Warum haben wir ein Weltbild?

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Novas
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#11 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Novas » Mo 9. Mai 2016, 22:06

Pluto hat geschrieben:Hat denn ein Baum oder ein Regenwurm oder ein Dinosaurier ein Weltbild

Das ist eine wichtige Frage, lieber Pluto. Ich denke, dass potentiell unendlich viele Versionen der Welt wahrgenommen werden können, immer abhängig von dem wahrnehmenden Bewusstsein (was die Gespräche hier sehr deutlich zeigen :) ). Ich stimme der Aussage von Eckhart Tolle zu, die er in seinem bekannten Werk „The Power of Now“ formulierte: „Jedes Wesen ist ein Brennpunkt von Bewusstsein und jeder dieser Brennpunkte erschafft seine eigene Welt, obwohl alle diese Welten miteinander verbunden sind. Es gibt eine Menschenwelt, eine Ameisenwelt, eine Delphinwelt und so weiter….
weil ich das glaube begegne ich auch allen Wesen - jedem Baum, jedem Regenwurm, jeder Ameise, jedem Delphin und jeder Honigbiene - mit einer gewissen Achtung. Sie sind unsre Mit-Geschöpfe, die mit uns gemeinsam teilhaben am Heiligen Geist, der die ganze Schöpfung durchwirkt und durchweht. Hier ein Hinweis auf die Bibel:

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer und es war finster auf der Tiefe. Und der Geist Gottes (in der hebräischen Sprache ist das hier benutzte Wort ein Femininum: „ruach“, die Geistin) schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: es werde Licht!“

So fängt die Bibel an. 1. Mos. 1,1-3. Und hier schon ist vom Geist Gottes die Rede. Vor Beginn allen Lebens und allen lebendigen Seins ist er da: Der Geist Gottes, durchwirkt vom Anbeginn der Welt an alles Leben. Und seine Wirkkraft ist gebunden an das Wort: „Und Gott sprach.“ Durch das gesprochene Gotteswort wird die Macht seines Geistes dingfest gemacht. Er nimmt Form an. Wird wahrnehmbar und erfahrbar. Er wird spürbar als geheimnisvolle Schöpferkraft und Lebensenergie. So weht der Geist Gottes durch die ganze Schöpfung, er macht lebendig: Frühling, Farbenpracht, wundervolle Schöpfung, Vögel, Fische, Tiere, Menschen, alles, was lebt, ist durchwirkt von Gottes Geist, der Leben schafft und Lebendigkeit.

Sozusagen ist die ganze Schöpfung der Raum, in dem Gottes Geist Wohnung nimmt. Einerseits tut Gottes Geist das sehr konkret als die Lebenskraft, die in allem Lebendigen steckt. Andererseits bleibt Gottes Geist dabei aber „anonym“. Überall, ohne konkrete Zuweisung zu bestimmten Lebewesen, einzelnen Menschen oder Naturereignissen, nimmt Gottes Geist als Lebenskraft Raum ein in der Welt. –

http://www.predigtpreis.de/predigtdaten ... 72425.html
Zuletzt geändert von Novas am Mo 9. Mai 2016, 22:22, insgesamt 1-mal geändert.

Salome23
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#12 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Salome23 » Mo 9. Mai 2016, 22:18

Savonlinna hat geschrieben: Wenn mir auf der Straße jemand über die Rübe haut, muss ich das einordnen, sonst werde ich zum Misanthropen.
Zu einem Misanthrop wird man nicht dadurch, dass man einmalig eine auf die Rübe bekam, da steckt schon mehr dahinter.

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#13 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Savonlinna » Mo 9. Mai 2016, 22:25

Salome23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Wenn mir auf der Straße jemand über die Rübe haut, muss ich das einordnen, sonst werde ich zum Misanthropen.
Zu einem Misanthrop wird man nicht dadurch, dass man einmalig eine auf die Rübe bekam, da steckt schon mehr dahinter.
Du verstehst meinen Humor nicht. :D
Aber was ich ingesamt sagen wollte, hast Du verstanden?

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#14 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Salome23 » Mo 9. Mai 2016, 22:32

Savonlinna hat geschrieben:
Salome23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Wenn mir auf der Straße jemand über die Rübe haut, muss ich das einordnen, sonst werde ich zum Misanthropen.
Zu einem Misanthrop wird man nicht dadurch, dass man einmalig eine auf die Rübe bekam, da steckt schon mehr dahinter.
Du verstehst meinen Humor nicht. :D
Aber was ich ingesamt sagen wollte, hast Du verstanden?
Aber sicher doch :thumbup:

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#15 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Bastler » Di 10. Mai 2016, 08:22

Pluto hat geschrieben:Wozu haben Menschen überhaupt ein Weltbild. Führt das nicht zu Auseinandersetzung bis hin zum Krieg, wenn Fanatiker aufgrund ihrer ideologischen Weltbilder sich streiten?

Ist ein Weltbild fürs Überleben notwendig? Wozu brauchen wir das dann überhaupt?
Haben wir überhaupt eine Wahl?
Ich kenne mich gar nicht anders. Ich hatte immer schon ein Weltbild.
Von frühester Kindheit habe ich mich mit meinen Eltern und meiner Schwester darüber gestritten - Konflikte gab es diesbezüglich zu Hauf. Denn alle anderen Menschen, die mir begegnet sind, hatten auch ein Weltbild, und zwar unverschämterweise ein anderes.

Die Folge von Weltbildern ist wohl tatsächlich, dass es unausweichlich Weltbildkonflikte gibt. Aber muss man diese Konflikte zwangsläufig als etwas Schlechtes sehen? Die positive Kehrseite dieser Konflikte ist, dass sie den Zündstoff für interessante Auseinandersetzungen bilden. Ein Problem entsteht erst dann, wenn es Menschen nicht lernen, solche Konflikte sinnvoll, interessant, fruchtbar und belebend zu führen.

Fanatiker zum Beispiel legen die Welt auf ein einziges Weltbild fest, und zwar ihr eigenes. Dieses Weltbild soll dann das ultimativ richtige und gute sein. Das Weltbild eines Fanatikers kann sogar recht differenziert, ja, sogar menschenfreundlich sein. Aber diese Festlegung, diese Sturheit, dieser Röhrenblick, der nur die eigene Sichtweise ermöglicht!
Fanatiker ersetzen
die lebendige Auseinandersetzung über Weltbildfragen auf inhaltlicher Ebene
durch eine starre Festlegung auf ihr eigenes Weltbild.

Und damit rutschen die Auseinandersetzungen von der inhaltlichen Ebene hin zur Kampfebene. Da kommen die Argumente als Totschlagargumente. Und manchmal bleibt es eben nicht bei Totschlag-Argumenten.

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#16 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Lena » Di 10. Mai 2016, 11:21

janosch hat geschrieben: Weil dieses "Weltbild" (microkosmos) was man hat, die eigene Zukunft formt. Ich könnte sagen jeder strebt nach seinen Verheißungen, für ein besseres, als das was dieses Weltbild verspricht. Und dafür kämpft jeder mit den Mitteln, die er hat. Wenn das mehr als nur eine Idee ist, dann wird es zu einer Ideologie, die man fest vor den Augen hält und andere Gleichgesinnte mitreist, was auch zu Kriege führen kann.

Beim Dienen besteht nicht so grosse Gefahr ;).

Und er setzte sich und rief die Zwölf und sprach zu ihnen: Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Diener.
Mark. 9,35
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
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#17 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Pluto » Di 10. Mai 2016, 11:46

Savonlinna hat geschrieben:Kühe haben also offenbar schon Vorlieben; keiner der anderen Kühe hat sich von der Musik berührt gezeigt.
Das könnte man vielleicht schon als "Weltbild" bezeichnen. In ihre Welt gehörte auch die Musik, die anderen wollten nur fressen.
Vorlieben sind keine Weltbilder. Bestenfalls sind sie Vorläufer davon.

Savonlinna hat geschrieben:Keiner von uns benötigt ein Weltbild, sondern unsere begrenzte Sicht zwingt uns ein begrenztes Bild von der Welt auf.
Meine Freundin, die von ihrem Stiefvater als Kind vielfach vergewaltigt wurde, hat notgedrungen ein anderes Bild von der Welt als ich.
Das erscheint mir sehr logisch.
Allerdings würde ich eher sagen, das Weltbild ist Folge unseres erweiterten Bewusstseins der Welt (im Vergleich zu einem Regenwurm oder einem Dinosaurier.

Savonlinna hat geschrieben:Die Kuh, die Rainer so angeglupscht hat, weil er so schön zur Gitarre sang, hatte auch eine Art Bewusstsein.
Ganz bestimmt, sogar!

Savonlinna hat geschrieben:Menschen haben ihre Weltbilder vermutlich auch irgendwie teilweise in den Genen.
Gene sind chemisch. Weltbilder sind philosophisch.
Die Gene können in den Hirnwindungen die Grundlagen für Bewusstsein legen, aber ich glaube nicht, dass sie das Weltbild bestimmen.

Savonlinna hat geschrieben:Wie die Kuh werden sie dann Erfahrungen abspeichern, die dann die Grundsubstanz für die Sicht ihrer Welt sind und mit den Genen verknüpft werden.
Genau! Aus Erfahrung entsteht Erinnerung. Die Erinnerung kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder als "Objekt" (Gitarrenspieler Rainer) abgerufen werden. Glaubst du, dass ein solcher Prozess im Gehirn einer Kuh abläuft, wenn sie das nächste Mal einem Gitarrenspieler begegnet?
Ich denke diese Art der Erinnerung ist in einer Kuh rudimentär vorhanden, in einem Regenwurm nicht, und in einem Dinosaurier-Gehirn vielleicht.

Savonlinna hat geschrieben:Ich verstehe also Weltbild in Schritt 2 so:
Weil die Welt uns auch Schmerz zufügt, müssen wir sie deuten, sonst gehen wir kaputt.
Die Welt verursacht nicht nur Schmerz, sondern auch Lust und Befriedigung.
Savonlinna hat geschrieben:Darum kann ich mich langsam mit Deiner Idee, dass wir ein "Weltbild" - also ein Verstehmuster - benötigen, anfreunden.
Verstehmuster... — Das hast du ganz besonders gut formuliert! :thumbup:

Savonlinna hat geschrieben:Bin ich noch dran an Deiner Frage, Pluto, oder verfehle ich inzwischen das Thema?
Oh ja! Du bist voll drauf!
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#18 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Pluto » Di 10. Mai 2016, 11:56

Novalis hat geschrieben:Das ist eine wichtige Frage, lieber Pluto. Ich denke, dass potentiell unendlich viele Versionen der Welt wahrgenommen werden können, immer abhängig von dem wahrnehmenden Bewusstsein (was die Gespräche hier sehr deutlich zeigen :) ).
Bei Lebewesen, die ein Bewusstsein haben, gebe ich dir Recht. Aber ein Baum hat kein ZNS und ein Wurm hat nur eine Ansammlung von Neuronen, die vermutlich nicht in der Lage sind, ein Bewusstsein zu erzeugen.

Novalis hat geschrieben:Ich stimme der Aussage von Eckhart Tolle zu, die er in seinem bekannten Werk „The Power of Now“ formulierte: „Jedes Wesen ist ein Brennpunkt von Bewusstsein und jeder dieser Brennpunkte erschafft seine eigene Welt, obwohl alle diese Welten miteinander verbunden sind.
Tolle schließt von sich auf andere, und das ist IMO ein Kardinalfehler.
Um Bewusstsein zu haben braucht ein Lebewesen ein hoch entwickeltes Gehirn. Baum, Nein; Regenwurm, nein; Schimpanse, vermutlich ja.

Novalis hat geschrieben:Es gibt eine Menschenwelt, eine Ameisenwelt, eine Delphinwelt und so weiter….
Diese "Welten" gibt es bestimmt, aber ob sie alle von den jeweiligen Vertretern bewusst erlebt werden, ist eine ganz andere Frage.

Wieder schleißt du (oder Tolle) von sich auf andere.
Da ist Vorsicht geboten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#19 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Savonlinna » Di 10. Mai 2016, 13:30

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Kühe haben also offenbar schon Vorlieben; keiner der anderen Kühe hat sich von der Musik berührt gezeigt.
Das könnte man vielleicht schon als "Weltbild" bezeichnen. In ihre Welt gehörte auch die Musik, die anderen wollten nur fressen.
Vorlieben sind keine Weltbilder. Bestenfalls sind sie Vorläufer davon.
Das sind Defintionsfragen, die leider nicht vorgeschrieben werden können.
Aber ich wollte nur die Sachen selber so langsam aufbauen.

Zumindest hat diese junge Kuh Musik bewusst wahrgenommen. Oder würdest Du das nicht als "bewussst" bezeichnen?
In der Philosophie unterscheidet man "Bewusstsein" von "Selbstbewusstsein".
Selbstbewusstsein hat diese Kuh wahrscheinlich nicht. Sie weiß nicht, dass sie Musik mag und dass die anderen dafür Desinteresse aufgezeigt haben.
Sie rümpft da nicht die Nase. :D
Bei Wiki les ich grad, dass man dann von einem "phänomenalen Bewusstsein" spricht, wenn jemand Schmerz empfinden kann. Tiere können das. Dementsprechend haben sie Bewusstsein.

Aber bei einer musikliebenden Kuh geht es noch einen Schritt weiter. Aber auch das zählt offenbar noch zum phänomenalen Bewusstsein. ->
"Ein Lebewesen, das phänomenales Bewusstsein besitzt, nimmt nicht nur Reize auf, sondern erlebt sie auch", schreibt Wikil
Die Katze, die beim Gekraultwerden schnurrt, erlebt offenbar Behagen, und die heillos glupschende Kuh hat - körperlich sichtbar - auch irgendwas erlebt.

Bei beiden könnte man doch zumindest das sagen, dass sie einen Ausschnitt von der Welt kennen und wiedererkennen. Die Katze jedenfalls kommt immer zu mir, weil sie das angenehme Kraulen einfordert. Also haben sie ein Bild von der Welt.
Aber sie wissen nicht, dass sie ein Bild von der Welt haben.
Obwohl man auch da wieder hinterfragen kann:
Wann ist das Wort "wissen" angebracht, wann nicht?
"Wissen" die Vögel, die allabendlich um 19 Uhr zum Vogelhäuschen kommen, weil diese von meinen Hausgenossen zu dieser Zeit gefüllt wird, dass es da was zu holen gibt, oder nennt man das besser nur Instinkt?

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die Kuh, die Rainer so angeglupscht hat, weil er so schön zur Gitarre sang, hatte auch eine Art Bewusstsein.
Ganz bestimmt, sogar!
Dann scheinen wir darin einer Meinung. Man kann das "Bewusstsein" nennen.

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Menschen haben ihre Weltbilder vermutlich auch irgendwie teilweise in den Genen.
Gene sind chemisch. Weltbilder sind philosophisch.
Die Gene können in den Hirnwindungen die Grundlagen für Bewusstsein legen, aber ich glaube nicht, dass sie das Weltbild bestimmen.
Ich kenne mich mit Genen nicht so aus, ich meinte mehr allgemein: Veranlagung.
Zumindest das scheint mir sicher:
Veranlagung prägt entscheidend das Weltbild.
Der Introvertierte - man kann schon bei einem Kind sehen, ob es primär extravertiert oder introvertiert ist - wird zu Weltbildern neigen, die ihm seine eigene innere Welt erklärt.
Das kann natürlich von sehr heftigen Erfahrungen durchkreuzt werden; aber ich bin sicher, dass ein extravertiertes Kind ganz anders auf das Gleiche reagiert wie ein introvertiertes.
Darum entstehen da verschiedene Weltbilder.

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wie die Kuh werden sie dann Erfahrungen abspeichern, die dann die Grundsubstanz für die Sicht ihrer Welt sind und mit den Genen verknüpft werden.
Genau! Aus Erfahrung entsteht Erinnerung. Die Erinnerung kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder als "Objekt" (Gitarrenspieler Rainer) abgerufen werden. Glaubst du, dass ein solcher Prozess im Gehirn einer Kuh abläuft, wenn sie das nächste Mal einem Gitarrenspieler begegnet?
Ich denke diese Art der Erinnerung ist in einer Kuh rudimentär vorhanden, in einem Regenwurm nicht, und in einem Dinosaurier-Gehirn vielleicht.
Du lenkst den Fokus nun auf das Erinnerungsvermögen.

Und genau darüber habe ich in der letzten Zeit öfter nachgedacht. Das Rätsel Bewusstsein scheint mir tatsächlich eng mit dem Rätsel "Erinnerungsvermögen" verknüpft zu sein.
Und damit auch die Frage danach, wann und wie ein "Weltbild" ensteht.
Eine Kuh hat vielleicht ein Bild von ihrer Welt, aber kein Weltbild im von Dir gemeinten Sinn.
Dennoch könnte es sein, dass man "Weltbild" im von Dir gemeinten Sinn vielleicht präziser fassen kann, wenn man das von unten aufbaut.

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich verstehe also Weltbild in Schritt 2 so:
Weil die Welt uns auch Schmerz zufügt, müssen wir sie deuten, sonst gehen wir kaputt.
Die Welt verursacht nicht nur Schmerz, sondern auch Lust und Befriedigung.
Ja, aber Weltbilder entstehen fast immer aus Schmerz. Dem muss man entrinnen, der Freude muss man ja nicht einrinnen.
Und das unterscheidet dann vielleicht das von mir formulierte "Bild von der Welt" von einem Weltbild im menschlichen Sinn. ->

Eine Versuchsratte im Käfig, die immer einen elektrischen Schlag kriegt, wenn sie einen bestimmten Draht berührt, wird ein Bild von der Welt haben, dass Draht Schmerz verursacht, obwohl daran leckeres Essen hängt.
Gleichzeitig wird sie die Erfahrung machen, dass ein anders aussehender Draht, an dem auch leckeres Essen hängt, ihr nichts antut und Befriedigung bringt.
Also besteht ihr Bild von der Welt aus dem, was Schmerz bringt und dem, was Befriedigung bringt.

Anders beim menschlichen Weltbild.
Solange alles gut läuft, ist der Mensch wie die Ratte. Hat zwar ein auf Erfahrungen beruhendes Bild von der Welt, aber kein bewusstes Weltbild.
Kommt aber etwas, das ohne bewusste Erklärung nicht mehr aushaltbar ist, fängt man an zu philosophieren.
Das tut die Ratte nicht, da sie nicht verallgemeinert. Sie ist immer nur konkret. Sie meidet den Stromschlag, aber fragt sich nicht, wer ihr sowas antut.
Das tun erst die Menschen; sie demonstrieren gegen Tierversuche.

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Darum kann ich mich langsam mit Deiner Idee, dass wir ein "Weltbild" - also ein Verstehmuster - benötigen, anfreunden.
Verstehmuster... — Das hast du ganz besonders gut formuliert! :thumbup:
Weltbild ist eben vielleicht so entstanden. Wir wollen verstehen, damit wir etwas ändern können.
Und was wir nicht ändern können, müssen wir auch verstehen, wenn unser Verstand nicht im Dreieick laufen will.

Aber da fängt es dann schon an. Wollen wir nur beruhigt werden, oder wollen wir wissen.
Je nachdem sind die Weltbilder fest oder dynamisch.

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Magdalena61
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#20 Re: Warum haben wir ein Weltbild?

Beitrag von Magdalena61 » Di 10. Mai 2016, 13:40

Pluto hat geschrieben:Ist ein Weltbild fürs Überleben notwendig? Wozu brauchen wir das dann überhaupt?
Es dient der Orientierung. Weil wir ständig Entscheidungen treffen müssen.
Wer planen und entscheiden muß, der braucht einen Maßstab, eine Grundlage für seine Überlegungen.
Wozu haben Menschen überhaupt ein Weltbild. Führt das nicht zu Auseinandersetzung bis hin zum Krieg, wenn Fanatiker aufgrund ihrer ideologischen Weltbilder sich streiten?
Leider ja.
Bei Fanatikern, die ihre Sicht von der Welt (inklusive der Definition von Gut und Böse) gewaltsam verbreiten und als allgemein verpflichtend durchsetzen wollen, geht's aber weniger um Orientierung als um--- Macht.

Jetzt kann man sich fragen, warum die denn unbedingt Macht haben und ausüben wollen.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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