Stille Agnostiker

Säkularismus
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Scrypt0n
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#131 Re: Stille Agnostiker

Beitrag von Scrypt0n » Fr 20. Mär 2015, 14:05

Novalis hat geschrieben:
Scrypt0n hat geschrieben:Was heißt das konkret; kannst du die "östliche Mystik" etwas spezifizieren?
"Ich und der Vater sind eins" :)
Was hat nichts mit östlicher Mystik zu tun; was fantasierst du dir hier zusammen? o.O

Novas
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#132 Re: Stille Agnostiker

Beitrag von Novas » Fr 20. Mär 2015, 14:29

Scrypt0n hat geschrieben:Was hat nichts mit östlicher Mystik zu tun

Ich selbst habe den Weg zur christlichen Mystik über den Zen-Buddhismus, den Taoismus und die Lehre der Nicht-Zweiheit (Advaita) gefunden, die typisch für die östlichen Lehren ist. Alle Weltreligionen und Lebensschulen weisen auf das EINE hin und Gott ist die Erfahrung dieses Einen.

Das was "Erleuchtung" genannt wird, ist eigentlich nichts anderes, als das Einwerden mit dem göttlichen Grund, die Vereinigung mit dem Einen. Dabei gibt es drei Aspekte der Lehre: 1. Die Tat (gutes und barmherziges sprechen und handeln - die ethische Ebene jeder Religion) 2. Erkenntnis (Des Selbst, der Welt und Gotteserkenntnis - die mystische Ebene) und 3. die liebende Hingabe und Anbetung des Höheren. Die Umsetzung der Erkenntnis im Alltag, als "erwachtes" Leben im Geist der Liebe und Wahrheit.

Im Yoga werden diese drei Ebenen, als die Lehre des "Karma" (der rechten Tat), als "Bhakti (hingebungsvolle Liebe) und "Jhana"-Yoga bezeichnet (des rechten Wissens). Des gleichen Schemas bedient sich Buddha, wenn er vom edlen achtfachen Pfad spricht. Und wenn wir in der christlichen Lehre nachschauen, finden wir das auch alles. David Steindl-Rast sagte es ganz passend: "Keine Religion ist die Alleinseligmachende, weder Christentum, noch Hinduismus oder Buddhismus. Aber sie alle führen zu dem Alleinseligmachenden hin, das tiefer liegt als alle Religionen und Traditionen."
http://www.advaita-journal.de/de/volume ... te-mystik/
Das nur als Anriss - mehr braucht es hier nicht zu diesem Thema.

Novas
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#133 Re: Stille Agnostiker

Beitrag von Novas » Sa 21. Mär 2015, 00:31

Pluto hat geschrieben:Im Englischen gibt es den Begriff: sitting on the fence, der so viel bedeutet wie "auf dem Zaun zu sitzen". Man weiß nicht ob, oder in welcher Richtung man springen soll.
Das charakterisiert den Agnostiker (IMO) sehr gut, und bestätigt deine Aussage.

Rein praktisch gesehen, haben Agnostiker ein diplomatisches Temperament. Sie führen lieber ein geistreiches Gespräch, als sich im ideologischen Zwist zu verlieren. Das ist eher ein Zeichen von Vernunft. Warum sollte man sich in religiösen Fragen einseitig für oder gegen etwas entscheiden?

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Halman
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#134 Re: Stille Agnostiker

Beitrag von Halman » Mo 23. Mär 2015, 22:51

Bezieht sich der Agnostizismus nur auf die Frage nach der Erkenntnisfähigkeit über Götter, oder ist er allgemeiner? Die Forumlierung in Wikipedia erlaubt eine umfassendere Interpretation dieses Weltbildes, welche ich als philosophische Weltanschauung verstehe.

Interessant finde ich die Varianten des Agnostizismus. Ich vermute stark, dass die meisten Agnostiker jene Leute sind, die auf die Frage nach Gott unwissend die Schultern zucken und auf die Frage, ob der Mensch es denn überhaupt ergründen kann, würden die Meisten von ihnen vermutlich abermals die Schultern zucken. Falls ich damit richtig liege, so vertritt die Mehrheit einen offenen bzw. schwachen Agnostizismus. Zwar wird die Erkenntnisfähigkeit über Gott/Götter temporal verneint, doch wird offen gelassen, ob dies irgendwann mal anders sein könnte. Ein solcher Agnostiker ist für Argumente offen und prüft gewissermaßen seinen Agnostizismus auf Aktualität.

Der früheste mir bekannte Vertreter des Agnostizismus ist der für seine Geometrie berühmte Philosoph Protagoras (5. Jh. v. Chr.). Er formulierte Wikipedia zufolge in Ich-Form, weshelb ich dazu tendiere, ihn als weichen Agnostiker zu sehen.
Zitat aus Wikipedia (Link s. o.):
„Über die Götter allerdings habe ich keine Möglichkeit zu wissen, weder, dass sie sind, noch, dass sie nicht sind, noch, wie sie etwa an Gestalt sind; denn vieles gibt es, was das Wissen hindert: die Nichtwahrnehmbarkeit und dass das Leben des Menschen kurz ist.“

Der starke Agnostizismus ist hingegen sehr absolut und verneint die Erkenntnis über Gott/Götter vollkommen. Kein Mensch kann jemals eine Erkenntnis darüber erlangen.
Bei dieser [philosophischen] Weltsicht frage ich mich, woher der starke Agnostiker dies wissen will. An dieser Stelle erinnere ich an meinen kleinen Ausflug in die klassische Philosophie. Sind harte Agnostiker moderne Vertreter des akademischen Skeptizismus?

Die konsequenteste Form des Skeptizismus scheint mir die pyrrhonische von Sextus Empricius zu sein. Was haltet ihr von dieser Weltsicht?

In meinen Buch "Gott oder Zufall" werden auch die "Glaubenssysteme" vorgestellt, darunter auch der Agnostizismus (ich hätte anstatt "Glaubenssysteme" lieber "Weltanschauungen" gesagt, denn Glauben ist nun mal kein allgemeines Merkmal einer Weltsicht.)
In diesem Buch wird auch auf Thomas Henry Huxley Bezug genommen (s. Wikipedia). Darin heißt es:
Zitat aus "Gott oder Zufall" (Seite 60):
Thomas Henry Huxley prägte 1869 bei einer Feier anlässlich der Gründung der kurzlebigen Metaphysischen Gesellschaft den Begriff »Agnostizismus«, den er angeblich einer Bibelpassage des heiligen Paulus entnommen habe, als dieser den Altar des »Unbekannten Gottes« in der Apostelgeschichte 17,23 erwähnt. ... Man hat schnell erkannt, dass der Agnostizismus eine Fassade sein konnte. In neun von zehn Fällen ist der Agnostizismus im weiteren Sinn letzlich ein Atheismus.
Was meint ihr zu dieser Aussage? Sind wirklich 90% der Agnostiker agnostische Atheisten? Wenn das stimmt, dann wären in der Tat die "richtigen" Agnostiker in der Minderheit (ca. 120 Millionen weltweit) und es gäbe über eine Milliarde Atheisten auf der Welt.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#135 Re: Stille Agnostiker

Beitrag von Pluto » Mo 23. Mär 2015, 23:23

Halman hat geschrieben:Was meint ihr zu dieser Aussage? Sind wirklich 90% der Agnostiker agnostische Atheisten? Wenn das stimmt, dann wären in der Tat die "richtigen" Agnostiker in der Minderheit (ca. 120 Millionen weltweit) und es gäbe über eine Milliarde Atheisten auf der Welt.
Die Weltanschauung eines Agnostikers sollte genau zwischen zwei Extremen stehen: Einerseits dem harten Atheismus, und andererseits dem streng gläubigen Menschen, der fest von er Existenz eines persönlichen Gottes überzeugt ist.

In der Praxis ist es natürlich so wie du sagst, und so wie ich es als Agnostiker empfinde.
Der Agnostiker ein schwacher Atheist ist, der nicht bereit ist, Gott kategorisch zu verneinen weil es schlichtweg nicht beweisbar ist, weder so noch so.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#136 Re: Stille Agnostiker

Beitrag von closs » Mo 23. Mär 2015, 23:27

Pluto hat geschrieben:der nicht bereit ist, Gott kategorisch zu verneinen weil es schlichtweg nicht beweisbar ist
Wie kann man eigentlich Gott NICHT ausschließen, wenn man Materialist ist?

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#137 Re: Stille Agnostiker

Beitrag von Pluto » Mo 23. Mär 2015, 23:42

closs hat geschrieben:Wie kann man eigentlich Gott NICHT ausschließen, wenn man Materialist ist?
Als Naturalist und Humanist habe ich keine Ahnung.
Da müsstest du einen Materialisten fragen.

Ich schließe Gott nicht aus, halte seine Existenz aber für sehr unwahrscheinlich.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#138 Re: Stille Agnostiker

Beitrag von closs » Di 24. Mär 2015, 00:43

Pluto hat geschrieben:Da müsstest du einen Materialisten fragen.
Moment: Wie kann ein Naturalist KEIN Materialist sein? ("Materialist" im philosophischen Sinne)

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#139 Re: Stille Agnostiker

Beitrag von Pluto » Di 24. Mär 2015, 09:54

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Da müsstest du einen Materialisten fragen.
Moment: Wie kann ein Naturalist KEIN Materialist sein? ("Materialist" im philosophischen Sinne)
Der Naturalismus ist die Auffassung, dass die Welt als rein naturhaftes Geschehen zu begreifen ist.
Z. Bsp. lässt der Naturalismus die Entstehung einer Seele mit Bewusstseinszuständen zu, weil sie in der Natur offenbar vorkommen.
Der Materialismus lässt solche immateriellen Dinge beiseite und hat dafür keine Erklärung.

Der Naturalismus ist also viel breiter definiert als der Materialismus.

Beispiel:
Immanuel Kant würde man wohl nicht zu den Materialisten zählen.
Bei dem jungen Kant sind aber stark naturalistische Züge erkennbar, während er in seinem späteren Werk sich eher einem erkenntnisbasierten Idealismus zuwendet.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#140 Re: Stille Agnostiker

Beitrag von closs » Di 24. Mär 2015, 11:31

Pluto hat geschrieben:Z. Bsp. lässt der Naturalismus die Entstehung einer Seele mit Bewusstseinszuständen zu
Wäre diese Seele spirituell oder materialistisch definiert?

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