Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

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Savonlinna
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#111 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von Savonlinna » Sa 14. Nov 2015, 11:42

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Dann schrauben wir also auch bei dem Wort "Gott" die ratio auf Null herab, um zu erfassen, was mit "Gott" gemeint ist.
Ja - das muss der Weg sein. - Alles andere wäre Rezeptions-Geschiebe.

Savonlinna hat geschrieben:Was also ist "Gott", bevor ich es sprachlich benenne?
Davon abgesehen, dass ich Dir hier nur mit Sprache antworten kann:

"Gott" ist Chiffre dafür, dass das Dasein nicht sein eigener Anfang und sein eigenes Ende ist, also aus "etwas" ist und in "etwas" aufgehoben wird. - Meine persönlich knappste und nüchternste Definition für "Gott" ist: Aufhebung der Dialektik.

Ich wollte keine Definition. Definieren kann jeder, was er will. Ich kann definieren, dass closs homosexuell ist. Na, und? Ist er es dadurch, dass ich ihn so definiert habe?

Ich fragte nach dem, was ein Teich ist, bevor er mit einem Begriff benannt wird: also nach dem Vorbegrifflichen.
Du hast ja bestätigt, wie wichtig das ist, das Vorbegriffliche zu erfassen.
Warum also definierst Du nun, was garantiert kein Vorbegriffliches ist?

So hilflos dem Wort "Gott" gegenüber wie Dich habe ich noch keinen Theologen getroffen.
Du weißt nicht, was mit Gott gemeint ist, das scheint mir der Punkt zu sein.
Du weißt nicht um Gott.

Statt dass du die ratio auf Null schraubst, schraubst Du sie auf 110 Prozent, um das innere Nicht-Wissen zu übertönen.

closs
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#112 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von closs » Sa 14. Nov 2015, 14:59

Savonlinna hat geschrieben:Ich wollte keine Definition.
Wie kann man Deiner Ansicht nach überhaupt kommunizieren? - Wenn ich sagen würde, ich empfinde Gott als Aufhebung der Dialektik (was in der Tat der Fall ist - ich empfinde es wirklich so in meiner abstrakten Art der Wahrnehmung) - wäre dies für Dich etwas anderes?

Savonlinna hat geschrieben:Du hast ja bestätigt, wie wichtig das ist, das Vorbegriffliche zu erfassen.
Ja - aber dieses Erfasste muss man dann trotzdem formulieren, um zu kommunizieren. - Mein Vorbegriffliches von Gott ist etwas, das sich in obiger Weise formulieren lässt.

Es lässt sich auch anders fomulieren - etwa: "Ich spüre innerlich, dass 'Gott' das ist, aus dem ich komme und in das ich gehe". - Ist das aus Deiner Sicht eine Definition oder ein kommuniziertes Vorbegriffliches?

Anton B.
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#113 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von Anton B. » Sa 14. Nov 2015, 15:18

Savonlinna hat geschrieben:So hilflos dem Wort "Gott" gegenüber wie Dich habe ich noch keinen Theologen getroffen.
Du weißt nicht, was mit Gott gemeint ist, das scheint mir der Punkt zu sein.
Du weißt nicht um Gott.

Statt dass du die ratio auf Null schraubst, schraubst Du sie auf 110 Prozent, um das innere Nicht-Wissen zu übertönen.
Und die "Ratio auf Null zu schrauben" ist aus Glaubenssicht auch völlig legitim. Die RKK z.B. (einfach nur als Beispiel) macht das auch, indem sie bezüglich mancher "Phänomene" bewusst von "Mysterien" spricht. Ohne das jetzt als Mitglied dieser Denomination verteidigen zu wollen, aber das ist möglicher Weg. Natürlich wird dann manch einer mit Häme auf die mangelnde Rationalität und Begründung hinweisen, aber es ist ehrlich.

Wer jedoch nicht glauben kann oder will, sondern im philosophischen Sinne "wissen" möchte, dem wird es lange nicht genügen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Andreas
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#114 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von Andreas » Sa 14. Nov 2015, 16:19

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich wollte keine Definition.
Wie kann man Deiner Ansicht nach überhaupt kommunizieren? - Wenn ich sagen würde, ich empfinde Gott als Aufhebung der Dialektik (was in der Tat der Fall ist - ich empfinde es wirklich so in meiner abstrakten Art der Wahrnehmung) - wäre dies für Dich etwas anderes?

Savonlinna hat geschrieben:Du hast ja bestätigt, wie wichtig das ist, das Vorbegriffliche zu erfassen.
Ja - aber dieses Erfasste muss man dann trotzdem formulieren, um zu kommunizieren. - Mein Vorbegriffliches von Gott ist etwas, das sich in obiger Weise formulieren lässt.

Es lässt sich auch anders fomulieren - etwa: "Ich spüre innerlich, dass 'Gott' das ist, aus dem ich komme und in das ich gehe". - Ist das aus Deiner Sicht eine Definition oder ein kommuniziertes Vorbegriffliches?
Mit dem Geblauten sagst du selbst, dass du ZUERST etwas spürst, was DANN in Worte gefasst wird. Du bist damit selbst einer von diesen 100.000 Leuten unten und widerlegst damit, diese unten von dir geäußerte Auffassung:
closs hat geschrieben:Bei Theologie sagt man dagegen NICHT: "Wir beobachten mal 100.000 Leute und schließen daraus, was "Gott" ist", sondern man setzt Gott und interpretiert die Welt auf Basis dieser Setzung.
Die Setzung "was Gott ist" ist aus den beobachteten Erfahrungen der Menschen hergeleitet, so wie du es oben bei dir selbst beschrieben hast.

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Savonlinna
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#115 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von Savonlinna » Sa 14. Nov 2015, 16:39

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich wollte keine Definition.
Wie kann man Deiner Ansicht nach überhaupt kommunizieren? - Wenn ich sagen würde, ich empfinde Gott als Aufhebung der Dialektik (was in der Tat der Fall ist - ich empfinde es wirklich so in meiner abstrakten Art der Wahrnehmung) - wäre dies für Dich etwas anderes?
Da wäre dann zumindest das Wort "empfinden" dabei, was mir ermöglicht, einen Menschen dahinter zu spüren und nicht eine Maschine, die so tut, als seie sie außerhalb des Universums. Bislang hast Du mir regelmäßig das Wort "wahrnehmen" vorgeworfen, weil das ja "anthropozentrisch" sei.

Offene Frage wäre jetzt, was Du mit "Aufhebung der Dialektik" meinst.
Meinst Du damit, dass die Gegensätze dann keine Gegensätze mehr sind? Das wäre nämlich wirklich auch meine "Wahrnehmung": dass also im Zustand des "Andersseins" - so nenne ich mal die Form der Wahrnehmung, wenn man durch die Musik z.B. sich in einem ganz neuem Raum befindet - Werden und Sein vor allem nur verschiedene Sichtweisen sind, in Wirklichkeit keine Gegensätze sind.

Du hattest aber so klar und empört von Dir gewiesen, dass man nicht sagen könne, dass Gott entweder sei oder nicht sei (tertium non datur)- dass ich überzaugt war, Du hast null Ahnung von einer Logik jenseits unserer rationalen.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du hast ja bestätigt, wie wichtig das ist, das Vorbegriffliche zu erfassen.
Ja - aber dieses Erfasste muss man dann trotzdem formulieren, um zu kommunizieren. - Mein Vorbegriffliches von Gott ist etwas, das sich in obiger Weise formulieren lässt.
Immerhin sagst Du jetzt nicht mehr, dass Du es definierst. "Dialektik" ist aber ein hochrationaler Begriff, alles andere als vorbegrifflich.
Für mich wäre eine Erklärung des Vorbegrifflichen z.B.: dass eben die Begriffe nicht mehr funktionieren, die zum Beispiel Werden und Sein voneinander trennen. Wir sind gleichzeitig ewig und gleichzeitig jede Sekunde anders. Wir sind gleichzeitig immer im Werden und dennoch unbeweglich.
Darüber könnte ich jetzt mehrere Seiten schreiben, weil das eine meiner Grunderfahrungen ist, auch wenn es mir oft nicht gelingt, es abzurufen.
Aber Du wirst sofort wieder lästern, dass "Erfahrungen" ja bloß anthropozentrisch seien.

closs hat geschrieben:Es lässt sich auch anders fomulieren - etwa: "Ich spüre innerlich, dass 'Gott' das ist, aus dem ich komme und in das ich gehe". - Ist das aus Deiner Sicht eine Definition oder ein kommuniziertes Vorbegriffliches?
Auch hier ist das Wort "spüren" enthalten, und darum kann es keine Definition sein. :Herz:

Trotzdem ist noch offen, in was Du denn gehst, wenn Du in Gott hinein gehst.
Aber damit lasse ich Dich für heute in Ruhe. :)

closs
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#116 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von closs » Sa 14. Nov 2015, 16:45

Andreas hat geschrieben:Mit dem Geblauten sagst du selbst, dass du ZUERST etwas spürst, was DANN in Worte gefasst wird. Du bist damit selbst einer von diesen 100.000 Leuten unten
Welchen Sinn macht dann noch der Unterschied zwischen "induktiv" und "deduktiv" außer im methodischen Kontext? Denn da es niemanden gibt, der aus etwas anderes wahrnimmt als aus sich selbst, erübrigt sich dann die ganze Diskussion.

Wie würdest Du sprachlich unterscheiden,
a) ob jemand 100.000 Schwäne anguckt und daraus die allgemeine Aussage entwickelt "Alle Schwäne sind weiss", und
b) ob jemand aus eigener Erkenntnis auf den Trichter kommt, dass es eine Dialektik gibt, die logisch zwingend erscheinen lässt, dass es Gott gibt, und daraus Schlussfolgerungen auf Einzelfälle zieht.

???

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#117 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von closs » Sa 14. Nov 2015, 17:01

Savonlinna hat geschrieben:Bislang hast Du mir regelmäßig das Wort "wahrnehmen" vorgeworfen, weil das ja "anthropozentrisch" sei.
Nee - nee - nee. :lol:

Da der Mensch nichts anderes kann, als wahrnehmen, wäre dieser Vorwurf albern. Mein Ansinnen war, dass man Wahrgenommenes nicht anthropozentrisch verstehen soll.

Savonlinna hat geschrieben:Meinst Du damit, dass die Gegensätze dann keine Gegensätze mehr sind?
In höherer Dimension keine Gegensätze mehr sind - richtig. - Das kann man logisch einfachst nachweisen.

Savonlinna hat geschrieben:Du hattest aber so klar und empört von Dir gewiesen, dass man nicht sagen könne, dass Gott entweder sei oder nicht sei (tertium non datur)
Das kommt mir sehr fremd vor - zur Klarstellung: Gott "ist" oder er "ist-nicht" - tertium non datur. - Wie bei Schwangerschaften. ;)

Savonlinna hat geschrieben: "Dialektik" ist aber ein hochrationaler Begriff, alles andere als vorbegrifflich.
Es ist eine geistige Technik, um mit Vorbegrifflichem umzugehen.

Savonlinna hat geschrieben:dass eben die Begriffe nicht mehr funktionieren, die zum Beispiel Werden und Sein voneinander trennen. Wir sind gleichzeitig ewig und gleichzeitig jede Sekunde anders. Wir sind gleichzeitig immer im Werden und dennoch unbeweglich.
Das könnte man aus meiner Sicht dialektisch unterschreiben - weil man dann das "Werden" und "Sein" als Dasselbe auf unterschiedlichen Ebenen versteht.

Savonlinna hat geschrieben:Aber Du wirst sofort wieder lästern, dass "Erfahrungen" ja bloß anthropozentrisch seien.
Nochmals: Jede Erfahrung ist "anthropozentrisch". - Die Frage ist, ob man den Inhalt der Erfahrungen anthropozentrisch oder theozentrisch interpretiert - diesbezüglich habe ich gemault.

Savonlinna hat geschrieben:Trotzdem ist noch offen, in was Du denn gehst, wenn Du in Gott hinein gehst.
In meine höchst-mögliche Existenz-Ebene - und schon sind wir wieder bei der Dialektik. - Undialektisch wird dies christlich formuliert als "Pax et Lux" oder "Visio Beatifica".

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Andreas
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#118 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von Andreas » Sa 14. Nov 2015, 17:04

Kurt hat geschrieben:b) ob jemand aus eigener Erkenntnis auf den Trichter kommt, dass es eine Dialektik gibt, die logisch zwingend
Wie stellst du dir denn b) eigentlich konkret vor? Wie sollte derjenige der "Gott" gesetzt hat, überhaupt auf diese Idee gekommen sein? Während er sich gerade ein Stück Mammutfleisch zwischen seinen Zähnen heraus fummelte, schoss ihm "aus eigener Erkenntnis" plötzlich die Idee des einen absoluten Gottes in dem alle Dialektik aufgehoben ist durch den Kopf? Das halte ich nicht für glaubwürdig.

Gott hat sich nach und nach offenbart. Meiner Meinung nach war das ein langer wechselseitiger Prozess verschiedenster menschlicher Erfahrungen und des Nachdenkens darüber, in welchem sich religiöse Vorstellungen und Gottesbilder im Lauf der Jahrtausende entwickelt haben - vom Einfachen und Konkreten bis zu den Abstrakten Vorstellungen von heute hin. Die monotheistischen Gottesbilder sind erst relativ spät entstanden.

Dass die Gottesbilder insofern "menschengemacht" sind, tut der Glaubenssache in meinen Augen keinen Abbruch, weil sich Gott den Menschen nur innerhalb ihrer erfahrbaren Welt offenbaren kann.

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#119 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von Savonlinna » Sa 14. Nov 2015, 17:16

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du hattest aber so klar und empört von Dir gewiesen, dass man nicht sagen könne, dass Gott entweder sei oder nicht sei (tertium non datur)
Das kommt mir sehr fremd vor - zur Klarstellung: Gott "ist" oder er "ist-nicht" - tertium non datur. - Wie bei Schwangerschaften. ;)
Ja, das, was ich geblaut habe, hattest Du behauptet. Und das ist Müll. Zeigt mir also dann doch, dass Du nichts vom Vorbegrifflichen verstehst.
Ich habe mich zu früh gefreut.

Alles, was Du jetzt wieder erzählst, zeigt Deine Klammerung an irgendwelche Begriffe.

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#120 Re: Wie führt Wahrnehmung zu Erkenntnis?

Beitrag von closs » Sa 14. Nov 2015, 17:18

Andreas hat geschrieben:Das halte ich nicht für glaubwürdig.
Ich schon. - Es muss irgendwann in der Menschheitsgeschichte der Punkt gekommen sein, an dem der Mensch erstmals über sich selbst hinausgedacht hat.

Andreas hat geschrieben:Gott hat sich nach und nach offenbart.
Natürlich - kein Widerspruch.

Vielleicht kann man es im Bild sehen wie ein wassergefüllter Krater, in den immer wieder ein Stein hineingeworfen wird: Irgendwann gibt es DEN Stein, der nicht versinkt, sondern auf der Oberfläche sichtbar ist. - Ohne seine Vorgänger könnte er nicht sichtbar sein - er ruhlt auf ihnen.

Andreas hat geschrieben:Dass die Gottesbilder insofern "menschengemacht" sind, tut der Glaubenssache in meinen Augen keinen Abbruch, weil sich Gott den Menschen nur innerhalb ihrer erfahrbaren Welt offenbaren kann.
Absolut richtig - so sehe ich es auch. - Was aber nicht heisst, dass die Couleur der eigenen Wahrnehmung gleichzusetzen wäre mit "Fantasie" oder "Erfindung" - so wird es hier manchmal dargestellt.

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