Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

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Tyrion
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#21 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Tyrion » Di 14. Feb 2017, 00:32

Halman hat geschrieben:Nun, ich bin mit Heiner Geißler aufgewachsen. Man sollte ihn wirklich nicht auf diesen einen Satz reduzieren, zumal er es ja später bedauerte. Jeder macht Fehler.

Es war halt eine bewusste, in sich boshafte Manipulation. Es war kein Versprecher, sondern zeugt für Skrupellosigkeit, wenn es darum geht, den politischen Gegner zu diskrditieren. Aber da er das später zugegeben hat, gehe ich mal davon aus, dass er es wirklich bedauert. In dubio pro reo.

Geißler ist auch ein bissiger Rhetoriker und ein wenig Wahrheit ist ja drann.

Das ist ja so perfide an dem Ausspruch. Aber lassen wir den mal links liegen...

Ich beziehe mich nicht auf eine 34 Jahre Aussage, sondern auf sein zwanzig Jahre später erschienends Buch "Was würde Jesus heute sagen".

Das Buch habe ich nicht gelesen, kann mich daher nicht darauf beziehen.


Ich bezog mich auf dein Zitat - und da steht Kapitalismus. Wenn er aber in Wirklichkeit Kapital gesagt hat, dann ist der Sinn des Zitats ein völlig anderer. Ich hatte auch nur dein Zitat zur Hand und habe keinen Vortrag von ihm dazu gehört. Der war ja auch nicht verlinkt. Insofern ist dein "mehr Konzentration bitte" etwas unfair, da ich mich nur auf die von dir präsentierte Information bezogen hatte.

Geißler gehörte immer zum linken Flügel der CDU. In seinem oben erwähnten Buch beklagt er übrigens, dass viele Parteikollegen das "C" gerne streichen würden und im Grunde damit kaum mehr etwas anfangen können.

Hier in Bayern ist die CSU präsenter - das C erkenne ich (bis auf Brauchtum und Schein) auch da kaum. Geißler war - bis auf seine Aussetzer - für mich daher nur ein Randthema.

Der eigentliche Skandal ist der Abbau des Sozialstaates unter der SPD.

Du meinst Schröders Agenda? Nun, mir hat das auch nicht gefallen und ich stehe auch der SPD nicht nahe. Aber betrachte ich die Historie der BRD, so erkenne ich immer dann, wenn ein "C" allein oder quasi allein regieren durfte (die FDP war ja immer sehr bemüht, das Fähnchen in den Wind zu hängen), Stillstand in Bezug auf soziale Reformen. Ich bin aber vermutlich politisch deutlich linker als du. Ich gebe der SPD aber nicht die "Hauptschuld", weil unter Schröder die Sozis plötzlich wirtschaftsnah sein wollten. In den letzten Jahren musste alles, was irgednwie sozial war, gegen den erbitterten Widerstand der C-Parteien durchgesetzt werden.

... er differenziert ganz in Deinem Sinn.

Mag sein - wie gesagt, dein Zitat hat einen anderen Inhalt. Ich frage mich dann nur, warum er die Politik der Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft mitgetragen hatte. Er hat auch das System Kohl (jenseits der Rechtsstaatlichkeit) mit getragen.

Tyrion hat geschrieben:Nachdem Geißler für seine Provokationen bekannt ist und da keine Grenzen kennt, möchte ich seine Kapitalismusaussage lieber nicht bewerten. Vermutlich würde ich ihm Unrecht tun.
Ja, vermutlich.

Tyrion hat geschrieben:Er ist viel, aber nicht dumm. Daher frage ich mich, warum er nicht deutlich sagt: "Der reine Kapitalismus ist ein Irrweg (oder eine Todsünde), da er die menschliche Würde verletzt. Was wir brauchen, ist eine Wirtschaftsform im Dienste des Menschen und nicht umgekehrt."
Genau dies sagt er doch. Hast Du seinen Vortrag auch aufmerksam zugehört?

Konnte ich nicht, da du den ja nicht verlinkt hattest (oder ich habe den Link übersehen).

Tyrion hat geschrieben:So verklausuliert er es, bleibt aber strikt beim Kapitalismus. Warum gerade christliche Kreise so am Mammon hängen und Kapital über alles predigen, weiß ich nicht. Ich verstehe es nicht.
Ich verstehe nicht, wie Du dergleichen in seinem Vortrag hineinhören konntest. Reden wir über den selben Vortrag?

Nein, eben nicht - ich schrieb wie gesagt nur zu deinem Zitat.

Du entwirfst ein Zerbild von Geißler, was ihm nicht gerecht wird. Man-oh-man. Bild

Hm, ich habe Geißler in den 80ern eben erlebt und bewusst wahrgenommen. Seine Aktivitäten in seinem Ruhestand habe ich hier in Bayern nicht wirklich mitbekommen. Geißler war damals für mich vollkommen unten durch und ich war froh, als er aus der aktiven Politik weg war. Es kann natürlich sein, dass er jetzt vernünftige Gedankengänge vertritt. Ich kann das aber nicht beurteilen.

Genau wie Heiner Geißler. Warum kritisiert Du eigentlich einen Mann, der Deiner Meinung ist. Dies ist nicht logisch.

Sollte jetzt aus meinen Ausfürungen klar sein.

Das ist in der Tat skandalös. Dies liegt daran, dass sie nicht wirklich christlich sind, sondern sich nur so nennen, so einfach ist das.

Ich denke schon, dass sich die Vertreter dieser Parteien als Christen ansehen. Ob es also wirklich so einfach ist? Auch die Politiker in den USA sehen sich als Christen an. Und auch Evangelikale, die die Todesstrafe wegen des AT für richtig empfinden, nennen sich Christen. Die Frage ist, wer festlegen darf, was noch unter "christlich" fällt.

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#22 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von closs » Di 14. Feb 2017, 00:49

Tyrion hat geschrieben:Ich denke schon, dass sich die Vertreter dieser Parteien als Christen ansehen.
Denke ich auch.

Tyrion hat geschrieben:Die Frage ist, wer festlegen darf, was noch unter "christlich" fällt.
Die RKK hat es so gelöst, dass sie eine Zentral-Instanz in Rom hat. - Bei den an die 40.000 Denominationen gibt es dagegen keine Kontrollinstanz. - Es gibt meines Wissens kein Copyright für den Begriff "christlich" - kann man nichts machen.

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Tyrion
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#23 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Tyrion » Di 14. Feb 2017, 01:12

Halman hat geschrieben:Im RL führe ich im allgemeinen keine religionskritischen Diskussionen.

Ich habe auch sher innig glaubende Christen in meinem engeren Bekannten- und Freundeskreis. Mit manchen kann man auch diskutieren, bei anderen muss man das Thema leider ausklammern. In meinem Freundeskreis wird aber von einigen gerne tiefgründig diskutiert, was manchmal sehr spannend sein kann.

Die Unterschiedlichkeit unserer Erfahrungen könnte damit zusammenhängen, dass ich im stark säkularisierten Norddeutschland lebe.

Gut möglich. Ich bin auf dem Land aufgewachsen - da war nichts mit säkular.

Nun, was den Islam betrifft, fürchte ich, dass er uns in Zukunft noch mehr betreffen wird. Wenn die demographische Entwicklung so weitergeht, wird es nicht beim Tangieren bleiben.

Gut möglich. Aber gerade dann ist es wichtig, eine säkulare Diskussionskulrur aufzubauen. Wie soll man gegen den Islam argumentieren, wenn man eine Religion einseitig ausnehmen müsste. Zudem haben Christentum und Islam die selber Wurzel, es ist im Prinzip der gleiche Gott. Die Grundwerte sind sehr ähnlich. Es gibt sogar radikale Christen bei uns, die Frauen in der Gemeinde den Mund verbieten, es richtig finden, Frau und Kind zu schlagen, wenn sie aufmucken usw. Wie soll man gegen islamische Subkultur argumentieren, wenn man nicht gegen schlechte christliche Subkultur argumentieren dürfte (betrifft jetzt nicht dich, aber generell ist das - finde ich - ein wichtiger Punkt).

Im Falle des Christentums handelt es sich aber um eine Abkehr von der jesuanischen Ethik und den apostolischen Grundsätzen.

Wieviele "echte" Christen, die einer "jesuanischen Ethik" folgen, gibt es dann überhaupt?

Ein christiches Vorbild für Mission ist Paulus. [...]
Christen, die Gewalt gegen Andergläubige praktizieren, verlassen logisch notwendig das biblische Christentum.

Und trotzdem wurde sehr früh und dann sehr ausgiebig mit dem Schwert missioniert. Das zeigt sich als Muster, wann immer man das Christentum betrachtet und es zudem reale Macht hatte. Es mag richtig sein, dass ein Christ das eigentlich nicht darf. Es passiert aber.

Christen sollten auch Atheisten nicht angreifen, weil sie Atheisten sind. Aber auch das passiert leider. Es passiert auch hier im Forum und es wird als christlich "verkauft" ("ein Christ ist kein devotes Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, er ist ein Löwe, der kämpft" oder so ähnlich). Man findet ja selbst heute noch die zugehörige Rhetorik.

Diese säkularen Ideologien führten zu extremsten Grausamkeiten und Massenmorden.

Stimmt, leider. Die Frage ist nur, wie säkular sie wirklich waren und wie man Ideologie von Religion abgrenzt.

Im Falle des Kommunismus hat es auch etwas mit den Antitheismus zu tun, welcher werkimmanent in der marxistischen Ideologie enthalten ist.

Marx hat die Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit der christlich sanktionierten Regierungsformen Europas erkannt. Er hat erkannt, dass damals das Christentum mit Schuld am Machterhalt von Despoten hatte und hat sich dagegen gewehrt, um Menschen zu erlösen und Leid zu nehmen. Er hat eine Utopie entwickelt, durch die jeder Glück finden kann. Leider hat er dabei nur eine Religion durch eine Ersatzreligion ersetzt und die Mittel, die Utopie zu erreichen, sind hinlänglich bekannt.

Allerdings stimme ich Dir zu, dass es sachlich falsch ist, die 72 Millionen Todesopfer unter Máo Zédōng dem Atheismus allgemein anzuzlasten. Ebenso falsch ist es, Christen für alle Untaten zur Verantwortung ziehen zu wollen, die im Namen Christie verübt wurden.

Stimmt. Ich konfrontiere dennoch Menschen, die sich heute noch den Kommunismus zuwenden, mit den Verbrechen im Namen dieser Ideologie. Und auch dann höre ich, dass damals Fehler gemacht wurden, aber das Grundkonzept positiv sei. Das gleiche höre ich in Bezug auf das Christentum. Ich darf auch einem heutigen Kommunist nicht die Massenmorde Stalins vorwerfen. Dennoch wird vermutlich die schwere der Verbrechen Stalins heruntergespielt "nicht alles war falsch usw.", genauso wie Neonazis die Boshaftigkeit Hitlers herunterspielen "nicht alles war damals verkegrt usw.". Das passiert bei Christen genauso, scheint ein normaler Verdrängungsmechanismus zu sein.
Daher: den Finger lege ich auch bei Kommunisten in die Wunde - bei Christen geuanso. So erkenne ich, wer wirklich friedlich und pazifistisch ist (bei Christen). Wer dann nur genervt ist, naja, der hat wenig Interesse, aus der Geschichte zu lernen.

In bin mir ziemlich sicher, dass viele der 200 Mio. Christen, welche gem. OpenDoors unter Christenverfolgung leiden (Nordkorea und islamische Länder), nicht einmal etwas über die euopäischen Greuel im Namen der Kirchen wissen.

Das wäre traurig, denn auch wenn sie selbst verfolgt werden, sollten sie wissen, woran sie glauben und was im Namen ihres Glaubens für Unrecht entstand. Das ist unabhängig von ihrer Verfolgung. Ein Unrecht löscht ein anderes ja nicht aus. Die Kirchen hatten früher nur nicht die Möglichkeiten und Technologien der heutigen Zeit. Sonst wären damals auch viel mehr Menschen getötet worden.

Nun, da kenne ich einen umkehrten Fall. Eine junge Christin hatte Schwierigkeiten in ihrer atheistischen Familie und wurde in der Schule gedisst.

Das kann leider immer passieren. Da reicht ein "etwas anders sein" oft aus. Das ist aber unabhängig von Theismus/Atheismus.

Die Schwierigkeiten mit ihren Eltern konnte sie lösen. Als sie Sie zur christlichen Gemeinschaft begleichteten (die Eltern waren wirklich nett) und sahen, dass ihre Vorurteile unbegründet waren, entspannte sich die Lage in der Familie.

Ein Einzelfall. Wie geht sowas aus, wenn die Familie streng xhristlich ist und das Kind nimmt sich heraus, den Glauben abzulehnen? Was passiert in einem Haushalt der ZJ, was bei evangelikalen Christen, was in einem streng katholischen Elternhaus? Bist du sicher, dass da sie Eltern bereit wären, das hinzunehmen?

Ferner kenne ich ein Ehepaar, welches ein Kind adoptieren wollte. Der Mann ist Akademiker, die Frau Augenoptikerin und ihr Zuhause ist sehr gepflegt (ich war dort im Bibelkreis). Aber als raus kam, dass sie zur Gemeinschaft in der ev. Kirche gehören, entschied das Jugendamt gegen sie (in dem Jugendamt war ich übrigens kurz im Laufe meiner Ausbildung, ist aber schon viele Jahre her).

Das kann ich schlecht beurteilen. Adoptionen sind bei uns ohnehin sehr schwierig. Dass Zugehröriugkeit zur evangelischen Kirche ein Ausschlussgrund ist, kann ich nicht glauben. Bei einer Freikriche oder evangelikalen Radikalen verstehe ich das durchaus. Falls es so war, wäre es skandalös.

Rechtlich gesehen sind Atheisten bei uns dennoch schlechter gestellt als Theisten. Ich verweise auf das bayerische Bildungsgesetz. Gäbe es nicht glüclicherweise die Präambel des Grundgesetzes, dürfte kein Atheist Lehrer in Bayern sein (nur als Beispiel) - das spricht Bände bezüglich der Geisteshaltung.

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Halman
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#24 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Halman » Di 14. Feb 2017, 13:40

Tyrion hat geschrieben:
Ich beziehe mich nicht auf eine 34 Jahre Aussage, sondern auf sein zwanzig Jahre später erschienends Buch "Was würde Jesus heute sagen".

Das Buch habe ich nicht gelesen, kann mich daher nicht darauf beziehen.
Stimmt.

Tyrion hat geschrieben:

Ich bezog mich auf dein Zitat - und da steht Kapitalismus. Wenn er aber in Wirklichkeit Kapital gesagt hat, dann ist der Sinn des Zitats ein völlig anderer. Ich hatte auch nur dein Zitat zur Hand und habe keinen Vortrag von ihm dazu gehört. Der war ja auch nicht verlinkt. Insofern ist dein "mehr Konzentration bitte" etwas unfair, da ich mich nur auf die von dir präsentierte Information bezogen hatte.
Ja, das war unfair von mir. Bitte entschuldige meine Unfairness.

Eben habe ich noch mal den Diskussionsverlauf nachvollzogen. In diesem Beitrag hatte ich einen weiteren Beitrag von mir verlinkt, in dem der Vortrag von Heiner Geißler zu finden ist. Er war also versteckt und somit liegt der Fehler auf meiner Seite. :oops:

Um dies nachzubessern, verlinke ich ihn hier.


Tyrion hat geschrieben:
Geißler gehörte immer zum linken Flügel der CDU. In seinem oben erwähnten Buch beklagt er übrigens, dass viele Parteikollegen das "C" gerne streichen würden und im Grunde damit kaum mehr etwas anfangen können.

Hier in Bayern ist die CSU präsenter - das C erkenne ich (bis auf Brauchtum und Schein) auch da kaum. Geißler war - bis auf seine Aussetzer - für mich daher nur ein Randthema.
Okay.

Tyrion hat geschrieben:
Der eigentliche Skandal ist der Abbau des Sozialstaates unter der SPD.

Du meinst Schröders Agenda? Nun, mir hat das auch nicht gefallen und ich stehe auch der SPD nicht nahe. Aber betrachte ich die Historie der BRD, so erkenne ich immer dann, wenn ein "C" allein oder quasi allein regieren durfte (die FDP war ja immer sehr bemüht, das Fähnchen in den Wind zu hängen), Stillstand in Bezug auf soziale Reformen. Ich bin aber vermutlich politisch deutlich linker als du. Ich gebe der SPD aber nicht die "Hauptschuld", weil unter Schröder die Sozis plötzlich wirtschaftsnah sein wollten. In den letzten Jahren musste alles, was irgednwie sozial war, gegen den erbitterten Widerstand der C-Parteien durchgesetzt werden.
Religionen stammen aus der Traditionsgesellschaft. Dies scheint mir der Grund dafür zu sein, warum religiöse Menschen und Parteien dazu neigen, konzervativer zu sein.
In Rom wurde die christliche Untergrundbewegung im 4. Jahrhundert zur Staatsreligion und dies führte meiner Meinung nach dazu, dass die katholische Kirche auch im Mittelalter untrennbar mit den europäischen Staaten verkoppelt war. Geistlichkeit und Adel repräsentierten die traditionelle Elite und dies führte wohl zu der Tradition, dass es als "christlich" galt, dem Establishment gehorsam zu sein. Ein kritisches Hinterfragen, wie bei Jesus und den Aposteln, ob die Elite denn überhaupt noch christlich war (bzw. jüdisch im Sinne des Propheten Amos usw.), erschien in der hierarchischen Gesellschaft wohl unangemessen. Dies führte in der Reformation zu der paradoxen Situation, dass Luthers Schrift über die Freiheit des Christenmenschen die Bauernkriege motivierte, Luther sich aber gegen die Bauern stellte.

Unter "christlich" verstehen viele ordendlich sein, der Obrigkeit folgsam usw. Dabei ging es Paulus in Römer Kapitel 13 nie um einen Kadavergehorsam Kaiser Nero gegenüber und dies wussten sicher auch die Empfänger seines Briefes in der römischen Gemeinde. Ein Kadavergehorsam hätte wohl kaum die Christenverfolgung in Rom motiviert.
Christentum "verkrustete" im Laufe der europäischen und amerikanischen Geschichte zur Konzervativität (dabei begann doch das Christentum als eine Erneuerungsbegung), in dem man schließlich dem Establishment der Bonzen und damit dem Kapitalismus gehorchte. Diese Götzendienst ging so weit, dass man dem Kapitalismus sogar Menschenopfer darbrachte, was Karl Marx wiederum dazu motivierte, sein Manifest gegen diese verkrusteten Strukturen des Antihumanismus zu schreiben.
Doch wer dem Mammon dient, dient einem anderen Herrn als Gott. Wie Jesus in seiner Bergpredigt feststellte, kann man nicht zwei Herren dienen. Das Etikett "Christentum" verkam zum euphemistischen Schwindel. Unter dem christlichen Deckmantel ging es um Kapitalismus versus Marxismus.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#25 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Halman » Di 14. Feb 2017, 13:46

Tyrion hat geschrieben:
... er differenziert ganz in Deinem Sinn.

Mag sein - wie gesagt, dein Zitat hat einen anderen Inhalt. Ich frage mich dann nur, warum er die Politik der Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft mitgetragen hatte. Er hat auch das System Kohl (jenseits der Rechtsstaatlichkeit) mit getragen.
Ja, dieses "mehr Konzentration bitte" fällt so voll auf mich zurück. Ich will diese Kritik beherzigen.

Du hast recht, denn ich hatte aus gutzitiert zitiert. Offenbar war dies schlecht zitiert. Daraus lerne ich, dass man Zitaten im Web mehr misstrauen sollte. Ich hatte einen Fehler übernommen und es nicht bemerkt. Im oben verlinkten Vortrag kannst Du hören, was Geißler tatsächlich sagte.

Tyrion hat geschrieben:
Tyrion hat geschrieben:Nachdem Geißler für seine Provokationen bekannt ist und da keine Grenzen kennt, möchte ich seine Kapitalismusaussage lieber nicht bewerten. Vermutlich würde ich ihm Unrecht tun.
Ja, vermutlich.
Nun vermutlich nicht mehr.

Tyrion hat geschrieben:
Tyrion hat geschrieben:Er ist viel, aber nicht dumm. Daher frage ich mich, warum er nicht deutlich sagt: "Der reine Kapitalismus ist ein Irrweg (oder eine Todsünde), da er die menschliche Würde verletzt. Was wir brauchen, ist eine Wirtschaftsform im Dienste des Menschen und nicht umgekehrt."
Genau dies sagt er doch. Hast Du seinen Vortrag auch aufmerksam zugehört?

Konnte ich nicht, da du den ja nicht verlinkt hattest (oder ich habe den Link übersehen).
Da er "versteckt" war, ist es für mich verständlich, dass Du ihn übersehen hast. Die Differenz zwischen dem Geißler-Zitat und seinen OT im Vortrag hatte ich ja auch übersehen.

Tyrion hat geschrieben:
Tyrion hat geschrieben:So verklausuliert er es, bleibt aber strikt beim Kapitalismus. Warum gerade christliche Kreise so am Mammon hängen und Kapital über alles predigen, weiß ich nicht. Ich verstehe es nicht.
Ich verstehe nicht, wie Du dergleichen in seinem Vortrag hineinhören konntest. Reden wir über den selben Vortrag?

Nein, eben nicht - ich schrieb wie gesagt nur zu deinem Zitat.
Richtig. Somit war Deine Konklusion logisch. Leider war die von mir zitierte Prämisse gem. Geißlers OT falsch.

Tyrion hat geschrieben:
Du entwirfst ein Zerbild von Geißler, was ihm nicht gerecht wird. Man-oh-man. Bild

Hm, ich habe Geißler in den 80ern eben erlebt und bewusst wahrgenommen. Seine Aktivitäten in seinem Ruhestand habe ich hier in Bayern nicht wirklich mitbekommen. Geißler war damals für mich vollkommen unten durch und ich war froh, als er aus der aktiven Politik weg war. Es kann natürlich sein, dass er jetzt vernünftige Gedankengänge vertritt. Ich kann das aber nicht beurteilen.
Der von mir verlinkte Beitrag entspricht dem "aktuellen Geißler", jedenfalls gem. meiner subjektiven Wahrnehmung.

Tyrion hat geschrieben:
Genau wie Heiner Geißler. Warum kritisiert Du eigentlich einen Mann, der Deiner Meinung ist. Dies ist nicht logisch.

Sollte jetzt aus meinen Ausfürungen klar sein.
Ja.

Tyrion hat geschrieben:
Das ist in der Tat skandalös. Dies liegt daran, dass sie nicht wirklich christlich sind, sondern sich nur so nennen, so einfach ist das.

Ich denke schon, dass sich die Vertreter dieser Parteien als Christen ansehen. Ob es also wirklich so einfach ist? Auch die Politiker in den USA sehen sich als Christen an. Und auch Evangelikale, die die Todesstrafe wegen des AT für richtig empfinden, nennen sich Christen. Die Frage ist, wer festlegen darf, was noch unter "christlich" fällt.
Es geht mir nicht darum, es willkürlich festzulegen. Es geht mir darum, es objektiv festzustellen.

Ein Biologe ist nun mal kein Atomphysiker und eine Frau ist nun mal kein Mann, da kann man gendern so viel man will.

Die Feststellung wird allerdings dadurch erschwert, dass schwer bestimmbar ist, was das Adjektiv "christlich" eigentlich meint. Daher präzisiere ich ja mit dem Begriff "biblisches Christentum" und meine damit das Christentum auf Basis der Bibel, insbesondere der jesuanischen Ethik. Dazu gehört, nicht dem Mammon wie einen Götzen zu dienen. Wer dies dennoch tut, der missachtet Jesu Bergpredigt und folgt Jesus nicht mehr nach. Doch Christen nennen sich nach Christus, weil sie ihm nachfolgen, jedenfalls ist dies der ursprüngliche Gedanke. Bevor man Jesu Nachfolger überhaupt Christen nannte, sprach man vom "Weg". Wer dem Weg des Mammonismus geht, geht offenkundig nicht mehr den jesuanischen Weg, also befindet sich nicht mehr auf dem Weg der Nachfolge Christie. Wenn man sich dennoch "Christ" nennt, dann zu unrecht im fundematelen (nicht fundamentalistischen) Sinne des BIBLISCHEN Christentums.
Ein Beispiel: Ich bin kein Buddhist und zwar einfach deshalb, weil ich die Meditation, das Zazen, nicht praktiziere. Mich so zu nennen, würde mich nicht zum Buddisten machen. Im bin kein Physiker, so sehr ich mich dafür auch interessieren mag, weil ich es NICHT studiert habe.
Worte meinen etwas und wenn sie falsch angewandt werden, weil die notwendigen Bedingungen bzw. Kriterien, welche der gewählte Begriff voraussetzt, nicht erfüllt sind, dann wird der Begriff unzulässig gebraucht. Im Grunde ist es so einfach.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#26 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Halman » Di 14. Feb 2017, 14:40

Tyrion hat geschrieben:
Nun, was den Islam betrifft, fürchte ich, dass er uns in Zukunft noch mehr betreffen wird. Wenn die demographische Entwicklung so weitergeht, wird es nicht beim Tangieren bleiben.

Gut möglich. Aber gerade dann ist es wichtig, eine säkulare Diskussionskulrur aufzubauen. Wie soll man gegen den Islam argumentieren, wenn man eine Religion einseitig ausnehmen müsste.
Muss man ja nicht.

Tyrion hat geschrieben:Zudem haben Christentum und Islam die selber Wurzel, es ist im Prinzip der gleiche Gott.
Das Christentum wurzel zweifelsfrei im Judentum, der Alte Testament ist der Tanach des Talmuds. Die christlich-lateinische Sprachtradition wurzelt in der altgrischisch-urchristlichen - und diese in der aramäisch-hebräischen Sprachtradition der Juden.
Auch der Islam ist eine abrahamitische Religion, doch bei genauerer Betrachtung teilen sie kein Testament, weder mit Juden noch mit Christen. Zwar floss einiges aus dem Psalmen und dem Talmud in den Quran ein, dies täuscht mich aber nicht darüber hinweg, dass der Islam eine eigene Schrift- und Sprachtradition hat, nämlich den Quran und die Sunnah (Sira-Literatur und Ahadith) in arabisch. Daran wird Allah geoffenbart und das islamische Gottesbild unterscheidet sich vom christlichen Gottesbild. Zwar ist im Prinzip der Gott Abrahams bzw. Ibrahims gemeint, aber die Gottesbilder sind recht verschieden. Isa ist so verschieden von Jesus wie die Schreibweisen der Namen.

Tyrion hat geschrieben:Die Grundwerte sind sehr ähnlich.
Da bin ich anderer Meinung. Die Grundwerte stehen sogar z.T. diametral gegeneinander. Denke dabei nur an die Bedeutung der Skulptur von Jewgeni Wutschetitsch und Stelle sie den Suren 8 und 9 gegenüber.
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Tyrion hat geschrieben:Es gibt sogar radikale Christen bei uns, die Frauen in der Gemeinde den Mund verbieten, es richtig finden, Frau und Kind zu schlagen, wenn sie aufmucken usw.
Dies sind "verkrustete" Strukturen. Die Rutenverse im Buch der Sprüche erschienen zu einer Zeit angemessen, als es lebensnotwendig für die Kinder war, sich ab einem Alter von 12-13 Jahren (das genaue Jahr kenne ich nicht, aber dieses Detail scheint mir für unsere Diskussion auch nicht entscheidend zu sein) an die mosaische Weisung zu halten. Verstieß bspw. ein elfjähriger gegen das Sabbatgebot, dann war es Sache der Eltern darauf erzieherisch zu reagieren. Kam dies wiederholt vor, riet der Sprücheschreiber, lieber die Rute zu gebrauchen, damit er, sobald er Bar Mitzwa ist, sich an das mosaische Gesetz hält. Weil ansonsten für "schwere Sünden" die Steinigung drohte, schrieb "Salomo": 13 Lass nicht ab, den Knaben zu züchtigen; denn wenn du ihn mit der Rute schlägst, so wird er nicht sterben; 14 du schlägst ihn mit der Rute, aber du errettest ihn vom Tode.
Heute droht einem Jungen nicht mehr die Steinigung vor den Toren der Stadt, wenn er Sonntags arbeitet. Die Sprüche wurden für die "alte Zeit" verfasst und zusammengestellt und sind übrigens nur Ratschläge (keine Gebote). Dies Ratschläge sollte man nicht eins zu eins von damals auf heute übertragen, weil sich die Zeit gewandelt hat. Erzkonzervative Christen berücksichtigen zu wenig den Wandel der Zeit.

Frauen in der Gemeinde den Mund zu verbieten, missachtet meiner Meinung nach den paulinischen Gesamtkontext. Warum sollten sich Frauen denn ihre Häupter bedecken, wenn sie in der Gemeinde sprachen? Ja, sprachen (s. 1Ko 11).

Tyrion hat geschrieben:Wie soll man gegen islamische Subkultur argumentieren, wenn man nicht gegen schlechte christliche Subkultur argumentieren dürfte (betrifft jetzt nicht dich, aber generell ist das - finde ich - ein wichtiger Punkt).
Darf man doch. Wir haben doch seit Jahrhunderten Religionskritik. Problematisch wird es, wenn diese auf dem Islam angewandt wird.

Tyrion hat geschrieben:
Im Falle des Christentums handelt es sich aber um eine Abkehr von der jesuanischen Ethik und den apostolischen Grundsätzen.

Wieviele "echte" Christen, die einer "jesuanischen Ethik" folgen, gibt es dann überhaupt?
Das weiß ich nicht. Ihre Zahl ist kleiner als die Zahl der statistisch als "Christen" erfassten Menschen.

Tyrion hat geschrieben:
Ein christiches Vorbild für Mission ist Paulus. [...]
Christen, die Gewalt gegen Andergläubige praktizieren, verlassen logisch notwendig das biblische Christentum.

Und trotzdem wurde sehr früh und dann sehr ausgiebig mit dem Schwert missioniert. Das zeigt sich als Muster, wann immer man das Christentum betrachtet und es zudem reale Macht hatte. Es mag richtig sein, dass ein Christ das eigentlich nicht darf. Es passiert aber.
Ja, dies hängt mit der historischen Entwicklung zusammen. Den ersten Kreuzzug gab es im Grunde schon unter Kaiser Konstantin. Noch ein Jahrhundert davor war es für den Kirchenvater Tertullian selbstverständlich einen christlich motivierten Pazifismus zu vertreten. Doch im vierten Jahrhundert schien es den spätantiken Katholiken inzwischen legitim im Namen Christie zum Schwert zu greifen.
Es ist nicht die christliche Wurzel, die schlecht ist. Vielmehr wurde "Unkraut" auf's "Feld" gestreut und damit begann es inmitten der Christenheit zu "wuchern". Darunter gab es aber auch immer wieder "Weizen", wie Dietrich Bonhoeffer und Maximilian Kolbe.

Tyrion hat geschrieben:Christen sollten auch Atheisten nicht angreifen, weil sie Atheisten sind. Aber auch das passiert leider. Es passiert auch hier im Forum und es wird als christlich "verkauft" ("ein Christ ist kein devotes Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, er ist ein Löwe, der kämpft" oder so ähnlich). Man findet ja selbst heute noch die zugehörige Rhetorik.
Dies scheint mir ein sehr menschlich Ding zu sein.

Nun mal Butter bei die Fische: Viele atheistische Beiträge sind hier recht provokant.

Tyrion hat geschrieben:
Diese säkularen Ideologien führten zu extremsten Grausamkeiten und Massenmorden.

Stimmt, leider. Die Frage ist nur, wie säkular sie wirklich waren und wie man Ideologie von Religion abgrenzt.
Das kann durchaus knifflig sein, weil Religion zu ein umfassener und allgemeiner Begriff ist.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#27 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Halman » Di 14. Feb 2017, 14:42

Tyrion hat geschrieben:
Im Falle des Kommunismus hat es auch etwas mit den Antitheismus zu tun, welcher werkimmanent in der marxistischen Ideologie enthalten ist.

Marx hat die Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit der christlich sanktionierten Regierungsformen Europas erkannt. Er hat erkannt, dass damals das Christentum mit Schuld am Machterhalt von Despoten hatte und hat sich dagegen gewehrt, um Menschen zu erlösen und Leid zu nehmen. Er hat eine Utopie entwickelt, durch die jeder Glück finden kann. Leider hat er dabei nur eine Religion durch eine Ersatzreligion ersetzt und die Mittel, die Utopie zu erreichen, sind hinlänglich bekannt.
Und da liegt das Problem. Das Übel, Gewalt als Mittel, ist bereits in der marxistischen "Wurzel" enthalten.

Tyrion hat geschrieben:
Allerdings stimme ich Dir zu, dass es sachlich falsch ist, die 72 Millionen Todesopfer unter Máo Zédōng dem Atheismus allgemein anzuzlasten. Ebenso falsch ist es, Christen für alle Untaten zur Verantwortung ziehen zu wollen, die im Namen Christie verübt wurden.

Stimmt. Ich konfrontiere dennoch Menschen, die sich heute noch den Kommunismus zuwenden, mit den Verbrechen im Namen dieser Ideologie. Und auch dann höre ich, dass damals Fehler gemacht wurden, aber das Grundkonzept positiv sei. Das gleiche höre ich in Bezug auf das Christentum. Ich darf auch einem heutigen Kommunist nicht die Massenmorde Stalins vorwerfen. Dennoch wird vermutlich die schwere der Verbrechen Stalins heruntergespielt "nicht alles war falsch usw.", genauso wie Neonazis die Boshaftigkeit Hitlers herunterspielen "nicht alles war damals verkegrt usw.". Das passiert bei Christen genauso, scheint ein normaler Verdrängungsmechanismus zu sein.
Daher: den Finger lege ich auch bei Kommunisten in die Wunde - bei Christen geuanso. So erkenne ich, wer wirklich friedlich und pazifistisch ist (bei Christen). Wer dann nur genervt ist, naja, der hat wenig Interesse, aus der Geschichte zu lernen.
Ja, allerdings gibt es einen erheblichen Unterschied zwischen dem Kommunismus, den Nationalsozialismus und dem Christentum. In den politischen Ideologien ist bereits die Gewalt werkimmanent enthalten. Die jesuanische Botschaft ist hingegen eine gute Botschaft und ausgsprochen friedvoll. Die Gründungsgeschehen sind sehr verschieden.

Tyrion hat geschrieben:
In bin mir ziemlich sicher, dass viele der 200 Mio. Christen, welche gem. OpenDoors unter Christenverfolgung leiden (Nordkorea und islamische Länder), nicht einmal etwas über die euopäischen Greuel im Namen der Kirchen wissen.

Das wäre traurig, denn auch wenn sie selbst verfolgt werden, sollten sie wissen, woran sie glauben und was im Namen ihres Glaubens für Unrecht entstand. Das ist unabhängig von ihrer Verfolgung. Ein Unrecht löscht ein anderes ja nicht aus. Die Kirchen hatten früher nur nicht die Möglichkeiten und Technologien der heutigen Zeit. Sonst wären damals auch viel mehr Menschen getötet worden.
Ich will den assyrischen -, armenischen - und koptische Christen sicher keine mangelnde Bildung unterstellen. Aber was wissen wir denn über ihre asiatische bzw. afrikanische Geschichte? Und was haben sie mit der europäischen Geschichte zu tun?

Tyrion hat geschrieben:
Die Schwierigkeiten mit ihren Eltern konnte sie lösen. Als sie Sie zur christlichen Gemeinschaft begleichteten (die Eltern waren wirklich nett) und sahen, dass ihre Vorurteile unbegründet waren, entspannte sich die Lage in der Familie.

Ein Einzelfall. Wie geht sowas aus, wenn die Familie streng xhristlich ist und das Kind nimmt sich heraus, den Glauben abzulehnen? Was passiert in einem Haushalt der ZJ, was bei evangelikalen Christen, was in einem streng katholischen Elternhaus? Bist du sicher, dass da sie Eltern bereit wären, das hinzunehmen?
Sicher? Nein.

Tyrion hat geschrieben:
Ferner kenne ich ein Ehepaar, welches ein Kind adoptieren wollte. Der Mann ist Akademiker, die Frau Augenoptikerin und ihr Zuhause ist sehr gepflegt (ich war dort im Bibelkreis). Aber als raus kam, dass sie zur Gemeinschaft in der ev. Kirche gehören, entschied das Jugendamt gegen sie (in dem Jugendamt war ich übrigens kurz im Laufe meiner Ausbildung, ist aber schon viele Jahre her).

Das kann ich schlecht beurteilen. Adoptionen sind bei uns ohnehin sehr schwierig. Dass Zugehröriugkeit zur evangelischen Kirche ein Ausschlussgrund ist, kann ich nicht glauben. Bei einer Freikriche oder evangelikalen Radikalen verstehe ich das durchaus. Falls es so war, wäre es skandalös.
Die Eltern gehöre einer Gemeinschaft in der ev. Kirche an. Diese ist eigentständig und gilt als Sondergemeinschaft (s. Wikipedia u. Verband der Gemeinschaften).

Tyrion hat geschrieben:Rechtlich gesehen sind Atheisten bei uns dennoch schlechter gestellt als Theisten. Ich verweise auf das bayerische Bildungsgesetz. Gäbe es nicht glüclicherweise die Präambel des Grundgesetzes, dürfte kein Atheist Lehrer in Bayern sein (nur als Beispiel) - das spricht Bände bezüglich der Geisteshaltung.
Bayern ist eben was Besonderes, wie Texas in den USA.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#28 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Pluto » Di 14. Feb 2017, 18:14

Halman hat geschrieben:Und da liegt das Problem. Das Übel, Gewalt als Mittel, ist bereits in der marxistischen "Wurzel" enthalten.
Nee...
Gewalt als Mittel zum Zweck ist älter als die Menschheit.

Warum wurde Brontosaurus so groß? Um den Angriffen des T-Rex zu widerstehen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#29 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Halman » Di 14. Feb 2017, 21:15

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Und da liegt das Problem. Das Übel, Gewalt als Mittel, ist bereits in der marxistischen "Wurzel" enthalten.
Nee...
Gewalt als Mittel zum Zweck ist älter als die Menschheit.

Warum wurde Brontosaurus so groß? Um den Angriffen des T-Rex zu widerstehen.
Das stimmt natürlich, aber ich denke, Du weiß genau, worauf ich hinaus wollte. Ist in einer Ideologie Gewaltanwendung als Mittel vorgesehen oder nicht? Darum geht es doch.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#30 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Tyrion » Di 14. Feb 2017, 22:52

Halman hat geschrieben:Ja, das war unfair von mir. Bitte entschuldige meine Unfairness.

Eben habe ich noch mal den Diskussionsverlauf nachvollzogen. In diesem Beitrag hatte ich einen weiteren Beitrag von mir verlinkt, in dem der Vortrag von Heiner Geißler zu finden ist. Er war also versteckt und somit liegt der Fehler auf meiner Seite. :oops:

Überhaupt kein Problem - ich habe es nur mehrfach geschrieben, da ich ja - wie man sicherlich unschwer erkennen kann - gerne auf die einzelnen Textaussagen direkt mit Hilfe der Zitatfunktion reagiere und antworte.

Religionen stammen aus der Traditionsgesellschaft. Dies scheint mir der Grund dafür zu sein, warum religiöse Menschen und Parteien dazu neigen, konzervativer zu sein.

Das sehe ich genauso. Mich wundert es dennoch, da die Lehre Jesu teils so extrem ist, dass sie als vieles, aber eben nicht als konservativ bezeichnet werden kann. Daher passt das "c" nicht zu konservativ, finde ich.

Christentum "verkrustete" im Laufe der europäischen und amerikanischen Geschichte zur Konzervativität (dabei begann doch das Christentum als eine Erneuerungsbegung), in dem man schließlich dem Establishment der Bonzen und damit dem Kapitalismus gehorchte.

Und es immer noch tut. Sind nicht auch und gerade die meisten Christen (die sich sehr aktiv als solche fühlen, ich meine nicht die Menge der getauften Menschen, die zu Weihnachten mit der Verwandtschaft aus Tradition in die Kirche gehen) erzkonservativ? Das beißt sich doch, was dann den Vorwurf der Bigotterie fördert.

Gut möglich. Aber gerade dann ist es wichtig, eine säkulare Diskussionskulrur aufzubauen. Wie soll man gegen den Islam argumentieren, wenn man eine Religion einseitig ausnehmen müsste.

Muss man ja nicht.

Das sehen ein paar Foristen hier aber ganz anders. :silent:

Zwar ist im Prinzip der Gott Abrahams bzw. Ibrahims gemeint, aber die Gottesbilder sind recht verschieden.

Das kann ich nicht nachvollziehen. Allah ist gütig, gnädig, er bietet Erlösung und ewiges Leben, er straft aber auch und er - salopp ausgedrückt - lässt Gewalt zu, wenn man sich von ihm abwendet oder auch gegen UN- oder Falschgläubige. Das gleiche trifft auf Jahwe zu (wenn man das ganza NT weglässt - es geht ja um die Wurzel). Der Islam entstand ja aufgrund der Überlieferungen und Traditionen der Region. Es ist doch ein sehr ähnliches Gottesbild. Und innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen ist Barmherzigkeit, Solidarität, Nächstenliebe (usw.) zentral wichtig.
Auch das NT fordert die Todesstrafe für die, die sich vom Glauben abwenden (und einen anderen Gott, einen "Götzen" annehmen). Alle anderen Religionen werden verteufelt und madig gemacht. Auch in dieser Aggression entsprechen die Gottesbilder einander.

Die Rutenverse im Buch der Sprüche erschienen zu einer Zeit angemessen, als es lebensnotwendig für die Kinder war, sich ab einem Alter von 12-13 Jahren (das genaue Jahr kenne ich nicht, aber dieses Detail scheint mir für unsere Diskussion auch nicht entscheidend zu sein) an die mosaische Weisung zu halten. Verstieß bspw. ein elfjähriger gegen das Sabbatgebot, dann war es Sache der Eltern darauf erzieherisch zu reagieren. Kam dies wiederholt vor, riet der Sprücheschreiber, lieber die Rute zu gebrauchen, damit er, sobald er Bar Mitzwa ist, sich an das mosaische Gesetz hält. Weil ansonsten für "schwere Sünden" die Steinigung drohte, schrieb "Salomo": 13 Lass nicht ab, den Knaben zu züchtigen; denn wenn du ihn mit der Rute schlägst, so wird er nicht sterben; 14 du schlägst ihn mit der Rute, aber du errettest ihn vom Tode.

Warum wollte Gott dann diese mosaischen Gesetze, nach denen man sogar Jugendliche steinigen soll, wenn sie einen Fehler machen? Wäre es Gottes Wort, dann hätte da auch stehen können "Hört mit dieser Gewalt auf, steiningt niemanden, dann müsst ihr auch keine Kinder schlagen!"

Ich persönlich würde viel weniger Vorbehalte gegen das Christentum haben, wenn die Bibel bereinigt würde: das AT kürzen und die ganzen alten Gewaltorgien rausnehmen, dann die Propaganda- und Hetzbriefe der Apostelgeschichte rausnehmen, die Apokalypse rausnehmen und die Evangelien in den Mittelpunkt rücken: die "Frohe" Botschaft als Heilige Schrift, den Rest als geschichtlichen Hintergund mitnehmen. So ist es aber leider nicht. Und daher muss sich das Christentum auch an der Gewaltverherrlichung der Bibel messen lassen.

Darf man doch. Wir haben doch seit Jahrhunderten Religionskritik. Problematisch wird es, wenn diese auf dem Islam angewandt wird.

Letzteres sehe ich eben nicht. Das einzige Problem der Islamkritik ist, dass Islamisten darauf mit Gewalt reagieren, während Christen bei uns (noch?) auf Gewalt verzichten.

Es ist nicht die christliche Wurzel, die schlecht ist. Vielmehr wurde "Unkraut" auf's "Feld" gestreut und damit begann es inmitten der Christenheit zu "wuchern". Darunter gab es aber auch immer wieder "Weizen", wie Dietrich Bonhoeffer und Maximilian Kolbe.

Wenn eine Religion fast nur Unkraut und dazwischen ab und an Weizen hervorbringt, dann hat der Religionsstifter was falsch gemacht. Kann so eine Religion wirklich von Gott gewollt sein?

Ja, allerdings gibt es einen erheblichen Unterschied zwischen dem Kommunismus, den Nationalsozialismus und dem Christentum. In den politischen Ideologien ist bereits die Gewalt werkimmanent enthalten. Die jesuanische Botschaft ist hingegen eine gute Botschaft und ausgsprochen friedvoll. Die Gründungsgeschehen sind sehr verschieden.

Ja, nein, ja. Wie weiter oben: wäre die Heilige Schrift nur die Vierfachversion der Evangelien, würde ich dir recht geben, was die Friedfertigkeit betrifft. Die Gewalt ist aber werkimmanent in der Bibel enthalten. Und sie führte zu Gewaltexzessen. Da sehe ich Parallelen zu Heilsideologien wie dem Kommunismus. In sich friedfertig und paradiesisch, aber die Wurzeln voller Gewalt und Blutorgien.

Die Eltern gehöre einer Gemeinschaft in der ev. Kirche an. Diese ist eigentständig und gilt als Sondergemeinschaft

Ah, also nicht die "normale" evangelische Kirche, sondern eine besonders bibelnahe Sondergemeinschaft. Die evangelische Kirche ist halt viel diffuser als die katholische. Die Abgrenzung an den ausfransenden Enden zu extremeren Gruppen ist da schwieriger (und selbst das gibt es auch bei der RKK: Opus Dei, Militia Jesu Christi usw.). Für mich schwer zugreifen - ich bin bei solchen Sondervereinen von Natur aus skeptisch, bin da aber natürlich befangen. Für mich ist das Christentum eben nicht durchwegs positiv besetzt - ich sehe die Geschichte und die aktuellen Tendenzen der Radikalisierung (Freikirchen nehmen zu,. Neuapostolen haben Zulauf, Kreationismus-Gläubigkeit schwappt aus den USA zu uns rüber usw.) eben auch.

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