Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

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Novas
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#51 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Novas » Fr 17. Feb 2017, 14:24

Stromberg hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Wir kommen hier nicht weiter, wenn Du immer nur begründen möchtest, weshalb das biblische Christentum höherwertig ist und der Islam minderwertig.
Stimmt.
Denn wenn richtigen Aussagen nicht zugestimmt wird, weil man sie begründungslos als nicht richtig klassifiziert haben möchte kann es ein Weiterkommen grundsätzlich nicht geben. Du kannst seine Argumente mit "Propaganda"-Vorwürfe übergehen und dabei auf einer Stelle verharren.


Ich sage nur, wie es ist: es gibt neben dem Christentum einige weitere Weltreligionen, die ebenfalls ein Existenzrecht haben. Ganz unabhängig davon ob die Christen ein Verständnis für diese Religionen und ihre spirituelle Tradition entwickelt haben oder nicht. Glaubst Du, dass ein Konfliktmodell zukunftsfähig ist, in dem man mit einer ständigen „Wir-gegen-die Anderen“-Mentalität agiert? Es ist sehr zweifelhaft, dass die 1,6 Milliarden Muslime (Anzahl steigend, nicht abnehmend) auf magische Weise Christen werden. Wir müssen akzeptieren, dass wir mit ihnen Planeten Erde bewohnen und das Beste daraus machen.

Novas
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#52 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Novas » Fr 17. Feb 2017, 15:55

Tyrion hat geschrieben:Es ist interessant und irgendwie auch witzig, wie ein Thread, der die Sicht von Gläubigen (hier vor allem Christen, da in diesem Forum in der Überzahl) auf Atheismus beleuchtet, zu einer Diskussion rund um den Islam ausfranst

Das stimmt :) nunja, viele Menschen werden Atheisten, weil sie die „Wir-gegen-Sie-Mentalität“, als störend empfinden. Leider kann diese Mentalität aber auch bei vielen Atheisten beobachtet werden. Sie haben diese nicht hinter sich gelassen, nur weil sie die Religion hinter sich gelassen haben. „Die“ Religion ist nicht das Problem, sondern diese Denkmuster. Da genügt es nicht, wenn immer wieder gesagt wird, dass „die Anderen“ das Problem sind. Ist es nicht am vernünftigsten, wenn wir immer zuerst bei uns selbst beginnen?

Gut, eine Gemeinsamkeit gibt es da zwischen Islam und Christentum: "Gottlosigkeit" ist für beide ein Schimpfwort. :silent:

Das Wort „God“ klingt nicht ganz grundlos wie „good“ , denn das Göttliche und Heilige wird immer mit dem Guten identifiziert. Gott wird in der christlichen Theologie auch als „summum bonum“ (griechisch τὸ ἀγαθόν), also das höchste vollkommene Gute verstanden. Wirkliche Gottlosigkeit besteht darin, dass ein Mensch einen schlechten Charakter hat, in der Verachtung des Guten, nicht in der bloßen Ablehnung eines Glaubensbekenntnisses. Wobei ich der Ansicht bin, dass ausnahmslos jeder Mensch an eine bestimmte Weltanschauung glaubt. In diesem Sinne sind wir alle „gläubige Menschen“. Mich interessiert nicht, woran Du nicht glaubst, mich interessiert nur, woran Du glaubst. Wenn wir darüber sprechen würden, könnten wir wohl leichter eine gemeinsame Basis finden.

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Detlef
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#53 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Detlef » Fr 17. Feb 2017, 20:18

Novalis hat geschrieben: Wobei ich der Ansicht bin, dass ausnahmslos jeder Mensch an eine bestimmte Weltanschauung glaubt. In diesem Sinne sind wir alle „gläubige Menschen“. Mich interessiert nicht, woran Du nicht glaubst, mich interessiert nur, woran Du glaubst. Wenn wir darüber sprechen würden, könnten wir wohl leichter eine gemeinsame Basis finden.
Meinst du jetzt "glauben" im Sinne von "Fürwahrhalten", oder "Glaube" als religiöse Überzeugung?
Die Wahrheit lässt sich pachten, mit dem Glauben an des Gottes Sohn, doch die Thesen sind vergänglich, allen Gläubigen zum Hohn! (Gert Reichelt)

JackSparrow
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#54 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von JackSparrow » Fr 17. Feb 2017, 22:21

Novalis hat geschrieben:Das Wort „God“ klingt nicht ganz grundlos wie „good“ ,
Eigentlich schon. Die Wörter sind nicht verwandt.

Ganz im Gegensatz zu gießen und Guss, englisch gut und griechisch chutos (= ausgegossen). Gott und god entspringen nämlich den Trankopfern der Germanen.

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Tyrion
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#55 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Tyrion » Sa 18. Feb 2017, 16:24

Wikipedia hat es, finde ich, gut zusammengefasst:

Der Wortstamm von Gott ist sehr alt, nur im germanischen Sprachraum anzutreffen und außerhalb unbekannt.[1] Bezeichnungen sind mittel- und althochdeutsch got, gotisch guþ, englisch god und schwedisch gud.

Die Germanen verehrten nachweislich durch sprachliche Evidenzen den indogermanisch ererbten urgermanischen Himmelsgott Tiwaz.[2] Der Name geht zurück auf die indogermanische Form für den „Gott“, *deiwos.[3] Hierbei handelt es sich um eine bereits urindogermanische Vrddhi-Ableitung zum Wort *djew- „Himmel“. Die Personifizierung *djeus ph2tÄ“r „Vater Himmel“ findet sich wieder im griechischen Zeus Ζεῦ πάτερ (Zeu páter, Vok. zu Ζεῦς, Gen. Διός – neugriechisch Δίας, Dias), dem römischen Jupiter (vom Vokativ *Dioupater zum Nominativ DiÄ“spiter), dem vedisch-altindischen Dyaus Pita und dem illyrischen Δει-πάτυρος (Dei-páturos griech.; deutsch himmlischer Vater).[4] Alle diese Formen können auf das Wort dyaus zurückführen, das als „Erscheinung“ oder „Strahlung“ übersetzt wird. Dieses Wort liegt wiederum mit seiner Ableitung *deiwos dem altindischen deva und dem lateinischen deus als Begriffe für Gott zugrunde. Sprachlich verwandt ist althochdeutsch Ziu bzw. altnordisch Tyr.[5]

Für die Herkunft des germanischen Wortes „Gott“ wird davon ausgegangen, dass der Begriff aus dem substantivierten zweiten Partizip des indogermanischen *ghuto-m der Verbalwurzel *gheu- „(an)rufen“ entstanden ist. Danach wäre Gott das (auch durch Zauberwort) angerufene Wesen. Weiter kann es auf die indogermanische Verbalwurzel *gheu- „gießen“ zurückgeführt werden, wonach Gott als „das, dem (mit) Trankopfer geopfert wird“ zu verstehen wäre.[6] Das griechische theói steht ebenfalls etymologisch mit dem Verb thýein „opfern“ zusammen, wie das Simplex theós (Gott) durch Entsprechungen im anatolischen Wortschatz das Votivobjekt des Altars etymologisch bezeichnet.[7] Das Standardnachschlagewerk, Kluges Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bestärkt die Vermutung einer Ableitung von „gießen“ oder Trankopfer durch Vergleich zum Avestischen und Altindischen.[8] Wolfgang Meid fügt hierzu an: „Dies ist aber grammatisch unplausibel, denn ‚gegossen‘ wird der Trank, nicht der Gott“.[9]

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Gott

Ganz klar ist es also nicht, woher der germanische Begriff stammt. Dass aber Deus, Zeus, Deiwos und selbst Jupiter den gleichen Ursprung haben, zeigt, dass eben die Indoeuropäer bereits den Glauben an einen obersten Gott hatten. Dass in der germanischen Mythologie später Uuoadan (Wotan, der wütende Wind, der Herr über das Totenheer) bzw. Odin (gleiche Wortwurzel) im Norden den Tiwaz, später Thiuz (habe hier nicht die Sonderzeichen) der Germanen ersetzt hat, ist davon unabhängig. Loki kam ja auch später (möglicherweise durch Kontakt mit Christen), wäre aber eine eigene Geschichte.

Das Umdeuten von Begriffen wie Gott kommt von Gut ist hier ein Beispiel reiner Volksetymologie. Gottlos heißt nicht "böse", sondern nur, nicht an den Gott glaubend, an den man selbst glaubt. Dass das als böse dargestellt wurde, ist klar.
Man kann aber den Begriff gottlos als Schimpfwort nicht schönreden. Es ist eben ein sprachlicher Rest der früheren Intoleranz allen Andersgläubigen (und -denkenden) gegenüber.

Novalis hat geschrieben:Das stimmt :) nunja, viele Menschen werden Atheisten, weil sie die „Wir-gegen-Sie-Mentalität“, als störend empfinden. Leider kann diese Mentalität aber auch bei vielen Atheisten beobachtet werden. Sie haben diese nicht hinter sich gelassen, nur weil sie die Religion hinter sich gelassen haben. „Die“ Religion ist nicht das Problem, sondern diese Denkmuster.

Da gebe ich dir durchaus recht. Aber ich bin eben der Meinung, dass gerade Religionen (und zwar die, die durch exklusives Heil durch sei werben), dieses Denkmuster verstärken und zementieren. Es wird ein "wir oder ihr", die Gemeinschaft der Gläubigen oder die gottlosen Hunde, die Schweine, die Säue, das Otterngezücht. Nicht von ungefähr bedienen sich exklusives Heil versprechende Religionen verbal so herabwürdigender Floskeln (Christentum, Islam usw.). Das hat mit dem Selbstverständnis zu tun (wir haben die Wahrheit, nur wir - daher auch der Missionsgedanke, denn alle Welt muss ja meine Weltsicht übernehmen, da ja nur ich die Wahrheit gepachtet habe - so spricht dann der "wahre Christ"?).

Wirkliche Gottlosigkeit besteht darin, dass ein Mensch einen schlechten Charakter hat, in der Verachtung des Guten, nicht in der bloßen Ablehnung eines Glaubensbekenntnisses.

Auch wenn du es hier differenzierst - manche setzen in der Tat Atheismus mit schlechtem Charakter gleich. Das ist dann zutiefst diskriminierend. Und sagt man, Gottlosigkeit zeugt von schlechtem Chrakter, dann fehlt recht bald dein Disclaimer und es heißt eins zu eins: wer kein Christ ist, hat einen schlechten Charakter (du meinst das jetzt nicht so, ich weiß). Aber unterschwellig spielt das in der Begrifflichkeit mit hinein. Dann die Paulusbriefe dazu, in denen er sich über die Gottlosen auslässt... passt dann gut zusammen.

Wobei ich der Ansicht bin, dass ausnahmslos jeder Mensch an eine bestimmte Weltanschauung glaubt. In diesem Sinne sind wir alle „gläubige Menschen“. Mich interessiert nicht, woran Du nicht glaubst, mich interessiert nur, woran Du glaubst. Wenn wir darüber sprechen würden, könnten wir wohl leichter eine gemeinsame Basis finden.

Gut möglich und wäre positiv. Die Frage ist, was du mit Glauben verstehst. Glaube an übernatürliche Wesen, an Superhelden mit tollen Kräften oder Glaube im allgemeinen Sinn. Ich glaube einem Menschen, wenn er mir etwas sagt wie "morgen um 10 Uhr bin ich wie besprochen vor Ort". Warum sollte ich das anzweifeln? Natürlich glaube ich das, ohne zu wissen, ob der Mensch dann erscheint. Insofern ist die Frage, inwieweit du dieses komplett andere Denkmuster "es gibt keinen Gott, gar keinen" überhaupt als möglich annimmst. Viele Gläubige finden das dermaßen abstrus, dass sie dem Gegenüber nicht abnehmen, wirklich nicht an Gott zu glauben. Dann kommen hilflose Bekehrungsversuche und dann am Ende Ablehnung. Dazwischen wird Widerspruch als Verhöhnen des einen, wahren Gottes angesehen (da jeder Zweifel an sich ja Blasphemie sind) und wir sind mitten in der Spirale. Eine Spirale, die anstrengend, nervig und unnötig, ja sogar destruktiv ist.

Gott existiert nicht und existierte nie, der Heilige Geist ist eine Illusion und Jesus, sollte er gelebt haben, ist ein Mensch, der bestialisch hingerichtet wurde. Warum ist diese Auffassung so provokant für die, die diese Auffassung nicht teilen?
Oder wird es erst dann provokant, wenn es argumentativ gegen Dinge wie z.B. die Bibel geht, die ein Nichtgläubiger offensichtlich (so wie auch ich) schnell als menschenverachtend und gewaltverherrlichend ansieht - wobei ich jetzt bewusst "ansieht" geschrieben habe und nicht "ist".

Wo ist die Grenze erreicht, ab wann wird man als Gläubiger zu sehr provoziert?

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Andreas
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#56 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Andreas » Sa 18. Feb 2017, 17:53

Tyrion hat geschrieben:Wo ist die Grenze erreicht, ab wann wird man als Gläubiger zu sehr provoziert?
1religion ist im Rahmen
2religion ist erträglich
3religion ist grenzwertig
4religion ist drüber

Pluto
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#57 Re: Atheismus - Freiheit, Provokation oder Verbrechen?

Beitrag von Pluto » Sa 18. Feb 2017, 19:00

Andreas hat geschrieben:
Tyrion hat geschrieben:Wo ist die Grenze erreicht, ab wann wird man als Gläubiger zu sehr provoziert?
1religion ist im Rahmen
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4religion ist drüber
Lieber Andreas,
Es ist gut, dass du Kritik übst. Allerdings glaube ich, du verkennst den Sinn eines Forums, insbesondere von 4religion.de

Ein Forum wo alle sich gegenseitig bestätigen, wo also Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung herrscht wird sehr schnell langweilig. Erst durch die User und ihre unterschiedlichen Aussagen wird so ein Forum richtig lebendig. Deshalb bin ich persönlich froh über die Vielfalt der Meinungen und der unterschiedlichen Menschen die hier herrschen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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