend möglich bestimmt werden bis eben zu jener Grenze, welche unsere Erkenntnis niemals überschreiten kann.
Und noch weiter gehts: "Eben das Ding an sich, welches man auch als die Differenz zwischen unserem Verstand und dem perfekten Intellectus intuitivus Gottes ausdrücken könnten.

Das bezieht sich natürlich auf natürliche Gegenstände - aber angebunden an den "Intellectus intuitivus Gottes". - Im Grunde ist das nichts anderes als Heideggers Unterscheidung von Sein und Seiendem.

Pluto hat geschrieben:Erstens steht das nicht in der Bibel
Doch - das Motiv, mit dem Herzen zu prüfen, ist häufig im AT zu finden - im NT bestimmt auch (wüsste nur gerade nicht, wo). - Die "Con-Scientia" (Mit-Wissen, Ge-Wissen) steht vielleicht nicht wörtlich da, ergibt sich aber daraus, dass Bewusstsein aus dem Herzen heraus verstanden wird. - Das sollte leicht nachweisbar sein (bin halt kein auswendiger Zitaten-Bolzer).

Pluto hat geschrieben: Ohne eine Definition ist Plausibilität willkürlich.
Das ist ein methodisches Problem, aber kein praktisches. - Platt gesagt ergibt sich die Plausibilität aus dem inneren Erkennen - nimm einfach ein Mutter, die aus innerem Erkennen einen "plausiblen" Bezug zum Kind hat - ohne es methodisch zu definieren.

Pluto hat geschrieben:Dann kannst du sicher diese Plausibilitätskriterien beschreiben.
Es läuft heraus auf das Zurückdrängen des Ego zugunsten des Seins - wie das genau gelehrt wird, wissen Spezialisten besser. - Selbst-Losigkeit zugunsten der Wahrheit, der man glaubt, in gereinigtem Zustand näher zu kommen. - Das ist ohnehin die Grundlage der Mystik. - Wir dürfen nie vergessen, dass spirituelle Erkenntnis immer eine persönliche Sache ist - es gibt keine randomisierte Standard-Methode.

Pluto hat geschrieben:Husserl meint es alterntivlos: Man soll nicht über Dinge spekulieren die man nicht kennen kann, sonder schweigen!
Das beantwortet die Frage nicht, ob das Schweigen erfolgt, weil der Gegenstand des Schweigens irrelevant ist, oder weil es die Ehrfurcht vor dem Gegenstand gebietet. - Das sind diametrale Begründungen.

Pluto hat geschrieben:Da hat doch die Erkenntistheorie wieder mal Recht. Mystische Dinge "unbeschreiblich".
Nicht objektivierbar - zwar verständlich für Menschen, die geistig daraug eingerichtet sind, aber nicht objektivierbar. - Das ist nichts Neues.

Pluto hat geschrieben:Aberdas meinte Kant nicht.
Möglicherweise nicht - er starb ja 1804 - und da war die Romantik noch ein wilder Haufen. - Aber manchmal tut man Dinge, deren Folgen man nicht kennt - übrigens ähnlich bei SChiller: Sein "Demetrius" ist volle Kanne UND verzweifelt ungewollt romantisch.

Pluto hat geschrieben:Das scheint mir das philosophieren über "Nichts" zu sein.
Der Schein trügt. - Es geht hier um das Verhältnis der Kategorien "Realität/Sein" und "Wahrnehmung".

Pluto hat geschrieben: Das Konzept, Ideen als Gegenstände zu betrachten, wurde im 12. Jahrhundert verworfen.
Das war aber kein geistiger Fortschritt, sondern der Beginn der Trennung von geistiger und materialistischer Weltbetrachtung. - Das kann man nur aus materialistischer Sicht als Fortschritt bezeichnen.

Pluto hat geschrieben:Erkennst du den Unterschied?
Falls es beide gibt, gibt es seins-mäßig keinen Unterschied. Null oder Eins - mehr gibt es in der Ontologie nicht.

Pluto hat geschrieben: mit welcher Leichtigkeit es Metzinger gelang, den Unterschied zwischen Spiritualität und Religion aufzuzeigen
Da gibt es ja auch Unterschiede - aber Metzinger verkennt, dass jegliche Spiritualität insofern dogmatisch ist, dass sie setzen muss, was sie als Sein annimmt. - Seine Verweltlichung der Spiritualität geht nicht - es sei denn, man definiert (wieder mal) um.

Pluto hat geschrieben:Was soll das überhaupt sein "seins-mäßig Transzendentes"?
Nur ein Begriff im konkreten Zusammenhang
closs hat geschrieben: Es ist ein Unterschied, ob man Naturalistisches als Transzendentes missversteht, oder ob es sich um transzendentes Sein handelt ("Ding an sich").

Pluto hat geschrieben:Kant stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Wirklichkeit.
Das tun alle Mystiker, wenn sie Mystik richtig verstehen.

Pluto hat geschrieben:Wo tut er das?
"Ding an sich". - Wie auch in seinen späten Briefen und Notizen, in denen er eine Transzendental-Philosophie ankündigt.

Pluto hat geschrieben:Störig sieht es falsch, weil er Kants Werk subjektiv aus seiner christlichen Sicht betrachtet, anstatt es objektiv zu sehen.
Auch Materialisten sehen es subjektiv im Sinne ihrer Weltanschauung. - Persönlich denke ich, dass Störig näher an Kant selbst ist, der in einer Zeit lebt, die Nihilismus nicht gekannt hat.

Pluto hat geschrieben:Wiki schreibt dazu
Da müsste man wirklich echte Fachleute fragen. - Im Grunde unterscheidet Kant hier zwischen der Transzendenz von im Dasein (naturalistisch) wahrnehmbaren Dingen und der Transzendenz von im Dasein NICHT (naturalistisch) wahrnehmbaren Dingen. - In beiden Fällen haben wir Transzendenz - bis auf weiteres verstehe ich diese Sache als methodische Aufteilung - eben weil man naturalistisch wahrnehmbare Dinge anders angeht als nicht naturalistisch wahrnehmbare. - Also nicht geeignet, ein materialistisches Weltbild bei Kant zu sehen - denn:

In seiner Kritik der teleologischen Urteilskraft lässt keinen Zweifel an der Existenz dessen zu, was er "Gott" nennt: „Folglich müssen wir eine moralische Weltursache (einen Welturheber) annehmen, um uns, gemäß dem moralischen Gesetze, einen Endzweck vorzusetzen; und so weit als das letztere notwendig ist, so weit ist auch das erstere anzunehmen: nämlich es sei ein Gott.“ (Kant: Kritik der Urteilskraft, S. 621, Konkordanz: 424)

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#68 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Fr 30. Jan 2015, 00:43

closs hat geschrieben:Und noch weiter gehts: "Eben das Ding an sich, welches man auch als die Differenz zwischen unserem Verstand und dem perfekten Intellectus intuitivus Gottes ausdrücken könnten.

Das bezieht sich natürlich auf natürliche Gegenstände - aber angebunden an den "Intellectus intuitivus Gottes". - Im Grunde ist das nichts anderes als Heideggers Unterscheidung von Sein und Seiendem.
Schon klar, dass Kant den Begriff "Das Ding an sich" erfunden hat.
Allerdings sollte auch klar sein, dass es für ihn nur ein Begriff war, der nicht der Realität entsprach.

closs hat geschrieben:Die "Con-Scientia" (Mit-Wissen, Ge-Wissen) steht vielleicht nicht wörtlich da, ergibt sich aber daraus, dass Bewusstsein aus dem Herzen heraus verstanden wird.
Ja genau! :thumbup:
Was sagt dir nun dein Gewissen zur Existenz des prinzipiell nicht Erkennbaren?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Ohne eine Definition ist Plausibilität willkürlich.
Das ist ein methodisches Problem, aber kein praktisches.
Doch, es ist eine sehr praktische Überlegung. Wenn man keine Kriterien hat, kann man im Ernstfall nicht sagen ob etwas plausibel ist, oder nicht.
Das Problem besteht weiterhin: Wenn es keine objektiven Entscheidungskriterien der Plausibilität gibt, ist es unredlich sich darauf zu beziehen.

closs hat geschrieben:nimm einfach ein Mutter, die aus innerem Erkennen einen "plausiblen" Bezug zum Kind hat - ohne es methodisch zu definieren.
:lol:
Das hat nichts mit Plausibilität zu tun, sondern ist einfache Chemie: Die Beziehung einer Mutter zu ihrem Kind wird durch hormonelle Wirkungen in Mutter und Kind ausgelöst.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Dann kannst du sicher diese Plausibilitätskriterien beschreiben.
Es läuft heraus auf das Zurückdrängen des Ego zugunsten des Seins - wie das genau gelehrt wird, wissen Spezialisten besser.
Zurückdrängen des Ego zugunsten des Seins...
So etwas gibt es nicht; weder in der Philosophie, noch in der Psychologie.

closs hat geschrieben:Selbst-Losigkeit zugunsten der Wahrheit, der man glaubt, in gereinigtem Zustand näher zu kommen. - Das ist ohnehin die Grundlage der Mystik. - Wir dürfen nie vergessen, dass spirituelle Erkenntnis immer eine persönliche Sache ist - es gibt keine randomisierte Standard-Methode.
Solche Antworten hatte ich ehrlich gesagt erwartet.
Fakt ist, es gibt keinerlei erkennbare Kriterien für die Plausibilität von Mystik.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Husserl meint es alterntivlos: Man soll nicht über Dinge spekulieren die man nicht kennen kann, sonder schweigen!
Das beantwortet die Frage nicht, ob das Schweigen erfolgt, weil der Gegenstand des Schweigens irrelevant ist, oder weil es die Ehrfurcht vor dem Gegenstand gebietet.
Die Antwort liegt in dem was Husserl sagt: Man soll sich kein Urteil bilden (wörtlich: "inne halten"), um nicht aus Unwissen etwas Falsches in eine Wahrnehmung hineinzulesen, die man nicht versteht.
Hat übrigens sehr viel mit intellektueller Redlichkeit zu tun.

closs hat geschrieben:Nicht objektivierbar - zwar verständlich für Menschen, die geistig darauf eingerichtet sind, aber nicht objektivierbar.
Indem man sich auf einer höheren Ebene des Verstands stellt, entzieht man sich der Frage.
Verzeih, aber wenn man anderen grundsätzlich Verständnisvermögen abspricht, dann ist das besserwisserische Anmaßung!

closs hat geschrieben:Der Schein trügt. - Es geht hier um das Verhältnis der Kategorien "Realität/Sein" und "Wahrnehmung".
Nein.
Heidegger kreiert aus dem nichts imaginäre Kategorien.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Erkennst du den Unterschied?
Falls es beide gibt, gibt es seins-mäßig keinen Unterschied. Null oder Eins - mehr gibt es in der Ontologie nicht.
Das kannst du nicht wissen. Also bleibt es bei Husserls Epoché.

closs hat geschrieben:Seine Verweltlichung der Spiritualität geht nicht - es sei denn, man definiert (wieder mal) um.
Was wird wo verweltlicht? Was genau definiert Metzinger um?

closs hat geschrieben:Das tun alle Mystiker, wenn sie Mystik richtig verstehen.
Nein. Das tun sie nur wenn sie sich die Mystik einbilden, und dann sie unredlich.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wiki schreibt dazu
Da müsste man wirklich echte Fachleute fragen.
Du weichst aus. Oder zweifelst du daran, dass der Wiki Autor ein Fachmann ist?

closs hat geschrieben:In seiner Kritik der teleologischen Urteilskraft lässt keinen Zweifel an der Existenz dessen zu, was er "Gott" nennt: „Folglich müssen wir eine moralische Weltursache (einen Welturheber) annehmen, um uns, gemäß dem moralischen Gesetze, einen Endzweck vorzusetzen; und so weit als das letztere notwendig ist, so weit ist auch das erstere anzunehmen: nämlich es sei ein Gott.“ (Kant: Kritik der Urteilskraft, S. 621, Konkordanz: 424)
Lies bitte seine Kritik der Teleologie als Ganzes durch.

Es ist nicht zu übersehen, dass Kant große Zweifel an der Richtigkeit der Teleologie hatte. Das er sie nicht gänzlich verwirft, liegt wohl daran, dass er Darwin nicht kannte, aber seine Zweifel an der Teleologie (vor allem) in der Natur sind sehr deutlich zu erkennen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#69 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Münek » Fr 30. Jan 2015, 03:12

@ Lieber Kurt,

auch wenn Du dies nicht wahrhaben willst, wird unser Königsberger Philosoph generell als "Hauptmatador" der Metaphysik-KRITIK
angesehen, der Ende des 18. Jahrhunderts argumentierte, die Grundbegriffe, mittels derer die Metaphysik betrieben würde, be-
säßen KEINE Gültigkeit für die GEGENSTÄNDE der Metaphysik. :thumbup: Er forderte jedoch nicht das Ende der Metaphysik, sondern trat
für eine Philosophie ein, die auf einer grundsätzlichen KRITISCHEN REFLEXION ihrer Methoden aufbaut!!!!


Nach Kant bedarf der Mensch für jede nicht-analytische Erkenntnis ebenso der Begriffe, die er im Verstand bildet wie der sinnlichen
Anschauung. Sinnlichkeit und Verstand sind die beiden einzigen, gleichberechtigten und voneinander abhängigen Quellen der ERKENNT-
NIS
. "Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind" (Immanuel Kant: AA III, 75). Die von ihm entwickelte "Trans-
zendentalphilosophie
" (transzendental ist nicht transzendent! :thumbup: ) ist (auch) KRITIK an der herkömmlichen Metaphysik. Da beißt die Maus
keinen Faden ab!


(Quelle Wiki, Hervorhebungen von mir)

closs
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#70 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Fr 30. Jan 2015, 11:16

Pluto hat geschrieben:Allerdings sollte auch klar sein, dass es für ihn nur ein Begriff war, der nicht der Realität entsprach.
Im materialistischen Sinne heutiger Definition mag das Sein. - Als was würdest Du es bezeichnen: Eine vom Beobachter unabhängige Existenz, die nicht Realität ist? - Aus meiner Sicht sprachlich schwierig.

Pluto hat geschrieben:Was sagt dir nun dein Gewissen zur Existenz des prinzipiell nicht Erkennbaren?
Das Bewusstsein/Gewissen/Conscientia erkennt, dass da etwas ist, was nicht erkennbar ist, sich aber erkennbar in einem selbst niederschlägt. - Übertrage es einmal auf das Phänomen der "Dunkeln Energie" (KEIN Vergleich, sondern ein Verständnis-Bild):

Da ist etwas, dessen Wirksamkeit nachweisbar ist (in der Spiritualität: spürbar/logisch begründbar ist) - WAS es ist, kann man nicht direkt erkennen.

Pluto hat geschrieben: Wenn es keine objektiven Entscheidungskriterien der Plausibilität gibt, ist es unredlich sich darauf zu beziehen.
Es ist umgekehrt die Unredlichkeit des Materialismus, auf (hermeneutische) Systeme, die aus notwendigen Gründen nicht objektiv nachweisen können, methodische Verfahren der Naturwissenschaft anzuwenden. - So ist es bspw. nicht objektivierbar, ob eine Mutter ihr Kind liebt - trotzdem kann es so sein - es ist hermeneutisch sogar sehr plausibel, dass es so ist. - So ähnlich ist es auch in spirituellen Systemen.

Pluto hat geschrieben:Die Beziehung einer Mutter zu ihrem Kind wird durch hormonelle Wirkungen in Mutter und Kind ausgelöst.
Nein - Liebe ist nur mit Hilfe von biologischen Mitteln im Dasein abbildbar. Liebe ist wesensmäßig kein biologischer Vorgang, sagt dagegen der geistige Mensch. - Hier haben wir wieder die Nicht-Falsifizierbarkeit der Frage, ob körperliche Abläufe Ursache oder Ausdruck eines geistigen Phänomens sind.

Pluto hat geschrieben:Zurückdrängen des Ego zugunsten des Seins...
Doch - das gibt es sowohl in Theologie wie auch in der Philosophie.

Pluto hat geschrieben:Fakt ist, es gibt keinerlei erkennbare Kriterien für die Plausibilität von Mystik.
Aus obigen Gründen gibt es keine objektiv nachweisbaren Kriterien - notwendigerweise.

Pluto hat geschrieben: Man soll sich kein Urteil bilden (wörtlich: "inne halten"), um nicht aus Unwissen etwas Falsches in eine Wahrnehmung hineinzulesen, die man nicht versteht.
Das ist zum Teil richtig: Man darf Glauben nicht mit objektivem Wissen vergleichen. - Es kann aber nicht sein, dass eine Mutter sich nicht traut, zu ihrem Kind zu sagen "Ich liebe Dich", weil sie sonst dem Vorwurf der Unredlichkeit ausgesetzt wäre - merkst Du nicht, wie krank das ist?

Pluto hat geschrieben:Verzeih, aber wenn man anderen grundsätzlich Verständnisvermögen abspricht, dann ist das besserwisserische Anmaßung!
Diese Gefahr besteht in der Tat - andererseits: Wenn man sieht, dass der andere Augen hat, zu sehen, und nicht sieht - was will man da machen? - Arrogant darf man NICHT werden, weil alles gegeben ist, also kein eigener Verdienst ist. - Aber man muss doch auf Unterschiede hinweisen, die offensichtlich da zu sein scheinen.

Pluto hat geschrieben:Heidegger kreiert aus dem nichts imaginäre Kategorien.
Wie kommst Du darauf? - Ist das "Ding an sich" "nichts"?

Pluto hat geschrieben:Das kannst du nicht wissen.
Das ist ein rein logischer Satz. - Wenn A=B und B=C, dann ist A=C, selbst wenn man nicht weiss, WAS es ist.

Pluto hat geschrieben: Was genau definiert Metzinger um?
Er erweckt den Eindruck, dass Spiritualität eine nicht-transzendente Größe wäre.

Pluto hat geschrieben: Das tun sie nur wenn sie sich die Mystik einbilden
Ein Meister Eckart bildet sich Mystik nicht ein - dass es auch irgendwelche Spiritisten gibt, die leuchtende Augen bekommen, wenn sie eine Glaskugel sehen, ist leider so, hat aber nichts mit Mystik zu tun.

Pluto hat geschrieben:und dann sie unredlich.
Die Gefahr besteht - und Metzinger erscheint als Protagonist davon - , dass man Materialismus als einziges System darstellen möchte, das "redlich" ist, indem man die materialistischen Kriterien zum Maßstab dessen macht, was redlich ist - also ein Zirkelschluss. - Daneben ist es brillant und satanisch, den Materialismus schein-geistig zu unterfüttern, um dadurch den tatsächlich geistigen/spirituellen Disziplinen das Wasser abzugraben. - Mich würde sehr interessieren, ob sich Metzinger a) seiner Raffinesse bewusst ist und sie bewusst als Invektive gegen geistige Disziplinen einsetzt, oder ob er b) tatsächlich glaubt, was er sagt. - Letzteres wäre der schlimmere Fall.

Pluto hat geschrieben: Oder zweifelst du daran, dass der Wiki Autor ein Fachmann ist?
EIN Fachmann bestimmt - es ist immer die Frage, aus welcher eigenen Weltanschauung heraus ein Text geschrieben wird. - Im gegebenen speziellen Punkt, den ich selber nicht genau beurteilen kann, würde ich gerne noch andere Stimmen hören. - Frage: Würde Störig diesen Artikel schreiben: Wäre dann die Autorität Störigs größer?

Pluto hat geschrieben:Lies bitte seine Kritik der Teleologie als Ganzes durch.
Das tue ich mir heute nicht an. - Steht da irgendwo, dass es Gott als transzendentes Wesen NICHT gibt? Dann würde Kant sich widersprechen.

Pluto hat geschrieben: Das er sie nicht gänzlich verwirft, liegt wohl daran, dass er Darwin nicht kannte
Was hat Darwin damit zu tun? - Das "Ding an sich" ist auch nach Darwin aktuell - Darwin ist doch kein Platoniker (wie es Kant ist).

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