Macht Religion blind?

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Samantha

#1 Macht Religion blind?

Beitrag von Samantha » Mi 11. Mär 2015, 08:15

Leider habe ich selten die Erfahrung gemacht, dass religiöse Menschen vorurteilsfrei sein können. Beleidigungen sind an der Tagesordnung. Mich wundert, dass gerade die, die sich als Christen bezeichnen, nicht mit Demut und Nächstenliebe umzugehen wissen. Daher empfinde ich extreme Aussagen meist als Heuchelei. Was geht in solchen Menschen vor? Ist es Charakterschwäche und/oder Unzufriedenheit?

Auch kann ich nicht verstehen, wieso die Wissenschaft von so manchen Fanatikern diskreditiert wird. Ist es Dummheit? Kann man Menschen soweit manipulieren, dass sie ihr Denken ausschalten? Ist anzunehmen, wenn sie sogar ihre eigenen Grundregeln verletzen. Wo findet aber Religion einen solchen hasserfüllten Nährboden? Möglicherweise sind es benachteiligte Menschen oder Menschen, deren Unzufriedenheit kein Ventil findet. Es müssen dann Schuldige gefunden werden, und Religionen geben vermeintliche Antworten.

Jeder Menschen möchte sich stark fühlen und akzeptiert werden und hat eigentlich auch einen Anspruch auf Anerkennung und Gerechtigkeit. Wird die Religion benutzt, um sich Gehör zu verschaffen und Macht auszuüben?

closs
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#2 Re: Macht Religion blind?

Beitrag von closs » Mi 11. Mär 2015, 08:38

Samantha hat geschrieben:Was geht in solchen Menschen vor?
Ganz normale gruppen-dynamische Vorgänge. - Man fühlt sich einer Gruppe zugehörig und identifiziert sich mit ihr -- und verteidigt diese Gruppe und somit die eigene Identität.

Das gilt für viele konfessionell gebunde Menschen, aber natürlich ganz genauso für weltlich (Political Correctness) gebundene Menschen. - Dein ganzer Text ist universal anwendbar.

Samantha hat geschrieben: Ist es Charakterschwäche und/oder Unzufriedenheit?
Vielleicht weder noch. - Vielleicht am ehesten Erkenntnis-Schwäche.

Samantha hat geschrieben: Kann man Menschen soweit manipulieren, dass sie ihr Denken ausschalten?
Klares JA - egal ob religiös oder weltlich orientierte Menschen.

Samantha hat geschrieben:Wo findet aber Religion einen solchen hasserfüllten Nährboden?
Beim "Fürsten der Welt" - oder für den, der es neutral formuliert haben möchte: Bei der Ego-Orientierung, die alles der Selbst-Behauptung unterstellt.

Allerdings sollte hierbei die christliche Religion ein Korrektiv sein, weil sie diese Art der Selbst-Behauptung untersagt - aber es wird halt oft so lange rumgedeutet, bis es passt, und man seine triebhafte Ich-Tour durchziehen kann. - Das kann dann schon einmal dahin führen, dass ein Casino-Kapitalist tönt, er handle im Sinne Gottes (ist tatsächlich passiert).

Beim Islam ist das Korrektiv nicht so stark ausgeprägt, da man den Islam zwar friedliebend deuten kann, aber mangels eines NT nicht muss. - Und somit kann man in ihm seine offenen oder latenten Aggressionen ausleben, wenn man will.

Man schaue sich nur die europäischen IS-Wallfahrer an. Sie tun dies in aller Regel NICHT aus primär religiösen Gründen, sondern weil es für sie ein gelobtes Land ist: Es wird eine Frau, Familienschutz, Gruppen-Identität, etc. versprochen (und auch eingehalten) - im Gegenzug verteidigt man die Gruppe und vernichtet alles, was auf dem Weg ist (kann also seinen langjährigen Loser-Frust abbauen).

Und so wütet der Hass auf verschiedene Weise: Beim einen als Zerstörung über verdeckte Gewalt im Umgang mit Geld - beim anderen als Zerstörung über offene Gewalt im Umgang mit Waffen.

ThomasM
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#3 Re: Macht Religion blind?

Beitrag von ThomasM » Mi 11. Mär 2015, 09:30

Samantha hat geschrieben:Leider habe ich selten die Erfahrung gemacht, dass religiöse Menschen vorurteilsfrei sein können.
Die Realität ist etwas komplexer.
Menschen sind nicht vorurteilsfrei. Seien es Rassismus, Sexismus, Umweltschutz, Imperialismus, Sozialismus, Kommunismus, Liberalismus, ...
Sobald eine Weltanschauung ins Spiel kommt (z.B. Umweltschutz), beginnen die Menschen, die Welt in "gut" und "böse" einzuteilen, sich selbst für "gut" zu halten und die "bösen" zu bekämpfen.

Religion ist in dieser Hinsicht eine spezielle Weltanschauung.
Christentum ist eine spezielle Religion, da hier Theorie (Liebe deinen Nächsten, Liebe deinen Feind) und Praxis doch zu oft auseinanderklaffen.
Samantha hat geschrieben: Mich wundert, dass gerade die, die sich als Christen bezeichnen, nicht mit Demut und Nächstenliebe umzugehen wissen. Daher empfinde ich extreme Aussagen meist als Heuchelei. Was geht in solchen Menschen vor? Ist es Charakterschwäche und/oder Unzufriedenheit?
Das wundert mich nicht, ärgert mich aber auch.
Wenn du in das schaust, was die Bibel sagt, dann wirst du feststellen, dass das Verhalten der Christen gerade vorhergesagt wird. Diese sind zwar angehalten, den göttlichen Geboten nachzueifern, aber sie schaffen es nicht. Das war gerade die zentrale Aussage von Paulus.
Ich würde das als "Menschlichkeit" bezeichnen.
Samantha hat geschrieben: Auch kann ich nicht verstehen, wieso die Wissenschaft von so manchen Fanatikern diskreditiert wird. Ist es Dummheit? Kann man Menschen soweit manipulieren, dass sie ihr Denken ausschalten?
Das ist selten Dummheit, meist schlicht Angst und Unsicherheit.
Die Menschen haben Angst davor, ihren Glauben zu verlieren. Sie brauchen feste Pfeiler, auf denen sie ihren Glauben stützen können. Viele wählen die falschen Pfeiler, wie Dogmen oder Wörtlichkeitsinterpretationen der Bibel.
Das kollidiert mit dem offenen Denken der Wissenschaft.

Man findet das Phänomen auch in nicht-religiösen Weltanschauungen z.B. in der "arischen Physik" oder den kommunistischen "Theorien".

Gruß
Thomas
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#4 Re: Macht Religion blind?

Beitrag von 2Lena » Mi 11. Mär 2015, 09:37

Samatha hat geschrieben:Daher empfinde ich extreme Aussagen meist als Heuchelei. Was geht in solchen Menschen vor? Ist es Charakterschwäche und/oder Unzufriedenheit?
Die kennen 1.Mose11 nicht (Auslegungstext). Alles wäre möglich, wenn sie den Weg kennen. Aber die sprechen "Formeln" nach, die eigentlich voll Heiligkeit wären. Bei Negativmischung (inklusiv Ungereimtheit, Unwissen) werden sie immer mehr degradieren, einen Sog erzeugen, mit Triebmitteln Beteuerung, Widerstand und wachsender Abneigung.

Beispiel: Im Mittelalter waren die verschiedenen Kontinente der Welt weitestgehend unbekannt. Die Reisebeschreibung über China löste ungläubiges Erstaunen aus. Der Schriftsteller kam als Lügner ins Gefängnis. Die Leute wurden "verfolgt", die ihm Glauben schenkten. Vermutlich haben sie mehr übertrieben, und die Glaubwürdigkeit somit weiter geschmälert.

Wie man mit solchen "Gesetzen des Staunens" in Heiligkeit umgeht, wissen die Christen nicht, denn das AT - das diese Ausbildung enthält - haben sie ignoriert.

Samantha

#5 Re: Macht Religion blind?

Beitrag von Samantha » Mi 11. Mär 2015, 10:40

Religion ist insofern gefährlich, dass sie den Menschen Hoffnung gibt und Versprechungen macht, die aber deswegen nicht göttlichen Ursprungs sein müssen. Solange die Menschen für ihre Unzufriedenheit ein Ventil in Religionen suchen, wird der Staat die Menschen leichter kontrollieren können. Die Angst der Menschen wird ausgenutzt, und jeder hat Angst vor irgendetwas. Es wäre doch bestimmt nicht weiter schwierig, etwas mehr für die Bildung und das Soziale zu tun, so dass ein Zusammenleben gewaltfreier ablaufen könnte, also weniger Kriminalität. Auch müssten wir in Zeiten der Automatisierung nicht mehr so viel arbeiten, weil wir damit nur Arbeitslose produzieren. Ein entsprechend gebildeter Mensch hat aber Ansprüche und durchschaut komplexe Zusammenhänge, braucht keine Religionen und wird fordern. Also werden Religionen erlaubt und als Mittel zum Zweck möglichst positiv dargestellt.


Die Macht der Kirche ist abhängig von den "Subventionen" des Staates, und die Kirche ist in meinen Augen nichts anderes als eine große Sparbüchse, die irgendwann angezapft wird, weil immer mehr Menschen sich von Religonen abwenden werden.

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#6 Re: Macht Religion blind?

Beitrag von Salome23 » Mi 11. Mär 2015, 10:47

Samantha hat geschrieben:Religion ist insofern gefährlich, dass sie den Menschen Hoffnung gibt und Versprechungen macht, die aber deswegen nicht göttlichen Ursprungs sein müssen.
Das sehe ich ähnlich wie du...
Aber könnte man seinen Glauben nicht einfach auch nur so leben, ohne auf etwas zu hoffen(z.B. Belohnung) und ohne sich auf eventuell schriftlich erwähnte Versprechungen(z.B. Heilung) zu stützen?
Ich meine damit in etwa, (einen)Gott und seine Nächsten einfach nur "lieben" und auch all das Religiöse dabei weg lassen ...
Seinen Lebenspartner(Eltern, Kinder) liebt man ja grundsätzlich auch einfach nur so, ohne ihn zu verehren und anzubeten etc. oder nur weil(wenn) er besondere Qualitäten aufweist...

ThomasM
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#7 Re: Macht Religion blind?

Beitrag von ThomasM » Mi 11. Mär 2015, 11:01

Samantha hat geschrieben:Religion ist insofern gefährlich, dass sie den Menschen Hoffnung gibt und Versprechungen macht, die aber deswegen nicht göttlichen Ursprungs sein müssen.
Insofern ist Religion notwendig.
Denn ohne Hoffnung ist das Leben nicht lebenswert, Hoffnungslosigkeit zerstört Leben.
Solange sich die Hoffnung auf das Diesseits beschränkt (mir geht es irgendwann einmal besser) können auch andere Weltanschauungen diese Hoffnung geben (mit denselben auch negativen Effekten wie bei Religion).
Aber der Tod ist die eine Grenze, hinter der letztlich nur die Religion Kraft und Hoffnung schenken kann.
Samantha hat geschrieben: Solange die Menschen für ihre Unzufriedenheit ein Ventil in Religionen suchen, wird der Staat die Menschen leichter kontrollieren können. Die Angst der Menschen wird ausgenutzt, und jeder hat Angst vor irgendetwas.
Wenn Religion ihre eigentliche Aufgabe erfüllt, dient sie als Mittel, um gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung zu kämpfen.
Das, wovon du sprichst, passiert nur, wenn die Herscher Kontrolle über die Religion bekommen. Es gibt genügend Beispiele, in denen Religion sich gegen die Herrscher wenden.
Samantha hat geschrieben: Es wäre doch bestimmt nicht weiter schwierig, etwas mehr für die Bildung und das Soziale zu tun, so dass ein Zusammenleben gewaltfreier ablaufen könnte, also weniger Kriminalität. Auch müssten wir in Zeiten der Automatisierung nicht mehr so viel arbeiten, weil wir damit nur Arbeitslose produzieren. Ein entsprechend gebildeter Mensch hat aber Ansprüche und durchschaut komplexe Zusammenhänge, braucht keine Religionen und wird fordern.
Gerade die gebildeten Menschen laufen sehr schnell in irgendwelche Weltanschauungs-Fallen.
Gerade die gebildeten Menschen fühlen die innere Leere, wenn sie sich nur auf das Diesseits konzentrieren.
Bildung hat weder etwas mit Religiosität noch mit der Ausnutzung der Menschen durch Religion zu tun.

Schau doch mal jenseits deiner Vorurteile in die Welt, wie es dort wirklich zugeht.
Samantha hat geschrieben: Die Macht der Kirche ist abhängig von den "Subventionen" des Staates, und die Kirche ist in meinen Augen nichts anderes als eine große Sparbüchse, die irgendwann angezapft wird, weil immer mehr Menschen sich von Religonen abwenden werden.
Die Subventionierung ist ein typisch deutsches Phänomen, das durchaus zu kritisieren ist. Das ist aber historisch begründet, nicht immanent.
Die Menschen wenden sich von traditionellen Religionen ab, aber neuen Religionen zu.

Religionsfrei ist praktisch niemand.

Gruß
Thomas
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ThomasM
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#8 Re: Macht Religion blind?

Beitrag von ThomasM » Mi 11. Mär 2015, 11:03

Salome23 hat geschrieben: Ich meine damit in etwa, (einen)Gott und seine Nächsten einfach nur "lieben" und auch all das Religiöse dabei weg lassen ...
Seinen Lebenspartner(Eltern, Kinder) liebt man ja grundsätzlich auch einfach nur so, ohne ihn zu verehren und anzubeten etc. oder nur weil(wenn) er besondere Qualitäten aufweist...
Das, was du als "das Religiöse" siehst, bedeutet einfach, eine Beziehung haben.
Eine Beziehung haben, heißt miteinander reden, aufeinander achten, etwas miteinander tun, usw.
Das ist bei Gott genauso, wie bei einem Partner.

Gruß
Thomas
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Samantha

#9 Re: Macht Religion blind?

Beitrag von Samantha » Mi 11. Mär 2015, 11:05

Salome23 hat geschrieben:Aber könnte man seinen Glauben nicht einfach auch nur so leben, ohne auf etwas zu hoffen(z.B. Belohnung) und ohne sich auf eventuell schriftlich erwähnte Versprechungen(z.B. Heilung) zu stützen?
Wie soll das gehen? In unserer Gesellschaft arbeitet man auch mit Belohnung und Strafe. Der Mensch möchte doch wissen, wofür er sich anstrengen soll. Der Lohn ist ein Beweis dafür, dass er das Richtige tut. Eine Religion, die nichts verspricht oder falsche Versprechungen macht, wird untergehen.


Ich meine damit in etwa, (einen)Gott und seine Nächsten einfach nur "lieben" und auch all das Religiöse dabei weg lassen ...
Das wäre schön, aber die Menschen brauchen dann möglicherweise einen kostspieligeren Ersatz.

Salome23
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#10 Re: Macht Religion blind?

Beitrag von Salome23 » Mi 11. Mär 2015, 11:16

Samantha hat geschrieben:
Salome23 hat geschrieben:Aber könnte man seinen Glauben nicht einfach auch nur so leben, ohne auf etwas zu hoffen(z.B. Belohnung) und ohne sich auf eventuell schriftlich erwähnte Versprechungen(z.B. Heilung) zu stützen?
Wie soll das gehen? In unserer Gesellschaft arbeitet man auch mit Belohnung und Strafe.
Der Mensch möchte doch wissen, wofür er sich anstrengen soll.
Versteh ich jetzt nicht so ganz mit dem "anstrengen" in Bezug auf Glaube und Liebe.
Gott oder einen nahestehenden Menschen liebt man doch um seiner selbst und nicht für das, was er tut oder nicht tut...
Oder man liebt, wenn man selber geliebt wird....oder liebt auch, wenn ein anderes Wesen einem nicht liebt....

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