Flüchtlinge und die Liebe

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erbreich
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#1 Flüchtlinge und die Liebe

Beitrag von erbreich » Mi 23. Sep 2015, 13:47

Gedanken zum Thema Flüchtlinge und die Liebe:

Wenn mir die Liebe fehlt



Ich weiss nicht,
was Liebe ist
aber ich fühle den Schmerz,
wenn sie mir fehlt.
Komm,
sei wenigstens mein Feind
spricht die Enttäuschung,
die keine Liebe findet.
Ich weiss nicht,
was Liebe ist
aber ich fühle den Schmerz,
wenn sie mir fehlt.

Unsere besitzergreifende Perversion von Liebe will sich nicht bewusst sein, dass der Flecken Erde, auf dem wir leben, nicht uns alleine gehört, ja recht eigentlich niemandem und damit allen gehört. Es ist vollkommen natürlich, menschlich und sehr verständlich, dass Menschen migrieren. Auch ich würde migrieren, wenn mir hier an meinem Lebensort ein menschenwürdiges Dasein unmöglich schiene.

Wer ist es, der dem Menschen das Recht zur freien Bewegung auf dem Globus absprechen will? Und dies mit Liebe begründet: Mit Liebe zum Vaterland, zum Volk, zur Familie, zur Kultur, zur Religion. Eine solche sondernde, wählende, ausschliessende Liebe ist aber in ihrem Innersten Angst, nicht Liebe. Und sie erzeugt genau das, wovor sie sich so sehr fürchtet: Abneigung, Widerwillen, Hass und Feindschaft.

Wo Migranten nicht auf mitfühlendes Verständnis treffen, auf echte Annahme, Aufnahme und Liebe, da reisst eine riesige Enttäuschung eine tiefe, schmerzliche Wunde in ihre Herzen und wenn auch sie nicht imstande sind, auf erlebten Schmerz mit Mitgefühl und Liebe zu reagieren, dann regieren schliesslich Angst und Feindschaft auf beiden Seiten.

Das einzige, was beide Seiten dann noch erleben, ist der bodenlose abgründige Schmerz fehlender Liebe. Da wir aber uns unmöglich aus dem menschlichen und kosmischen Beziehungsgefüge herauslösen und herausisolieren können, und da wir auch unser tiefes, echtes menschliches Bedürfnis nach Beziehungserleben nicht einfach abtöten können, erwählen wir die Feindschaft als die uns vermeintlich einzig mögliche Bindung. Wohlverstanden: Es handelt sich hierbei um eine Bindung, nicht um eine Lösung!

Die Liebe nur zu kennen als schmerzvolles Ermangeln ihres Erlebens und schliesslich sich enttäuscht für feindselige emotionale Bindungen zu entscheiden um eben doch immerhin in Beziehungen zu leben, das ist die eigentliche menschliche Tragödie.

In einem wunderbaren Essay beschrieb der buddhistische Mönch Nyanaponika die Liebe wie folgt:

Liebe (mettā)

Liebe, die nicht besitzen will, weil sie weiß, dass es in Wirklichkeit keinen Besitz und keinen Besitzer gibt, das ist die höchste Liebe.
Liebe, die nicht "Ich" sagt, weil sie das "Ich" als Täuschung weiß (anatta).
Liebe, die nicht sondert, wählt und ausschließt, wohl wissend, dass sie damit nur ihren Gegensatz erzeugt: Missgunst, Abneigung, Widerwillen und Hass.
Liebe, die alle Lebewesen umfasst: kleine, große, ferne und nahe, die Bewohner der Erde, des Wassers und der Luft.
Liebe, die alle Wesen umfasst: die edel gesinnten die niedrig gesinnten, die guten und die nicht-guten. Die Edlen und die Guten umfasst sie, weil zu ihnen die Liebe zwanglos strömt. Die Niedriggesinnten und die Nicht-Guten umfasst sie, weil sie der Liebe am meisten bedürfen. In vielen von ihnen mag der Keim des Guten verkümmert sein, weil ihm die Wärme fehlte zu seinem Gedeihen, weil er in liebloser Umwelt erfror.
Liebe, die alle Wesen umfasst, wohl wissend, dass sie alle unsere Weggefährten sind auf der Weltenwanderschaft, Genossen unseres Leidens. Gemeinsames Erleiden ist ein starkes Band unter den Wesen.
Liebe - doch nicht jene verzehrende, brennende Glut der Sinne, die mehr Wunden zufügt als heilt; die jetzt aufflackert, im nächsten Augenblick verlischt und nur umso stärkere Kälte zurück lässt.
Liebe vielmehr, die wie eine milde und doch starke Hand auf den leidenden Wesen ruht, stets sich selber gleich, ohne Schwanken, unbeirrt, welche Erwiderung sie findet. Erquickende Kühlung dem, der in des Leidens und der Leidenschaften Flammen brennt. Belebende Wärme dem, den die Kälte der Verlassenheit angerührt hat, der im Frost einer lieblosen Welt erzittert, dessen Herz leer geworden ist über Hilferuf und Verzweiflung.
Liebe, die eine wissende, verstehende, helfende Güte ist, Liebe, die Kraft ist und Kraft gibt - das ist die höchste Liebe.
"Befreiung des Herzens" nannte der Erhabene die Liebe.
"Erhabenste Schönheit" nannte der Erhabene die Liebe.
Und was ist die höchste Tat der Liebe?
Den Wesen durch Tat und Wort den Weg der Leidbefreiung zu zeigen, wie er gewiesen, gegangen und vollendet wurde von Ihm, dem Erhabenen, dem Buddha.

Mögen wir eine solche bedingungslose Liebe im menschlichen Miteinander Wirklichkeit werden lassen!

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